Über eine Erkrankung wie Lungenhochdruck zu sprechen, fällt vielen Menschen nicht leicht. Gleichzeitig ist es aber notwendig, dass alle Beteiligten „an einem Strang ziehen“. Dafür ist gelungene Kommunikation wichtig. Sie hilft, Missverständnisse zu vermeiden und Bedürfnisse zu formulieren. Wir zeigen Ihnen, wie Sie die Kommunikation mit Ihren Angehörigen oder FreundInnen verbessern können.
Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen
Gerade in der ersten Zeit nach der Diagnose fällt es oft schwer, offen über die Erkrankung zu sprechen. Es braucht seine Zeit, bis man für sich selbst verarbeitet hat, dass man unheilbar krank ist und vieles nicht mehr machen kann, das zuvor ganz selbstverständlich war. Dieser Prozess kann mitunter Monate dauern. Und wie soll man mit anderen offen darüber sprechen, wenn man die neuen Lebensumstände für sich selbst noch nicht akzeptiert hat?
Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie benötigen. Seien Sie sich aber auch bewusst, dass es mit der Zeit besser wird und die Lebensqualität nach und nach wieder steigt, und damit auch das Selbstbewusstsein. Inwieweit sie mit anderen über Ihre Erkrankung sprechen wollen, müssen Sie für sich selbst entscheiden. Dieser Kurs soll Ihnen dabei helfen, passende Worte zu finden.
Wie Missverständnisse entstehen
Lungenhochdruck ist eine „unsichtbare“ Erkrankung, deshalb ist sie für Außenstehende häufig so schwierig zu verstehen. Man sieht die Einschränkungen meist nicht auf den ersten Blick. Das folgende Beispiel soll veranschaulichen, wie leicht Missverständnisse entstehen können. Wie würden Sie reagieren?
Beispiel: Wie Missverständnisse entstehen
Das folgende Beispiel soll veranschaulichen, wie leicht Missverständnisse entstehen können. Wie würden Sie reagieren?
Wie geht es dir?
Geht so.
Wählen Sie eine Antwortmöglichkeit:
„Was ist denn los?“
„Okay, dann lass uns gleich losgehen.“
Sie ist sicher froh über etwas Ablenkung
Okay, dann lass uns gleich losgehen.
Eigentlich geht es mir nicht wirklich gut. Ich würde gerne mit jemandem offen darüber reden. Schade dass niemand nachfragt.
Sie ist sicher froh, wenn sie mal offen mit jemandem darüber sprechen kann
Was ist denn los?
Ich würde eigentlich lieber über etwas anderes sprechen
Auch scheinbare einfache Aussagen wie in diesem Beispiel können zu Missverständnissen und Spannungen führen. Ihr Gegenüber meint es vielleicht gut, interpretiert Ihre Antwort aber anders, als sie von Ihnen gemeint war. Eine gute Kommunikation ist deshalb wichtig. In dieser Lektion stellen wir Ihnen zwei wichtige Kommunikationstheorien vor, die bei der Vermeidung solcher Missverständnisse hilfreich sein können. In den weiteren Lektionen gehen wir mit Ihnen auf konkrete Situationen ein.
Die Vier-Ohren-Theorie: Jede Aussage wirkt mehrfach
Der bekannte Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Friedemann Schulz von Thun entwickelte eine wichtige Theorie, um Kommunikation zu erklären: das Vier-Ohren-Modell.
Die wichtigste Aussage: Alles, was wir sagen, kann beim Hörer auf ganz unterschiedliche Weise ankommen.
Diese vier wichtigen Aspekte wollen wir anhand der Aussage „Du läufst ganz schön schnell.“ illustrieren:
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Die Sach-Ebene
Darunter versteht man die reine Information des Gesagten - z.B. “Du gehst in einer hohen Geschwindigkeit.“
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Die Beziehungs-Ebene
Jede Aussage beinhaltet eine Information darüber, wie die Gesprächspartner zueinander stehen - z.B. “Eigentlich solltest du wissen, dass ich bei diesem Tempo nicht mithalten kann.“
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Die Selbstoffenbarungs-Ebene
In einer Aussage stecken auch immer Informationen über den „Sender“, also den, der sie ausspricht - z.B. “Es geht mir zu schnell. Auch wenn ich gerne würde, mein Gesundheitszustand lässt nicht zu, dass ich so schnell gehe.“
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Die Appell-Ebene
Gemeint ist das, was der Sagende sich vom Zuhörenden wünscht, also ein Aufruf zum Handeln - z.B. “Bitte geh langsamer!“
In jeder Aussage stecken alle vier Aspekte in unterschiedlicher Gewichtung. Deshalb entstehen so viele Missverständnisse: Sie legen bei Ihrem Gesagten vielleicht besonders viel Wert auf den Sachinhalt, Ihr Gegenüber versteht es aber als Kommentar über Ihre Beziehung zueinander.
Ein weiteres Beispiel ist die Antwort „Es geht, ich habe jetzt einen Termin beim Arzt“ auf die Frage wie es einem geht. Ihre Gesprächspartnerin oder Ihr Gesprächspartner kann diese Antwort demnach ganz unterschiedlich verstehen. Können Sie zuordnen, mit welchem „Ohr“ sie/er die jeweilige Bedeutung hört?
Beispiel: Wie Missverständnisse entstehen
Auch Ihre Antwort auf die Frage, wie es Ihnen geht, kann Ihre Gesprächspartnerin oder Ihr Gesprächspartner demnach ganz unterschiedlich verstehen.
Wie geht es dir?
„Es geht, ich habe jetzt einen Termin beim Arzt“
Die Antwort “Es geht, ich habe jetzt einen Termin beim Arzt” ist nicht klar und undeutig. Der Gesprächspartner muss daher versuchen “herauszuhören”, was mit dieser Aussage gemeint ist. Es folgen ein paar mögliche Interpretationen.
Können Sie zuordnen, welches „Ohr“ die jeweilige Bedeutung hört?
Bitte kümmere dich um mich, indem du mir etwas die Nervosität nimmst.
Richtig!
Falsch!
Wir stehen uns nahe genug, dass ich nicht einfach mit „Gut, danke.“ antworte.
Richtig!
Falsch!
Ich bin nervös, weil ich heute einen Termin beim Arzt habe und nicht weiß, was dabei rauskommt.
Richtig!
Falsch!
Es geht mir nicht gut, aber auch nicht schlecht. Ich habe heute einen Termin beim Arzt.
Richtig!
Falsch!
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Das Vier-Ohren-Modell zeigt, warum es bei einer ganz normalen Kommunikation sehr leicht zu Missverständnissen kommen kann. Verhindern oder klären können Sie das, indem Sie sich möglichst genau ausdrücken. Zum Beispiel: „Bei dem Tempo kann ich leider nicht mithalten, bitte gehe ein bisschen langsamer.“ Dann wird klarer, was Sie sich wünschen. Außerdem sollten Sie nachfragen, wenn Sie den Eindruck haben, falsch verstanden zu werden oder auch, wenn Sie sich über eine Aussage ärgern.
Und: Vermeiden Sie Diskussionen darüber, wer was auf welche Weise gesagt hat. Diese Debatten führen zu nichts und in den meisten Fällen sind beide Sichtweisen nicht ganz richtig.
Nonverbale Kommunikation
Nicht nur das Gesagte ist in einem Gespräch wichtig: Körperhaltung, Mimik und Gestik transportieren mindestens so viele Informationen wie die Sprache. Wir interpretieren bewusst und unbewusst sehr viel in die Signale hinein, die uns der Körper und das Gesicht unseres Gegenübers liefern. Deshalb ist diese „nonverbale Kommunikation“ (also Kommunikation ohne Worte) häufig die Ursache von Missverständnissen. Ein Beispiel:
Sie sagen: „Mir geht es gut!“ Dabei zeigt Ihre angespannte Körperhaltung jedoch, dass es nicht stimmt.
Ihr Gegenüber muss nun entscheiden, auf welche der beiden Informationen sie/er reagiert:
- Lässt sie/er Sie in Ruhe, obwohl klar ist, dass es Ihnen nicht gut geht? Möglicherweise fühlen sich dann beide schlecht: Sie/er, weil sie/er nicht weiß, wie es Ihnen wirklich geht. Und Sie, weil Sie vielleicht meinen, sie/er hätte doch merken müssen, dass es Ihnen nicht gut geht.
- Fragt sie/er weiter nach? Dann besteht ebenfalls die Gefahr, dass beide unzufrieden sind: Sie, weil Ihre Grenzen nicht gewahrt werden. Und sie/er, weil Sie nicht offen gesagt haben, wie es Ihnen geht.
Versuchen Sie deshalb, ein Missverhältnis zwischen Ihrer Körpersprache und Ihren Worten zu vermeiden. Manchmal bedeutet das, ehrlicher zu sein. In diesem Fall könnte das zum Beispiel so funktionieren: „Mir geht es nicht so gut, aber ich komme zurecht. Lass uns von etwas anderem sprechen.“
Geprüft Dr. med. Iris Herscovici: Stand Dezember 2019