9. Impfungen in Schwangerschaft und Stillzeit – alle Fragen

Viele werdende oder frischgebackene Eltern sind unsicher, was erlaubt, was empfohlen oder sogar wichtig für die Gesundheit von Mutter und Kind ist. In dieser Schulung erfahren Sie, welche Impfungen bei Kinderwunsch, während der Schwangerschaft und in der Stillzeit empfohlen werden – nach dem aktuellen Schweizer Impfplan (Stand März 2025).

Einleitung durch PD Dr. med. Anda-Petronela Radan

Ich heiße Anda-Petronela Radan und bin Frauenärztin am Inselspital in Bern in der Schweiz, indem ich seit elf Jahren tätig bin und das Ambulatorium für Geburtshilfe leite. Mein Schwerpunkt liegt in der fetalen Medizin und mein Forschungsschwerpunkt „Infektiologie“ in der Geburtshilfe. In dieser Schulung geht es um Impfungen in der Schwangerschaft und in der Stillzeit und warum diese besonders sinnvoll sind.

Hier geht es zur Einleitung des Kurses: „Impfungen in Schwangerschaft und Stillzeit“

Impfungen bei Kinderwunsch

Warum sollte ich meinen Impfstatus bereits bei Kinderwunsch prüfen lassen?

Ich denke, das hat zwei wichtige Gründe: Zum einen für die Vorbereitung auf die Schwangerschaft. Es geht um den Schutz der Mutter in der Schwangerschaft. Wir wissen ja, dass gewisse Infektionskrankheiten schwerere Verläufe in der Schwangerschaft haben können, verglichen jetzt zum Beispiel mit nicht-schwangeren Personen. Und zum anderen es geht um den rechtzeitigen Schutz der Kinder, des Fötus. Das heißt, es gibt Infektionskrankheiten, die zum Beispiel den Fötus in der Schwangerschaft beeinträchtigen können und sogar Fehlbildungen verursachen.

Wie kann ich meinen Impfschutz vor der Schwangerschaft überprüfen lassen?

Es gibt diverse Stellen, wo man das machen kann. Zum Beispiel bei der Hausärztin, beim Hausarzt oder bei der Gynäkologin, beim Gynäkologen. Es gibt auch in den Spitälern diverse Stellen, Impfberatungsstellen, wo das gemacht werden kann.

Welche Impfungen sind vor der Schwangerschaft besonders wichtig?

Vor der Schwangerschaft wäre es wichtig, die Impfung gegen Hepatitis B aufzufrischen, sowie die Impfung gegen Windpocken. Darüber hinaus ist es wichtig, dass der COVID-19-Booster durchgeführt wird und auch zu gegebenem Zeitpunkt die Grippeimpfung.

Wie lange vor der Schwangerschaft sollten bestimmte Impfungen abgeschlossen sein?

Es kommt darauf an, um welche Impfung es sich handelt. Bei den sogenannten „Lebendimpfstoffen “ muss tatsächlich ein Monat abgewartet werden, bis eine Schwangerschaft angestrebt wird. Bei den sogenannten „Totimpfstoffen“ hingegen ist das Intervall nicht relevant.

Hier geht es zum Video-Interview: „Impfungen bei Kinderwunsch“

Impfungen in der Schwangerschaft

Warum ist Impfen in der Schwangerschaft sinnvoll?

Impfen in der Schwangerschaft ist sehr sinnvoll, sowohl für die Mutter als auch für das Kind. Es gibt mehrere Gründe dafür: Für die Mütter ist es so, dass Infektionskrankheiten in der Schwangerschaft schwerer verlaufen können. Klassische Beispiele sind zum Beispiel COVID-19 oder die Influenza , die saisonale Grippe. Außerdem gibt es Infektionen, die sich auch auf die Gesundheit des Kindes auswirken können. Zum Beispiel Infektionen im ersten Trimester der Schwangerschaft, die in bestimmten Fällen sogar Fehlbildungen verursachen können.

Welche Impfstoffe gelten in der Schwangerschaft als sicher?

In der Schwangerschaft gelten die sogenannten Totimpfstoffe als sicher und unbedenklich. Dafür gibt es zahlreiche Studien aus diversen Ländern und Fachgesellschaften.

In welcher Schwangerschaftswoche wird welche Impfung empfohlen?

Grundsätzlich gilt, dass Impfungen bevorzugt ab dem zweiten Schwangerschaftstrimester durchgeführt werden sollen, das heißt ab der zwölften Schwangerschaftswoche. Allerdings ist es so, dass die Influenza-Impfung, das heißt gegen die saisonale Grippe, zu einem beliebigen Punkt in der Schwangerschaft durchgeführt werden kann, und sie sollte dann durchgeführt werden, wenn sie gerade für andere Personen auch indiziert wird. Das gleiche gilt für COVID-19, insbesondere für die Booster-Impfung. Jedoch auch da sollte, wenn immer möglich, ab der zwölften Schwangerschaftswoche geimpft werden. Für Keuchhusten sollte die Impfung idealerweise zwischen der 13. und 28. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden, sprich im zweiten Trimester. Sollte dies verpasst worden sein, kann man diese Impfung auch im dritten Trimester durchführen. Seit dem Jahr 2024 gibt es in der Schweiz auch die sogenannte RSV-Impfung. Die sollte man zwischen Woche 32 und 36 am besten durchführen.

Was passiert, wenn ich ungeplant schwanger werde und manche Impfungen fehlen?

Das ist kein Grund zur Panik. Einige Impfungen können in der Schwangerschaft nachgeholt werden, vor allem die Impfungen mit den sogenannten Totimpfstoffen. Hingegen, Impfungen mit Lebendimpfstoffen sollten erst nach der Schwangerschaft nachgeholt werden. Lassen Sie sich in solchen Fällen durch Ihre Frauenärztin, durch Ihren Frauenarzt oder durch die Hausärztin beraten.

Hier geht es zum Video-Interview: „Impfungen in der Schwangerschaft“

RSV, Grippe und Covid-19-Impfung

Warum sind Grippe und COVID-19 in der Schwangerschaft besonders gefährlich?

Es ist bekannt, dass die Grippe und COVID-19 mit schwereren Verläufen in der Schwangerschaft verbunden sind, zum Beispiel mit mehreren Hospitalisationen, vor allem im dritten Trimester oder mit mehreren Aufnahmen auf der Intensivstation. Sie werden auch beide mit mehr Frühgeburten assoziiert. Wir wissen, dass die Physiologie in der Schwangerschaft verändert ist, und dies führt dazu, dass die Immunantwort anders ist, dass zum Beispiel das Volumen der Lunge reduziert ist und generell die Abwehrkraft anders ist, was dazu führt, dass die Verläufe häufig schwerwiegender sind.

Wie schützen die Impfungen gegen Grippe und COVID-19 auch mein Baby?

Es gibt tatsächlich einige Daten dafür, dass die Antikörper , die von der Mutter produziert werden, auch an das Baby übertragen werden können durch die Plazenta. Und es gibt auch Daten dazu, dass dies zu einem gewissen Schutz des Babys führen kann. Wie lange dieser Schutz hält und wie stark er ist, ist nicht ganz geklärt. Aber Tatsache ist, dass er existiert.

Warum ist die RSV-Impfung in der Schwangerschaft wichtig?

RSV ist eine Erkrankung, die besonders in den ersten Lebensjahren relevant ist. Und nochmal: insbesondere für Säuglinge. RSV ist der Grund, warum im Winter viele Hospitalisationen bei Säuglingen stattfinden und deswegen sollte probiert werden, diese besonders vulnerable Population zu schützen. RSV-Infektionen können schwerwiegende Verläufe haben, insbesondere in den frühen Lebensmonaten. Die RSV-Impfung ist sehr wichtig in der Schwangerschaft, weil geimpfte schwangere Mütter die Antikörper auf ihr Kind übertragen können. Das heißt, wenn eine Mutter geimpft wird, überträgt sie den Schutz ihrem Kind. Ein Kind kann direkt nach der Geburt in den ersten Lebensmonaten nicht gegen RSV direkt geimpft werden. Es kann allerdings mit Antikörpern immunisiert werden.

Wann ist der beste Zeitpunkt für die Impfung gegen RSV, Grippe und COVID-19?

Der beste Zeitpunkt für die Impfung gegen RSV ist ab der 32. Schwangerschaftswoche, idealerweise bis zur 36. Schwangerschaftswoche. Idealerweise sollten zwei Wochen zwischen der Impfung und der Geburt vergangen sein, damit der optimale Schutz für das Kind erreicht werden kann. Für COVID-19 sollte die Impfung zu dem Zeitpunkt stattfinden, wo sie saisonal in einem bestimmten Land durchgeführt wird, vorzugsweise ab der 12. Schwangerschaftswoche. Für die Grippeimpfung gilt genau das gleiche wie für die COVID-19-Booster-Impfung. Diese soll in der Saison durchgeführt werden, wo die Grippe gerade im Gange ist.

Hier geht es zum Video-Interview: „RSV, COVID-19 und Grippe“

Keuchhusten-Impfung

Warum ist Keuchhusten für Neugeborene so gefährlich?

Keuchhusten ist für Neugeborene gefährlich, weil er mit schweren Verläufen verbunden sein kann. Insbesondere bei sehr jungen Kindern, bei Säuglingen. Und deswegen ist besonders wichtig, dass Kinder geschützt sind. Aber man kann diese Kinder in den ersten zwei Lebensmonaten nicht impfen. Deswegen ist es besonders wichtig, dass Mütter geimpft werden in jeder Schwangerschaft. Damit der Schutz den Kindern übertragen wird.

Wann ist der beste Zeitpunkt für die Impfung in der Schwangerschaft?

Gegen Keuchhusten sollte am besten zwischen der 13. und 28. Schwangerschaftswoche geimpft werden. Das ist der ideale Zeitpunkt, damit die Antikörper via Plazenta dem Kind übertragen werden. Falls die Impfung jedoch verpasst wurde, kann man auch zu einem späteren Zeitpunkt gegen Keuchhusten impfen, wie im dritten Trimester.

Wer sollte außer mir noch gegen Keuchhusten geimpft sein?

Es ist besonders wichtig, dass die Mutter geimpft wird in jeder Schwangerschaft. Das heißt, auch wenn die letzte Schwangerschaft vor zwei Jahren war, sollte die Impfung wiederholt werden. Außer der Mutter wäre es ideal, wenn die Personen, die sich im nächsten Umfeld des Kindes befinden, auch geimpft werden, wie zum Beispiel der Kindsvater, die Großeltern oder Geschwister.

Hier geht es zum Video-Interview: „Keuchhusten-Impfung“

Impfungen in der Stillzeit

Welche Impfungen kann ich als stillende Mutter bedenkenlos erhalten?

In der Stillzeit können grundsätzlich alle oder fast alle Impfungen verabreicht werden, das heißt die sogenannten Totimpfstoffe, aber auch im Gegensatz zur Schwangerschaft Lebendimpfstoffe wie zum Beispiel die Impfungen gegen Windpocken, Varizellen oder gegen Röteln. Was in der Stillzeit nicht durchgeführt werden sollte, ist die Impfung gegen Gelbfieber.

Können Impfstoffe über die Muttermilch auf ein Baby übergehen?

Die Impfstoffe werden nicht über die Muttermilch dem Baby übertragen. Allerdings kann man Antikörper dem Baby übertragen. Dafür gibt es Daten aus verschiedenen internationalen Studien.

Welche Impfungen sollte ich jetzt nachholen, falls sie in der Schwangerschaft ausgelassen wurden?

Das gilt grundsätzlich für die Impfungen, die saisonal anstehen, wie zum Beispiel COVID-19 oder Influenza. Aber es ist auch besonders wichtig für Impfungen, die in der Schwangerschaft nicht durchgeführt werden konnten, wie zum Beispiel die Röteln-Impfung, die Windpocken-Impfung, sprich die Varizellenimpfung, aber auch weitere Impfungen wie zum Beispiel die HPV-Impfung, insbesondere bei jüngeren Müttern.

Ist es sinnvoll in der Stillzeit die HPV-Impfung zu starten oder fortzusetzen?

Es ist sinnvoll, so früh wie möglich nicht durchgeführte Impfungen nach Impfplan des bestimmten Landes auch nachzuholen. Auch in der Stillzeit.

Hier geht es zum Video-Interview: „Impfungen in der Stillzeit“

Impfungen für Angehörige

Warum ist es wichtig, dass auch mein engstes Umfeld geimpft ist?

Die Strategie wäre da, dass die Personen im nächsten Umfeld des Kindes auch geschützt sind und somit dem Kind die Erkrankung nicht übertragen. Das gilt sowohl für den Kindsvater oder zum Beispiel für die Großeltern, die vielleicht nach dem Kind schauen, aber auch insbesondere für Geschwister, die vielleicht teilweise in Kindergärten oder Kitas betreut werden und sich dort einfach anstecken können.

Welche Impfungen sollten Personen mit engem Kontakt zum Neugeborenen haben und warum?

Es ist sicher wichtig, die Keuchhusten-Impfung durchführen zu lassen bei diesen Personen, aber auch die weiteren saisonalen Impfungen wie zum Beispiel die Influenza-Impfung oder die COVID-19-Impfung oder Booster-Impfung.

Was bedeutet Cocooning und wie funktioniert dieser Schutzring?

Cocooning bedeutet, dass die Personen vom nächsten Umfeld des Kindes auch geimpft werden, um das Kind möglichst zu schützen. Das heißt neben der Kindsmutter, die bereits idealerweise in der Schwangerschaft geimpft wurde, auch der Kindsvater, die Großeltern und natürlich die Geschwister.

Hier geht es zum Video-Interview: „Impfungen für Angehörige“

Mein Impfplan

Wie behalte ich den Überblick über meine Impfungen von Kinderwunsch bis Stillzeit?

Idealerweise haben Sie einen Impfausweis, wo alle Impfungen, die durchgeführt werden, eingetragen werden. So können Fachpersonen am einfachsten nachvollziehen, was wann verabreicht wurde. Sie können sich bei Unsicherheit von Ihrer Hausärztin, Ihrem Hausarzt oder von der Gynäkologin, vom Gynäkologen beraten lassen. Alternativ können Sie eine Fachberatungsstelle in einem Spital besuchen, wie zum Beispiel auf den Infektiologie-Abteilungen.

Welche Impfungen kann ich gleichzeitig erhalten und warum ist das sinnvoll?

Es ist tatsächlich sinnvoll, mehrere Impfungen gleichzeitig zu erhalten, wenn das zutrifft. Man kann zum Beispiel die Influenza-Impfung zusammen mit der COVID-19-Impfung problemlos verabreichen. Wir hatten sogar Situationen in der Schwangerschaft, wo die Keuchhusten-Impfung noch dazu verabreicht wurde. Es gibt keine Daten, die das verbieten. Im Gegensatz, man weiß, dass die Immunantwort steigt in solchen Situationen. Es gibt auch keine kumulierbaren Nebenwirkungen oder im Gegensatz eine abgeschwächte Immunantwort.

Wo kann ich mich impfen lassen?

Sie können sich entweder bei Ihrer Hausärztin beim Hausarzt impfen lassen oder bei Ihrer Gynäkologin beim Gynäkologen. Ansonsten gibt es Länder, wo das auch in der Apotheke durchgeführt werden kann. Oder an den sogenannten Impfstellen in den Spitälern wie zum Beispiel auf der Infektiologie.

Wie kommt eine Impfempfehlung überhaupt zustande?

In der Schweiz wird so eine Empfehlung durch die Eidgenössische Kommission für Impfragen erstellt und die Impfzulassung wird durch Swissmedic verabschiedet. Weitere Gremien, die Impfempfehlungen abgeben, sind das Bundesamt für Gesundheit.

Hier geht es zum Video-Interview: „Mein Impfplan“

Meine Nachricht an Sie

Sich impfen lassen in der Schwangerschaft und in der Stillzeit ist sehr sinnvoll. Die Impfungen in der Schwangerschaft sind nicht nur sicher, sie sind auch wirksam für Sie und für Ihr Kind. Falls Sie Fragen haben, lassen Sie sich von Ihrer Frauenärztin, von Ihrem Frauenarzt oder von der Hausärztin, vom Hausarzt beraten.

Hier geht es zum Video: „Meine Nachricht an Sie“

Geprüft Dr. med. Anda-Petronela Radan: Stand September 2025 | Quellen und Bildnachweis
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.
Antikörper
(Immunoglobuline)
Eiweiße (Proteine), die von Zellen des Immunsystems gebildet werden, um Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren zu bekämpfen. Bei manchen Erkrankungen kann es zu einer fehlgeleiteten Bildung von Antikörpern gegen körpereigene Zellen oder Strukturen kommen.
Immunantwort
Reaktion des Immunsystems auf Organismen oder Substanzen, die es für schädlich hält. Das Abwehrsystem des Körpers kann nach einer durchgemachten Krankheit oder nach einer Impfung einen Krankheitserreger erkennen. Das Immunsystem reagiert und bekämpft den Krankheitserreger.
Influenza
Durch Influenzaviren verursachte Infektionskrankheit. Beginnt plötzlich und führt zu hohem Fieber, Schüttelfrost, starken Kopf- und Gliederschmerzen, trockenem Husten sowie starkem Krankheitsgefühl.
Lebendimpfung
Lebendimpfstoffe enthalten abgeschwächte, funktionsfähige Viren, die in den Körper eingebracht das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern stimulieren. Lebendimpfstoffe können unter Umständen, besonders bei immungeschwächten Personen, krankheitsähnliche Symptome auslösen. Im Unterschied dazu siehe „Totimpfstoff“.