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Kurs Ovarialkarzinom verstehen: Lektion 4 von 6

Therapie beim Ovarialkarzinom

Das Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) gehört zu den seltenen, aber leider auch zu den aggressiven Krebsformen. Heute stehen jedoch immer bessere und individuellere Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Im Video erklärt Ihnen der Gynäko-Onkologe Univ.-Prof. Dr. Alexander Reinthaller, wann Operationen, eine Chemotherapie oder eine Antikörpertherapie eingesetzt werden, und welche Nebenwirkungen auftreten können.

Video Transkript

Wann erfolgt eine Operation?

Prinzipiell ist die Operation einer der Eckpfeiler bei der Behandlung jedes Ovarialkarzinoms. Das gilt sowohl für die Frühstadien wie auch für die Spätstadien. Und die Operation ist in den Frühstadien dazu angetan, erstens natürlich den Tumor zu entfernen, was in Frühstadien meistens relativ einfach geht, aber zweitens auch um festzustellen, wie der Ausbreitungsgrad oder Stand des Tumors ist. Dazu entfernt man Teile des Bauchfells als sogenannte Biopsie. Man entfernt das große Netz, wie eingangs erwähnt, weil dort häufig Tumor ist. Aber man entfernt auch Lymphknoten neben der Hauptschlagader und im kleinen Becken, um festzustellen, ob schon ein Lymphknotenbefall vorhanden ist.

In den fortgeschrittenen Stadien ist es so, dass das primäre Ziel darin besteht, sämtlichen sichtbaren Tumor zu entfernen.

Welche Folgeerscheinungen kann eine Operation im Spätstadium mit sich bringen?

Dazu muss man sagen, dass Operationen im Spätstadium meistens sehr große operative Eingriffe sind. Es werden hier neben den Organen, die sich im kleinen Becken befinden, also Gebärmutter, Eierstöcke, Eileiter, das Bauchfell im kleinen Becken, in vielen Fällen, um nicht zu sagen in den meisten Fällen, auch die im kleinen Becken befindlichen Darmabschnitte, das ist vor allem also Teile des Dickdarms und des Mastdarms mit entfernt, um eine größtmögliche Radikalität zu erzielen. Diese Schritte sind durchaus als große chirurgische Eingriffe zu werten.

Zusätzlich kommt die Entfernung vom Bauchfell im Bereich des Zwerchfells, die Netzentfernung, oft ist eine Milzentfernung notwendig oder auch Teile des Dünndarms, die entfernt werden müssen. Also hier ist sozusagen eine hohe Spezialisierung, eine hohe Expertise und auch eine Situation notwendig, wo Krankenhäuser die das machen, entsprechend ausgerüstet sind für solche großchirurgischen Eingriffe.

Nach dem jeweiligen Eingriff der durchgeführt wurde, finden sich dann auch entsprechende Nebenwirkungen. Das können Probleme im Bereich der Verdauung sein, jetzt abgesehen von den unmittelbar postoperativen oder nach der Operation entstehen Komplikationen, wie zum Beispiel Infektionen, Abszessbildung. Wenn neue Darmverbindungen entstanden sind oder gemacht werden mussten, können hier Undichtigkeiten auftreten, die unter Umständen auch eine Re-Operation erforderlich machen.

Was passiert bei der Chemotherapie?

Insgesamt ist es so, dass die Chemotherapie gegeben wird, um die Tumorzellen zu vernichten. Die Chemotherapie wird in Form von Infusionen appliziert, das heißt die Patienten bekommen hier in meist dreiwöchigem Abstand Infusionen, um die restlichen verbliebenen Tumorzellen zu eliminieren. Das Ziel ist, in Kombination mit der Operation und der folgenden Chemotherapie, sämtliche im Körper befindlichen Tumorzellen zum Verschwinden zu bringen.

Welche Nebenwirkungen kann eine Chemotherapie haben?

Eine Chemotherapie ist zunächst einmal dazu angetan Tumorzellen zu vernichten und abzutöten, trifft natürlich aber auch gesunde Zellen im Körper. Dieses Treffen der gesunden Zellen im Körper führt, gerade beim Eierstockkrebs mit der hier angewandten Chemotherapie, typischerweise dazu, dass das Knochenmark bis zu einem gewissen Grad geschädigt werden kann. Das bedeutet, dass die Blutzellen des Knochenmarks abnehmen, in Form von einer Reduktion der weißen Blutkörperchen – das führt zu einer erhöhten Infekt-Anfälligkeit, in Form einer Reduktion der roten Blutkörperchen – das führt zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit, und aber auch einer Reduktion der Blutplättchen – was zu Gerinnungsproblemen führen kann.

Bei der Chemotherapie die wir beim Eierstockkrebs verwenden, kommt es auch zu einem Haarverlust, der praktisch immer auftritt, in mehr als 90 Prozent der Fälle. Zusätzlich können Übelkeit und Erbrechen auftreten, aber auch periphere, also im Bereich der Zehen und Fingerspitzen befindliche Nervenreizungen, die zu Taubheitsgefühl, Ameisenlaufen und Sensitivitätsstörungen führen können.

Gibt es Hilfe, um die Nebenwirkungen zu verhindern?

Ja, ganz klar ja. Gerade in den letzten Jahren ist es gelungen, eine Reihe von exzellenten Medikamenten zu entwickeln, die als sogenannte unterstützende Maßnahmen zur Nebenwirkungsbekämpfung verwendet werden. So ist es gelungen, die Übelkeit und das Erbrechen durch eine begleitete Meditation praktisch zum Verschwinden zu bringen. Es ist durchaus möglich, auch die Wirkung auf das Knochenmark in bestimmten Bereichen, vor allem im Bereich der weißen Blutkörperchen, aber auch der roten Blutkörperchen, durch unterstützende Substanzen und Medikamente zu verbessern. Es gibt eine Reihe von begleitenden Maßnahmen zur Chemotherapie, die hier unterstützend wirken können. Gegen die Müdigkeit zum Beispiel empfehlen wir den Patienten, doch zu versuchen, moderates körperliches Training auch während der Chemotherapie durchzuführen — die einzige Methode, dieses sogenannte Fatigue-Syndrom oder das Müdigkeitssyndrom bei der Chemotherapie zu verbessern.

Was kann man selbst tun um die Nebenwirkungen zu lindern?

Wie vorhin erwähnt, ist vor allem die körperliche Aktivität hier ein ganz wesentlicher Punkt. Aber was auch ganz wichtig ist: Jedes Mal, wenn die Patientin zur Chemotherapie kommt, ist beim ärztlichen Gespräch ganz wichtig, dass alle aufgetretenen Nebenwirkungen beschrieben werden, unter Umständen auch notiert werden von der Patientin, mit dem behandelnden Arzt besprochen werden und Gegenmaßnahmen entwickelt werden. Zum Beispiel ist es oft so, dass Patientinnen ein Mundtrockenheitsgefühl entwickeln. Wenn sie dieses artikulieren, sind ganz banale Dinge, wie zum Beispiel ein Esslöffel Speiseöl mehrmals täglich, den man im Mund zergehen lässt beziehungsweise im Mund verteilt, oder auch ein Teelöffel Butter, den man zergehen lässt, sehr hilfreich. Wichtig ist also, dass die Patientin oder die betroffene Frau eben einfach auch ihre Beschwerden, seien sie auch kleinere Beschwerden, durchaus artikuliert.

Was passiert bei der Antikörpertherapie?

In den letzten Jahren hat sich beim Eierstockkrebs als Antikörpertherapie die sogenannte Antiangiogenese, entwickelt. Das sind Antikörper, Eiweiß-Substanzen, die die Tumor-eigene Gefäßversorgung blockieren. Tumoren, insbesondere Eierstockkrebse, haben die Potenz, selbst Substanzen zu bilden, die ihre eigene Gefäßversorgung ankurbeln. Das schnelle Wachstum des Tumors erfordert eine rasche Blutversorgung, weil ja natürlich auch Tumorzellen Sauerstoff und eine Blutversorgung brauchen. Und wenn es gelingt, diese Gefäßneubildung zu reduzieren, kann man den Tumor sozusagen aushungern. Das ist mit diesen Präparaten gelungen, und daher ist heute die Anwendung dieser antiangiogenetischen Substanzen, also die gegen die Blutgefäßneubildung gerichteten Antikörper, ein Standard.

Welche Nebenwirkungen kann eine Antikörpertherapie haben?

Die erwähnte Antikörpertherapie, die gegen die Blutgefäßneubildung gerichtet ist, hat als Hauptnebenwirkung die Entwicklung einer sogenannten Hypertonie, also eines Bluthochdrucks. Sie erhöht das Thromboserisiko etwas. Sie kann manchmal zu leichten Blutungen führen, oft wie Nasenbluten oder Zahnfleischbluten. Und was manchmal auch noch vorkommt, was aber natürlich auch regelmäßig kontrolliert wird, ist Eiweißverlust über den Harn. Das sind die wesentlichen Nebenwirkungen. Deutlich weniger also als bei Chemotherapien. Eine Antikörpertherapie ist auch besser verträglich als eine Chemotherapie und kann daher auch länger angewendet werden.

Kann eine Antikörpertherapie eine Chemotherapie ersetzen?

Nein, ersetzen kann sie sie nicht, weil die Antikörpertherapie ja nicht direkt auf den Tumor wirkt, sondern, wie diese erwähnte Antikörpertherapie, sozusagen auf die Blutgefäßneubildung. Also sie kann nicht die Tumorzelle selber treffen, sondern was sie tut ist, sie verhindert die Blutgefäßneubildung und damit die Blutversorgung des Tumors, und damit trägt sie natürlich auch dazu bei, dass Tumorzellen untergehen.

Welche weiteren Therapieformen gibt es?

Neben, der Chemotherapie hat sich vor allem beim erblichen Eierstockkrebs in der letzten Zeit eine sogenannte PARP-Inhibitoren-Therapie etabliert. Das sind Substanzen, die in die Tumorzellvermehrung eingreifen und diese blockieren können und damit auch zum Tumorzellentod führen. Diese Substanzen sind vor allem deswegen beim erblichen Eierstockkrebs so effektiv, da die Entwicklung der Tumorzellen hauptsächlich über diese genannte Schiene erfolgt, und wenn die blockiert wird, ist es möglich, zusätzlich im Rahmen von oder nach der Chemotherapie mit diesen Substanzen beachtliche Erfolge zu erzielen.

Die Therapie des Ovarialkarzinoms

Für die Behandlung setzt die Ärztin/der Arzt bei Eierstockkrebs in den meisten Fällen eine Operation mit einer begleitenden Chemotherapie ein. Zusätzlich können noch weitere Therapiemöglichkeiten zum Einsatz kommen.

Operation

Die Operation ist der Eckpfeiler jeder Therapie bei Eierstockkrebs. Sie hat zum Ziel, den Krebs möglichst vollständig aus dem Körper zu entfernen, um Beschwerden zu lindern und bestmögliche Voraussetzungen für die anschließende Chemotherapie zu schaffen. Zusätzlich dient sie dazu, das Ausmaß der Erkrankung festzustellen und Krebsgewebe für die Sicherung der Diagnose und für die Stadienbestimmung zu entnehmen.

Chemotherapie

Nach der Operation schließt sich meist eine Chemotherapie an. Oft werden platinhaltige Wirkstoffe eingesetzt. Diese Medikamente töten verbliebene Krebszellen bzw. hemmen ihr Wachstum.

Antikörpertherapie

In den letzten Jahren wurde eine gut verträgliche Therapie mit sogenannten monoklonalen Antikörpern zu einer der Standardbehandlungen bei Eierstockkrebs. Die Antikörper hemmen die Bildung von Blutgefäßen, die den Tumor versorgen. Da diese Behandlung Krebszellen zwar teilweise „aushungern“, aber nicht vollständig vernichten kann, wird sie immer nur als begleitende Maßnahme eingesetzt.

Weitere Behandlungsmöglichkeiten

In Studien werden ständig neue Therapien untersucht. Zum Beispiel können bei Frauen, die durch eine Veränderung der BRCA1- und BRCA2-Gens eine erbliche Form des Brust- und Eierstockkrebses haben, PARP-Inhibitoren das Tumorwachstum hemmen.

Tipps zum Umgang mit den Spätfolgen der Operation

Bei der Behandlung des Eierstockkrebses ist fast immer eine Operation nötig. Je nach Umfang des Eingriffs können verschiedene Spätfolgen auftreten. Diese wirken sich nicht nur körperlich, sondern auch psychisch aus. Scheuen Sie sich nicht, bei Ängsten oder psychischen Problemen Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ihre Ärztin/Ihr Arzt, regionale Krebsgesellschaften oder Selbsthilfegruppen können Ihnen Adressen geben, an die Sie sich wenden können.

Verlust der Gebärmutter

Die Folgen einer Gebärmutter-Entfernung sind einschneidend, vor allem bei jungen Frauen mit Kinderwunsch. Es ist wichtig, einen unerfüllten Kinderwunsch aufzuarbeiten. Suchen Sie sich dazu bei Bedarf unbedingt Hilfe, zum Beispiel durch den Besuch einer psychoonkologischen Beratungsstelle (gegebenenfalls gemeinsam mit dem Partner).

Vorzeitige Wechseljahre

Die Entfernung der Eierstöcke bewirkt, dass kein Östrogen mehr produziert wird und die Wechseljahre mit den typischen Wechseljahresbeschwerden einsetzen. Symptome wie Schweißausbrüche, Stimmungsschwankungen, Verlust der Libido, Scheidentrockenheit oder Schlafstörungen lassen sich jedoch in vielen Fällen mit Medikamenten, Hormonpräparaten oder natürlichen Mitteln lindern.

Sexualität

Das fehlende Östrogen, der Verlust der inneren Geschlechtsorgane aber auch Ihr verändertes Selbstbild als Frau können dazu führen, dass sich Ihr sexuelles Empfinden verändert. Wichtig ist hier, dass Sie offen darüber sprechen. Mit dem Partner, aber vielleicht auch mit einer Psychotherapeutin/einem Psychotherapeuten oder mit anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe.

Auswirkungen auf Blase und Darm

Ist der Krebs weit fortgeschritten, kann es nötig sein, alle befallenen Bereiche operativ zu entfernen. Eierstöcke, Gebärmutter und Eileiter können betroffen sein, aber auch Lymphknoten, Harnblase oder Teile des Bauchfells oder des Darms. Unter Umständen kann es zu Harninkontinenz kommen oder es muss ein künstlicher Darmausgang (Stoma) geschaffen werden. Das sind natürlich sehr einschneidende Veränderungen. Ihr Ärzteteam, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen können Ihnen jedoch wertvolle Tipps geben, wie Sie im Alltag damit umgehen.

Fatigue (Erschöpfungssyndrom)

Die Krebserkrankung selbst, die Therapie und auch die damit verbundenen psychischen Belastungen gehen niemals spurlos an Betroffenen vorbei und können zu starker Erschöpfung (Fatigue) führen. Die Fatigue kann nach der Behandlung noch für längere Zeit anhalten. Wichtig ist: Sie sind nicht „einfach müde“, Sie leiden an einem typischen Krankheitsbild, das oft mit Krebserkrankungen einhergeht. Was Sie selbst tun können: Sport und Bewegung wirken nachweislich gegen die extreme Müdigkeit. Sprechen Sie aber im Zweifelsfall mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt das richtige Trainingspensum ab.

Geprüft Univ.-Prof. Dr. Alexander Reinthaller: Stand 03.10.2017

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