Wie geht es nach der Diagnose für mich weiter?
Ganz zentral ist: Es wird für Sie weitergehen. Das heißt, die Myelofibrose ist zwar eine Erkrankung, die Sie vielleicht ihr Leben lang begleiten wird, aber es ist eine Erkrankung, mit der man leben kann und die einen kurativen Ansatz hat. Das bedeutet, Heilung ist möglich. Und das ist ganz zentral, dass man sich das als Patient oder auch als Angehöriger immer klar macht. Und wir haben sehr unterschiedliche Verläufe. Wir haben Patienten, die sehr stabile Blutwerte über mehrere Jahre haben, die vielleicht nie eine Therapie benötigen. Wir haben Patienten, die unter den Symptomen der Myelofibrose stark gelitten haben und die durch die Einnahme der richtigen Medikamente deutlich an Lebensqualität gewinnen. Und natürlich gibt es auch Patienten, die einen aggressiven Verlauf haben. Aber wir sind geschult, diese aggressiven Verläufe frühzeitig zu erkennen, um sie dann mit spezialisierten Zentren auch optimal zu behandeln und gegebenenfalls die Heilung durch eine Stammzelltransplantation zu ermöglichen.
Wie kann ich meinen Alltag beeinflussen?
Die Myelofibrose ist eine Erkrankung, die ganz mannigfaltig sein kann. Es kann Patienten geben, deren Alltag kaum beeinträchtigt ist. Es gibt aber viele Patienten, die gerade durch dieses „Auf Dauergrippe sein“ doch jeden Tag merken, dass sie krank sind. Die Medikamente, die auf dem Markt sind, versuchen diese Symptome zu lindern. Manchmal können sie diese Symptome auch komplett verbessern, dass der Patient eine normale Lebensqualität hat. Das kann man aber nicht immer garantieren. Zum Teil sind die Patienten auch beeinträchtigt, weil sie bereits einen Schlaganfall oder eine Thrombose hinter sich gebracht haben. Oft klagen gerade jüngere Patienten, dass sie doch nicht mehr so belastungsfähig sind, dass sie sich nicht mehr so gut konzentrieren können. Und gerade das Nebeneinander von Familie, Beruf und dann vielleicht noch dem Haushalt einfach zu viel wird. Hier ist es aber wichtig, sich klarzumachen, dass man krank ist. Dass man vielleicht auch einen Schwerbehindertenausweis beantragen darf und dass das eine Erkrankung ist, die das Leben beeinträchtigen kann. Auf der anderen Seite ist es ganz wichtig, dass man auch lernt, mit dieser Erkrankung zu leben, weil es ein ganz wichtiger Aspekt ist, dass wir die gesunden Anteile im Patienten fördern. Nicht zu unterschätzen ist allerdings aber auch die psychische Belastung. Auch wenn wir Patienten haben, die wenig Symptome haben, die keinen aggressiven Verlauf haben, ist die Bedrohung durch diese Erkrankung, das vielleicht dann doch die Erkrankung kippt oder aggressiver werden kann, nicht zu unterschätzen. Hier ist es wichtig, wirklich auch den Ärzten gegenüber sehr offen das zu kommunizieren, diese Belastung auch zu schildern, damit man dann im Rahmen eines Coachings, eines Managements der Erkrankung auch gute psycho-onkologische Beratung erfahren kann. Damit dieses Damoklesschwert der Myelofibrose nicht das ganze Leben so heftig beeinflusst, obwohl die Erkrankung objektiv gesehen ist, sich ganz ruhig und still verhält.
Wie kann ich mein soziales Umfeld beim Umgang mit der Erkrankung unterstützen?
Ganz wichtig ist es, dass akzeptiert wird, dass die Myelofibrose durch das Ausschütten von diesem zu viel an Botenstoffen diese grippeähnlichen Symptome verursachen kann. Dass diese Lustlosigkeit, dieses Unvermögen vielleicht auch zu körperlicher Aktivität, nicht durch einen selbst überwunden werden kann, sondern Ausdruck der Erkrankung ist. Und erfahrungsgemäß ja sind die Patienten am besten aufgestellt, die ein Umfeld haben, das über die Erkrankung informiert ist. Die wissen, dass es einfach auch vielleicht gute oder schlechte Tage geben kann, die die schlechten Tage auch akzeptieren, aber die die Patienten auch aktivieren und eine gute Balance finden zwischen einem möglichst normalen Leben und normalen Herausforderungen. All das zu machen, was man eigentlich machen möchte und auf der anderen Seite sich auch Pausenzeiten zu gönnen und auch in der Familie genügend Unterstützung zu haben. Dass wenn man mal an einem Tag nicht gut belastbar ist, das auch kein Weltuntergang ist. Und dass allen ganz klar ist, dass man auf jeden Fall lieber gesund sein möchte als krank und dass manche Dinge einfach nicht mehr so gehen wie vorher.
Hier geht es zum Video-Interview: „Leben mit Myelofibrose“