Die Diagnose Multiples Myelom bringt nicht nur Unsicherheiten rund um die medizinische Behandlung mit sich, sondern belastet auch die Psyche, das soziale Umfeld sowie die Finanzen. Sie stehen plötzlich vor vielen Fragen, die Ihren Alltag, Ihre berufliche Situation und Ihre Zukunft betreffen. Ziel dieser Schulung ist es, Ihnen auf Ihrem Weg durch diese herausfordernde Zeit mit kompaktem Wissen, alltagsnahen Tipps und verständlichen Erklärungen zur Seite zu stehen. Sie erhalten einen umfassenden Überblick darüber, welche Unterstützungs- und Hilfsangebote Ihnen zustehen, was Sie bei der Beantragung beachten müssen und wie Sie Ihre Lebensqualität aktiv fördern können.
Einleitung durch Sabine Mahner, Dipl. Sozialarbeiterin (FH), Psychoonkologin (DKG)
Mein Name ist Sabine Mahner. Ich bin Sozialarbeiterin und Psychoonkologin und arbeite schon sehr lange in der Onkologie mit Krebspatienten, mit Patienten mit Multiplem Myelom. In den folgenden Schulungen geht es darum: welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es noch? Was ist noch so neben den medizinischen, klassisch medizinischen Themen wichtig? Auch um sozialrechtliche Themen geht es und berufliche Aspekte und solche Dinge.
Hier geht es zur Einleitung des Kurses: „Unterstützung bei Multiplem Myelom“
Finanzielle Unterstützung bei Multiplem Myelom
Wer zahlt meine Therapie-, Fahr- und Hilfsmittelkosten?
Alle erforderlichen medizinischen Therapien und auch Hilfsmittel werden in der Regel von den gesetzlichen und auch den privaten Krankenkassen übernommen. Da sehe ich keine Probleme. Es gibt eine spezielle Sache bei Krebspatienten oder auch Patienten mit Multiple Myelom: die Fahrten zu ambulanten Behandlungen, Chemotherapie , Bestrahlung oder auch zur Immuntherapie bekommt man durch Taxifahrten übernommen. Man hat dann so eine kleine Zuzahlung pro Fahrt von fünf oder 10€. Und auch sonst muss man ja auch für Medikamente immer wieder Zuzahlungen leisten. Und auch da gibt es die Möglichkeit: mit so einer Erkrankung gilt man als chronisch krank. Das muss man über den Hausarzt/ dieHausärztin bei der Krankenkasse nachweisen und dann muss man weniger Zuzahlungsleistungen leisten.
Welche finanziellen Hilfen stehen mir als Patient:in mit Multiplem Myelom zu?
Wenn man ganz normal arbeitet, also erwerbsfähig ist und einen Job hat, ist man ja in der Regel normal sozialversichert mit Renten- und Krankenversicherung. Und es ist so, dass wenn man krankgeschrieben ist, natürlich in der Regel der Arbeitgeber sechs Wochen Lohnfortzahlung macht und dann greift das Krankengeld und man kriegt es für einen Zeitraum von drei Jahren. Für dieselbe Diagnose bekommt man anderthalb Jahre – in der Regel – Krankengeld. Wenn man dann zwischendurch eine Rehamaßnahme macht, die wird ja von der Rentenversicherung bezahlt, muss man bei der Rentenversicherung für die Zeit Übergangsgeld beantragen, aber das Krankengeld verlängert sich nicht.
Was bedeutet Krankengeld für mich?
Das Krankengeld ist ja in der Regel schon deutlich weniger. Also 75% bis 90% des letzten Netto. Das reicht bei vielen Betroffenen aus, um auch Schwierigkeiten zu haben, seinen Lebensunterhalt weiter stemmen zu können. Man kann natürlich dann ergänzend auch Sozialleistungen beantragen, also Bürgergeld zum Beispiel. Und dann gibt es für besondere Notlagen auch die Möglichkeit, über die Deutsche Krebshilfe zum Beispiel, einen Härtefonds zu beantragen. Das ist aber wenn Menschen ungefähr auf dem Bürgergeld-Niveau sind, dann kann es tatsächlich möglich sein, da noch mal Unterstützung zu bekommen, einmalig.
Wer unterstützt mich bei der Beantragung finanzieller Leistungen und sozialrechtlichen Fragen?
Die Beantragung von sozialrechtlichen Leistungen oder auch Beratung, das macht der Sozialdienst der Kliniken. Und darüber hinaus ist die Besonderheit bei Krebserkrankungen und natürlich auch bei dem Multiplen Myelom, dass es flächendeckend diese psychosozialen Krebsberatungsstellen geben, die neben psychoonkologischer, psychologischer Unterstützung auch sozialrechtliche Beratung anbieten. Und da kann man mit allen Anträgen und Fragen auch immer gut hingehen und die helfen einem auch bei der Beantragung von Sozialleistungen oder verweisen bei Bedarf dann weiter.
Hier geht es zum Video-Interview: „Finanzielle Unterstützung bei Multiplem Myelom“
Arbeit, Beruf und Wiedereinstieg bei Multiplem Myelom
Kann ich während der Therapie des Multiplen Myeloms weiterarbeiten?
Während der Therapie kann man in Absprache mit den Ärzten/der behandelnden Ärztin immer weiterarbeiten. Das bekomme ich oft mit, dass manchmal auch eine Arbeit, wenn es irgendwie leistbar ist, unterstützend sein kann. Und manche sind gleich krankgeschrieben, weil sie sich vielleicht nicht konzentrieren können oder sich auf die Therapie konzentrieren wollen. Aber da gibt es auch alles. Man kann weiterarbeiten. Das Besondere bei dem Multiplen Myelom ist, dass es ja oft so eine Entwicklung ist, dass das erst mal lange beobachtet wird, soweit ich weiß, und dass irgendwann dann eine Behandlungsbedürftigkeit eintritt. Und da ist es so, dass man natürlich immer wieder arbeitet, vielleicht krankgeschrieben ist, arbeitet, krankgeschrieben ist. Und da halte ich es für wichtig zu wissen, dass man natürlich gucken muss: wann kriege ich Krankengeld, wann kriege ich meinen Lohn? Das erfordert so ein bisschen eine genauere Buchführung, finde ich.
Was bedeutet Wiedereingliederung?
Die Zeit des Krankengeldes ist eigentlich dafür gedacht, dass man die Therapie bekommt, vielleicht sogar eine Rehamaßnahme und danach wieder in den Beruf zurückkehrt. Und da gibt es dieses Modell der stufenweisen Wiedereingliederung. Und ich würde auch immer empfehlen, das stufenweise zu machen. Wenn man viele, viele Monate, manchmal ja ein Jahr krankgeschrieben ist, dann macht man einen Stufenplan meistens mit dem behandelnden Hausarzt/Hausärztin oder auch im Rahmen von der Rehamaßnahme kann das gemacht werden. Und dann schaut man tatsächlich – das ist innerhalb von sechs Wochen oder so drei Monate ungefähr – dass man zusätzlich im Betrieb ist. Man bekommt das Krankengeld weiter. Das ist eine Arbeitserprobung. Das ist ganz wichtig. Man ist zusätzlich im Betrieb. Man bekommt ja auch kein Gehalt oder Lohn, sondern bekommt das Krankengeld weiter und es ist wichtig, dass man das mit den behandelnden Ärzten begleiten oder von den behandelnden Ärzten begleiten lässt, um zu gucken: kann ich vielleicht schon schneller irgendwie meine Stunden täglich aufstocken oder gehe ich wieder ein bisschen zurück? Und so kann ich mich sozusagen wieder an meinen Arbeitsplatz zurückfinden und wieder gucken, ob das so funktioniert. Es gibt das BEM, das berufliche Eingliederungsmanagement. Das heißt, der Arbeitgeber hat auch eine Fürsorgepflicht und soll den Arbeitnehmer, der länger krank ist, auch unterstützen beim wieder zurückfinden auf den Arbeitsplatz. Und da finde ich es wichtig, auch tatsächlich gute Kommunikation zu machen. Dinge zu sagen. Man sieht den Menschen oft nicht an, welche Probleme nach so einer Erkrankung da sind. So eine selektive Offenheit halte ich oft für wichtig. Man kann auch oder man sollte vielleicht auch Kontakt aufnehmen mit dem Betriebsrat, mit der Schwerbehindertenvertretung, um gemeinsam einen guten Weg zu finden. Und gute Kommunikation hilft nach meiner Erfahrung.
Welche Rechte schützen mich im Arbeitsleben mit einer Krebserkrankung?
Wenn ich eine Krebserkrankung habe, also auch ein Multiples Myelom, dann habe ich Anrecht auf einen Schwerbehindertenstatus. Und der schützt mich natürlich im beruflichen Kontext auf jeden Fall. Ich habe verbesserten Kündigungsschutz. Dann ist es auch so wenn man krankgeschrieben ist, dann verfällt der Urlaub zum Beispiel nicht, sondern der Urlaub wird sozusagen eine relativ lange Zeit aufgespart und man kann den dann nach der Erkrankung – es gibt dann auch Grenzen – aber danach noch mal nehmen und man hat eine Woche mehr Urlaub zum Beispiel. Also es gibt tatsächlich einen ganz guten Schutz bei einer Krebserkrankung. Der Arbeitgeber ist ja auch ein Stück verpflichtet, sozusagen im Rahmen seiner Fürsorgepflicht den Arbeitnehmer zu unterstützen, wenn er wiederkommt. Und es können auch Arbeitsplatz-Anpassungen vorgenommen werden. Die Betriebsärzte sind da auch gefragt und Betriebsräte, Schwerbehindertenvertretung, dass man im Rahmen von einem Eingliederungsmanagement, berufliches Eingliederungsmanagement, dass man da auch einen leidensgerechten Arbeitsplatz bekommt. Und meine Erfahrung ist gut miteinander reden. Man kennt ja selber seine Stelle, dass man da vielleicht auch sich selber schon Gedanken macht. Wie kann man denn den Beruf wieder danach ausführen?
Welche Leistungen fangen mich bei langer Krankheit auf?
Das Krankengeld geht ja normalerweise anderthalb Jahre und danach ist ja eigentlich die Idee, dass man wieder in den Beruf zurückkehrt. Und wenn man das nicht kann, dann gibt es als Lohnersatzleistungen die Erwerbsminderungsrente von der Rentenversicherung. Das ist, wenn man auf die Renteninfo, die man einmal im Jahr bekommt, schaut, die erste Zahl, das ist die Erwerbsminderungsrente, wenn man gar nicht mehr erwerbsfähig wäre. Und es kann aber auch eine Mischung zwischen beidem geben. Das heißt, es gibt auch die Möglichkeit eine halbe Erwerbsminderungsrente und zum Teil dann wieder zu arbeiten. Und aber in dem Moment, wo das noch nicht klar ist, aber das Krankengeld ausläuft und noch nicht klar ist: geht es Richtung Rente oder Arbeit – manchmal dauern Krebserkrankung tatsächlich ziemlich lange – kann man in der Zwischenzeit noch über die Arbeitsagentur Geld bekommen? Arbeitslosengeld 1, obwohl man einen Job hat. Das ist so ein bisschen so eine Besonderheit, die man vielleicht wissen sollte. Und spätestens, wenn tatsächlich das Krankengeld irgendwann ausläuft und absehbar ist, dass man den Wiedereinstieg in die Arbeit noch nicht gut oder noch nicht schafft, sollte man sich Beratung holen, weil das oft sehr individuell ist, welche Möglichkeiten dann für einen infrage kommen.
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Sozialrechtliche Fragen bei Multiplem Myelom
Brauche ich einen Schwerbehindertenausweis und welche Vorteile bringt er?
Ob ich einen Schwerbehindertenausweis brauche, das hängt auch ein bisschen von der Lebenssituation ab. Also wenn ich jemanden habe, der ist Rentner, zahlt auch eigentlich keine Steuern mehr, dann ist der Vorteil von einem Schwerbehindertenausweis relativ übersichtlich. Dann kommt man hier und da vielleicht mal günstiger irgendwo rein. Der Schwerbehindertenausweis bei jemandem, der im Erwerbsleben steht, das halte ich für wichtig. Da hat man die ganzen Nachteilsausgleiche. Man hat eine Woche in der Regel mehr Urlaub, man hat einen verbesserten Kündigungsschutz, man kann, wenn man lange genug eingezahlt hat, ohne die Abschläge vorzeitig zwei Jahre in Rente gehen. Also da sehe ich auf jeden Fall eher Vorteile beim Schwerbehindertenausweis. Und was vielleicht noch wichtig ist: der Ausweis wird ja in Grad der Behinderung angegeben. Und gerade bei dem Multiple Myelom ist es so, dass man am Anfang ja vielleicht, wenn das noch nicht behandlungsbedürftig ist, noch keinen hohen Grad der Behinderung hat. Und spätestens wenn es behandlungsbedürftig ist, hat man eine Behinderung von 50% oder sogar noch höher, je nachdem, welche Behandlung gemacht wird. Man kann bei dem Schwerbehindertenausweis auch jederzeit einen Erhöhungsantrag stellen. Zum Beispiel, wenn eine Stammzelltransplantation gewesen ist. Dann bekommt man meines Wissens auch einen Grad der Behinderung von 100 für eine gewisse Zeit. Das ist befristet und wird dann immer wieder überprüft. Was mir auch wichtig ist: der Grad der Behinderung hat nichts mit Arbeitsfähigkeit zu tun. Also es gibt Menschen, die sitzen im Rollstuhl und die haben einen Grad der Behinderung von 100, also das höchste und haben Merkzeichen, auch weil sie in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Und das hat nichts mit der mit ihrer Fähigkeit zu tun zu arbeiten. Der Schwerbehindertenausweis ist tatsächlich genau dafür da: Nachteile, die in der Teilhabe, im Alltag und der Gesellschaft bestehen, irgendwie auszugleichen. Jemand, der in seiner Mobilität eingeschränkt ist, bekommt dieses Merkzeichen für eine Gehbehinderung und kann dafür zum Beispiel günstiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Das ist so die Idee von dem Schwerbehindertenausweis und es sind in der Regel steuerliche Vorteile, die auch diesen höheren Aufwand oder diese Nachteile ausgleichen sollen.
Wie beantrage ich einen Grad der Behinderung?
Den Antrag auf den Schwerbehindertenausweis kann man im Internet runterladen. Das sind vier Seiten, dann kann man das beim Versorgungsamt abgeben mit einem aktuellen Arztbrief und einem Passbild. Das ist eigentlich einer der einfacheren Anträgen oder Formulare im Sozialrecht. Aber auch da erlebe ich immer wieder: bevor man jetzt wochenlang vor diesem Antrag steht, wenn man nicht weiß, wie man das ausfüllen soll, es gibt Sozialdienste in den Kliniken, es gibt Krebsberatungsstellen. Ich würde Sie wirklich ermuntern: lassen Sie sich helfen. Es gibt noch genug andere Dinge, die Sie machen müssen, wo man vielleicht nicht helfen kann, aber da würde ich auch gucken, wenn man merkt, es liegt rum, dass man sich tatsächlich Unterstützung holt.
Wann ist ein Pflegegrad sinnvoll und wie wird er beantragt?
Bei einem Pflegegrad geht es darum, wie stark man in der Selbstständigkeit eingeschränkt ist. Und zwar nicht nur vorübergehend, wie zum Beispiel nach dem Krankenhausaufenthalt, wo man natürlich oft geschwächt nach den Therapien vielleicht rauskommt, aber es dann irgendwann wieder besser geht, sondern beim Pflegegrad. Bei den Pflegeleistungen geht es tatsächlich darum, perspektivisch also mindestens ein halbes Jahr, Jahr, sozusagen, dass man in seiner Selbstständigkeit, in der Mobilität – da gibt es verschiedene Module – eingeschränkt ist. Da gibt es verschiedene Pflegegrade von 1 bis 5, je nach Ausprägung sozusagen der Hilfsbedürftigkeit. Und dann gibt es noch die Möglichkeit, Sachleistungen zu bekommen, also dass ein Pflegedienst zum Beispiel kommt oder Geldleistungen, dass man das Pflegegeld bekommt und eine Kombination von beidem. Und auch bei Pflegegeld ist es so oder beim Pflegegrad, bei der Beantragung vom Pflegegrad ist es so, das geht über die Krankenkasse, über die Pflegekasse dann, das kann man selber machen. Dann kommt jemand vom medizinischen Dienst der Krankenkassen oder Pflegekassen und begutachtet einen. Und auch da ist es so: Pflegeleistungen sind ein sehr komplexes Thema. Es gibt flächendeckend in Deutschland sogenannte Pflegestützpunkte, die nichts anderes machen, als Menschen zu unterstützen in der Beantragung oder beim Erklären von Pflegeleistungen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Sozialrechtliche Fragen bei Multiplem Myelom“
Unterstützung im Alltag bei Multiplem Myelom
Welche Dienste entlasten mich bei Pflege, Haushalt und Mobilität?
Wenn ich Unterstützung im Alltag brauche, vielleicht von einer Haushaltshilfe, oder ich brauche auch irgendwie Hilfsmittel wie einen Rollator, dann geht es in der Regel über die Hausärzte, über die Verordnungen. Das heißt, wenn ich Hilfsmittel benötige, dann ist immer gut daran getan, mit den Hausärzten Kontakt aufzunehmen. Und in der Regel kriege ich das bezahlt, was ich benötige. Wenn man aber perspektivisch länger Beeinträchtigungen hat, dann macht ein Pflegegrad vielleicht auch Sinn. Dann kann man darüber auch bestimmte Leistungen bekommen. Beim Hausarzt kann ich zum Beispiel über die häusliche Krankenpflege nach dem Krankenhausaufenthalt zum Beispiel Unterstützung verordnen lassen, dass zum Beispiel die Tabletten gerichtet werden oder dass eine Wundversorgung sozusagen übernommen wird. Das ist so tatsächlich oft direkt nach dem Krankenhausaufenthalt oder nach einer Therapie, dass man über die Krankenkasse häusliche Krankenpflege sozusagen da Leistungen bekommt. Oft ist es so: wenn die Therapie zu Ende ist und man von der Klinik entlassen wird, gibt es ein Entlassmanagement. Und da kriegt man noch mal genau Beratung. Die kennen einen ja, die wissen, wie die Situation ist. Die wissen auch in der Regel vielleicht, wie das Umfeld ist und auf was man Anrecht hat, was jetzt auch gerade Sinn macht. Die können das oft ganz gut einschätzen und da ist es gut, sich eine Beratung zu holen und dann an die speziellen Stellen zu gehen, wo man das beantragen kann. Zum Beispiel die Krankenkasse, oder wenn es um Pflege geht, der Pflegestützpunkte. Und gerade das Entlassmanagement der Sozialdienste am Ende von einem Krankenhausaufenthalt, der kann einen gut unterstützen.
Wie unterstützt mich eine onkologische Reha auf dem Weg zurück in den Alltag?
Da ich lange in der Rehaklinik gearbeitet habe, finde ich tatsächlich eine Rehamaßnahme oft sehr sinnvoll nach einer Krebserkrankung. Da hat man die Möglichkeit in der Regel stationär 3 bis 4 Wochen tatsächlich sich eine Auszeit zu nehmen, gezielt unter medizinischer Anleitung sich wieder auszuprobieren, sich zu stärken, Sport zu machen, letztendlich die ganzen Probleme, die vielleicht auch entstanden sind, durch die Erkrankung körperlich oder psychisch auch zu lindern und dann positiv wieder nach vorne zu gucken und wieder fit für den Alltag zu werden. Und es ist tatsächlich gut, eine Auszeit zu haben und man kriegt gesundheitsfördernde Maßnahmen dort angeboten. Man kann Ernährungsberatung machen und kriegt einen Input für Stressbewältigung. Also es ist, denke ich, eine Reha ist eine runde gute Sache, die einen dann wieder in den Alltag und dann auch wieder in den Beruf bringen kann. In der Regel wird eine Rehamaßnahme nach einer Krebserkrankung stationär gemacht und es gibt zwei Antragsverfahren sozusagen: es gibt einmal die direkt am Ende einer einer Akutherapie stehende sogenannte „Anschlussheilbehandlung“, das heißt, das kann der Kliniksozialdienst der letzten Stelle nur beantragen. Und es ist so ein Direkteinweisungsverfahren, dass man quasi innerhalb von wenigen Wochen in eine Rehaklinik gehen kann. Das ist eine Möglichkeit, das direkt im Anschluss zu machen. Und/oder man kann auch sagen: ich möchte erstmal keine Rehamaßnahme. Man kann das aber auch noch mal später machen, innerhalb von ein oder sogar zwei Jahren nach der Therapie kann man eine onkologische Reha bei der Rentenversicherung beantragen. Das ist auch ein bisschen so ein Formularpaket, aber da helfen Krebsberatungsstellen und Hausärzte, dass man da nochmal eine Rehamaßnahme machen kann innerhalb von ein oder zwei Jahren zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit. Das ist eine relativ großzügige Kannleistung der Rentenversicherung.
Was bedeutet Palliativversorgung und wann ist diese sinnvoll?
Von einer palliativen Situation spricht man in dem Moment, wo sozusagen nicht die Heilung im Vordergrund ist, sondern es letztendlich um ein Leben mit der Erkrankung geht. Und was man vielleicht auch nicht so weiß normalerweise ist, Palliativversorgung heißt nicht: das Lebensende ist jetzt irgendwie schon ganz nah, sondern es geht einfach darum, Symptome, die da sind, gut zu bekämpfen, Leiden zu lindern. Das ist ganz wichtig. In der Akutklinik ist oft so der Fokus eher tatsächlich auf der Bekämpfung der Erkrankung. Und ich kann mir das so nehmen als Bild, dass in der Palliativversorgung eher noch mal der Mensch im Vordergrund ist, die Lebensqualität. Und es gibt verschiedene Formen von Palliativversorgung. Es gibt Palliativstationen, wo man noch mal für ein, zwei Wochen hingehen kann, um die Symptome noch mal gut einstellen zu lassen und dann wieder entlassen wird. Es gibt ambulante palliative Versorgung, auch zur Verhinderung von Krankenhausaufenthalten. Dass dort Menschen einfach mit zum Beispiel Schmerzen oder so bei einer fortgeschrittenen Erkrankung gut unterstützt werden können, die dann eben nicht in die Klinik müssen. Und ich habe oft das Bild bei einer Palliativversorgung: man geht wandern, man geht in die Berge und man weiß, es kommt ein Unwetter, man weiß aber nicht wann. Und ich kann natürlich wandern gehen und sagen „naja, ich werde dann schon im richtigen Moment eine Schutzhütte finden und irgendjemanden, der mir seinen Schirm leiht oder so“… Und ich verstehe Palliativversorgung (oder eine frühe Anbindung an eine Palliativversorgung) auch so, dass ich mich vielleicht schon frühzeitig um den Regenschirm kümmere oder schon mal gucke „Wo sind denn die Schutzhütten?“ Und ich habe es eigentlich noch nicht erlebt, dass es zu früh war. Wenn es vielleicht zu früh ist, sagt der Anbieter oder die Brückenpflege oder was es dann ist „kommen Sie, wenn die und die Symptome da sind.“ Aber letztendlich hat man schon mal Kontakt aufgebaut und wenn es dann nötig ist, dann kann man dort hingehen und das ist, finde ich, ein bisschen wie mit dem Regenschirm losgehen. Dann habe ich auf jeden Fall was dabei und muss mich nicht drum kümmern, wenn es dann soweit ist, wenn es schwieriger wird.
Hier geht es zum Video-Interview: „Unterstützung im Alltag bei Multiplem Myelom“
Beratung und Selbsthilfe bei Multiplem Myelom
Wo finde ich Beratung, Schulungen und verlässliche Informationen für mich und meine Angehörigen?
Wo finde ich Beratung und Information? Das Internet ist voll davon. Es gibt ganz viele Informationen. Ich finde oft auch verwirrende Informationen. Um eine gute, seriöse Quelle zu finden, finde ich tatsächlich in den Kliniken zu fragen, wo man behandelt wird. Das ist immer eine gute Quelle für seriöse Informationen. Die Krebsberatungsstellen haben einen Rundumblick, sozusagen, was es für Informationen gibt. Was ist seriös im Internet? Es gibt die Deutsche Krebshilfe zum Beispiel. Es gibt einfach ein paar sehr seriöse Seiten. Aber ich wäre vorsichtig mit viel im Internet in irgendwelchen Foren recherchieren, müsste man mal gucken. Aber klar, die Selbsthilfegruppen haben auch viel Informationen, aber… ich würde mich glaube ich noch mal bei den Behandlern oder bei Krebsberatungsstellen absichern: was ist seriös? Wo kann man tatsächlich gute Informationen kriegen? Und ich bin ein Fan von persönlicher Beratung, zumindest ergänzend.
Welche psychologischen und ergänzenden Unterstützungsangebote gibt es?
In vielen Behandlungszentren gibt es Beratungsangebote, ergänzend, also zum Beispiel auch Ernährungsberatung oder Komplementärmedizin , Naturheilkunde. Es gibt oft viele Möglichkeiten, noch drumherum, oder Sportonkologie. Dann werden auch in den Kliniken oft psychologische Beratungen und Unterstützungen angeboten. Im ambulanten Bereich machen das die Krebsberatungsstellen auch. Da gibt es Gruppenangebote, Einzelangebote, Paar-, Familiengespräche, viele Angebote, um die Menschen zu unterstützen und in der Bewältigung zu unterstützen. Ich arbeite tatsächlich schon ziemlich lange in der Onkologie. Und ich habe das Gefühl, es gibt keinen goldenen Weg. Das ist jetzt genau das Richtige. Und den Weg müssen Sie gehen. Ich erlebe es oft, dass es tatsächlich ein Anpassen ist. Es ist ja so, dass am Anfang von der Diagnose einfach eine große Krise ins Leben kommt für die Erkrankten, aber auch für die Angehörigen. Und dass das schon wirklich eine Anpassung, ein Prozess ist. Was hilft mir, was hilft mir nicht und zum Beispiel auch mit Selbsthilfegruppen. Man muss gucken, die Menschen sind unterschiedlich. Bin ich der Typ für eine Selbsthilfegruppe, ist das eher nichts für mich. Ist es im Moment nichts für mich aber später? Und da finde ich es wichtig auszuprobieren, zu wissen, sich beraten zu lassen. Wo kann ich hingehen, um zu gucken, was tut mir gut, was tut mir nicht gut?
Was bringt mir der Austausch und Bewegung in Gruppen – online oder vor Ort?
Der Austausch online ist natürlich super zugänglich für alle. Das kann ich ständig und überall machen, natürlich auch irgendwie inkognito. Kann ich da in irgendwelchen Foren gucken. Das finde ich auch ganz wichtig. Wenn einem das liegt und der Austausch in Gruppen, höre ich immer wieder, wie wichtig das ist, zum Beispiel in Sportgruppen sich auszutauschen. Und das ist ja schon auch so, das glaube ich tatsächlich, wenn man selber nicht krank ist, kann man sich da nicht reinversetzen, wie es Ihnen mit so einer Erkrankung geht. Und ich habe es oft erlebt, dass dann tatsächlich so dieses Verständnis von Gleichbetroffenen und wenn man zusammen was macht oder so, dasd das auch ganz hilfreich ist. Und es ist überhaupt wichtig etwas selber, aktiv zu tun. Bei der Erkrankung kann man sich eigentlich nicht aussuchen, ob man jetzt eine Behandlung macht oder nicht. Aber ich kann drumherum vielleicht ganz viel machen, an meiner Gesundheit arbeiten oder aktiv mich hier oder da einbringen, in den Austausch gehen. Einfach diese Selbstwirksamkeit noch mal zu stärken, das finde ich wichtig.
Hier geht es zum Video-Interview: „Beratung und Selbsthilfe bei Multiplem Myelom“
Meine Nachricht an Sie
Ich mache Sozialrechtliche Beratung mit Krebspatienten und meine Erfahrung ist, je länger jemand krankgeschrieben ist, arbeitsunfähig wird oder auch tatsächlich vielleicht nicht mehr so in seinen Beruf reingehen kann, desto komplexer wird das Sozialrecht, desto schwieriger wird es auch irgendwie. Dann kommen Briefe ins Haus und man versteht das gar nicht mehr. Und ich finde es tatsächlich wichtig, sich Beratung zu holen. Entweder beim Kliniksozialdienst oder in den Krebsberatungsstellen. Die gibt es in ganz Deutschland, da kann man sich kostenlos einfach Termine holen. Und was mir auch wichtig ist tatsächlich die Angehörigen im Blick zu behalten. Das ist mir auch wichtig, dass 1/3 der Klienten in Krebsberatungsstellen sind, die Angehörigen, die können sich auch Unterstützung holen. Das finde ich wichtig. Es ist immer die gesamte Familie oder das Umfeld betroffen. Und dann habe ich noch tatsächlich einen Satz von einer Kollegin, die lange in der Onkologie gearbeitet hat. Das ist so ein bisschen ein Leitsatz für mich: „Wenn es schwere Zeiten im Leben gibt, schwere Themen im Leben gibt, dann ist es wichtig, immer wieder auch was Leichtes zwischendurch zu tun, um diese Schwere zu verdünnen.“ Und das ist vielleicht noch mein Wunsch an Sie, immer wieder was zu finden, um auch diese Zeiten, die schwer sind, zu verdünnen mit kleinen Inseln, wo sie vielleicht was Gutes oder was Schönes machen können.
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