Eine der häufigsten und auch belastendsten Beschwerden im Rahmen einer chronischen Brustkrebserkrankung sind Erschöpfungszustände, die ein normales Maß übersteigen. Beinahe jede Krebspatientin hat im Laufe ihrer Erkrankung darunter zu leiden. Wie sich die sogenannte „Fatigue“ äußert und was ihre Ursachen sind, erfahren Sie in dieser ersten Lektion.
Dr. Daniel Egle, Facharzt für Gynäkologie, beantwortet im Video "Was ist Fatigue?" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Was ist Fatigue und wie unterscheidet sie sich von normaler Müdigkeit?
- Woran können Brustkrebspatientinnen erkennen, dass sie an Fatigue leiden?
- Spricht man immer von Fatigue, wenn eine Krebspatientin sich müde fühlt?
- Hat Fatigue immer die gleichen Symptome?
- Was sind die Ursachen für Fatigue bei metastasiertem Brustkrebs?
- Ist Fatigue eine Art von Depression?
- Kommt Fatigue bei metastasiertem Brustkrebs häufig vor?
- Zu welchem Zeitpunkt einer Brustkrebserkrankung kann Fatigue auftreten?
- Auf den Punkt gebracht
Video Transkript
Was ist Fatigue und wie unterscheidet sie sich von normaler Müdigkeit?
Fatigue ist ein sehr unscharf definierter Symptomenkomplex, der zu diesem Syndrom der Fatigue führt. Am besten ist es wahrscheinlich zu erklären mit einem sehr ausgeprägten Erschöpfungszustand der Patientinnen oder der Frauen, die betroffen sind. Er kann mit Müdigkeit, depressiven Verstimmungen, Schlaflosigkeit und eben Leistungsreduktion einhergehen. Das kann Patientinnen in der Diagnosesituation der frühen Brustkrebserkrankung betreffen, bereits schon allein durch die Diagnose selber, aber dann natürlich auch durch entsprechende Therapien wie Chemotherapien, Strahlentherapien, Antihormonelle Therapien, die dann auch über Jahre bis zu zehn Jahre nach Ende der Therapie noch auftreten können. Patienten in der metastasierten Situation, die wir als chronische Erkrankung behandeln und auch betrachten, haben hier wahrscheinlich ein höheres Risiko, längerfristig auch an Fatigue zu leiden, weil hier wenig oder kaum Therapierpausen zur Verfügung stehen.
Woran können Brustkrebspatientinnen erkennen, dass sie an Fatigue leiden?
Die Symptome dieser Fatigue sind
- eben oft ein Erschöpfungszustand und Müdigkeit,
- aber auch depressive Verstimmungen, die Ihnen vielleicht auffallen,
- dass Sie im Alltag nicht so funktionieren, wie Sie es eigentlich gewohnt sind,
- dass Sie alltäglichen Dingen wie Arbeiten oder Hausarbeit oder Betreuung von Ihren Kindern, was auch immer, nicht in dem Maße mehr nachkommen können, wie Sie das eigentlich gewohnt waren.
Und wenn das eben im Zusammenhang mit der Krebstherapie, aber auch nur mit der Diagnose steht, handelt es sich hier möglicherweise um ein Fatigue-Syndrom, wo Sie auch angehalten sein sollten, die Hilfe Ihres Arztes in Anspruch zu nehmen, um diese Symptomatik zu verbessern.
Spricht man immer von Fatigue, wenn eine Krebspatientin sich müde fühlt?
Man kann nicht generell immer, wenn eine Patientin Müdigkeit verspürt, von einer Fatigue sprechen. Das gehört einfach auch über einen längeren Zeitraum beobachtet und die Frage eben, ob ich durch entsprechende Ruhepausen und Erholungsphasen mich dann wieder besser fühle. Wenn das nicht der Fall ist und ich vielleicht Müdigkeit untertags und dementsprechend auch vermehrtem Schlafbedürfnis habe und auch diesen Schlaf einholen kann und mich dann trotzdem noch müde fühle, dann kann es sich möglicherweise um Fatigue-Syndrom handeln. Die Müdigkeit alleine ist nicht das ausschlaggebende Symptom in dieser Situation.
Hat Fatigue immer die gleichen Symptome?
Fatigue ist ein sehr unscharf definiertes Syndrom quasi, das im Zusammenhang eben mit Therapien, aber auch mit der Diagnose und der Krebserkrankung selber stehen kann, das viele Formen und Facetten haben kann. Es kann deshalb durchaus sein, dass nicht alle Patientinnen alle diese Kriterien erfüllen, dennoch aber vielleicht unter einer Fatigue leiden. Dementsprechend muss man das sehr individuell sehen und auf die Patientin eingehen, um hier auch die richtige Diagnose stellen zu können.
Was sind die Ursachen für Fatigue bei metastasiertem Brustkrebs?
Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs leiden sehr häufig unter Fatigue. Das kommt daher, weil deutlich mehr Faktoren auf die Patientin einwirken, die diese verursachen können.
- Zum einen die Krebserkrankung selbst, die hier vielleicht Organfunktionen beeinträchtigt und dementsprechend den Körper einfach schwächt.
- Zum anderen die psychische Belastung im Wissen dessen, dass man an einer unheilbaren, meist tödlich verlaufenden Erkrankung leidet, die hier als belastend empfunden wird selbstverständlich.
- Und zum anderen natürlich auch die Notwendigkeit einer fast permanenten Therapie. Und diese Brustkrebserkrankung- in der metastasierten Situation, die wir im Idealfall als chronische Erkrankung betrachten, mit der die Patientin vielleicht noch lange leben kann, hier permanente Therapien notwendig sind, die zusätzlich durch ihre Nebenwirkungen die Fatigue fördern können.
Ist Fatigue eine Art von Depression?
Depressionen spielen im Symptomkomplex der Fatigue eine Rolle. Es ist aber keine Art einer Depression. Es gibt Zusammenhänge mit Depressionen. Wir sehen, dass eine von fünf Patientinnen, die an Fatigue leidet, auch eine Depression hat. Aber eben nicht alle. Der Anteil ist hoch, aber die Depression ist nur ein Teil dieses Symptomenkomplexes und nicht gleichzusetzen. „Depression = Fatigue“, das wäre eine unscharfe Definition, die wir so nicht im Raum stehen lassen.
Kommt Fatigue bei metastasiertem Brustkrebs häufig vor?
Bei metastasiertem Brustkrebs ist Fatigue eines der häufigsten oder wenn nicht überhaupt das häufigste Symptom, unter dem die Patientinnen leiden, zum einen durch körperliche Beschwerden, die der Tumor verursacht, aber eben auch durch ständig notwendige Therapien, um den Tumor unter Kontrolle zu behalten, welcher Art auch immer. Und wahrscheinlich fast 90 Prozent oder fast mehr noch der Patientinnen leiden unter Fatigue zu irgendeinem gewissen Ausmaß und Dauer der Zeit.
Zu welchem Zeitpunkt einer Brustkrebserkrankung kann Fatigue auftreten?
Wie schon erwähnt: Eigentlich zu allen Zeitpunkten in der Diagnose, von der Erstdiagnose im frühen Stadium bis hin zur metastasierten Erkrankung kommt es hier durch unterschiedliche Situationen und psychische Belastungen, körperliche Symptome des Tumors oder eben auch vor allen Dingen durch Therapien zu einer ausgeprägten oder mehr oder weniger ausgeprägten Fatigue bei einer Patientin.
Auf den Punkt gebracht
Was ist Fatigue?
- Fatigue ist ein ausgeprägter Erschöpfungszustand, der bei metastasiertem Brustkrebs eines der häufigsten Symptome darstellt und eine große Belastung sein kann.
- Hauptsymptome der Fatigue sind Müdigkeit, Erschöpfung, depressive Verstimmungen, Schlaflosigkeit und Leistungsreduktion trotz entsprechender Ruhepause.
Erfahrungen von Betroffenen
Was versteht man unter Fatigue?
Fatigue (ausgesprochen: „Fatieg“) ist ein Begriff aus dem Französischen und bedeutet übersetzt: Müdigkeit und Erschöpfung. Tritt sie im Rahmen einer Krebserkrankung auf, spricht man von krebsbedingter Fatigue.
Von einer normalen Müdigkeit, wie sie jeder Mensch kennt, unterscheidet sich eine Fatigue in dreierlei Hinsicht:
- Das Ausmaß: Die Müdigkeit ist außerordentlich stark, das Ruhebedürfnis massiv erhöht.
- Die Verhältnismäßigkeit: Die Erschöpfung steht in keinem Verhältnis zu vorangegangenen Aktivitäten.
- Der Erschöpfungsgrad: Der Zustand lässt sich durch Erholungspausen oder Schlaf nicht oder kaum beheben.
Was sind die Symptome bei krebsbedingter Fatigue?
Fatigue ist kein Einzelsymptom, sondern eine Kombination verschiedener Beschwerden, ein sogenannter Symptomenkomplex. Dabei müssen die auftretenden Anzeichen nicht immer dieselben sein.
Möglicherweise verspüren Sie
- Müdigkeit und Schwäche
- Verlust von körperlicher Belastbarkeit
- Seelische Erschöpfung
- Konzentrationsstörungen
- Schlafstörungen
- Traurigkeit, Reizbarkeit
- Ängste
Was sind die Ursachen für Fatigue?
Eine Fatigue entsteht durch das Zusammenwirken vieler Auslöser. Die verursachenden Faktoren herauszufinden ist für die Diagnose wie auch für die Behandlung sehr wichtig.
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Die Krebserkrankung selbst
DGewichtsabnahme, Blutarmut oder Stoffwechselstörungen durch die Krebserkrankung schwächen den Körper. Auch können Tumorzellen Stoffe produzieren, die zu Erschöpfungszuständen führen.
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Krebsbehandlungen
Chemo- und Strahlentherapie belasten unter anderem durch eine Beeinträchtigung der Blutbildung mit verminderter Sauerstoffversorgung des Körpers. Auch eine Antihormontherapie und manche Schmerzmedikamente können Fatigue fördern.
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Hormonungleichgewichte
Der Mangel an Schilddrüsen-, Nebennieren- oder Geschlechtshormonen kann Schwäche und Abgeschlagenheit verursachen.
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Psychische Folgen
Psychische Folgen der Krebserkrankung wie Ängste, Depression oder Stress wirken sich auf die Vitalität aus.
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Weitere Ursachen
Als weitere Ursachen zu bedenken sind Schlafstörungen, Mangelernährung, chronische Infekte oder Schmerzen, Störungen des Immunsystems und Bewegungsmangel.
Häufige Fragen
Erschöpft oder depressiv - wie erkenne ich den Unterschied?
Erschöpfung und Niedergeschlagenheit hängen häufig miteinander zusammen. Oft ist es schwer zu sagen, ob die Erschöpfung Ursache oder Folge einer depressiven Verstimmung ist.
Fatigue kann, muss aber nicht mit einer Depression einhergehen.
Zwei Unterschiede zwischen Fatigue und Depression:
- Wenn man depressiv ist, hat man keine Lust. Bei einer Fatigue hat man Lust, aber keine Kraft.
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit sowie Selbstmordgedanken sind typische Symptome einer Depression, nicht aber einer Fatigue.
Wie häufig ist Fatigue bei Krebs?
- Fatigue kann in jedem Stadium einer Brustkrebserkrankung auftreten und betrifft sehr viele Patientinnen.
- Während oder kurz nach einer Krebstherapie leiden bis zu 90 Prozent aller Patientinnen unter Erschöpfungszuständen. Diese akute Fatigue klingt bei circa Dreiviertel der Patientinnen binnen einiger Wochen bis Monate nach Therapieende wieder ab.
- Bleiben die Beschwerden über Monate oder Jahre bestehen, spricht man von chronischem Fatigue-Syndrom. Etwa ein Viertel der Patientinnen ist davon betroffen.
Hinweis
Erschöpfungszustände bei fortgeschrittenem Brustkrebs sollten nicht übersehen oder übergangen werden. Wenden Sie sich deshalb an Ihre behandelnden ÄrztInnen oder Ihre Breast Care Nurse und weisen Sie aktiv darauf hin, wenn Sie sich über die Maßen müde und erschöpft fühlen.
Geprüft Ingeborg Brandl, MSc und OA Dr. Daniel Egle: aktualisiert April 2022