Wie wirken sich Gelenkblutungen auf die Gelenke aus?
Gelenkblutungen führen unmittelbar zu Veränderungen im Gelenk. Durch die Ansammlung des Blutes im Gelenkspalt schwillt das Gelenk an und erwärmt sich. Hinzu kommen oftmals heftige Schmerzen, die gemeinsam mit der Schwellung Gelenkbeweglichkeit einschränken können. Wird die Blutung in diesem Stadium durch eine geeignete Behandlung mit Gerinnungsfaktoren gestoppt, baut das Bindegewebe im Gelenk das Blut ab und resorbiert es aus dem Gelenkspalt. Die Gelenkfunktion ist nach etwa einer Woche wieder hergestellt.
Schon eine einmalige Gelenkblutung kann eine Entzündung der Gelenk(schleim)haut und der Gelenkinnenhaut (Synovitis) zur Folge haben. Wiederholte Blutungen führen zum Anschwellen der Gelenke und chronischen Gelenkentzündungen. Diese münden unbehandelt in einer Schädigung der Gelenkinnenhaut und des Knorpels. Es bildet sich ein fragiles Narbengewebe, das anfälliger für Blutungen ist. Weitere Gelenkblutungen setzen dem schützenden Knorpel immer mehr zu, bis dieser letztendlich völlig zerstört ist. Die Konsequenz sind anhaltende Gelenkschäden bis hin zur Arthrose und zu Versteifungen, die das Gelenk unbrauchbar machen.
Teufelskreis Gelenkschaden
Entzündungen und Schäden an den Gelenken beeinträchtigen auch die zugehörigen Muskeln und Bänder. Entzündete und geschädigte Gelenke verursachen Schmerzen und sind nur eingeschränkt beweglich. Das führt dazu, dass der Patient alle unnötigen Bewegungen vermeidet.
Durch die Ruhigstellung des Gelenks verkürzen sich Muskeln und Bänder und werden schwächer. Ein von geschwächten Muskeln und verkürzten Bändern umgebenes Gelenk ist instabil und damit anfälliger für Verletzungen.
Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen, um weitere Blutungen in das Gelenk zu verhindern.
Beurteilung der Gelenksituation durch Hämophilie-Joint-Scores
Um die aktuelle Gelenksituation beurteilen zu können, etwa im Zuge einer prophylaktischen Behandlung bei Hämophilie, sind eine regelmäßige körperliche Untersuchung des Patienten und die Überprüfung bestimmter funktioneller Parameter erforderlich. Den dafür erforderlichen einheitlichen Standard schafft unter anderem der sogenannte WFH-Score (WFH = World Federation of Haemophilia), der die Gelenke nach einer Punkte-Skala beurteilt.
Während gesunde Gelenke mit null Punkten gewertet werden, erhält ein maximal geschädigtes Ellbogengelenk zehn, ein maximal geschädigtes Knie- oder Sprunggelenk jeweils zwölf Punkte. Eine noch genauere Einteilung erlaubt die Bewertung einzelner klinischer Parameter wie Schwellung, Muskelatrophie, Achsenabweichung des Gelenks, Bewegungsausmaß oder Gelenkinstabilität, deren Schweregrad jeweils mit den Zahlen Null bis Zwei angegeben wird. Bewertet werden können sowohl einzelne Gelenke als auch Gelenkpaare oder der gesamte Gelenkstatus eines Patienten.
Eine weitere Möglichkeit, die Gelenksituation hämophiler Personen zu beurteilen, bietet der von der IPSG (International Prophylaxis Study Group) entwickelte Haemophilia Joint Health Score (HJHS), der speziell für Kinder und Jugendliche von 4 bis 18 Jahren konzipiert wurde, aber auch bei Erwachsenen Anwendung findet.
Des Weiteren gibt es noch Gelenkscores, die auf bildgebenden Verfahren beruhen (Gilbert-Score, Petterson-Score).
Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit dem Sportwissenschaftler Ralf Kalinowski entwickelt: Stand 17.12.2018