9. Phosphatdiabetes im Erwachsenenalter – Alle Fragen

Phosphatdiabetes ist eine seltene Stoffwechselerkrankung. Ihre häufigste Form ist die X-chromosomale Hypophosphatämie (XLH). In der Regel ist Phosphatdiabetes eine genetische Erkrankung, daher treten die Symptome meist bereits im Kindesalter auf. Stellenweise erfolgt die Diagnose jedoch erst später im Leben. Diese Schulung ist für Erwachsene gedacht, die mit Phosphatdiabetes leben. Besprochen werden typische Symptome im Erwachsenenalter , die Therapiemöglichkeiten und der Alltag mit Phosphatdiabetes.

Einleitung durch Prof. Dr. Ralf Oheim

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Patientinnen und Patienten, herzlich willkommen zu diesem Schulungsvideo zu Phosphatdiabetes im Erwachsenenalter. Mein Name ist Ralf Oheim. Ich bin von Haus aus Orthopäde und Unfallchirurg, schon lange als Osteologe tätig. Das sind Spezialisten für Knochenerkrankungen und Knochenstoffwechsel. Ich bin tätig am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und dort als Oberarzt im Institut für Osteologie und Biomechanik.

Wir wollen hier in den nächsten Minuten über Symptome von Phosphatdiabetes im Erwachsenenalter sprechen, über die Therapien, über Dinge, die Sie tun können, warum es wichtig ist, diese Erkrankung lebenslang im Blick zu behalten und gegebenenfalls auch zu therapieren und versuchen, ein paar alltagstaugliche Tipps auch zu geben.

Hier geht es zur Einleitung des Kurses: „Phosphatdiabetes im Erwachsenenalter“

Phosphatdiabetes bei Erwachsenen

Warum kann es dazu kommen, dass Phosphatdiabetes erst im Erwachsenenalter erkannt wird?

Aus verschiedenen Gründen kann die Diagnose des Phosphatdiabetes mitunter erst im Erwachsenenalter gestellt werden. Das kann einerseits daran liegen, dass, je nachdem, welcher Jahrgang man ist, in Kindheit und Jugend die Diagnose nicht gestellt werden konnte, oder auch auf die Beschwerden nicht eingegangen wurde, oder gesagt wurde: „Das haben in unserer Familie alle so…“

Es gibt aber zum Beispiel auch milde Verläufe, die dann erst im höheren Erwachsenenalter symptomatisch werden, so dass dann mit den Möglichkeiten, die es heutzutage gibt, zeitnah die Diagnose gestellt werden kann, was früher einfach so in dem Rahmen nicht möglich war.

Welche Erkrankungen im Erwachsenenalter führen zu ähnlichen Beschwerden wie Phosphatdiabetes?

Der Phosphatdiabetes ist ja eine Systemerkrankung, betrifft den gesamten Menschen und vor allem aber den Bewegungsapparat. Insofern gibt es viele Erkrankungen des Bewegungsapparates, die ähnliche Beschwerden machen können.

Das können Erkrankungen aus dem sogenannten rheumatischen Formenkreis sein, also rheumatologische Erkrankungen mit Sehnenentzündungen oder Gelenkbeschwerden, aber auch andere Skeletterkrankungen, also Knochenerkrankungen, andere Mineralisationsstörungen.

All das kann sich klinisch ähnlich manifestieren, also aussehen wie ein Phosphatdiabetes.

Welche Probleme können damit einhergehen, wenn Phosphatdiabetes erstmalig im Erwachsenenalter diagnostiziert wird?

Wenn der Phosphatdiabetes spät erkannt wird, hat das natürlich den Nachteil, dass man nicht früh intervenieren konnte, nicht früh behandeln konnte und dass Manifestationen, die man möglicherweise mit einer frühen Therapie in der Kindheit, zum Beispiel die Beinachse betreffend, hätte ausgleichen können, dann eben nicht ausgeglichen werden konnten.

Aber mir ist es eigentlich viel wichtiger zu betonen, wie positiv das ist, wenn denn die Diagnose gestellt wird, weil dann kann man was machen. Und was gewesen ist – klar kann man die Uhr nicht zurückdrehen. Aber in dem Moment, in dem die Erkrankung klar ist, kann man spezifisch behandeln und in aller Regel auch Beschwerden lindern.

Hier geht es zum Video-Interview: „Phosphatdiabetes bei Erwachsenen“

Symptome von Phosphatdiabetes bei Erwachsenen

Erwachsene Patientinnen und Patienten mit Phosphatdiabetes haben ganz unterschiedliche Beschwerden. Das Spektrum der Beschwerden und der Manifestation ist sehr, sehr groß, von wirklich wenig bis kaum betroffene Erwachsene bis zu Schwerstbetroffene, die ihren Alltag nicht regeln können und auch Dinge des alltäglichen Lebens kaum regeln können.

Ein wesentliches Problem, was viele Patientinnen und Patienten berichten, sind Knochenschmerzen, vor allem auch der unteren Extremität, die im Laufe des Tages zunehmen. Viele Patienten klagen auch über Erschöpfung, die auch im Laufe des Tages zunimmt. Auch Muskelbeschwerden.

Patient:innen mittleren, höheren Alters berichten über Gelenkschmerzen, über eine zunehmende Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit, über Steifigkeit, auch Morgensteifigkeit.

Es gibt aber auch andere Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Magenschmerzen.

Das kann ganz, ganz vieles sein. Und das Ausmaß der Beschwerden ist, wie gesagt, sehr, sehr unterschiedlich.

Wie verändern sich die Symptome bei Phosphatdiabetes mit zunehmendem Alter?

Das Problem mit diesen klinischen Symptomen oder mit den Beschwerden, die Patientinnen und Patienten haben, ist ja, dass die sehr unspezifisch sind. Und es gibt nicht das Symptom, wo man sagen kann: „Ach klar, das ist ein Phosphatdiabetes!“ Es gibt immer andere Erkrankungen, die das auch sein können. Und im Prinzip werden die Beschwerden mit zunehmendem Alter stärker, wobei eben zum Beispiel Gelenkbeschwerden ja in der Bevölkerung sehr, sehr häufig sind. Aber um jetzt einfach mal eine Zahl zu sagen: Während in der normalen Bevölkerung vielleicht Gelenkbeschwerden mit 60, 70 deutlich zunehmen, ist das bei Patientinnen und Patienten mit Phosphatdiabetes schon ab 30, 40.

Also diese Dinge fangen früher an. Und tatsächlich sind das auch die Beschwerden, Gelenkbeschwerden, Bewegungseinschränkung der Gelenke, Rückenschmerzen, diese Dinge, die bei Patienten mit Phosphatdiabetes früher beginnen als in der Allgemeinbevölkerung und deutlich stärker ausgeprägt sind.

Welche Fachärzt:innen sind bei der Behandlung von Phosphatdiabetes bei Erwachsenen eingebunden?

Patientinnen und Patienten mit Phosphatdiabetes sollten sich regelmäßig, das heißt aus meiner Sicht, mindestens einmal jährlich bei jemandem vorstellen, der oder die einen Blick hat auf den Phosphatstoffwechsel, auf den Knochenstoffwechsel.

Das können Osteologen sein, das können Endokrinologen sein, das können Nephrologen sein. Aber jemand muss diese Phosphat-Stoffwechselstörung im Blick behalten.

Man sollte regelmäßig sich auch bei Nephrologen vorstellen, um die Verkalkung der Niere und die Nierenfunktion überprüfen zu lassen. Genauso wichtig ist aber auch die regelmäßige Vorstellung bei Zahnärzten.

Auch HNO-Ärzte sollten regelmäßig konsultiert werden, um das Hören zu überprüfen.

Und natürlich, Hauptbeschwerden können im Bereich des Bewegungsapparates sein. Deswegen ist in aller Regel eine orthopädische Mitbehandlung erforderlich.

Aber auch hausärztlich-internistisch sollte man regelmäßig angebunden werden. Zum Beispiel sehen wir vermehrt Bluthochdruck in dieser Patientengruppe.

Diese Dinge sollten regelmäßig überprüft werden.

Hier geht es zum Video-Interview: „Symptome von Phosphatdiabetes bei Erwachsenen“

Therapie von Phosphatdiabetes bei Erwachsenen

Warum ist die (fortführende) Behandlung von Phosphatdiabetes auch im Erwachsenenalter wichtig?

Der Phosphatdiabetes ist ja eine angeborene Erkrankung des Phosphatstoffwechsels, die nicht weggehen wird. Und wir wissen: Wenn man den Phosphatdiabetes nicht behandelt, sind die Auswirkungen auf den Bewegungsapparat, auf das Skelettsystem – da sind sie sehr, sehr gut untersucht – aber auch auf die Muskulatur, auf Dinge wie Müdigkeit, auf Gelenkbeschwerden etc., umso stärker, je weniger gut der Phosphatdiabetes behandelt ist. Deswegen sollte man den unbedingt im Blick behalten und kontinuierlich monitoren und dann eben auch therapieren.

Diese Störung des Phosphatstoffwechsels hält natürlich lebenslang an und wird auch im Alter nicht besser, wenn man das nicht therapiert.

Und wir haben einen klaren Fokus auf der Behandlung von Kindern und Jugendlichen im wachsenden Skelett. Das ist auch ganz, ganz wichtig.

Aber mit Abschluss des Skelettwachstums ist die Behandlung trotzdem wichtig. Wir kennen viele Nebenwirkungen oder Beschwerden, die sich dann im Erwachsenenalter ausbilden. Und wir kennen Patienten, die zwischendurch lange nicht behandelt wurden. Das ist tatsächlich auf vielen Ebenen nachteilig. Und das ist ja auch verständlich, wenn man weiß, das ist eine angeborene Störung, um die muss ich mich kümmern und das muss ich auch nach abgeschlossenem Wachstum.

Insofern ist die Überführung, was wir Transition nennen, von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin ganz, ganz wichtig.

Welche Therapieziele gibt es bei Erwachsenen mit Phosphatdiabetes?

Die Therapie der erwachsenen Patientinnen und Patienten mit Phosphatdiabetes hat verschiedene Ziele, wobei im Vordergrund die Beschwerdesymptomatik der Patientinnen und Patienten steht. Das ist klar, die wollen wir möglichst verbessern beziehungsweise verhindern, dass sie schlechter wird. Und dazu haben wir Hilfsmittel, vor allem sind das Laborwerte. Und da gucken wir natürlich auf das Phosphat, aber auch auf andere Parameter, die uns zeigen, ob zum Beispiel auch der Kalziumstoffwechsel balanciert ist, ob der Knochenstoffwechsel balanciert ist. Und man kann auch sehen, gerade bei Patientinnen und Patienten, die lange nicht in Behandlung waren, dass dieses ganze System völlig derangiert ist, aus dem Ruder gelaufen ist. Das müssen wir dann wieder einfangen.

Konkrete Therapieziele hängen von der Therapie ab:

Unter der Substitutionstherapie mit Phosphat und aktiven Vitamin D ist der Phosphatwert nicht so entscheidend. Wir wollen vor allem den Phosphatwert zwar verbessern, aber wir kriegen ihn nicht in den Normbereich. Wir wollen den Knochenstoffwechsel stabilisieren. Das ist das Ziel.

Und mit spezifischen, modernen Therapien, mit Antikörpertherapien, können wir tatsächlich den Phosphatwert auch in den unteren Normbereich heben.

Aber das Hauptziel, muss man mit dem Patienten und Patienten besprechen, ist eben deren Lebensqualität, die man langfristig besser erhalten kann, wenn man sich um die Erkrankung kümmert.

Wie wird Phosphatdiabetes im Erwachsenenalter behandelt?

Die medikamentöse Therapie von erwachsenen Patientinnen und Patienten mit Phosphatdiabetes besteht einerseits aus der Substitutionstherapie. Das ist die Substitution, also die Gabe von Phosphat und aktiven Vitamin D oder nativem Vitamin D, also dem normalen Vitamin D.

Und es gibt eine moderne Antikörpertherapie gegen das ursächliche FGF23, eine Antikörpertherapie, die man subkutan spritzt.

Wer jetzt welche Therapie bekommt und in welcher Dosierung, das ist individuell sehr, sehr unterschiedlich. Und im Laufe des Lebens gibt es Phasen, wo wir intensiver behandeln werden müssen oder weniger intensiv. Aber all das kann man, wie gesagt, nur individuell festlegen und kann man nur festlegen, wenn man in regelmäßigen Routinekontrollen ist und dann gemeinsam bespricht: Was sind die Therapieziele? Was sind die Beschwerden? Welche Therapie spricht gut an? Welche Therapie ist gut mit meinem Leben, meinem Alltag vereinbar? Wie komme ich am besten zurecht? Das sind alles Dinge, die man individuell besprechen und entscheiden muss.

Hier geht es zum Video-Interview: „Therapie von Phosphatdiabetes bei Erwachsenen“

Mein Beitrag zur Therapie bei Phosphatdiabetes

Was kann mein Durchhaltevermögen für die Therapie bei Phosphatdiabetes stärken?

Ihnen als betroffene Patientin oder Patient kommt natürlich eine ganz große Bedeutung bei der Therapie zu. Das fängt schon damit an, dass Sie dafür verantwortlich sind, dass Sie regelmäßig zur Kontrolle kommen, sich regelmäßig Termine machen. Natürlich auch mit der Therapietreue.

Und da ist es mir besonders wichtig: Wenn es Unverträglichkeiten gibt, die gibt es vor allem mit der Substitutionstherapie, also zum Beispiel der Phosphatsubstitution, sollte man diese Dinge auch bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten ansprechen und mit ihnen besprechen: Was sind denn Hindernisse? Warum schaffe ich es nicht, diese Therapie regelmäßig einzunehmen? Kann ich das in meinem Alltag anders machen? Mache ich das nicht, weil ich das nicht vertrage? Oder, oder. Da gibt es keine Tabus. Man darf alles ansprechen, man muss es ansprechen, und man muss gemeinsam den Weg finden, der für einen persönlich am besten funktioniert.

Und natürlich neben der medikamentösen Therapie gibt es ganz viele andere Dinge, die Sie als Patientin und Patient machen können.

Das ist moderate sportliche Belastung, also tatsächlich sich nicht überlasten, aber moderater Sport wird empfohlen. Das ist die gesunde Ernährung. Das ist die Planung des Umfelds, wie Sie Ihre Belastungen einteilen können. Das hat aber auch etwas zu tun mit Krankheitsakzeptanz, dass man sich nicht so sehr einschränken lässt, sondern die Dinge auch entsprechend hinnimmt, bewertet.

Also Ihnen kommt natürlich die größte Rolle bei der Therapie zu, und Sie sind ja auch die- oder derjenige, der davon profitiert oder eben auch nicht profitiert, wenn man das nicht schafft, die Therapie konsequent umzusetzen.

Wie schaffe ich es, die Medikamente regelmäßig zu nehmen?

In der Substitutionstherapie des Phosphatdiabetes ist es ja ganz wichtig, dass man sich an die regelmäßige Einnahme der Medikationen hält. Das ist tatsächlich schwierig. Es ist vor allem auch deshalb schwierig, weil man nicht sofort merkt, wenn man die Tabletten nicht nimmt. Da geht es einem nicht direkt schlechter, sondern man kann Tage, stellenweise Wochen die Tabletten nicht nehmen und merkt erst mal keine Verschlechterung. Die Werte werden aber schlechter. Und die Erfahrung zeigt, dass, wenn man das erst mal so schleifen lässt, es dann wirklich auch schwieriger ist, das wieder einzufangen. Insofern ist es wirklich eine Motivationsaufgabe. Es gibt ja heute Handy-Erinnerungen, man kann sich Wecker stellen, man kann sich Dinge aufschreiben, erinnern lassen, Kalender, was auch immer, ganz viele Dinge machen. Und man muss aber auch, wenn man diese Dinge versucht hat, mit der Ärztin oder dem Arzt offen besprechen, wenn es da irgendwelche Hemmnisse gibt, dass man sagt: „Das funktioniert so nicht, gibt es nicht einen anderen Weg?“ Und dann muss man gemeinsam Therapieoptionen besprechen.

Mit welchen zusätzlichen Maßnahmen kann ich meine Therapie unterstützen?

Wir haben jetzt in der Behandlung des Phosphatdiabetes viel über die medikamentöse Therapie gesprochen, aber tatsächlich gibt es ganz viele Dinge wie Physiotherapie, Ergotherapie, aber auch eine psychologische Begleitung oder, wenn erforderlich, eine Schmerztherapie. All das sind Dinge, die zusätzlich sehr hilfreich sein können.

Und was wir immer auch wollen, ist eine sogenannte Basistherapie. Das heißt, die ausgewogene proteinreiche Ernährung, die ausreichende Kalziumversorgung über die Ernährung, keine extra Kalzium-Supplemente, aber wie gesagt, die gesunde, kalziumreiche Ernährung, und auch Vitamin D-Versorgung. Aber das ist ohnehin Teil der Therapie.

Aber es sind eben diese anderen Dinge, die ganz viel zur Beschwerdelinderung beitragen können, vor allem, was den Bewegungsapparat angeht.

Hier geht es zum Video-Interview: „Mein Beitrag zur Therapie bei Phosphatdiabetes“

Phosphatdiabetes im Alltag

Wie kann ich mit den Symptomen im Alltag umgehen?

Viele Patientinnen und Patienten mit Phosphatdiabetes berichten mir, dass diese Symptome, auch gerade den Bewegungsapparat betreffend, immer schon da sind, aber über die Zeit schlechter werden, deutlich schlechter werden. Viele ignorieren das anfangs. Dann sind die Kinder klein, dann arbeitet man, dann kommt man nicht dazu, kümmert man sich nicht. Und oft kommt es dann wirklich zu so einem Punkt, wo dann gar nichts mehr geht. Und man würde sich natürlich wünschen, dass es gar nicht so weit kommt, sondern dass man die Symptome früher realisiert, dass man ein Stück weit sein Leben auch darauf ausrichtet. Das heißt: Wenn ich eine beruflich starke Belastung habe, dann muss das mit der privaten Belastung einhergehen und andersherum natürlich die berufliche Belastung dann reduzieren.

Und dann zu dem Umgang, da schaffen das ganz viele Patienten ganz, ganz toll. Das hat mit Krankheitsakzeptanz zu tun. Das hat damit zu tun, dass man sich Ruhezeiten nimmt, wenn man sie braucht. Das hat natürlich damit zu tun, dass man konsequent die Erkrankung überwachen lässt und gegebenenfalls therapieren lässt. Aber das ist ein ganz großes Themenfeld, wo man ganz viele Partner braucht und im Prinzip so ein Netzwerk mit einem engagierten Hausarzt, mit einem Osteologen, mit Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Familie und all das sich da gut aufstellt, um eben gut zurechtzukommen.

Was muss ich beachten, wenn ich als Phosphatdiabetes-Patient:in verreisen möchte?

Also grundsätzlich ist es so, wenn man mit Phosphatdiabetes Urlaub machen will, kann man das natürlich sehr, sehr gut.

Viele Patientinnen und Patienten berichten, dass es ihnen in der Wärme damit besser geht als in der Kälte. Man muss natürlich gucken: Wie belastbar ist man im Alltag? Macht man jetzt eine Alpenüberquerung oder eher etwas, was einem auch so zugutekommt?

Und dann ist natürlich das große Thema der Medikation: Wie mache ich das? Und auch klar, wenn es Tabletten sind, ist es so, dass man auch im Urlaub möglichst sich an die Intervalle halten sollte. Wenn das eine Antikörpertherapie ist, subkutan, dann kann man mit der behandelnden Ärztin, Arzt eben auch sicherstellen, dass das Intervall eingehalten wird beziehungsweise besprechen, ob man das Intervall vorher und nachher ein bisschen verschiebt.

Da kann man ganz viel machen, wenn man es denn bespricht, wenn man das offen anspricht.

Wie können mich Patientenorganisationen im Alltag mit Phosphatdiabetes unterstützen?

Die Patientenorganisationen sind grundsätzlich sehr, sehr hilfreich, aber hier bei Phosphatdiabetes im Besonderen. Und das liegt eben daran, dass die Expertinnen aus dem medizinischen Bereich oft nicht mit dieser Erkrankung leben und man sich bei der Patientenhilfe ganz viel lebensnahe, praxisrelevante Tipps holen kann. Man kann mit Betroffenen sprechen, die verschiedene Dinge ausprobiert haben. Und das kann natürlich bei dem einen funktionieren, bei dem anderen nicht, aber man muss nicht selber alles probieren. Man kann sich darüber einfach von Angesicht zu Angesicht unterhalten, und das ist tatsächlich extrem hilfreich für ganz viele, ganz praktische Dinge, zu denen wir, die wir ja sehr auf Knochenstoffwechsel, auf Laborparameter, auf technische Untersuchungen gucken, so gar nicht den Zugang haben. Da kann jemand in der gleichen Lebenssituation, also auch eine junge Mutter mit kleinen Kindern, ganz andere Tipps geben, als wir das können.

Hier geht es zum Video-Interview: „Phosphatdiabetes im Alltag“

Beruf und Phosphatdiabetes

Was sollte ich bei der Berufswahl oder im Arbeitsalltag mit Phosphatdiabetes beachten?

Patienten und Patienten mit Phosphatdiabetes können erst mal per se ganz viele Berufe ergreifen. Wir haben auch Patientinnen und Patienten, die alles Mögliche machen, auch körperlich anstrengende Berufe, zu denen man jetzt nicht primär raten würde. Aber das hängt halt auch wieder mit dem großen Spektrum der Symptome zusammen, von eben ganz mild, kaum betroffenen Patientinnen und Patienten bis zu Schwerstbetroffenen. Wir haben auch nicht wenige Patientinnen und Patienten, die eben nicht mehr arbeitsfähig sind aufgrund der Beschwerdesymptomatik.

Man sollte sich das tatsächlich überlegen. Wie gesagt, primär körperlich belastende Berufe eher nicht oder in Kälte und Nässe draußen. Das wären Dinge, die man nicht raten würde.

Aber grundsätzlich, finde ich, muss man das immer besprechen, weil wenn jemand sagt: „Das ist mein Traum, ich will das unbedingt…“, dann muss man das diskutieren. Aber da gibt es jetzt keine Verbote. Aber klar ist: Wenn man schwerer betroffen ist, ist in der Regel der Bewegungsapparat ein Thema, und das wird im Alter eher mehr. Also daher eher Berufe, die weniger körperlich belastend sind.

Muss ich meine Erkrankung bei meiner Arbeitsstelle melden?

Die Frage ist immer: Kommuniziert man eine Grunderkrankung, eine chronische Erkrankung, mit dem Arbeitgeber? Und das ist eine ganz schwierige Frage.

Grundsätzlich natürlich klar, dass das hoch privat ist und der Arbeitgeber davon gar nichts wissen muss. Sie müssen niemandem irgendwie darüber Auskunft geben. Das ist klar.

Wenn man ein vertrauensvolles Verhältnis hat und viel fehlt, weil man viele Krankheitszeiten hat, weil man dann das offen kommunizieren will, kann man das überlegen. Aber das ist eine sehr individuelle Entscheidung. Und wie gesagt, grundsätzlich müssen Sie natürlich chronische Erkrankungen nicht per se und schon gar nicht konkrete Diagnosen mit Ihrem Arbeitgeber besprechen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Beruf und Phosphatdiabetes“

Kinderwunsch mit Phosphatdiabetes

Wie wird Phosphatdiabetes vererbt?

Also wenn wir hier von Phosphatdiabetes sprechen, dann sprechen wir in erster Linie von der häufigsten Form. Das ist die X-chromosomal-dominante hypophosphatämische Rachitis. So heißt es ganz ausgesprochen, XLH. Und die heißt X-chromosomal dominant, weil sie über das X-Chromosomen vererbt wird. Und eine Variante, eine Mutation reicht, damit die Erkrankung zum Vorschein kommt. Das heißt:

Bei betroffenen Müttern sind die Nachkommen zu 50 Prozent betroffen, egal ob Junge oder Mädchen, weil sie entweder das gesunde oder das betroffene X-Chromosomen weitergeben.

Bei betroffenen Vätern ist es so, dass Jungs nie betroffen sind, weil sie ihr Y-Chromosomen weitergeben, und Töchter immer betroffen sind, weil die Männer ihr betroffenes X-Chromosomen weitergeben.

Kann ich trotz der Erkrankung Kinder bekommen?

Natürlich können Sie mit Phosphatdiabetes Kinder bekommen. Empfohlen ist dann noch mal in der speziellen familiären Situation eventuell eine genetische Beratung, auch damit man die Partner abholt, damit das neutral besprochen wird. Aber natürlich kann man Kinder bekommen.

Und die Wahrscheinlichkeit, mit der dann die die Nachkommen betroffen sind, kann man dann noch mal in Ruhe besprechen und sich das gemeinsam überlegen.

Darf ich meine Therapie während der Schwangerschaft fortsetzen?

Schwangerschaft und Stillzeit ist eine besondere Zeit, sowieso immer, aber gerade auch für Frauen mit Phosphatdiabetes.

Die Fortführung der Antikörpertherapie ist nicht empfohlen in dieser Zeit. Diese Therapie sollte man, wenn man Nachkommen plant, umstellen auf die Substitutionstherapie. Und die Substitutionstherapie, also die Phosphat-Vitamin-D-Gabe, ist dann laborchemisch zu überwachen.

Spannend wird dann das dritte Trimenon, dann mineralisiert das kindliche Skelett. Da muss man noch mal gucken, dass die Mutter ausreichend versorgt ist.

Grundsätzlich gilt eigentlich, dass es evolutionär so geregelt ist, dass das Kind schon alles kriegt, was es braucht. Da muss man keine große Sorge haben. Das hat auch mit der Vererbung jetzt erst mal gar nichts zu tun

Und dann mit dem Stillen, auch da muss man dann wieder gucken: Wie geht es der Mutter? Ist das Kind betroffen? Ja, nein? Auch da gibt es Untersuchungen, dass die Muttermilch in Ordnung ist, dass das Kind alles kriegt, was es braucht. Aber man muss natürlich gucken: Wie geht es der Mutter damit? Was machen die Laborbefunde? Das sind dann aber Dinge, die man wirklich Schritt für Schritt bespricht und guckt. Das geht aber alles.

Was sollte ich beim Stillen meines Kindes beachten?

Beim Thema „Phosphatdiabetes-betroffene Mütter stillen“ geht es auch vor allem erst mal um die Mütter, wie sie versorgt sind mit Phosphat, Kalzium, Vitamin D, all diesen Sachen. Das kann und muss man laborchemisch überprüfen.

Die Kinder sind in aller Regel gut versorgt durch die Muttermilch. Also auch da holen die sich eigentlich, was sie brauchen. Das ist schon ganz gut eingerichtet.

Hier geht es zum Video-Interview: „Kinderwunsch mit Phosphatdiabetes“

Meine Nachricht an Sie

Meine Botschaft an Sie als betroffene:r Patient und Patientin von Phosphatdiabetes ist, dass es Ihre Aufgabe ist, sich darum zu kümmern. Und ich möchte Ihnen dringend ans Herz legen, dass Sie sich regelmäßig zur Nachsorge vorstellen, dass Sie sich eben mindestens einmal jährlich bei Kolleginnen und Kollegen vorstellen, die sich mit dieser Erkrankung auskennen. Es ist eben nicht mehr so, wie man früher gesagt hat, „Kann man eh nichts machen“ oder „Man muss es nur in der Kindheit behandeln“. Das stimmt nicht. Das ist natürlich eine lebenslange Erkrankung, muss es sein als Erbkrankheit. Und man muss nicht immer sehr intensiv behandeln, aber man muss es immer im Blick behalten. Und man kann heutzutage vieles machen. Die Optionen sind wirklich viel, viel mehr als noch früher, und es gibt sehr spezifische Therapien. Also daher mein dringender Appell, dass man sich darum kümmern. Das ist, was ich Ihnen mitgeben wollen würde.

Hier geht es zum Video: „Meine Nachricht an Sie“

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Geprüft Prof. Dr. Ralf Oheim: Stand November 2024 | Quellen und Bildnachweis
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.