1. Hereditäres Angioödem einfach erklärt

Was ist ein hereditäres Angioödem?

Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine genetische Erkrankung, bei der der sogenannte Faktor C1-Esterase-Inhibitor fehlt oder nicht richtig funktioniert. Diese „Fehlinformation“ in den Genen wird meistens vererbt, kann aber auch neu entstehen. Menschen mit HAE bekommen anfallsartig Schwellungen an verschiedenen Körperstellen. Diese Schwellungen können sowohl die Haut und sichtbaren Schleimhäute, als auch innere Organe, wie beispielsweise den Darm, betreffen.

Angeborene und erworbene Angioödeme

Angioödem bedeutet so viel wie Schwellung der Unterhaut. Hereditär ist der lateinische Begriff für angeboren. Neben dem hereditären Angioödem, also dem angeborenen Angioödem, gibt es aber auch erworbene Angioödeme, die zum Beispiel durch bestimmte Autoimmunerkrankungen oder ein B-Zell-Lymphom verursacht werden können.

Welche Organe oder Körperteile sind beim hereditären Angioödem betroffen?

Das HAE lässt sich nicht auf einzelne Körperregionen beschränken. Im Grunde können die Schwellungen überall auftreten. Besonders häufig betroffen sind folgende Körperbereiche:

  • Haut: Schwellungen treten häufig an Händen, Füßen, Gesicht, Armen und Beinen auf.
  • Magen-Darm-Trakt: Bei Schwellungen im Magen-Darm-Trakt, insbesondere der Darmschlingen, können starke Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auftreten. Diese Symptome können schwerwiegend sein und manchmal zu Fehldiagnosen, wie z. B. einer akuten Blinddarmentzündung und damit oft leider auch einer Blinddarmentfernung, führen.
  • Genitalbereich: Auch der Genitalbereich kann betroffen sein, was zu unangenehmen und schmerzhaften Ödemen (Schwellungen) führen kann.
  • Atemwege: Schwellungen im Bereich von Mund und Hals können besonders gefährlich werden, da sie je nach Schweregrad die Atmung behindern können. Dies ist ein medizinischer Notfall, der eine sofortige Behandlung erfordert.
Bilder von Schwellungen beim hereditären Angioödem - Arme, Beine, inneren Organe und Genitalbereich

Wie häufig ist ein hereditäres Angioödem?

Das hereditäre Angioödem ist eine sehr seltene Erkrankung. In Österreich wird die Zahl der erkrankten Personen auf ca. 200 geschätzt, von denen etwa 120 eine gesicherte HAE-Diagnose haben.

In der Regel sind ungefähr gleich viele Frauen wie Männer betroffen, jedoch sind die Symptome bei Frauen oft stärker ausgeprägt.

Da es sich bei HAE um eine angeborene Erkrankung handelt, können die Symptome bereits im Kindesalter auftreten. Häufig treten die ersten Symptome bereits im ersten Lebensjahr auf. Es kann aber auch in der Pubertät oder im höheren Alter erstmals zu HAE-Attacken kommen.

Wie entsteht ein hereditäres Angioödem?

Der Auslöser für das HAE ist ein Fehler im sogenannten Komplementsystem . Das Komplementsystem spielt eine wesentliche Rolle in der angeboren Immunabwehr und besteht aus verschiedenen Faktoren, deren Funktionen aufeinander aufbauen. Beim HAE ist einer der Faktoren, der C1-Esterase-Inhibitor, in seiner Wirkung beeinträchtigt. Dieser Fehler im Komplementsystem kann vererbt werden, oder spontan entstehen. Genauere Informationen dazu erhalten Sie in der Lektion „Ursachen und Vererbung des hereditären Angioödems“.

Wie unterscheiden sich Typ 1, Typ 2 und Typ 3 des hereditären Angioödems?

Beim Hereditären Angioödem (HAE) lassen sich drei verschiedene Typen unterscheiden:

  • Hereditäres Angioödem Typ 1: C1-Esterase-Inhibitor-Mangel – der C1-Esterase-Inhibitor fehlt ganz.
  • Hereditäres Angioödem Typ 2: Der C1-Esterase-Inhibitor ist zwar vorhanden, funktioniert aber nicht richtig.
  • Hereditäres Angioödem Typ 3: Es gibt einen anderen Fehler im Ablauf der Komplementkaskade.

Alle drei Typen des HAE haben das gleiche Resultat: Der Botenstoff Bradykinin wird in zu hoher Menge ausgeschüttet. Bradykinin ist im Körper dafür verantwortlich, dass sich Gefäße erweitern. Deshalb kommt es zu unkontrollierten Schwellungen.

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Geprüft OÄ Priv.-Doz.in DDr.in Sabine Altrichter: Stand Oktober 2024 | Quellen und Bildnachweis
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Angioödem
Schwellung der tieferen Hautschichten, oft verursacht durch Flüssigkeitsaustritt aus Blutgefäßen.
Bradykinin
Wichtiger Botenstoff im Körper mit verschiedenen Funktionen. Er reguliert zum Beispiel den Blutdruck und spielt eine wichtige Rolle bei Entzündungen. Er wirkt gefäßerweiternd und kann Schmerzsignale auslösen.
C1-Esterase-Inhibitor
(C1-Inhibitor oder C1-Esterasehemmer)
Wichtiges Protein im menschlichen Körper, das eine besondere Rolle im Immunsystem und bei der Regulierung von Entzündungsprozessen spielt. Lässt sich im Blut messen.  
Hereditär
(Vererbt)
beschreibt Krankheiten oder Eigenschaften, die genetisch weitergegeben werden
Komplementsystem
Das Komplementsystem ist ein Teil des körpereigenen Immunsystems. Es stellt eine Kaskade von Enzymen dar, die sich nacheinander gegenseitig aktivieren. So können zum Beispiel Erreger wie Bakterien abgetötet werden. Besonders in der Frühphase einer Infektion aber auch bei chronischen Entzündungen spielt das Komplementsystem eine wichtige Rolle.
Ödem
Ansammlung von Flüssigkeit im Gewebe, die eine sichtbare oder tastbare Schwellung verursacht.