4. Stammzelltransplantation bei Myelofibrose

Was ist eine Stammzelltransplantation?

Bei der Myelofibrose sind die Stammzellen im Knochenmark erkrankt. Diese erkrankten Stammzellen, aus denen sich normalerweise die verschiedenen Blutkörperchen bilden, produzieren bei Myelofibrose übermäßig viel Bindegewebe. Dieses Bindegewebe verdrängt die Knochenmarkzellen, die das Blut bilden, was zu einer gestörten Blutzellbildung führt. Weitere Informationen hierzu finden Sie in der Schulung „Myelofibrose verstehen“.

Bei einer Stammzelltransplantation werden die erkrankten Stammzellen im Knochenmark durch gesunde Stammzellen ersetzt. Diese Methode ist derzeit das einzige Verfahren, mit dem Myelofibrose vollständig geheilt werden kann.

Wie läuft eine Stammzelltransplantation ab?

  1. Zerstörung der kranken Stammzellen: Zuerst werden die eigenen, kranken Stammzellen durch eine intensive Chemotherapie oder Strahlentherapie zerstört.
  2. Infusion gesunder Stammzellen: Von einem Spender oder einer Spenderin werden gesunde Stammzellen entnommen. Anschließend werden sie Ihnen intravenös verabreicht. Diese neuen Stammzellen wandern ins Knochenmark und siedeln sich dort an, um die Produktion gesunder Blutzellen zu übernehmen.
  3. Unterdrückung des Immunsystems: Um sicherzustellen, dass die fremden Stammzellen nicht vom Immunsystem abgestoßen werden, muss das Immunsystem nach der Transplantation stark unterdrückt werden. Dies erfolgt durch die Gabe von Medikamenten, die Immunsuppressiva genannt werden. Diese Medikamente müssen oft nur für einen gewissen Zeitraum eingenommen werden.

Die Auswahl geeigneter Spender:innen ist entscheidend für den Erfolg der Transplantation. Spender:innen können sowohl Familienmitglieder als auch nicht verwandte Personen sein. Wichtig ist, dass auf der Oberfläche der Zellen dieselben Moleküle vorkommen. Damit werden Sie vom Immunsystem als „eigene“ Zellen erkannt. Diese sogenannten HLA-Antigene sollen zwischen Spender:in und Empfänger:in möglichst gleich sein, um das Risiko einer Abstoßung zu minimieren und die Chancen auf eine erfolgreiche Transplantation zu erhöhen.

Wann kommt eine Stammzellentransplantation bei Myelofibrose in Frage?

Bei der Stammzelltransplantation handelt sich um ein aufwendiges Verfahren, das nicht für jeden Patienten/jede Patientin geeignet ist. Hier sind einige wichtige Kriterien, die berücksichtigt werden sollten:

  • Prognose: Patient:innen, die eine ungünstige Prognose haben und bei denen die Erkrankung ohne Transplantation fortschreiten würde, kommen für eine Stammzelltransplantation in Frage. Für Patient:innen mit einem geringen Risiko und stabiler Erkrankung macht die Transplantation in der Regel keinen Sinn, da die Risiken des Verfahrens die potenziellen Vorteile überwiegen.
  • Spender: Ein wesentlicher Faktor ist die Verfügbarkeit von kompatiblen Spender:innen. Dabei sollten die davor angesprochenen HLA-Antigene auf den Zellen der Spender:innen und der Empfänger:innen möglichst gleich sein.
  • Fehlen anderer schwerwiegender Erkrankungen: Patient:innen sollten keine anderen schwerwiegenden Erkrankungen haben, die die Durchführung der Transplantation unmöglich machen oder das Risiko erheblich erhöhen.
  • Alter: Patient:innen bis zu einem biologischen Alter von etwa 70 Jahren können für eine Transplantation in Frage kommen. Das biologische Alter bezieht sich auf den Gesundheitszustand und die körperliche Verfassung, die manchmal nicht dem tatsächlichen Alter entsprechen. Biologisch jüngere Patient:innen haben bessere Chancen, sich von der Transplantation zu erholen, selbst wenn diese in Jahren gezählt älter sind.

Welche Risiken sind mit einer Stammzelltransplantation verbunden?

Die Stammzelltransplantation ist ein oft verwendetes und bekanntes Verfahren, birgt jedoch teilweise schwere Risiken. Die Sterblichkeitsrate liegt je nach Studie bei etwa 20 %, bedingt durch mögliche Komplikationen.

Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen gehört die Abstoßungsreaktion, bei der das Immunsystem der Empfänger:innen, also der Patient:in, die transplantierten Stammzellen bekämpft.  Darüber hinaus erhöht die notwendige Immunsuppression das Risiko für lebensbedrohliche Infektionen. Auch Organschäden durch die intensive Chemotherapie und Strahlentherapie vor der Transplantation sind möglich.

Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die Myelofibrose nach der Transplantation zurückkehren kann, das nennt man dann Rezidiv .

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz der erheblichen Risiken und Nebenwirkungen, die mit einer Stammzelltransplantation verbunden sind, diese Methode oft die einzige Möglichkeit zur Heilung für Patient:innen mit schwerwiegenden Erkrankungen darstellt. Die Entscheidung für eine Stammzelltransplantation erfolgt nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiken, wobei die Heilungschance eine bedeutende Rolle spielt.

Was ist das Ziel einer Stammzelltransplantation?

Das Hauptziel der Stammzelltransplantation bei Myelofibrose ist die Heilung der Erkrankung. Dies bedeutet, dass sich das Knochenmark vollständig regeneriert, die Milzgröße und die Blutwerte sich normalisieren und die krankheitsverursachende Mutation nicht mehr nachweisbar ist. Durch die Transplantation gesunder Stammzellen soll die normale Blutzellproduktion wiederhergestellt und das übermäßige Bindegewebe im Knochenmark abgebaut werden.

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Geprüft Dr. Lino Teichmann Stand: November 2024 | Quellen und Bildnachweis
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.
Chemotherapie
Behandlung mit Medikamenten (Zytostatika), die das Wachstum von Krebszellen hemmen sollen.
Immunsuppression
Unterdrückung des körpereigenen Immunsystems oder Abschwächung des Immunsystems. Diese Wirkung kann im Rahmen einer Therapie erwünscht oder eine Nebenwirkung sein.
Immunsuppressiva
Immunsuppressiva sind Therapeutika, die das Immunsystem beeinflussen und herunterregulieren. So können überschießende Immunreaktionen verhindert werden. Jedoch sind Patient:innen dann auch anfälliger für infektiöse Erkrankungen. 
Infusion
Verabreichung einer Flüssigkeit (mit oder ohne darin gelösten Medikamente) über einen Zugang in ein Blutgefäß.
intravenös
(Abkürzung: IV)
Flüssigkeiten, Medikamente oder Nährstoffe werden direkt in die Vene durch eine Nadel oder einen Katheter gegeben.
Rezidiv
(Rückfall)
Wiederauftreten einer Krankheit nach zunächst erfolgreicher Behandlung mit Heilung oder Verbesserung.
Stammzelltransplantation
Verfahren, bei dem einer Patientin/einem Patienten gespendete Stammzellen verabreicht werden. Dadurch wird das blutbildende System und das Immunsystem nach einer Therapie (z.B. Chemotherapie oder Bestrahlung) wieder aufgebaut. Nach einer Vorbereitungsphase werden die gespendeten Stammzellen mithilfe einer Infusion verabreicht.
Strahlentherapie
Behandlung mit hochenergetischen Strahlen, um Krebszellen abzutöten.