In dieser Schulung erhalten Sie einen verständlichen Überblick über das Thema Anämie bei Myelofibrose . Sie lernen, warum eine Anämie in diesem Zusammenhang häufig auftritt, welche Behandlungsoptionen es gibt und wie der Alltag bei entsprechender Anpassung erleichtert werden kann.
Einleitung durch Dr. Jörg Chromik
Guten Tag, mein Name ist Jörg Chromik. Ich bin Hämato-Onkologe an der Universitätsklinik Frankfurt und beschäftige mich dort insbesondere mit myeloproliferativen Erkrankungen sowie mit Erkrankungen des myelodysplastischen Syndroms (MDS). Zu dieser Krankheitsgruppe gehört auch die Myelofibrose, auf die ich mich in meiner Sprechstunde besonders konzentriere. In diesem Rahmen betreue ich viele Patientinnen und Patienten, die an dieser Erkrankung leiden. Ein häufiges und bedeutendes Problem bei der Myelofibrose ist die Anämie. Sie zählt oft zu den ersten Symptomen der Erkrankung und ist nicht selten der Anlass für den ersten Arztkontakt, der schließlich zur Diagnose führt. In diesem Video möchten wir uns daher intensiv mit der Anämie im Zusammenhang mit Myelofibrose beschäftigen. Wir erläutern, wie es zu dieser Form der Blutarmut kommt und welche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Hier geht es zur Einleitung des Kurses: „Anämie bei Myelofibrose„
Anämie einfach erklärt
Was ist eine Anämie?
Eine Anämie beschreibt zunächst mal einen Begriff der Blutarmut, wie es umgangssprachlich gebraucht wird. Im medizinischen Kontext bezeichnet eine Anämie häufig einen niedrigen Hämoglobinwert, also den Wert des Blutfarbstoffwertes unterhalb der Normgrenze und kann letztlich in verschiedene Schweregrade eingeteilt werden, die dann unterschiedliche Relevanz für Patienten bedeuten.
Was sind rote Blutkörperchen?
Rote Blutkörperchen sind die Blutkörperchen unserer drei vorhandenen Blutkörperchen, die den Sauerstoff transportieren. Letztlich findet der Sauerstofftransport dadurch statt, dass in den roten Blutkörperchen das sogenannte Hämoglobin , der rote Blutfarbstoff gebunden ist, der dem Blut auch die rote Farbe verleiht. Und an dieses Hämoglobin wird Sauerstoff geknüpft und über die Erythrozyten, also die roten Blutkörperchen, durch den Körper transportiert und dort an die Organe und das Gewebe abgegeben, wo der Sauerstoff benötigt wird.
Welche Arten der Anämie gibt es und welche tritt bei Myelofibrose auf?
Die Arten der Anämie sind vielfältig. Anämie ist etwas, was viele Menschen betrifft. Man kann ungefähr sagen, dass ca. 5 % bis 10 % der Bevölkerung an Anämie leiden. Das betrifft insbesondere Frauen im Menstruationsalter, da sind es bis zu 20 %. Anämie kann man in verschiedene Kategorien grob einteilen. Anämie kann immer dadurch zustande kommen, dass entweder der rote Blutfarbstoff bzw. die roten Blutkörperchen zu wenig gebildet werden durch verschiedene Ursachen oder aber, dass der rote Blutfarbstoffwert bzw. die Erythrozyten abgebaut werden, was auch wiederum durch verschiedene Ursachen geschehen kann. Das heißt also Bildungsstörung und Abbaustörung der roten Blutkörperchen bedingen dann eine Anämie. Weitere Einteilungsmöglichkeiten der Anämie sind zum Beispiel nach Zellgröße, die betroffen sind, oder aber auch die Ursachen einer Bindungsstörung. So kann man zum Beispiel bei fehlendem Substrat, also den Baustoffen für rote Blutkörperchen, ein Mangel an Baustoffen einteilen. Das wäre der Klassiker, zum Beispiel die Eisenmangelanämie. Dann gibt es aber auch Anämien, die weniger von den Baustoffen abhängig sind, sondern eher von der Funktion des Knochenmarks. Das Knochenmark ist das Organ, in dem Blut hergestellt wird. Und wenn da Fehlfunktionen stattfinden, dann kann Blut auch nicht richtig hergestellt werden. Auf der Abbauseite zum Beispiel wäre die klassische Anämie eine Blutungsanämie, also wenn man sich verletzt hat, äußerliche oder innere Blutungen stattfinden, aber auch zum Beispiel ein Abbau der roten Blutkörperchen im Körper, also im Gefäßsystem, was zum Beispiel stattfinden kann, wenn Blutkörperchen durch das Immunsystem angegriffen werden oder aber auch in der Milz übermäßig abgebaut werden.
Hier geht es zum Video-Interview: „Anämie einfach erklärt“
Ursachen und Folgen einer Anämie bei Myelofibrose
Warum tritt Anämie bei Myelofibrose auf?
Die Anämie bei Myelofibrose kann verschiedene Ursachen haben. Dabei spielt die Krankheit selber eine Rolle. Bei der Myelofibrose findet eine Knochenmarksveränderung statt, die typischerweise der Blutbildung weniger Raum gewährt und dadurch weniger rote Blutkörperchen wachsen können in diesem Knochenmark. Zum Zweiten ist es aber auch so, dass die Myelofibrose mit Entzündungsreaktionen im Körper einhergeht und durch diese Entzündung der Aufbau und die Bildung von roten Blutkörperchen gestört sein kann. Auch die Bereitstellung von Eisen spielt dabei eine Rolle. Ein drittes Problem der Myelofibrose ist, dass häufig einhergehend mit der Erkrankung die Milz deutlich anschwillt und in der vergrößerten Milz Blutzellen schon frühzeitig, also vor Erreichen ihres eigentlichen Lebensalters, abgebaut werden. Insofern ist es eine Kombination aus einer Bindungsstörung der roten Blutkörperchen und einer Abbauproblematik in der häufig vergrößerten Milz.
Zu welchem Zeitpunkt der Myelofibrose-Erkrankung kann eine Anämie auftreten?
Die Anämie bei Myelofibrose ist ein häufig auftretendes Problem. Typischerweise entwickeln praktisch alle Patienten im Verlauf ihrer Erkrankung irgendwann eine Anämie. Wenn man sich statistisch die Zahlen anschaut, ist es so, dass schon bei Diagnosestellung der Erkrankung 1/3 bis zur Hälfte der Patienten eine Anämie aufweist, wovon ungefähr 25 % schon bei Diagnosestellung eine transfusionspflichtige Anämie haben, also eine deutlich ausgeprägte Anämie. Im weiteren Verlauf ist es so, dass circa nach einem Jahr nach Diagnosestellung 2/3 der Patienten eine Anämie aufweisen und insgesamt dann über die Hälfte der Patienten eine transfusionspflichtige Anämie haben.
Welche Folgen hat eine Anämie?
Die Folgen der Anämie sind gar nicht unbedingt myelofibrosespezifisch, sondern im Allgemeinen gesehen sind die Folgen einer Anämie dadurch bedingt, dass der Sauerstoff weniger gut im Körper verteilt werden kann, bzw. zunächst einmal aufgenommen in der Lunge und dann durch den Körper transportiert werden kann. Der Sauerstoff ist wie der Brennstoff für unsere Organe. Und wenn das fehlt, sind die Organe nicht so gut funktionstüchtig. Und das betrifft praktisch alle Körperbereiche, sprich die Atmung, die Muskulatur und das Denkvermögen. Patienten mit Anämie fühlen sich häufig schwach und schlapp, sind nicht so leistungsstark und beim Sport eingeschränkt. Kann aber auch bis dahin gehen, dass man sich den ganzen Tag müde fühlt oder auch Denkaufgaben nicht mehr vollständig mit gewohnter Schnelligkeit und Präzision durchführen kann. Anämie ist somit ein den gesamten Körper betreffendes Problem. Das unterscheidet sich bei Myelofibrose eigentlich nicht von anderen Anämieformen. Die Anämie bei Myelofibrose ist nicht nur ein Problem, das die Lebensqualität der Betroffenen deutlich einschränkt. Sie spielt auch eine wichtige Rolle in den sogenannten Prognose-Scores. Diese Scores wurden entwickelt, um das Risiko der Erkrankung besser einschätzen zu können und abzuleiten, welche Bedeutung die Myelofibrose für den weiteren Krankheitsverlauf eines Patienten voraussichtlich haben wird. Die Anämie ist ein derart entscheidender Faktor, dass sie in nahezu allen Scoring-Systemen zur Bewertung der Myelofibrose berücksichtigt wird. Je nach System fließt sie mit unterschiedlichen Punktwerten in die Prognosebewertung ein. In der Regel hat eine Anämie dann prognostische Relevanz, wenn der Hämoglobinwert unter 10 oder sogar unter 8 Gramm pro Deziliter fällt. Besonders bedeutsam ist eine transfusionspflichtige Anämie, da sie eine schwerwiegendere Form der Blutarmut darstellt und in den Prognose-Scores entsprechend stärker gewichtet wird.
Hier geht es zum Video-Interview: „Ursachen und Folgen einer Anämie bei Myelofibrose“
Symptome einer Anämie bei Myelofibrose
Welche Symptome treten bei einer Anämie bei Myelofibrose auf?
Die typischen Symptome einer Anämie bei Myelofibrose entsprechen zunächst jenen, die auch bei einer allgemeinen Anämie auftreten. Betroffene fühlen sich häufig müde, abgeschlagen und weniger leistungsfähig. Es kommt zu einer allgemeinen Antriebslosigkeit, die sich auf viele Lebensbereiche auswirken kann. In milderen Fällen treten die Beschwerden vor allem bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten wie Gartenarbeit, Einkaufen, dem Tragen schwerer Gegenstände oder beim Sport auf. In schwereren Fällen kann es jedoch so weit gehen, dass selbst alltägliche Aktivitäten wie Körperpflege oder das Verlassen des Hauses nur noch mit großer Mühe bewältigt werden können. Diese Symptome überschneiden sich bei der Myelofibrose jedoch häufig mit anderen krankheitsspezifischen Beschwerden, insbesondere dem sogenannten Fatigue-Syndrom oder allgemeinen Erschöpfungszuständen. Daher ist es in der Praxis oft schwierig, genau zu bestimmen, ob die reduzierte Leistungsfähigkeit tatsächlich durch die Anämie bedingt ist oder durch andere Aspekte der Grunderkrankung. Ein Hinweis kann sein, wenn sich die Beschwerden trotz erfolgreicher Behandlung der Anämie nicht bessern. In solchen Fällen ist es wahrscheinlich, dass die Symptome nicht ausschließlich auf die Blutarmut zurückzuführen sind, sondern durch andere krankheitsbedingte Faktoren verursacht werden.
Wie unterscheiden sich die Symptome bei einer chronischen Anämie?
Die chronische Anämie stellt eine besondere Form der Blutarmut dar, da der Körper im Verlauf der Zeit Gelegenheit bekommt, sich an die veränderten Bedingungen – insbesondere die verminderte Sauerstoffversorgung – anzupassen. Im Gegensatz zur akuten Anämie, bei der es meist zu einer plötzlichen und spürbaren Leistungsminderung kommt, entwickelt sich die chronische Anämie allmählich. Der Organismus beginnt, mit der reduzierten Sauerstoffverfügbarkeit zu ‚leben‘ und kompensiert sie in gewissem Maße. Patientinnen und Patienten gewöhnen sich oft an diese Einschränkungen, passen ihre Aktivitäten an und lernen, bestimmte Dinge mit mehr Ruhe und geringerer Anstrengung dennoch zu bewältigen. So bleibt die Einschränkung zwar bestehen, wird aber subjektiv häufig weniger belastend erlebt als bei einem abrupten Krankheitsbeginn.
Wann sollte ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden?
Ob aufgrund einer Anämie bei Myelofibrose ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden sollte, lässt sich nicht immer eindeutig beurteilen. Die Myelofibrose ist eine komplexe Erkrankung mit vielfältigen Symptomen, wobei die Anämie lediglich einen Teilaspekt darstellt. Dennoch gibt es bestimmte Warnzeichen, bei deren Auftreten ein Arztbesuch dringend angeraten ist. Dazu zählen insbesondere Überlastungsreaktionen des Körpers infolge der Blutarmut. Etwa starkes Herzklopfen, ein erhöhter Puls, Atemnot oder ein ungewöhnlich niedriger Blutdruck. Solche Symptome können auf eine schwerere oder fortgeschrittene Anämie hindeuten. In solchen Fällen sollte unbedingt abgeklärt werden, ob die Beschwerden tatsächlich durch die Anämie verursacht werden oder ob möglicherweise andere Ursachen vorliegen. Auf dieser Basis kann dann entschieden werden, welche therapeutischen Maßnahmen sinnvoll und notwendig sind.
Hier geht es zum Video-Interview: „Symptome einer Anämie bei Myelofibrose“
Blutbefunde bei einer Anämie
Wie wird eine Anämie bei Myelofibrose diagnostiziert und welche Blutwerte sind bei einer Anämie wichtig?
Die Diagnostik einer Anämie bei Myelofibrose unterscheidet sich grundsätzlich nicht von der Abklärung einer Anämie anderer Ursachen. Im Zentrum steht dabei zunächst die Laboruntersuchung, bei der ein erniedrigter Hämoglobinwert den entscheidenden Hinweis auf eine Anämie liefert. Darüber hinaus ist es jedoch wichtig, weitere Blutparameter zu bestimmen, um die Ursache und das Ausmaß der Anämie besser einordnen zu können. Ein zentraler Wert ist hierbei die Retikulozytenzahl. Sie gibt Aufschluss darüber, wie aktiv das Knochenmark neue rote Blutkörperchen bildet. Anhand dieses Wertes lässt sich einschätzen, ob die Anämie auf einer gestörten Bildung oder eher auf einem erhöhten Verlust der Erythrozyten beruht. Zudem wird überprüft, ob für die Blutbildung notwendige Substanzen wie Eisen, Vitamin B12 oder Folsäure in ausreichender Menge im Körper vorhanden sind. Ein weiterer diagnostischer Schritt besteht darin, nach Abbauprodukten roter Blutkörperchen im Blut zu suchen. Deren Nachweis kann darauf hindeuten, dass Erythrozyten vorzeitig zerstört werden, was auf eine sogenannte hämolytische Anämie hinweisen würde.
Wie oft sollten Blutwerte kontrolliert werden?
Die Häufigkeit der Blutbildkontrollen hängt stark von der individuellen Krankheitssituation und dem bisherigen Verlauf der Erkrankung ab. Bei stabilen Verläufen, die bereits länger bekannt sind und bei denen keine deutliche Verschlechterung festgestellt wurde, reicht es häufig aus, die Blutwerte etwa alle drei Monate zu kontrollieren. Befindet sich die Erkrankung jedoch noch in der Diagnosephase, möchte man zunächst ein genaueres Bild über die Dynamik der Blutwerte gewinnen. Zeigen sich im Verlauf Veränderungen oder Verschlechterungen der Blutwerte, können die Kontrollintervalle entsprechend verkürzt werden. Dabei orientiert man sich stets an der aktuellen Situation und den medizinischen Erfordernissen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Blutbefunde bei einer Anämie“
Medikamentöse Behandlung der Anämie
Wann sollte eine Anämie bei Myelofibrose behandelt werden?
Die Behandlung der Anämie orientiert sich zwar an den Blutwerten, berücksichtigt jedoch in erster Linie das Befinden des Patienten. Es gibt keinen klar definierten Grenzwert oder Parameter, an dem man sich strikt orientieren könnte. Typischerweise wird angenommen, dass bei einer Anämie mit einem Hämoglobinwert unter acht eine Behandlung eingeleitet werden sollte. Allerdings kann das Wohlbefinden im Alltag bereits bei deutlich höheren, also besseren Werten eingeschränkt sein. Viele Patienten fühlen sich schon vor Erreichen dieses kritischen Werts deutlich wohler und leistungsfähiger, wenn die Anämie behandelt wird. Zudem muss bedacht werden, dass viele Patienten zusätzlich Begleiterkrankungen wie Herz- oder Lungenerkrankungen haben. In solchen Fällen sollte die Behandlung der Anämie bereits früher erfolgen als bei ansonsten gesunden Menschen. Bei der Myelofibrose, die häufig mit einer Anämie einhergeht, stellt sich die Frage, ob es sinnvoller ist, das Symptom Anämie direkt zu behandeln oder die Grunderkrankung Myelofibrose an sich, um dadurch auch die Folgeprobleme zu verbessern. Diese Entscheidung hängt vom Krankheitsstatus ab, der durch verschiedene Risikoscores bestimmt wird. Grob gesagt gilt: Bei einer niedrig-Risiko-Erkrankung sollte die Behandlung vor allem auf die Symptome ausgerichtet sein. Bei einer Hoch-Risiko-Erkrankung hingegen sollte die Grunderkrankung behandelt werden, mit dem Ziel, dass sich durch diese Behandlung auch die Folgeprobleme wie die Anämie bessern. Leider ist es so, dass die Behandlungsmöglichkeiten der Myelofibrose nicht immer alle Symptome vollständig beheben. Manchmal stehen die Symptome so sehr im Vordergrund, dass eine Behandlung der gesamten Erkrankung über das Ziel hinausschießen würde. Deshalb muss immer sorgfältig geprüft werden, ob die Erkrankung insgesamt so gravierende Probleme verursacht, dass eine Behandlung der Myelofibrose notwendig ist. Oder ob die Erkrankung eher stabil und mild verläuft und nur einzelne Symptome, wie die Anämie, behandelt werden sollten. Außerdem sollte immer überprüft werden, ob die Anämie tatsächlich ausschließlich durch die Myelofibrose bedingt ist. Die Blutbildparameter sollten sorgfältig analysiert werden, denn möglicherweise liegt eine Kombination verschiedener Ursachen vor. So kann eine Anämie zum Beispiel durch Myelofibrose und gleichzeitig durch Eisenmangel oder eine eingeschränkte Ernährung entstehen. Man darf nicht vergessen, dass auch Patienten mit Myelofibrose Mängel an wichtigen „Baustoffen“ für rote Blutkörperchen aufweisen können, wie zum Beispiel Vitamin B12, Folsäure oder Eisen. Diese Mängel müssen dann gezielt behandelt werden.
Welche Möglichkeiten gibt es zur Behandlung einer Anämie bei Myelofibrose?
Die Behandlungsmöglichkeiten einer Anämie richten sich in erster Linie nach ihrer Ursache. Wenn man die Myelofibrose als alleinige Ursache betrachtet, wäre die beste und naheliegendste Therapie, die Myelofibrose selbst zu behandeln, um die auslösende Ursache direkt zu adressieren. Wie bereits erläutert, ist dies jedoch nicht immer der vorrangige oder wirksamste Ansatz. Daher sollte man zunächst auch die symptomatische Behandlung in Betracht ziehen. Ein etablierter Ansatz ist die Überprüfung, ob das sogenannte Erythropoetin (EPO), ein Hormon, das die Bildung roter Blutkörperchen im Knochenmark anregt, im Körper ausreichend produziert wird. Bei vielen Patientinnen und Patienten mit Myelofibrose – aber auch bei ähnlichen Erkrankungen – wird EPO vom Körper häufig bereits in leicht erhöhter Menge gebildet, um die Blutbildung anzuregen. Es gibt synthetisch hergestellte EPO-Präparate, die diese Bildung zusätzlich stimulieren können. Wenn der Körper sein eigenes Potenzial zur EPO-Produktion noch nicht vollständig ausgeschöpft hat, kann eine EPO-Therapie eingesetzt werden, um die Blutbildung zu fördern und den Hämoglobinwert zu verbessern. Das stellt eine wichtige Möglichkeit zur Behandlung der Anämie bei Myelofibrose dar. Natürlich sollte bei einem nachgewiesenen Substratmangel, wie zum Beispiel Eisen, Vitamin B12 oder Folsäure – eine gezielte Substitution erfolgen. Ein weiteres Phänomen, das bei Myelofibrose auftreten kann, ist die sogenannte Hämolyse. Dabei werden gebildete rote Blutkörperchen im Körper vorzeitig abgebaut. In bestimmten Fällen kann das Immunsystem an diesem Prozess beteiligt sein. Mithilfe spezieller Blutwerte lässt sich überprüfen, ob eine immunvermittelte Hämolyse vorliegt. Sollte das der Fall sein, kommen auch immunsuppressive Medikamente zur Behandlung der Anämie infrage. Darüber hinaus spielt bei der Myelofibrose eine chronische Entzündungsreaktion im Körper eine Rolle. Diese ist ein typisches Merkmal der Erkrankung. Die Entzündung kann dazu führen, dass Eisen – obwohl im Körper vorhanden – nicht optimal zur Bildung roter Blutkörperchen genutzt werden kann. Auch hier gibt es mittlerweile medikamentöse Ansätze, die gezielt diese entzündungsbedingte Einschränkung der Eisenverwertung verbessern. Dadurch kann die Blutbildung wieder effizienter ablaufen.
Welche Nebenwirkungen oder Risiken haben diese Behandlungen?
Insgesamt sind die meisten Behandlungsformen für die Anämie, die zur Verfügung stehen, sehr nebenwirkungsarm und haben keine problematischen Nebenwirkungen. Bei der Therapie sollte darauf geachtet werden, dass die Wirksamkeit nicht zu stark ausfällt. Das bedeutet: Der Hämoglobinwert (HB-Wert) muss nicht zwingend in den Normbereich angehoben werden. In vielen Fällen reicht es aus, den Wert über das chronisch niedrige Niveau hinaus anzuheben – so weit, dass der Patient im Alltag eine spürbare Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit und Lebensqualität erlebt. Die Nebenwirkungen der verfügbaren Substanzen hängen stark von der jeweiligen Ursache der Anämie und der gewählten Behandlungsstrategie ab. Allgemein kann jedoch gesagt werden, dass die meisten dieser Medikamente gut verträglich und nebenwirkungsarm sind. Anders verhält es sich mit Medikamenten, die direkt zur Behandlung der Myelofibrose eingesetzt werden. Einige dieser Präparate können als Nebenwirkung eine Anämie auslösen – selbst dann, wenn diese zuvor nicht bestanden hat – oder eine bereits vorhandene Anämie deutlich verschlechtern. In solchen Fällen muss die Entstehung oder Verschärfung der Anämie als möglicher Nebeneffekt der Myelofibrose-Therapie berücksichtigt werden. Diese Erkenntnis sollte in der Behandlung entsprechend beachtet werden. Es kann sinnvoll sein, die eingesetzten Medikamente zu überprüfen und gegebenenfalls einen Wechsel vorzunehmen, um die Anämie besser kontrollieren zu können.
Hier geht es zum Video-Interview: „Medikamentöse Behandlung der Anämie“
Nicht-medikamentöse Behandlungen der Anämie
Wie kann man einer Anämie vorbeugen?
Das Vorbeugen einer Anämie bei Myelofibrose ist ein schwieriges Unterfangen, da die Anämie ein integraler Bestandteil der Grunderkrankung ist. Aus diesem Grund lässt sie sich nicht durch gezielte Maßnahmen vollständig verhindern. Was jedoch möglich ist, ist die gezielte Beeinflussung begleitender Faktoren, um den Verlauf günstig zu beeinflussen. Konkret bedeutet das, darauf zu achten, dass kein Mangel an wichtigen Aufbaustoffen für die Bildung roter Blutkörperchen entsteht. Eine ausreichende Versorgung mit Folsäure, Vitamin B12 und Eisen sollte sichergestellt sein, damit von dieser Seite aus keine Defizite entstehen, die die Anämie zusätzlich verstärken könnten. Darüber hinaus ist es schwierig, die Myelofibrose selbst durch Ernährung oder Lebensstil maßgeblich zu beeinflussen. Insofern können in diesem Bereich keine spezifischen Empfehlungen ausgesprochen werden.
Wann ist eine Bluttransfusion nötig?
Bluttransfusionen sind bei einer durch Myelofibrose bedingten Anämie ein häufig eingesetztes Behandlungsprinzip, um den Hämoglobinwert zu verbessern. In der Regel kommen sie dann zum Einsatz, wenn andere symptomatische Therapien ausgeschöpft sind oder keine ausreichende Wirkung zeigen. Ob eine Bluttransfusion notwendig ist, wird individuell entschieden. Manche Patientinnen und Patienten benötigen bereits bei vergleichsweise höheren Hämoglobinwerten eine Transfusion, während andere auch mit niedrigeren Werten gut zurechtkommen. Dabei spielt auch der Lebensstil eine Rolle: Menschen, die berufstätig sind und einem geregelten Alltag nachgehen, in dem wenig Raum für Ruhepausen besteht, profitieren häufig von höheren Hämoglobinwerten, wie sie durch eine Bluttransfusion erreicht werden können. Andere Patientinnen und Patienten, die sich im Alltag häufiger ausruhen können, kommen oft auch mit niedrigeren Werten besser zurecht. Die Wirkung einer Bluttransfusion ist in der Regel zeitlich begrenzt. Viele Betroffene berichten ein bis zwei Tage nach der Transfusion von einer spürbaren Verbesserung des Befindens. Dieser Effekt hält allerdings meist nur einige Tage bis wenige Wochen an, sodass bei anhaltender Anämie regelmäßig neue Transfusionen notwendig werden. Daher handelt es sich bei der Bluttransfusion um eine rein symptomatische und zeitlich begrenzte Maßnahme, die das zugrunde liegende Problem der Anämie nicht dauerhaft lösen kann. Insgesamt gelten Bluttransfusionen als sichere und gut verträgliche Therapieform. Die Produkte sind hochwertig und in der Anwendung meist unkompliziert. In seltenen Fällen kann es zu allergischen oder anderen unerwünschten Reaktionen kommen, diese sind jedoch insgesamt selten. Ein häufiger Einsatz von Bluttransfusionen kann jedoch zu einer sogenannten Eisenüberladung führen, da dem Körper mit jeder Transfusion Eisen zugeführt wird. Eine übermäßige Eisenmenge kann langfristig die Organe und den gesamten Organismus belasten. Deshalb sollte der behandelnde Arzt regelmäßig den Eisenhaushalt überwachen und gegebenenfalls Medikamente einsetzen, die überschüssiges Eisen aus dem Körper ausleiten können.
Wie kann meine Ernährung die Anämie beeinflussen?
Die Ernährung hat nur einen begrenzten Einfluss auf die Anämie selbst. Dennoch ist sie insofern bedeutsam, als über die Nahrung die grundlegenden Bausteine aufgenommen werden, die für die Bildung roter Blutkörperchen notwendig sind. Dazu zählen insbesondere Eisen, Vitamin B12, Folsäure sowie weitere Mikronährstoffe. Einfach umsetzbar ist es, darauf zu achten, ob die eigene Ernährung ausreichend eisenhaltig ist. Für Menschen, die Fleisch essen, sind vor allem rotes Fleisch und Innereien sehr eisenreich. Es gibt jedoch auch viele vegetarische Lebensmittel mit einem hohen Eisengehalt. Dazu gehören vor allem Hülsenfrüchte wie Erbsen und Kichererbsen, aber auch dunkelgrünes Gemüse wie Blattspinat oder Mangold. Auch Nüsse und Samen enthalten zum Teil größere Mengen Eisen. Wichtig ist außerdem, dass die Eisenaufnahme durch gleichzeitige Aufnahme von Vitamin C deutlich verbessert werden kann. Lebensmittel wie Paprika oder Zitrusfrüchte, die reich an Vitamin C sind, können also die Verwertung des mit der Nahrung aufgenommenen Eisens fördern. Umgekehrt gibt es aber auch Nahrungsmittel und Getränke, die die Eisenaufnahme hemmen können. Dazu zählen unter anderem Kaffee, Cola und Rotwein. Es wird daher nicht empfohlen, diese zusammen mit eisenreichen Lebensmitteln zu verzehren, wenn man gezielt den Eisenspiegel im Körper verbessern möchte. Ob bei Ihnen tatsächlich ein Eisenmangel vorliegt und eine eisenreiche Ernährung erforderlich ist, lässt sich durch eine einfache Blutuntersuchung beim Arzt feststellen. Auf dieser Basis kann dann individuell entschieden werden, ob eine gezielte Eisenzufuhr über die Ernährung sinnvoll ist.
Hier geht es zum Video-Interview: „Nicht-medikamentöse Behandlungen der Anämie“
Einfluss der Anämie auf den Alltag
Welche Herausforderungen entstehen durch Anämie im Alltag?
Die Anämie kann den Alltag auf vielfältige Weise beeinflussen. Häufig äußert sie sich durch eine verminderte Leistungsfähigkeit. Viele Patientinnen und Patienten berichten beispielsweise, dass sie bei körperlicher Anstrengung schnelles Herzklopfen oder Atemnot verspüren. Solche Symptome spielen im Alltag eine bedeutende Rolle und können die Lebensqualität deutlich einschränken. Wie stark eine Anämie im Alltag belastet, hängt auch von der individuellen Lebenssituation ab. Menschen, die beruflich oder privat stark gefordert sind – körperlich oder geistig –, leiden in der Regel stärker unter den Auswirkungen einer Anämie als Personen, die sich ihren Tagesablauf flexibler gestalten können, regelmäßige Pausen einlegen oder körperlich anstrengende Tätigkeiten vermeiden. Insofern wirkt sich eine Anämie in ganz unterschiedlichem Maß auf den Alltag aus – individuell und abhängig von den Lebensumständen. Ob die Anämie tatsächlich die Hauptursache für eine reduzierte Leistungsfähigkeit ist, lässt sich jedoch nicht allein durch Laborwerte oder Tests feststellen. Wie bereits zu Beginn erwähnt, gibt es eine Überschneidung von Symptomen: Das bei Myelofibrose häufig auftretende Fatigue-Syndrom kann ähnliche Beschwerden verursachen wie die Anämie. Beide führen zu Erschöpfung und reduzierter Belastbarkeit. Ob nun die Anämie oder das Fatigue-Syndrom die dominierende Rolle spielt, lässt sich oft nur im Rahmen der Behandlung klären. In solchen Fällen ist es sinnvoll, therapeutische Maßnahmen einzuleiten und deren Wirkung im Verlauf zu beobachten. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt kann dann eingeschätzt werden, ob sich durch die Therapie eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität ergibt.
Welche Anpassungen können mir im Alltag helfen?
Wie Menschen am besten mit ihrer Anämie umgehen, ist individuell sehr unterschiedlich und sollte entsprechend persönlich bewertet werden. Grundsätzlich ist es jedoch nicht empfehlenswert, sich aufgrund der Anämie vollständig zu schonen oder körperliche Aktivität ganz zu vermeiden. Vielmehr sollte der Körper in Bewegung bleiben.Es ist sinnvoll, die alltäglichen Aufgaben weiterhin zu bewältigen, dabei jedoch auf ein Maß zu achten, das gut verträglich ist. Tätigkeiten lassen sich bei Bedarf in kleinere Abschnitte aufteilen, um Überforderung zu vermeiden. Ziel ist es, den Alltag möglichst aktiv zu gestalten, dabei aber die eigene Belastbarkeit zu berücksichtigen. Sowohl im Haushalt als auch im Berufsleben sollte versucht werden, aktiv zu bleiben, ohne sich zu überlasten. Was vermieden werden sollte, sind wiederholte Tätigkeiten an der persönlichen Leistungsgrenze. Menschen mit Anämie erleben nach intensiver körperlicher Anstrengung häufig eine länger anhaltende Erschöpfung. Der Körper benötigt in diesen Fällen mehr Zeit zur Erholung als bei gesunden Personen. Deshalb ist es nicht ratsam, regelmäßig die eigene Belastungsgrenze auszutesten. Stattdessen sollte die körperliche Aktivität so angepasst werden, dass sie zwar fordernd, aber nicht überfordernd ist. Dies hilft, ein gewisses Maß an körperlicher Fitness zu erhalten. Längere und intensive Belastungsspitzen sollten dabei möglichst vermieden werden.
Welche Anlaufstellen gibt es?
Bei Beschwerden, die durch Myelofibrose bedingt sind, sowie bei der Behandlung der Erkrankung selbst, ist in der Regel der Hämatologe die richtige Ansprechperson. Handelt es sich jedoch um eine eher allgemeine Form der Anämie, kann auch der Hausarzt ein geeigneter Ansprechpartner sein. Im Allgemeinen sollte die Betreuung jedoch durch den behandelnden Hämatologen erfolgen. Darüber hinaus gibt es verschiedene Informationsquellen, die helfen können, sich über die Krankheit, mögliche Behandlungsformen, Auswirkungen auf den Alltag und unterstützende Maßnahmen zu informieren. Besonders hilfreich sind hier Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen. Auch Broschüren und seriöse Internetangebote bieten oft wertvolle Informationen. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann ebenfalls eine große Unterstützung sein. Im Gespräch lassen sich Erfahrungen mit unterschiedlichen Therapien teilen, deren Wirkung besser einschätzen und möglicherweise gemeinsam Wege finden, die Symptome im Alltag besser zu bewältigen. Solche Kontakte können helfen, passende Behandlungsoptionen zu entdecken und für sich selbst den besten Umgang mit der Erkrankung zu finden.
Hier geht es zum Video-Interview: „Einfluss der Anämie auf den Alltag“
Meine Nachricht an Sie
Zusammenfassend lässt sich sagen: Wenn Sie unter Symptomen leiden, die auf eine Anämie hinweisen, sprechen Sie diese unbedingt mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt durch. Es ist wichtig, die verschiedenen möglichen Ursachen einer Anämie sowie die damit verbundenen Beschwerden zu erkennen, um gemeinsam die für Sie bestmögliche Behandlung zu finden. Fragen Sie aktiv nach, welche Therapiekonzepte und Behandlungsmöglichkeiten in Ihrem Fall zur Verfügung stehen. Ziel sollte es sein, alle sinnvollen Optionen auszuschöpfen und alles zu unternehmen, was zur Verbesserung Ihrer Situation beitragen kann. Bleiben Sie aktiv und engagiert in Ihrer Behandlung, informieren Sie sich regelmäßig und umfassend, und bleiben Sie im Austausch mit Ihrem medizinischen Team. So können Sie Ihre Therapie bestmöglich mitgestalten und Ihre Lebensqualität gezielt verbessern.
Hier geht es zum Video: „Meine Nachricht an Sie“