Zurück zur Kursübersicht

Kurs Verletzungen bei Hämophilie: Lektion 1 von 5

Wie erkenne ich eine Blutung?

Blutungen und Verletzungen

Blutung – im Alltag passiert es häufig, dass wir uns kratzen, schneiden oder anderweitig verletzen. Blutet es, bedeutet das, dass kleinere Blutgefäße beschädigt wurden. Im Normalfall behilft sich der Körper selbst, indem er das Blut gerinnen lässt. Nach und nach wird das betroffene Gefäß wieder geschlossen und ein größerer Blutverlust verhindert.

Leiden Sie unter Hämophilie, funktioniert dieser Automatismus schlechter, da Ihnen die dafür benötigten Gerinnungsfaktoren zum Teil oder ganz fehlen. In der Regel fällt dieses Krankheitsbild bereits bei Kindern auf, meist schon im Krabbelalter. Deshalb empfiehlt es sich, bei leicht entstehenden, ausgedehnten Blutergüssen, bei Bewegungseinschränkungen und anderen Blutungsanzeichen ein Hämophiliebehandlungszentrum aufzusuchen. Nachblutungen nach Impfungen oder Blutabnahmen sind weitere Warnzeichen, denen Sie unbedingt nachgehen sollten.

Die Behandlung mit Gerinnungsfaktoren im Rahmen der Prophylaxe senkt die Verblutungsgefahr. Allerdings sind aktuelle Prophylaxe-Schemata auf einen Minimalspiegel von wenigen Prozent Restaktivität im Blut ausgelegt, sodass trotz dieser Therapie sowohl spontane als auch durch Verletzungen verursachte Blutungen auftreten können.

Das Ziel der Therapie besteht darin, dass nur sehr wenige, besser keine oder maximal eine Blutung im Jahr auftritt. Dies ist mit einer gut eingestellten Prophylaxe erreichbar.

Video Transkript

Wieso kommt es trotz Prophylaxe zu Blutungen?

Es ist so, dass die Prophylaxe in regelmäßigen Abständen gegeben wird, dann der Faktor ansteigt und der Faktor VIII oder IX dann mit der Halbwertszeit wieder abfällt. Und dann wird ein Spiegel erreicht, bei dem trotz Prophylaxe Blutungen entweder spontan oder nach leichteren Verletzungen auftreten können. Und das ist der wesentliche Grund, warum es trotz Prophylaxe zu Blutungen kommt. Selbstverständlich ist die Gefahr einer Blutung größer, wenn Verletzungen vorhanden sind, extreme Belastungen eines Gelenkes und Muskel, dann ist dabei die Wahrscheinlichkeit einer Blutung höher.

Was sind Anzeichen für Gelenkblutungen?

Anzeichen für Blutungen sind, wenn Sie zum Beispiel einen leichten Schmerz spüren, ein unangenehmes Gefühl. Manche Patienten spüren ihre Blutungen sogar, bevor ein richtiger Schmerz auftritt. Man spricht von einer sogenannten Aura im Gelenk.

Ein wichtiges Zeichen für die Blutung ist, wenn der Schmerz direkt im Gelenk spürbar ist oder wenn die Blutung schon ausgeprägter ist und eine Schwellung auftritt. Das ist ein nahezu sicheres Zeichen für das Vorhandensein einer Blutung. Wenn die Blutung sehr schwer ist, spürt man auch eine Überwärmung auf dem Gelenk oder über dem Gelenk.

Was sind Anzeichen für Muskelblutungen?

Eine Muskelblutung macht sich auch durch Schmerz und Schwellung bemerkbar. Also wenn Sie einen plötzlichen Schmerz in einem Muskel bemerken, auch eine Verhärtung, und vielleicht wenn es an dieser Stelle etwas wärmer ist, dann ist das hoch verdächtig auf eine Muskelblutung, die sehr rasch sehr große Ausmaße annehmen kann. Es ist sehr wichtig, dass Sie das beachten und dass Sie dann eine Substitutionstherapie durchführen.

Woran lassen sich innere Blutungen erkennen?

Bei inneren Blutungen ist die Diagnose, ob es sich um eine Blutung handelt oder um etwas anderes, sehr schwierig, weil es oft diese typischen Symptome nicht gibt und weil man ja auch das Blut nicht sieht, keine Schwellung sieht. Bemerkbar können sich auch innere Blutungen mit Schmerzen machen, zum Beispiel eine Blutung in den Bauchraum oder in ein Gebiet hinter den Bauchraum, man spricht von Retroperitoneum, macht sich durch Schmerzen bemerkbar. Und eine sehr klassische Blutung ist auch dadurch gekennzeichnet, dass es durch diese retroperitoneale Blutung beziehungsweise Blutung in den Psoasmuskel zu Störungen, Sensibilitätsstörungen, Störungen des Gefühlsempfindens am Oberschenkel kommen kann.

Bei Blutungen, die ins Gehirn sind, ins zentralen Nervensystem, diese äußern sich auch mit Schmerzen, aber auch durch andere neurologische Symptome: Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Störungen der Aufmerksamkeit. Und es ist hier ganz besonders notwendig, dass frühzeitig eine Diagnose gemacht wird und die Therapie eingeleitet wird.

Was passiert bei einer Verletzung?

Bei einer Verletzung kommt es dazu, dass ein Gefäß, die Integrität des Gefäßes gestört wird. Es platzt, und dadurch kommt es zum Austritt von Blut.

Wenn eine Blutgerinnung, die intakt ist, vorhanden ist, kommt es meistens sehr rasch zum Blutungsstillstand und zu einem Gerinnsel und nicht mehr zum Austritt von Blut. Wenn aber das nicht der Fall ist, wie beim Hämophilie-Patienten, dann kommt es zu immer mehr Blutung ins Gewebe, je nachdem, wo dieses Trauma, wo diese Verletzung stattgefunden hat. Und diese Verletzung kann dann entweder zur Muskelblutung führen, sie kann zu inneren Blutungen führen oder bei einer Verletzung am Kopf kann es auch zur inneren, zu Gehirnblutungen kommen.

Erkennen einer Blutung auf den Punkt gebracht

Bei Blutungen ist es wichtig, dass Sie die ersten Symptome besonders beachten. Das gilt für Gelenksblutungen, das gilt für Muskelblutungen, das gilt aber auch besonders für innere Blutungen, die nicht primär an eine Blutung denken lassen.

Sie müssen beim Arzt, der nicht so Hämophilie-erfahren ist, irgendwie helfen, auch daran zu denken, dass es eine Blutung sein könnte, die jetzt diese Bauchschmerzen verursacht oder die Kopfschmerzen verursacht. Und so ist es besser, öfter einmal an eine Blutung zu denken als zu wenig oft.

Blutungen können im gesamten Körper auftreten, wobei Hirnblutungen und Blutungen in innere Organe am gefährlichsten sind. Viele Hämophile erkennen eine beginnende Blutung an einem Kribbeln oder einem Taubheitsgefühl. Einige wissen schon, dass sie bluten, noch bevor sich körperliche Anzeichen einstellen. Die Rede ist in diesem Fall von einer sogenannten Aura. Wenn Sie Bluter sind, empfiehlt es sich, Ihrem Körper und Ihrem Gefühl zu vertrauen und bereits zu diesem Zeitpunkt eine Behandlung einzuleiten.

Eine Gelenkblutung erkennen

Gelenkblutungen resultieren aus kleinen Verletzungen im Bereich der gut durchbluteten Gelenksinnenhaut. Die Blutungen sind zum Teil so stark, dass sich die gesamte Gelenkkapsel mit Blut füllt. Bei Patienten mit schwerer Hämophilie treten diese Blutungsereignisse meist spontan ein, das heißt, ohne vorherige Verletzungen. Sie können alle Gelenke betreffen, am häufigsten jedoch das Sprunggelenk, das Kniegelenk und das Ellbogengelenk. Erkennen können Sie eine Gelenkblutung an folgenden Symptomen:

  • Schwellung,
  • Erwärmung,
  • Bewegungseinschränkung und
  • Schmerzen.

Eine Muskelblutung erkennen

Muskelblutungen können infolge einer Zerrung oder eines Stoßes, bei schwerer Hämophilie aber auch ohne erkennbaren Grund (spontan) entstehen. Da Blutungen in den Muskel sehr schmerzhaft sind und auf das Gewebe und die Nerven drücken, bedürfen sie einer sofortigen Behandlung, um Folgeschäden zu vermeiden. Für Muskelblutungen sind folgende Symptome typisch:

  • Schwellung,
  • Erwärmung,
  • Bewegungseinschränkung,
  • Schmerzen,
  • taubes oder kribbelndes Gefühl,
  • Blaufärbung der Haut über dem Muskel und
  • ein deutliches Hervortreten der Venen in der betroffenen Region./li>

Andere Blutungen erkennen

Kopfverletzungen

Verletzt sich ein Hämophiler am Kopf, ist es wichtig, sofort ein Hämophiliezentrum zurate zu ziehen, damit die Behandlung unverzüglich eingeleitet werden kann.

Zu den typischen Anzeichen für eine Blutung im Kopf oder Gehirn zählen:

  • starke Kopfschmerzen,
  • Übelkeit und Erbrechen,
  • Gleichgewichtsstörungen,
  • Störungen der Aufmerksamkeit,
  • ungewöhnliche Müdigkeit,
  • Probleme beim Wachwerden,
  • Schwindelgefühle und
  • Sehstörungen.

Verletzungen im Rachenraum

Blutungen im Rachenraum führen zu starken Hustenanfällen und Halsentzündungen. Sie sollten umgehend behandelt werden. Sie erkennen Blutungen in diesem Bereich an:

  • Schwellungen unter der Zunge oder im Rachen,
  • veränderter Hautfarbe am Hals,
  • Schwierigkeiten beim Schlucken,
  • erbrochenes oder ausgehustetes Blut, ohne dass Blut aus Mund oder Nase läuft, sowie
  • Veränderungen der Stimme.

Zungenbissverletzungen

Ein versehentlicher Biss auf die Zunge stellt für Gesunde meist kein großes Problem dar. Insbesondere bei hämophilen Kindern kann eine daraus resultierende Verletzung jedoch zu starken Blutverlusten führen, ohne dass die Eltern sofort etwas bemerken.

Blutungen im Bauchraum

Ursachen für Blutungen im Bauchraum sind unter anderem Verletzungen im Magen-Darm-Trakt oder sehr starke Hustenanfälle. Zeigen Sie oder ein Angehöriger folgende Symptome, sollten Sie unbedingt das zuständige Behandlungszentrum informieren.

  • Schmerzen und Schwellung im Bereich des Magens,
  • Gefühlsstörungen im Bereich der Oberschenkel,
  • Abhusten von Blut,
  • starkes Erbrechen,
  • blutiger, schwarzer oder teerähnlicher Stuhl,
  • übermäßige Blässe oder
  • starkes Schwächegefühl.

Blutungen im Auge

Blutungen im Auge resultieren meist aus von außen einwirkenden Verletzungen. Sie können aber auch ohne erkennbare Ursache entstehen. Sie erkennen diese Blutungen an:

  • Schmerzen und Schwellungen im Augenbereich,
  • blauen Flecken,
  • Einblutungen ins Auge,
  • Farbveränderungen im Auge und
  • Veränderung der Sehschärfe.

Nieren- oder Blasenblutungen

Bei schwerer Hämophilie können Nierenblutungen ohne erkennbaren Auslöser auftreten. Leiden Sie unter milder oder mittelschwerer Hämophilie, treten diese Blutungen für gewöhnlich nur infolge von Verletzungen auf.

Charakteristisch sind folgende Symptome:

  • roter oder rotbrauner Urin,
  • starke Schmerzen im Bereich des unteren Rückens sowie
  • häufiges, zum Teil schmerzhaftes Wasserlassen.

Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit Univ. Prof. Dr. Pabinger-Fasching entwickelt: Stand Jänner 2017

Bewerten

Ihr Feedback hilft anderen Nutzern die für sie passenden Kurse zu finden.

Würden Sie diesen Online-Kurs empfehlen?

4.6/5 - (131)
Zur Kursübersicht

Dieser Kurs ist Teil der Kursreihe „Hämophilie verstehen“

Zur Kursreihe
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.