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Kurs Multiples Myelom verstehen: Lektion 5 von 11

Die Therapie des Multiplen Myeloms

Bis heute ist das Multiple Myelom nicht vollständig heilbar. Mit neuen Medikamenten ist es jedoch möglich, die Erkrankung über einen längeren Zeitraum stabil zu halten. Ziel der Behandlung ist die Kontrolle der Symptome und die Verhinderung von Komplikationen, unter Vermeidung von Nebenwirkungen und unter bestmöglicher Erhaltung der Lebensqualität. Die Strategie der Behandlung richtet sich nach dem Alter und Allgemeinzustand des Patienten, dem Stadium der Erkrankung und – nicht zuletzt – auch nach den Wünschen des Patienten.

Dr. Adalbert Weißmann: Wie hat sich die Lebenserwartung von Myelom-Patienten in den letzten 10 Jahren verändert?

Chemotherapie

Die Chemotherapie ist die wichtigste Säule der Myelombehandlung. Sie zielt darauf ab, die Krebszellen mit Zytostatika (zellwachstumshemmenden Medikamenten) abzutöten.

Es gibt eine Reihe von Basis-Chemotherapeutika, die schon seit Jahrzehnten verwendet werden. Dazu gehören zum Beispiel Alkylanzien wie das Melphalan, Alkaloide wie Vincristin oder Glukokortikosteroide wie Dexamethason.

Dr. Adalbert Weißmann: Gehören Bortezomib, Thalidomid oder Lenalidomid inzwischen zur Standardtherapie des Multiplen Myeloms?

Beim Multiplen Myelom führte die Entdeckung der neuen Substanzen Thalidomid, Lenalidomid und Bortezomib in den letzten Jahren zu einer massiven Verbesserung des Therapieerfolgs und der Lebenserwartung. Diese Wirkstoffe werden heute routinemäßig in der Behandlung Multipler Myelome verwendet, oft in Kombination mit anderen Substanzen.

Thalidomid

In den 1960er Jahren machte Thalidomid unter dem Namen „Contergan“ negative Schagzeilen, da es zu Missbildungen bei Embryos führte. Heute wird es beim Multiplen Myelom eingesetzt und beeinflusst das Immunsystem (immunmodulatorische Wirkung), verhindert die Neubildung von Blutgefäßen im Tumor und führt zum Absterben von Tumorzellen. Allerdings gelten auch hier strenge Vorsichtsmaßnahmen, vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter.

Lenalidomid

Lenalidomid gehört wie Thalidomid zu den sogenannten IMiDs (immunmodulatorische Wirkstoffe). Es wirkt mindestens gleich gut wie Thalidomid, hat aber weniger Nebenwirkungen. Da Myelompatienten heute im Verlauf der Erkrankung meist mehrere Therapien durchlaufen, kann zum Beispiel die erste Therapie mit Thalidomid durchgeführt werden. Ein Wechsel auf Lenalidomid kann erfolgen, falls zu starke Nebenwirkungen auftreten oder Lenalidomid wird bei der zweiten Behandlung eingesetzt, falls der Tumor beim Rezidiv (Rückfall) nicht mehr auf das zuerst verwendete Thalidomid reagiert.

Bortezomib

Bortezomib gehört zu den sogenannten Proteasomeninhibitoren. Es wirkt auf bestimmte Signalwege in der Myelomzelle und blockiert die DNA-Reparatur. So werden Tumorzellen anfälliger für die Wirkung von Zytostatika.

Zweite Wirkstoff-Generation

Die Forschung schreitet schnell voran. In Studien werden zahlreiche neue, vielsprechende Wirkstoffe geprüft. Nach dem Proteasomeninhibitor Bortezomib wurden aus der gleichen Substanzklasse die Wirkstoffe Carfilzomib und Ixazomib entwickelt. Pomalidomid ähnelt dem Lenalidomid und wird vor allem dann angewendet, wenn Patienten auf andere Wirkstoffe nicht ansprechen.

Hochdosis-Chemotherapie mit Stammzelltransplantation

Bei Patienten mit relativ gutem Allgemeinzustand und einem Alter unter 70 Jahren gehört eine hochdosierte Chemotherapie mit anschließender Blutstammzelltransplantation beim Multiplen Myelom zur Standardbehandlung. Zunächst werden Zytostatika in einer sehr hohen Dosierung gegeben, um möglichst alle Tumorzellen zu zerstören. Diese intensive Behandlung schädigt jedoch auch das normale blutbildende System im Knochenmark. Um dieses wieder neu aufzubauen, werden dem Patienten nach der Hochdosis-Therapie Stammzellen übertragen.

Dr. Adalbert Weißmann: Was ist eine Hochdosis-Therapie und eine autologe Stammzelltransplantation?

Dr. Adalbert Weißmann: Für welche Patienten eignet sich eine Stammzelltransplantation?

Autologe Stammzelltransplantation

Vor der Hochdosis-Therapie werden dem Patienten körpereigene Stammzellen entnommen und anschließend wieder übertragen. Da die eigenen Zellen verwendet werden, kommt es nicht zu Abstoßungsreaktionen. Die autologe Stammzelltransplantation gehört zur Standardbehandlung.

Allogene Stammzelltransplantation

Es werden Stammzellen eines gesunden Spenders verwendet, also körperfremde Zellen. Diese Therapie wird beim Multiplen Myelom selten durchgeführt und momentan in Studien weiter untersucht. Das Ziel soll die vollständige Heilung des Myeloms sein. Allerdings ist eine Fremd-Transplantation mit hohen Risiken und Nebenwirkungen verbunden.

Strahlentherapie

Beim Multiplen Myelom kann eine Bestrahlung bestimmter, hochaktiver Tumorherde sinnvoll sein. Da die Erkrankung sich über den ganzen Körper verteilt, ist eine Strahlentherapie des gesamten Tumors nicht möglich. Sie eignet sich jedoch gut, um schnell und effektiv Tumorzellen dort abzutöten, wo sie große Probleme in Form von Knochenschmerzen oder Knochenauflösungen verursachen.

Begleitbehandlung mit Bisphosphonaten

Beim Multiplen Myelom spielen nicht nur Maßnahmen eine Rolle, die den Tumor direkt angreifen. Eine begleitende Behandlung ist häufig unerlässlich, um die Lebensqualität zu verbessern, Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden. Zu einer begleitenden Behandlung können – wie bei jeder Krebserkrankung – Schmerzmittel, Entzündungshemmer, Antibiotika oder Mittel gegen Anämie gehören.

Dr. Adalbert Weißmann: Persönlicher Tipp beim Einsatz von Bisphosphonaten.

Liegen bei Myelompatienten Osteolysten (Knochenabbau) vor, kann dieser zu Knochenschmerzen und sogar zu Knochenbrüchen führen. Bisphosphonate (zum Beispiel Pamidronat, Zoledronat oder Clodronat) werden eingesetzt, um den Knochenabbau zu verlangsamen und Knochenbrüche zu verhindern.

Ausblick: Neue Therapieansätze

Durch rasante Fortschritte in der Forschung stehen immer neue Medikamente zur Verfügung, die selbst bei Rückfällen und schwer zu behandelnden Myelomtypen Wirkung zeigen. Eine vielversprechende, neue Strategie stellen monoklonale Antikörper dar. Diese binden direkt an Myelomzellen und können dort zellschädigende Wirkungen haben oder die Tumorzellen markieren, sodass sie vom körpereigenen Immunsystem angegriffen und zerstört werden. Der Antikörper Elotuzumab zeigte in ersten Studien bereits gute Ergebnisse. Zahlreiche neue Antikörper befinden sich in verschiedenen Stadien klinischer Tests.

Dr. Adalbert Weißmann: Was sind die neuesten Ansätze in der Myelom-Therapie? Wo sehen Sie Potential für die Zukunft?

Geprüft Dr. Adalbert Weißmann: Stand 21.03.2018

Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.