Die Prophylaxe, derzeit die Standardtherapie der Hämophilie, hat die Lebensqualität hämophiler Menschen nachhaltig verbessert. Allerdings führt die bislang übliche Dosierung rein nach dem Körpergewicht dazu, dass einige Patienten sich zu viel Faktor VIII spritzen, während andere unterversorgt sind. Mithilfe der Pharmakokinetik ist es mittlerweile möglich, für jeden Betroffenen eine individuelle, auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Therapie zu entwickeln.
Priv.-Doz. Dr. Robert Klamroth, Facharzt für Innere Medizin und Hämostaseologie, Oberarzt der Klinik für Innere Medizin / Angiologie und Hämostaseologie und Leiter der Klinischen Hämostaseologie und des Hämophiliezentrums am Vivantes Klinikum im Friedrichshain in Berlin, beantwortet im Video "Personalisierte Prophylaxe" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Was ist die personalisierte Prophylaxe?
- Für welche Patienten kann die personalisierte Prophylaxe interessant sein?
- Anhand welcher Daten wird ein auf den Patienten zugeschnittenes Schema entwickelt?
- Wie lange dauert es bis man die Dosierungsoptionen erhält?
- Personalisierte Prophylaxe auf den Punkt gebracht.
Video Transkript
Was ist die personalisierte Prophylaxe?
Als die Prophylaxe in Deutschland als Therapieregime eingeführt wurde, gab es eine fixe Dosisvorgabe für Patienten mit einer Hämophilie A und für Patienten mit einer Hämophilie B. Das bedeutete: Bei Patienten mit einer Hämophilie A wurden in der Regel 30 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht dreimal pro Woche oder jeden zweiten Tag injiziert, unabhängig davon, welche Belastungen der Patient hatte oder wie seine Pharmakokinetik war.
Der Vorteil der personalisierten Prophylaxe ist, dass die Faktor-VIII-Substitution an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst wird und zusätzlich über die Pharmakokinetik die optimale Menge an Faktor VIII gegeben wird, um einen Talspiegel über 1 Prozent über 3 Prozent oder 5 Prozent, je nachdem, was ihr Behandler festgelegt hat, dauerhaft zu erreichen.
Für welche Patienten kann die personalisierte Prophylaxe interessant sein?
Alle Patienten können von einer personalisierten pharmakokinetisch gesteuerten Prophylaxe profitieren. Ganz wichtig aus meiner Sicht ist sie aber für die Patienten, die unter ihrer aktuellen Prophylaxe weiter Blutungen haben: Mit der personalisierten Prophylaxe gelingt uns dann eine sichere Verhinderung dieser Blutungen durch die spezifische Einstellung auf messbare Faktor-VIII-Spiegel.
Anhand welcher Daten wird ein auf den Patienten zugeschnittenes Schema entwickelt?
Für eine optimale personalisierte Prophylaxe sind die Kenntnis pharmakokinetischer Parameter notwendig. Ein wichtiger Parameter ist dabei die Halbwertszeit, und ein weiterer wichtiger Parameter ist die Zeit, die vergeht, bis der Faktor VIII wieder auf 1 Prozent gesunken ist. Denn wir wollen mit der personalisierten Prophylaxe vermeiden, dass kein Faktor-VIII im Patienten vorhanden ist. Das heißt: Wenn der Faktor VIII auf 1 Prozent gefallen ist, spätestens dann sollte die nächste Injektion erfolgen.
Wie lange dauert es bis man die Dosierungsoptionen erhält?
Die Pharmakokinetik in eine relativ aufwändige Berechnung. Das heißt: Aus den Daten wird dann über verschiedene Algorithmen festgestellt: Wie baut sich der Faktor VIII im Blut ab? Und diese Berechnungen dauern in der Regel vier bis sechs Wochen. Danach hat man dann eine Dosierungsempfehlung, anhand derer man den Patienten dann mit verschiedenen Vorschlägen optimal dosieren kann.
Personalisierte Prophylaxe auf den Punkt gebracht.
Das Ziel der Prophylaxe ist es, Blutungen zu verhindern. Das heißt: Wer unter einer Prophylaxe blutet, sollte etwas verändern und diese Prophylaxe optimieren. Und dafür bietet sich die personalisierte Prophylaxe an.
Was bedeutet personalisierte Prophylaxe?
Personalisiert bedeutet, dass anhand der Pharmakokinetik-Ergebnisse für Sie als individuellen Patienten sowohl die Dosis als auch die Häufigkeit seiner Injektionen so eingestellt werden, dass der Faktor-VIII-Spiegel immer über einem bestimmten Wert liegt. Dieser Wert wird vom Arzt festgelegt mit dem Ziel, Blutungen zu vermeiden (meist 1, 2 oder 3 Prozent Aktivität).
Für welche Patienten ist die personalisierte Prophylaxe interessant?
Im Grunde kann jeder Hämophilie-Patient von der personalisierten Prophylaxe profitieren. Besonders sinnvoll ist sie für Sie jedoch, wenn Sie unter Ihrer bisherigen Behandlung immer noch unter Blutungen leiden und sich zusätzlich Gerinnungsfaktoren spritzen müssen. Auch für sportlich aktive Patienten ist es wichtig, das Therapieschema auf die individuellen Anforderungen anzupassen, damit stets ein ausreichender Spiegel an Gerinnungsfaktor vorhanden ist. Wünschen Sie eine personalisierte Prophylaxe, sollten Sie sich dessen bewusst sein, dass Sie den Faktor VIII regelmäßig zu den festgelegten Zeiten injizieren müssen. Nur wenn Sie selbst aktiv mitwirken und sich an die Anweisungen Ihres Arztes halten, lassen sich Blutungen auf Dauer weitestgehend verhindern.
Anhand welcher Daten wird das auf Sie zugeschnittene Schema entwickelt und wie lange dauert das?
Die Entwicklung einer optimalen personalisierten Prophylaxe erfordert Kenntnisse zur Ihrer individuellen Pharmakokinetik. Besonders wichtig sind hierbei die Halbwertszeit sowie die Zeit, die nach der Injektion vergeht, bis der Faktor-VIII-Spiegel im Blut auf ein Prozent (Talspiegel) gesunken ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte die nächste Injektion erfolgen. Aus den Ergebnissen der Faktorbestimmungen wird zunächst Ihre individuelle Pharmakokinetik berechnet. Auf der Basis dieser Ergebnisse kann dann rechnerisch simuliert werden, welche Dosis bei verschiedenen Substitutionsintervallen benötigt wird (z.B. bei 2 Tagen, bei 3 oder bei 4), um nicht unter einen bestimmten Talspiegel zu kommen. Diese Berechnung ist recht aufwändig, weshalb es einige Wochen dauern kann bis Ihr Arzt mit Ihnen verschiedene Vorschläge für eine optimale Dosierung besprechen kann.
Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit Priv.-Doz. Dr. Robert Klamroth entwickelt: Stand Jänner 2017