Univ. Prof. Dr. Pabinger-Fasching, Fachärztin für Innere Medizin, lehrt Hämostaseologie an der Medizinischen Universität in Wien und stellvertretende Leiterin der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, beantwortet im Video "Formen von Hämophilie" folgende Fragen:
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Welche Formen der Hämophilie gibt es?
Es gibt zwei Formen von Hämophilie:
- die Hämophilie A, wo der Faktor VIII vermindert oder fehlend ist,
- und die Hämophilie B, bei der der Faktor IX vermindert oder fehlend ist.
Im Wesentlichen sind diese zwei Formen in ihrer klinischen Ausprägung vergleichbar. Aber es ist sehr wichtig, dass die Therapie speziell angepasst wird beziehungsweise bestimmte Medikamente angewendet werden, die eben nur für die Hämophilie A beziehungsweise nur für die Hämophilie B wirksam sind.
Welche Schweregrade können auftreten?
Man unterscheidet sowohl bei der Hämophilie A als auch bei der Hämophilie B drei Schweregrade:
- einerseits die schwere Hämophilie, bei der Faktor VIII beziehungsweise Faktor IX unter 1 Prozent ist, also eigentlich gar nicht vorhanden,
- dann gibt es, und das sind die selteneren Formen, die mittelschwere Hämophilie oder moderate Form mit Faktorenkonzentrationen 1 bis 5 Prozent,
- und die leichte über 5 Prozent bis 40 Prozent. Das wäre dann schon darüber der Normalwert.
Wichtig ist hier zu betonen, dass praktisch nur bei der schweren und bei der mittelschweren Form Spontanblutungen auftreten, und dass bei diesen Formen eine primäre vorbeugende Behandlung wichtig ist, während bei der leichten Form Blutungen bei Verletzungen, bei Operationen auftreten.
Der Informationsgrad, den dann Patienten über ihre Erkrankung haben, ist meistens bei der schweren Form besser als bei den leichten Formen.
Wie unterscheiden sich Hämophilie und Von-Willebrand-Syndrom?
Sie unterscheiden sich einmal im klinischen Bild: Die meisten Patienten mit Von-Willebrand-Syndrom (VWS) haben nicht so schwere Formen. Es gibt eine schwere Form des Von-Willebrand-Syndroms, der Typ 3, der ganz ähnlich ist einer schweren Hämophilie A oder B.
Aber vor allem unterscheiden sie sich, indem beim Von-Willebrand-Syndrom der Von-Willebrand-Faktor vermindert ist. Und der Faktor VIII dann je nach Ausprägung des Von-Willebrand-Syndroms kann auch vermindert werden, aber nicht, weil der Faktor VIII vermindert gebildet wird, sondern weil sein Trägerprotein vermindert ist.
Also in der Diagnostik kann man diese beiden Formen, muss man sie auch unterscheiden, und, sehr wichtig, die Therapie ist eine andere: Patienten mit Hämophilie erhalten Faktor-VIII- oder Faktor-IX-Konzentrate, und Patienten mit Von-Willebrand-Syndrom erhalten Konzentrate, bei denen Von-Willebrand-Faktor enthalten ist.
Gibt es Unterschiede bei der Behandlung der verschiedenen Erkrankungsformen?
Wenn wir die Hämophilie A und die Hämophilie B betrachten, gibt es ganz wesentlich die Notwendigkeit, beim Faktor-VIII-Mangel, also bei der Hämophilie A, Faktor-VIII-Konzentrate zu verwenden, bei der Hämophilie B Faktor-IX-Konzentrate.
Zusätzlich gibt es noch einen Aspekt bei der leichten Form der Hämophilie A, wo man Alternativen, die keine Faktorenkonzentrate sind, verwenden kann, nämlich alternative Behandlungsformen, das Desmopressin, bei dem dann der Faktor VIII aus Endothelzellen freigesetzt wird und für die Gerinnung zur Verfügung steht.
Was ist erworbene Hämophilie?
Erworbene Hämophilie tritt sehr selten auf und interessanterweise eher in höherem Alter beziehungsweise in sehr hohem Alter. Das betrifft Patienten, die ihr Leben lang eine normale Gerinnung hatten und keine Blutungsprobleme, auch nicht nach Operationen. und dann kommt es durch immunologische Vorgänge plötzlich zu einer Verminderung von Faktor VIII, viel seltener von Faktor IX. Und diese Patienten brauchen eine spezielle Therapie, weil die Substitution sehr oft nicht ausreicht.
Formen von Hämophilie auf den Punkt gebracht
Das wichtigste, wenn wir die zwei Formen von Hämophilie betrachten, einerseits Hämophilie A und Hämophilie B, ist, dass wir unterschiedliche Medikamente für die Behandlung brauchen: Ein Faktor-VIII-Konzentrat würde einem Patienten mit Hämophilie B nichts helfen, und auch umgekehrt. Und das ist nicht nur wichtig, dass das Patienten und deren Angehörigen wissen, dass sollen auch Ärzte wissen, die nicht täglich mit der Hämophilie zu tun haben.
Wenn wir jetzt in Bezug auf die Schweregrade diese Situation betrachten, so kommt es mir vor, dass es manchmal für leichte Hämophile besonders schwierig ist, ihre Erkrankung deutlich zu machen und auch die notwendige Behandlung einzufordern, weil oft das nicht so bekannt ist und nicht so geglaubt wird und nicht so akzeptiert, weil der Patient ja eigentlich gesund aussieht.
Die Hämophilie wird in die Formen A und B unterteilt. Beide Varianten können in verschiedenen Schweregraden vorliegen. Unterschieden wird außerdem zwischen vererbter und erworbener Bluterkrankheit.
Hämophilie A
Die häufigste Form ist die Hämophilie A, bei der es den Betroffenen an Gerinnungsfaktor VIII mangelt beziehungsweise dessen Aktivität vermindert ist. Etwa den Hälfte Hämophilie-A-Patienten sind behandlungsbedürftig. Darunter sind sowohl moderate als auch schwere Fälle. Erste Symptome zeigen sich manchmal schon nach der Geburt, z. B. durch eine Nabelschnurblutung.
Hämophilie B
Wenn Sie unter dieser Ausprägung der Bluterkrankheit leiden, mangelt es Ihnen am Gerinnungsfaktor IX. Mit einem Anteil von rund 15 Prozent ist die Hämophilie B wesentlich seltener als der Typ A. Wie diese Form der Hämophilie behandelt wird, erfahren Sie in der Schulung “Hämophilie B behandeln”.
Abgrenzung zum von-Willebrand Syndrom
Im weiteren Sinne zählt auch das von-Willebrand-Syndrom zu den Hämophilien. Dieses betrifft circa ein Prozent der Bevölkerung. In Deutschland leben derzeit rund 800.000 Menschen mit dieser Erkrankung, von denen circa 10.000 behandlungsbedürftig sind. Während die Hämophilie in der Regel schon im frühen Kindesalter diagnostiziert wird, fällt das von-Willebrand-Syndrom häufig erst im Zusammenhang mit einer Operation auf. Die schwerste Verlaufsform dieser Krankheit stellt der Typ 3 dar, der zusätzlich zu Willebrand-typischen Blutungen auch von Gelenkblutungen betroffen ist wie Hämophile. Beim von-Willebrand-Syndrom wird ein bestimmtes Eiweiß, der von-Willebrand-Faktor (VWF) nur unzureichend gebildet oder es ist in seiner Funktion gestört. Der VWF sorgt normalerweise dafür, dass sich die Blutplättchen miteinander bzw. mit der Gefäßwand verbinden. Er dient überdies als natürliches Trägerprotein für den Faktor VII und schützt diesen dadurch von einem zu schnellen Abbau. Durch sein Fehlen kann somit auch die Faktor-VIII-Aktivität vermindert sein, allerdings nicht, weil der Faktor nicht ausreichend gebildet wird, sondern weil er durch das fehlende Trägerprotein schneller abgebaut wird. Betrifft die Hämophilie fast ausschließlich Männer, tritt das von-Willebrand-Syndrom bei beiden Geschlechtern in gleichem Maße auf. Frauen sind im Zusammenhang mit der Menstruation jedoch häufiger behandlungsbedürftig. Im Gegensatz zur Hämophilie, die mit Gelenkbluten einhergeht, äußert sich das von-Willebrand-Syndrom hauptsächlich in Schleimhautblutungen. Ist aber zugleich der Faktor VIII erniedrigt, können auch Gelenkblutungen auftreten.
Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit Univ. Prof. Dr. Pabinger-Fasching entwickelt: Stand Jänner 2017