Was versteht man unter einer Immuntherapie und wie wirkt sie gegen Lungenkrebs?
Unter einer Immuntherapie verstehen wir heute in der Behandlung von Lungenkrebs den Einsatz von Medikamenten, die in der Lage sind, das körpereigene Immunsystem der betroffenen Patientin des betroffenen Patienten zu aktivieren und damit das Immunsystem in die Lage zu versetzen, gegen den Tumor aktiv zu werden. Das bedeutet, dass hier ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal im Vergleich zur Chemotherapie darin besteht, dass das verabreichte Medikament selbst nicht direkt gegen den Tumor aktiv ist, sondern dass wir quasi den Umweg über das körpereigene Immunsystem nehmen. Hier stellt sich natürlich mit Recht die Frage, warum das Immunsystem diese medikamentöse Unterstützung benötigt, um gegen den Tumor wirksam werden zu können. Der Grund dafür liegt in der Fähigkeit von Tumoren, die Aktivität des Immunsystems zu dämpfen und sich dem Angriff des Immunsystems zu entziehen. Genau diesem Mechanismus der Tumorerkrankung wirken wir nun mit unseren Immuntherapie-Medikamenten entgegen.
Wann wird bei Lungenkrebs eine Immuntherapie durchgeführt?
Der Einsatz einer Immuntherapie findet heute in der Behandlung von Lungenkrebs an verschiedenen Stellen des Behandlungsplans statt. Begonnen hat diese Entwicklung in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen Krankheitsstadien, also in den nicht heilbaren Stadien des Lungenkrebses, in der sogenannten palliativen Behandlung. Man hat hier für einen Teil der Patienten eine dramatische Verbesserung der Behandlungsergebnisse gesehen, mit Krankheitskontrollen über Zeiträume, die deutlich länger waren, als das früher mit herkömmlichen Behandlungsmethoden der Fall war. Über die letzten Jahre haben nun zahlreiche Studien die Frage untersucht, ob der Einsatz derartiger Immuntherapie-Medikamente auch in früheren Krankheitsstadien sinnvoll sein könnte, also in Stadien, in denen wir die Heilung der Erkrankung als Zielsetzung verfolgen. Hier kommt die Immuntherapie nicht als alleiniges Therapieprinzip zum Einsatz, sondern als Ergänzung zu Behandlungen wie beispielsweise einer Operation, Strahlentherapie oder Chemotherapie. Mittlerweile ist die Studiengrundlage deutlich angewachsen und der Einsatz von Immuntherapien ist zwar nicht allen, aber doch in vielen Fällen bei Tumoren in frühen Stadien zum Standard geworden – basierend auf Studienergebnissen, die gezeigt haben, dass die Heilungsraten hier zum Teil deutlich gesteigert werden konnten. Der erste Schritt in der Planung oder Durchführung einer Immuntherapie ist die Analyse des Tumorgewebes durch die Kolleginnen und Kollegen der Pathologie . Die wesentliche Aussage, die wir aus diesen Untersuchungen bekommen, ist, ob es sich um Tumore handelt, die eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, auf eine Immuntherapie anzusprechen. Das bedeutet, man kann im Gewebe Eiweiße , sogenannte Proteine nachweisen, und je nachdem, ob dieser Nachweis gelingt, steigt oder sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Immuntherapie wirken kann. Das bedeutet, die Immuntherapie ist unter Umständen nicht für alle Patientinnen und Patienten ein wirksames Therapieprinzip, sondern es ist im Einzelfall zu entscheiden, ob sie sinnvoll zum Einsatz kommen kann.
Wie läuft eine Immuntherapie bei Lungenkrebs ab?
Hat man sich für eine Immuntherapie entschieden, so erfolgt die Verabreichung derzeit in aller Regel intravenös, also durch eine Infusion , wobei einzelne Medikamente aus dieser Gruppe heute auch schon subkutan , also als Injektion unter die Haut verabreicht werden können – eine Form der Verabreichung, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Bei der Immuntherapie ist es ähnlich wie bei der Chemotherapie, nämlich dass es sich nicht um eine einzelne Verabreichung handelt, sondern dass man in regelmäßigen Abständen diese Verabreichung wiederholt – in aller Regel sind das in etwa 3 Wochen, in einzelnen Fällen kann das aber auch mal 4 oder 6 Wochen betragen. Wie lange diese Therapie dann fortgeführt wird, hängt sehr stark von der jeweiligen Behandlungssituation und vom entsprechenden Behandlungserfolg ab.
Welche Nebenwirkungen können bei einer Immuntherapie auftreten und wie können diese gemildert werden?
Immuntherapeutische Behandlungen haben auch hinsichtlich der Nebenwirkungsrate und der Verträglichkeit für unsere Patientinnen große Fortschritte gemacht. Im großen Durchschnitt ist eine Immuntherapie beispielsweise deutlich besser verträglich als eine konventionelle Chemotherapie. Nichtsdestotrotz kann es Nebenwirkungen geben. Letztlich entstehen diese unerwünschten Wirkungen dadurch, dass es zu einer Art Überaktivierung des Immunsystems im Körper kommen kann, und ein derart überaktives Immunsystem kann in der Folge Entzündungsreaktionen an unterschiedlichen Stellen des Körpers auslösen – auch in Organbereichen, die mit der Tumorerkrankung selbst überhaupt keinen Zusammenhang aufweisen. Einige Beispiele dafür wären zum Beispiel Entzündungen an der Haut, die sich in Juckreiz oder Hautausschlag manifestieren können, Entzündungen am Darm, die zu Durchfällen führen können, oder Entzündungen am Lungengewebe, die sich in Form von Husten oder Atembeschwerden äußern können. Weil diese Symptome aber sehr, sehr vielgestaltig sein können, ist es hier ganz besonders wichtig, dass es eine gute Zusammenarbeit zwischen Ihnen als Patientin oder als Patient und Ihrem Behandlungsteam gibt. Das bedeutet, wenn Sie Veränderungen in Ihrem Körper bemerken, wenn Symptome unter einer Immuntherapie neu auftreten, ist es immer wichtig, möglichst rasch mit Ihren Behandlern in Kontakt zu treten und darüber nachzudenken, ob es sich hier möglicherweise um Nebenwirkungen der Immuntherapie handeln könnte. Das ist besonders deswegen wichtig, weil die Behandlung in aller Regel relativ einfach erfolgen kann, nämlich durch die Verabreichung von entzündungshemmenden Medikamenten. In weiterer Folge wird dann zu entscheiden sein, ob die Fortführung der Immuntherapie trotz dieser Nebenwirkungen möglich ist. Das ist abhängig vom Schweregrad der Nebenwirkungen und vom gesamten Behandlungsplan .
Wie wird der Therapieerfolg einer Immuntherapie überwacht?
Eine Therapie wird hinsichtlich ihrer Erfolgsrate dadurch überwacht, dass wir auf Bildern untersuchen, wie sich der Tumor in seinem Wachstum verändert. Das bedeutet, dass wir vor allem in metastasierten Erkrankungssituationen, also wenn sich im Körper an unterschiedlichen Stellen Tumorveränderungen befinden, mithilfe von Computertomografie, in einzelnen Fällen auch Magnetresonanztomographien oder Ultraschalluntersuchungen, die Größe des Tumors bestimmen bzw. beurteilen können, ob neue Tumorveränderungen hinzukommen, oder ob der Tumor sozusagen in einer Art chronischem Schlummerzustand und damit unter Kontrolle ist. Das ist bei der Immuntherapie nicht anders als bei anderen medikamentösen Behandlungsformen. Setzt man die Immuntherapie in einer Situation ein, wo der Tumor bereits aus dem Körper entfernt wurde, also zum Beispiel durch eine vorangegangene Operation, dann werden diese bildgebenden Untersuchungen im Rahmen der sogenannten Nachsorge durchgeführt und haben dann letztendlich die Zielsetzung, zu bestätigen, dass der Körper weiterhin tumorfrei bleibt.
Hier geht es zum Video-Interview: „Immuntherapie bei Lungenkrebs“