Das Injizieren des Faktorkonzentrats können Sie nach einer entsprechenden Schulung selbst übernehmen. Die Heimselbstbehandlung wird in enger Abstimmung mit Ihrem Behandlungszentrum nach einem eigens für Sie erstellten Behandlungsplan durchgeführt. Im Rahmen einer Prophylaxe reduzieren Sie das Risiko von spontanen Blutungen deutlich. Gleichzeitig lernen Sie, aktuelle Blutungen ohne Zeitverlust selber zu behandeln. So gewinnen Sie mehr Freiheit und Unabhängigkeit und müssen nicht wegen jeder kleinen Verletzung Ihren Hämophilie-Arzt aufsuchen. In folgenden Fällen sollten Sie jedoch trotzdem medizinische Hilfe in Anspruch nehmen:
- bei starken Gelenkblutungen, da gegebenenfalls eine Gelenkpunktion nötig ist,
- bei wiederholten Blutungen im gleichen Gelenk,
- bei lebensbedrohlichen Blutungen.
Vorbereitung der Injektion und Verabreichung
Dank der ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung haben Sie die Möglichkeit, Ihre Krankheit heute weitestgehend selbstständig zu therapieren. Die folgende Anleitungen sollen Sie bei der Durchführung der Selbstbehandlung unterstützen. Schauen Sie sich hierzu auch unser Video an, das noch viele weitere Informationen zu diesem Thema für Sie bereithält.
Priv.-Doz. Dr. Robert Klamroth, Facharzt für Innere Medizin und Hämostaseologie, Oberarzt der Klinik für Innere Medizin / Angiologie und Hämostaseologie und Leiter der Klinischen Hämostaseologie und des Hämophiliezentrums am Vivantes Klinikum im Friedrichshain in Berlin, beantwortet im Video "Selbstbehandlung bei Hämophilie" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!Video Transkript
Was versteht man unter einer ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung?
Die ärztlich kontrollierte Heimselbstbehandlung wurde schon in den 70er-Jahren in Deutschland eingeführt. Das bedeutet: Der Patient spritzt sich zu Hause sein Faktor VIII selbstständig und legt auch selbstständig fest, wann er diesen Faktor VIII spritzen muss. Und der Arzt kontrolliert dann diese Heimselbstbehandlung anhand des Substitutions-Tagebuchs.
Welche Voraussetzungen gibt es für die Heimselbstbehandlung?
Wichtigste Voraussetzung für die Heimselbstbehandlung ist, dass der Patient regelmäßig seine Faktor-VIII-Injektion und seine Blutungen in einem Tagebuch dokumentiert, damit der Arzt dann diese Heimselbstbehandlung auch ärztlich kontrollieren kann.
Worauf müssen Patienten achten?
Patienten sollten darauf achten, dass sie regelmäßig ihre Behandlung und auch den Anlass der Behandlung mit dem jeweiligen Datum dokumentieren in diesem Tagebuch. Denn nur was dokumentiert ist, kann vom Arzt ausgewertet und dann auch in der Therapie optimiert werden.
Was ist bei der Lagerung von Faktor VIII-Präparaten zu beachten?
Die meisten Faktor-VIII-Präparate sind heute bei Raumtemperatur lagerungsstabil. Das bedeutet trotzdem, dass man sie nach Möglichkeit nicht der prallen Sonne oder großer Hitze aussetzen sollte. Einige Faktor-VIII-Präparate müssen auch heute noch im Kühlschrank gelagert werden. Große Hitze sorgt nicht dafür, dass diese Präparate schlecht werden. Aber die Faktor-VIII-Aktivität sinkt dann deutlich ab.
Wie werden sie verabreicht?
Faktor-VIII-Präparate müssen intravenös verabreicht werden. Das heißt: Wir schulen erst die Eltern und dann den Patienten selbst in der intravenösen Gabe dieser Faktoren-Konzentrate, damit Patienten oder Eltern bei Kleinkindern in der Lage sind, sich selbständig den Faktor VIII in die eigene Vene zu injizieren.
Selbstbehandlung auf den Punkt gebracht.
Die ärztlich geleitete Heimselbstbehandlung ermöglicht dem Patienten heute, seine Krankheit zu Hause selbständig zu therapieren.
Wichtig ist dabei, dass diese Behandlung entsprechend dokumentiert wird, und dafür ist das Substitutions-Tagebuch als wichtigste Möglichkeit der Dokumentation regelmäßig zu führen.
Benötigte Utensilien
Folgende Dinge benötigen Sie für die Heimselbstbehandlung:
- Konzentrat und Lösungsmittel,
- Tupfer und Desinfektionsmittel (zur Reinigung der Gummistopfen von Konzentratflasche und Wasserflasche sowie der Einstichstelle auf der Haut),
- Überleitungssystem (zum Überleiten des sterilen Lösungsmittels in die Konzentratflasche),
- Spritze und Filternadel (zum Aufziehen des Faktors in die Spritze),
- Butterfly (Injektionsnadel zum Injizieren des Faktors in die Vene),
- Pflaster und sterile Tupfer (ein Pflaster zum Fixieren des Butterflys auf der Haut sowie zwei längere Pflasterstreifen und einen zusammengerollten Tupfer für den Druckverband),
- Stauschlauch (zum Stauen des Blutes in der Vene, erleichtert den Einstich in die Vene),
- Substitutionstagebuch oder App (zum exakten Dokumentieren der Injektionen).
Vorbereitung der Injektion
- Waschen Sie sich vor jeder Behandlung die Hände gründlich mit Wasser und Seife.
- Säubern Sie den Platz, an dem Sie die Injektion vorbereiten, sorgfältig.
- Legen Sie alles bereit, was Sie für die Selbstbehandlung benötigen.
- Kontrollieren Sie, bevor Sie beginnen, ob wirklich alles vorhanden ist.
So stauen Sie richtig
Durch richtiges Stauen sehen Sie die Venen besser und auch der Einstich gelingt leichter.
- Legen Sie den Stauschlauch mindestens zehn Zentimeter oberhalb der vorgesehenen Einstichstelle an.
- Fühlen Sie den Puls mit Zeige- und Mittelfinger der freien Hand.
- Ziehen Sie den Stauschlauch so eng, dass der Puls nur noch schwach erkennbar ist.
Haben Sie Schwierigkeiten, die Vene zu finden, kann es helfen, den Arm nach unten hängen zu lassen und die Hand fest zu öffnen und zu schließen. Auch das fünf- bis zehnminütige Baden der Hand oder des Armes in warmem Wasser lässt die Venen deutlicher hervortreten.
Punktion und Injektion
- Desinfizieren Sie vor der Punktion die Einstichstelle.
- Nehmen Sie den Butterfly so in die Hand, dass der Schliff nach oben zeigt.
- Entfernen Sie die Verschlusskappe von der Nadel.
- Stechen Sie die Nadel in leicht schrägem Winkel durch Ihre Haut. Wird Blut im Schlauch des Butterfly sichtbar, haben Sie die Vene getroffen.
- Schieben Sie die Nadel etwas weiter in Richtung Vene, um sicherzugehen, dass sich die Öffnung vollständig innerhalb dieser befindet.
- Öffnen Sie den Stauschlauch.
- Spritzen Sie den Faktor langsam. (Beachten Sie die Herstellerangaben.)
Wichtig ist, dass Sie die Behandlung (jede Verabreichung, auch Substitution genannt) genau dokumentieren und Ihr Substitutionstagebuch korrekt führen. Notieren Sie neben den Substitutionen auch jede Blutung oder Besonderheit, die Sie Ihrem Hämophilie-Arzt beim nächsten Besuch mitteilen möchten. Nur ein lückenlos ausgefülltes Tagebuch gibt einen aussagefähigen Überblick über den Behandlungsverlauf und den Erfolg der Therapie. Ihre Ärzte sind zur genauen Dokumentation der Verwendung von Faktorkonzentraten verpflichtet; mit einer sorgfältigen Dokumentation unterstützen Sie sie dabei.
Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit Priv.-Doz. Dr. Robert Klamroth entwickelt: Stand Jänner 2017