Wer sich eingehender mit dem Multiplen Myelom beschäftigt, dem wird früher oder später der Begriff Paraprotein (monoklonales Protein, M-Protein) begegnen. Erfahren Sie hier, was monoklonale Proteine sind, wie sie gebildet werden und was ein M-Spike ist.
Was bedeutet monoklonal und polyklonal?
Das Multiple Myelom ist eine Erkrankung der Plasmazellen im Knochenmark. Diese Plasmazellen sind für die Produktion von Antikörpern (Immunglobulinen) verantwortlich. Jeder gesunde Mensch hat eine Vielzahl unterschiedlicher Plasmazellen, die eine große Anzahl verschiedener Antikörper bilden. Das ist ein maßgeblicher Bestandteil des Immunsystems. Die Diversität der Plasmazellen bedingt, dass der Körper sehr viele unterschiedliche Krankheitserreger erkennen und bekämpfen kann. Diese gesunden Plasmazellen sind polyklonal. „Poly“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „viel“. „Klonal“ bezieht sich auf das Wort Klon. Mit einem Klon ist eine bestimmte Zelle mit ihren spezifischen genetischen Eigenschaften gemeint. Es gibt beim gesunden Menschen also viele verschiedene Plasmazell-Klone (Zellen mit unterschiedlichen genetischen Eigenschaften).
Im Fall eines Multiplen Myeloms entartet eine einzelne Plasmazelle zur Tumorzelle. Sie vermehrt sich ungehemmt und bildet eine monoklonale Zellpopulation. „Mono“ steht für „eins“ oder „einzeln“. Es entstehen also viele Zellen, die alle exakt gleich (genetisch identisch) sind.
Was ist ein Paraprotein?
Eine Tumor-Plasmazelle hat sich durch genetische Veränderungen aus einer ehemals gesunden Plasmazelle entwickelt. Diese Ausgangszelle hatte ursprünglich die Aufgabe, im Rahmen des Immunsystems einen ganz bestimmten Antikörper zu synthetisieren.
Während ihrer Veränderung zur Tumorzelle gibt es drei Möglichkeiten: Die Zelle behält die Fähigkeit zur Antikörperproduktion, dann produziert der Tumor große Mengen dieses Antikörpers (dieser hat aber keine sinnvolle Funktion mehr im Körper).
Möglichkeit zwei: Bei der Mutation zur Tumorzelle wird auch die Fähigkeit zur Antikörper-Produktion verändert. In diesem Fall produziert die Zelle weniger oder mehr Antikörper oder bestimmte Antikörper-Bruchstücke (freie Leichtketten). Die dritte Möglichkeit: Auf dem Weg zur Tumorzelle verliert die Plasmazelle komplett die Fähigkeit zur Antikörper-Bildung. In diesem Fall kann ein non-sekretorisches Myelom entstehen.
Die von monoklonalen Zellen gebildeten Antikörper oder die freien Leichtketten werden Paraprotein oder monoklonales Protein (abgekürzt M-Protein) genannt. Die Messung des Paraproteins im Blut ist wichtig für die Diagnose und die Verlaufskontrolle beim Multiplen Myelom.
Paraprotein-Typen: IgG, IgA, IgM, IgD, IgE und freie Leichtketten
Ein Antikörper (auch Immunglobulin genannt) ist ein Protein-Molekül, das aus zwei schweren und zwei leichten Ketten besteht.
Die schwere Kette macht dabei den Typ des Immunglobulins aus.
Es gibt fünf verschiedene Arten von schweren Ketten, die mit G, A, M, D und E bezeichnet werden. Das entsprechende Immunglobulin heißt dann IgG, IgA, IgM, IgD und IgE.
Bei den leichten Ketten des Immunglobulins unterscheidet man zwei unterschiedliche Typen: Kappa und Lambda. An einem IgG-Antikörper können also Kappa- oder Lambda-Leichtketten gebunden sein. Man bezeichnet den Antikörper dann entsprechend als IgG-Kappa oder IgG-Lambda.
Insgesamt gibt es also zehn unterschiedliche Immunglobuline: IgG-Kappa, IgG-Lambda, IgA-Kappa, IgA-Lambda, IgM-Kappa, IgM-Lambda, usw. Entsprechende werden auch die Myelome differentialdiagnostisch bezeichnet (zum Beispiel: Multiples Myelom vom Typ IgG-Kappa).
In einer normalen Plasmazelle werden bei der Bildung der Immunglobuline immer die schweren und leichten Ketten getrennt voneinander gebildet und dann erst zum fertigen Antikörper zusammengefügt. Dabei werden die Leichtketten immer im leichten Überschuss gebildet. Überzählige Leichtketten werden als freie Leichtketten in geringer Konzentration ins Blut abgegeben. Tumorzellen durchlaufen mehrere genetische Veränderungen, durch die sie zu Krebszellen werden. Dabei kann auch der Ablauf bei der Immunglobulin-Bildung verändert werden. So entstehen Tumore, die neben den Immunglobulinen auch größere Mengen an freien Leichtketten produzieren. Einige Multiple Myelome produzieren auch ausschließlich freie Leichtketten (Leichtketten-Myelome).
M-Spike in der Serumproteinelektrophorese
Neben den Begriffen Paraprotein, monoklonales Protein oder M-Protein spricht der Arzt auch oft von einem sogenannten M-Spike. Dieser Begriff bezieht sich auf das Ergebnis der Serumproteinelektrophorese (siehe Kapitel „Laborwerte“).
Bei der Serumproteinelektrophorese werden Blutproteine nach ihrer Größe und Form aufgetrennt. Das Ergebnis wird als Kurve dargestellt. Hier sehen Sie beispielhaft ein Bild einer Serumproteinelektrophorese. In der sogenannten Gamma-Region (γ) findet man die Immunglobuline.
Bei einem gesunden Menschen ist hier ein kleiner „Hügel“ sichtbar (siehe durchgehende Linie in der Abbildung). Hier liegen die vielen unterschiedlichen, polyklonalen Immunglobuline, also die normalen Antikörper eines gesunden Immunsystems. Bei einem Multiplen Myelom ist das monoklonale Immunglobulin als hoher, spitzer „Peak“ (Ausschlag in der Kurve) sichtbar (siehe gepunktete Linie in der Abbildung). Dieser Ausschlag in der Kurve wird als M-Spike bezeichnet. Seine Höhe ist ein Maß für die Menge an vorliegendem monoklonalem Protein beim Multiplen Myelom.
Geprüft Dr. Adalbert Weißmann: Stand 21.03.2018