Die Therapie von Hämophilie B entwickelt sich dank der Forschung. Erfahren Sie, welche Therapiemöglichkeiten aktuell zu Einsatz kommen, wobei besonders auf die innovative Gentherapie eingegangen wird.
Inhaltsverzeichnis
- Behandlungsmöglichkeiten bei Hämophilie B
- Bedarfsorientierte Therapie mit Faktorkonzentrat bei Blutungen
- Vorbeugende Therapie mit Faktorkonzentrat bei Hämophilie B
- Grundlagen der Gentherapie bei Hämophilie B
- Wirkung der Gentherapie bei Hämophilie B
- Kontrolluntersuchungen bei Hämophilie B
- Mein Beitrag zur Therapie bei Hämophilie B
- Meine Nachricht an Sie
Einleitung durch Univ.-Prof. Dr. Cihan Ay
Liebe Zuseherinnen und Zuseher. Mein Name ist Cihan Ay. Ich bin Internist, Hämatologe und arbeite an der Gerinnungsambulanz im AKH Wien bzw. an der Medizinischen Universität Wien. Einer meiner klinischen Arbeitsschwerpunkte ist die Behandlung von Personen mit angeborenen Blutgerinnungsstörungen, insbesondere mit der Hämophilie. In dem Kurs geht es um die Hämophilie B, um die aktuelle Behandlungsmöglichkeit der Hämophilie B und um neue Behandlungsmöglichkeiten der Hämophilie B, insbesondere um die Gentherapie.
Hier geht es zur Einleitung des Kurses: „Hämophilie B behandeln„
Behandlungsmöglichkeiten bei Hämophilie B
Was ist Hämophilie B und was ist das Ziel der Therapie?
Bei der Hämophilie B handelt es sich um eine angeborene Blutgerinnungsstörung. Sie führt zum Mangel eines bestimmten Blutgerinnungsfaktors, im Falle der Hämophilie B ist dies der Blutgerinnungsfaktor IX. Daneben gibt es die Hämophilie A, davon ist die Hämophilie B jedoch zu unterscheiden, denn bei der Hämophilie A liegt ein Mangel des Blutgerinnungsfaktors VII vor.
Das Charakteristische an der angeborenen Blutgerinnungsstörung Hämophilie B ist, dass ein erhöhtes Blutungsrisiko vorliegt. Insbesondere treten hier Blutungen in den Weichteilen, den Muskeln, aber vor allem in den Gelenken auf.
Es gibt unterschiedliche Schweregrade der Hämophilie B, in Abhängigkeit von der Restaktivität des Blutgerinnungsfaktors IX. Es gibt den kompletten Mangel, wenn die Faktoraktivität unter einem Prozent liegt, dann sprechen wir von einer schweren Hämophilie B. Insbesondere bei einer schweren Hämophilie B, aber auch bei einer mittelschweren Hämophilie B mit einem schweren Blutungsphänotyp, wo Blutungen häufig auftreten, ist es das Ziel, diese Blutungen zu verhindern, indem eine Prophylaxe verabreicht wird.
Welche Therapieoptionen gibt es bei Hämophilie B?
Heutzutage gibt es eine Reihe von Therapieoptionen zur Behandlung der Hämophilie B. Die klassische Therapieoption ist die sogenannte Substitutionstherapie, dabei wird ein Präparat verabreicht, welches den fehlenden Faktor, in diesem Fall den Faktor IX enthält. Das sind die Faktorpräparate.
Eine weitere Therapieoption, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurde, ist eine sogenannte nicht-Faktor-Therapie. Hierbei wird der Gerinnungsdefekt, der durch den Mangel an Faktor IX entsteht, ausgeglichen, indem in der Blutgerinnungskaskade die Blutgerinnungsproteine gehemmt werden, welche normalerweise die Blutgerinnung hemmen.
Das bedeutet, dass antikoagulierende Proteine in ihrer Funktion gehemmt werden, um den Gerinnungsdefekt wieder auszugleichen. Das sind sogenannte rebalancierende Therapien. Sie sind heutzutage noch nicht im klinischen Einsatz angekommen, aber dafür gibt es gute Studien.
Als dritte Therapieform gibt es die Gentherapie. Das Ziel dabei ist, die Faktorenproduktion im Körper und vor allem in der Leber wiederherzustellen. Von der Gentherapie erhoffen wir uns viel, sodass wir auch der Heilung der Hämophilie B einen Schritt näher kommen.
Wie wird entschieden, welche Therapie für mich die richtige Wahl ist?
In der Regel ist die Standardtherapie heutzutage die Prophylaxe. Das heißt, bei schwerer oder einer mittelschweren Hämophilie B mit einem schweren Blutungsphänotyp soll die Prophylaxe regelmäßig mit einem Faktorenpräparat verabreicht werden.
Heutzutage sind Faktorenpräparate im klinischen Einsatz. Es gibt Faktorenpräparate, die aus Plasma gewonnen werden, Faktorenpräparate die rekombinat gentechnologisch hergestellt werden, Faktorenpräparate mit einer Standardhalbwertszeit und Faktorpräparate mit einer verlängerten Halbwertszeit .
In der Regel entscheidet die Verfügbarkeit der Therapieoptionen im jeweiligen Land, in dem man lebt, darüber, welche Therapie verabreicht werden kann. Bei den Standardhalbwertszeit Präparaten, die rekombinant oder aus Plasma gewonnen werden, ist eine Regelmäßigkeit der Infusion erforderlich. Meist handelt es sich um zweimal die Woche, bei manchen sogar dreimal die Woche, weil die Halbwertszeit des Faktor IX relativ kurz ist.
Mit den Faktorenpräparaten, mit einer verlängerten Halbwertszeit, kann man die Infusions- und Injektionsintervalle auf eine Woche, zehn Tage oder vierzehn Tage verlängern.
Wie wird in der klinischen Praxis entschieden, welche Therapie für Sie geeignet ist? Es gibt verschiedene Therapieoptionen und wir entscheiden nach dem klinischen Bild, dem klinischen Bedarf und der Patientenpräferenz in der klinischen Praxis. Entweder erhalten Sie Faktor IX-Präparate mit einer Standardhalbwertszeit oder Faktor IX-Präparate mit einer verlängerten Halbwertszeit.
In der Regel ist es eine gemeinsame Entscheidung, nach Vermittlung aller Informationen an die Betroffenen, an die Patienten. Der Arzt oder die Ärztin trifft gemeinsam mit dem Patienten die Entscheidung.
Hier geht es zum Video-Interview: „Behandlungsmöglichkeiten bei Hämophilie B„
Bedarfsorientierte Therapie mit Faktorkonzentrat bei Blutungen B
Was ist eine Bedarfstherapie?
In der Therapie der Hämophilie B unterscheiden wir eine Prophylaxe von einer Bedarfstherapie , einer „On demand“ Therapie. Bei der Prophylaxe wird regelmäßig ein Faktor verabreicht, damit ständig eine gewisse Menge des Faktors im Blut zirkuliert. Die Prophylaxe wird präventiv durchgeführt, um Blutungen zu verhindern.
Auf der anderen Seite gibt es die Bedarfstherapie, hier wird die Behandlung mit dem Faktor, die Substitution, nur dann durchgeführt, wenn es zu einer Blutung kommt oder Verletzungen vorliegen. Darüber hinaus gibt man sie auch vor Situationen oder Aktivitäten, bei denen ein erhöhtes Blutungsrisiko erwartet wird oder vor geplanten Eingriffen oder Operationen. So wird ein ausreichender Faktorenspiegeln gesichert, um in solchen Situationen vor einer Blutung geschützt zu sein.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Allgemeine Nebenwirkungen gibt es nicht nur bei der Bedarfstherapie, sondern grundsätzlich bei der Substitutionstherapie mit einem Faktorpräparat, speziell mit einem Faktor IX-Präparat bei der Hämophilie B.
Bei der Erstverabreichung können zum Beispiel allergische Reaktionen auftreten, weil es Proteine sind, die der Körper üblicherweise nicht kennt, welche für ihn initial fremd sind. Es können auch allergische Reaktionen auf Bestandteile des Faktorpräparats auftreten. Das ist eine unmittelbare Nebenwirkung, auf die man hier hinweisen muss. Bei der Erstgabe eines neuen Präparats ist es deshalb so, dass wir immer gerne eine Testinfusion unter Aufsicht durchführen.
Darüber hinaus gibt es andere klassische Nebenwirkungen einer Faktortherapie. Es kann bei einer Bedarfstherapie vor allem zu einer immunologischen Reaktion des Körpers gegen den zugeführten Faktor kommen. Dabei werden neutralisierende Antikörper gegen diesen produziert, auch Inhibitoren genannt. Diese hemmen die Wirkung der Substitutionstherapie, sodass sie ihre Wirkung nicht entfalten kann und somit keinen Schutz bietet. Das sind grundsätzlich die zwei wichtigsten Nebenwirkungen einer Faktortherapie.
Insgesamt ist die Substitutionstherapie aber eine sichere Therapie. Heutzutage sind auch die Plasmaprodukte, im Vergleich zu vor vierzig Jahren, in ihrer Herstellung sicher. Es besteht kein Infektionsrisiko mit Plasmapräparaten, lediglich ein gewisses Risiko für das Auftreten von Inhibitoren, wobei das Risiko dafür bei der Hämophilie B im Vergleich zur Hämophilie A aber geringer ist.
Zur Behandlung von Nebenwirkungen, wie beispielsweise akuten allergischen Reaktionen, werden zur Behandlung standardmäßige Maßnahmen getroffen. Hier stabilisieren wir den Kreislauf vorwiegend mit einer antihistaminischen Therapie oder mit Kortison .
Wenn es zum Auftreten eines Inhibitors kommt, zu einem Antikörper gegen den zugeführten Faktor IX, dann ist die wichtigste Therapieform die Immuntoleranzinduktion. Das bedeutet, es muss engmaschig, intensiv Faktor IX substituiert werden, damit sich der Körper, der Organismus an das Protein gewöhnt und die Antikörperbildung gegen den Faktor nachlässt und wieder verschwindet.
Hier geht es zum Video-Interview: „Bedarfsorientierte Therapie mit Faktorkonzentraten“
Vorbeugende Therapie mit Faktorkonzentrat bei Hämophilie B
Was sind Faktorenkonzentrate?
Die Faktorenkonzentrate enthalten den fehlenden Faktor, bei der Hämophilie B ist es der Faktor IX. Dieser Faktor ist ein Protein, das aus Plasma gewonnen werden kann. Es ist ein Spenderplasma, aus dem das Protein isoliert und gewonnen werden kann, um dann als Faktorenpräparat verabreicht zu werden.
Daneben gibt es die Möglichkeit und das erlaubt uns die Gentechnologie, dass man den fehlenden Faktor auch gentechnologisch rekombinant herstellen kann. Es ist ein spannender Herstellungsprozess, es gibt nämlich bestimmte Verfahren, Zellsysteme, welche die genetische Information erhalten, dieses Protein zu produzieren. Aus diesem Verfahren werden dann in konzentrierter Form die Faktorenpräparate gewonnen und für die Behandlung und Therapie der Hämophilie B weiterverarbeitet.
Wie werden Faktorenkonzentrate bei Hämophilie B eingesetzt?
Faktorenkonzentrate müssen intravenös verabreicht werden, für die Therapie muss also eine Vene punktiert werden. In der Praxis ist dies aber etwas aufwändiger und komplizierter.
Das Faktorpräparat muss zuerst für die Verabreichung vorbereitet werden. In der Regel liegt der Faktor in einer pulverisierten Form vor und muss mit einer Flüssigkeit aufgelöst werden. Diese wird dann aufgezogen und die Vene wird punktiert, um darüber den Faktor zu verabreichen.
Das wird heute standardmäßig als Heimselbsttherapie durchgeführt. Bei Kleinkindern ist es häufig so, dass die Eltern dabei helfen, bis die Betroffenen es selbst lernen. Das Ziel ist nämlich, dass die Betroffenen die Selbstverabreichung früh erlernen.
Die Faktorentherapie muss regelmäßig erfolgen, hier sind bestimmte Intervalle, in Abhängigkeit der Halbwertszeit des gewählten Faktors, einzuhalten. Meist ist die Therapie zweimal die Woche, einmal die Woche, mal alle zehn oder vierzehn Tage notwendig.
Für welche Patient:innen eignet sich diese Art der Therapie?
Grundsätzlich eignet sich die Faktorentherapie für alle Patienten, außer für jene, die einen Inhibitor haben, das heißt einen Antikörper gegen das Protein, welches hier zugeführt wird.
Die Therapie eignet sich als Prophylaxe bei einer schweren Hämophilie B oder mittelschweren Form der Hämophilie B mit einem schweren Blutungsphänotyp. Sie eignet sich sowohl für die Bedarfstherapie als auch für die Vorbereitung auf Operationen oder Eingriffe und die Zeit danach, um Blutungen zu verhindern. Grundsätzlich eignet sich die Faktorentherapie für alle Personen mit einer Hämophilie, wenn keine Inhibitoren vorliegen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Vorbeugende Therapie mit Faktorkonzentraten bei Hämophilie B“
Grundlagen der Gentherapie bei Hämophilie B
Was ist eine Gentherapie?
Die Gentherapie ist eine neue und spannende Therapieform in der Medizin. Es ist eine Therapie zur Behandlung von genetisch bedingten Erkrankungen. Das Ziel der Gentherapie ist, das defekte Gen, welches die Erkrankung verursacht, zu korrigieren.
Es gibt einerseits die Gentherapie, bei der ein Produkt mit dem fertigen, funktionierenden Gen verabreicht wird und man sozusagen eine Genaddition oder eine Gensubstitution durchführt. Andererseits gibt es einen zweiten Ansatz, bei dem das defekte Gen korrigiert wird.
Das Ziel der Gentherapie ist letztendlich, dass durch die Genkorrektur oder durch das Hinzuführen eines neuen, funktionierenden Gens, welches dann in die Zielzelle gelangt, die Produktion des fehlenden Gens wieder aufgenommen wird. Im Falle der Hämophilie B ist es das Hinzufügen eines neuen Gens, dieses wird auch als Transgen bezeichnen, welches dann in die Leberzelle gelangt.
Wie läuft eine Gentherapie bei Hämophilie B ab?
Der Prozess, der zu einer Gentherapie bei einer Hämophilie B führt, ist relativ lang. Er beginnt damit, dass die Patienten, die an der Gentherapie interessiert sind, zuerst auf die Tauglichkeit und die sogenannte „Eligibilty“ der Gentherapie untersucht werden müssen.
Es gibt eine Reihe von notwendigen Untersuchungen, zum einen müssen gewisse Bluttests durchgeführt werden. Es muss ein Screening auf bestimmte Antikörper gegen den Vektor, der für die Gentherapie verwendet wird, erfolgen. Im Falle der Hämophilie B ist es ein AAV-Vektor, ein Adeno-assoziierter Virus Vektor. Das ist sozusagen das Vehikel, das verwendet wird, um das gentherapeutische Produkt, das Transgen, in den Körper einzuschleusen und in die Leberzellen zu bringen.
Es ist so, dass wir in der Bevölkerung eine relativ hohe Durchseuchung mit AAV-Viren haben. Diese machen uns in der Regel nicht krank, bei einem Kontakt mit ihnen bildet unser Körper jedoch Antikörper gegen sie. Hier ist es wichtig, auf das Vorhandensein solcher Antikörper gegen den AAV-Vektor zu screenen.
Ein weiterer Teil der Vorbereitung ist, die Leber zu untersuchen. Es handelt sich um eine Leber zielgerichtete Therapie, das bedeutet, dass die Zielzelle der Gentherapie die Leberzelle ist. Daher muss eine gute Leberfunktion vorhanden sein und die Leber muss in einem guten Zustand sein. Wir müssen darüber hinaus sicher gehen, dass keine anderen, aktiven Erkrankungen vorliegen, die den Erfolg der Gentherapie verhindern könnten.
Als nächsten Prozess bereiten wir den Patienten auf die Gentherapie vor. Dies ist eine einmalige Infusion, welche im Prinzip von der technischen Durchführung her relativ einfach ist. Bei der Hämophilie B, im Vergleich zu anderen Gentherapien ist es so, dass dieses gentherapeutische Produkt fertig vorliegt und direkt für die einmalige intravenöse Infusion vorbereitet und verabreicht werden kann.
Nach der Verabreichung ist es erforderlich, den Patienten kurz zu monitieren, das bedeutet zu überwachen, um zu sehen, wie gut die Infusion vertragen wurde und ob mögliche infusionsbedingte Nebenwirkungen auftreten. Diese Kontrolle wird bei jeder intravenösen Therapie, die wir in der Medizin durchführen, gemacht. Nach einer erstmaligen Verabreichung einer solchen Therapie werden die Patienten in der Regel kurz beobachtet, um zu sehen, wie gut sie diese unmittelbar vertragen.
Danach können die Patienten am selben oder nächsten Tag nach Hause gehen und ihr Leben einfach weiterleben, wie zuvor. Ab dem Zeitpunkt, wo die Faktorproduktion einsetzt, ist dann keine Prophylaxe mehr erforderlich.
Wann wird eine Gentherapie bei Hämophilie B empfohlen?
Die Gentherapie ist aufgrund der vorliegenden Studien empfohlen und geeignet für Personen mit einer schweren Hämophilie B oder mittelschweren Hämophilie B mit schwerem Blutungsphänotyp. In den Studien sind Patienten eingeschlossen worden, die eine Faktorrestaktivität von bis zu zwei Prozent hatten. Die Gentherapie wird außerdem nur bei Patienten empfohlen, die keine fortgeschrittene Lebererkrankung haben, da die Leber das Zielorgan der Gentherapie ist, insbesondere die Leberfunktion muss gut sein.
Daneben ist es wichtig, dass es keine aktiven Infektionen gibt, insbesondere keine aktive Hepatitis Infektion, wie Hepatitis C oder B Infektion oder andere Hepatitis Formen. Das heißt weder eine virale Lebererkrankung noch eine aktive HIV-Erkrankung. Diese müssen entweder behandelt oder unter Kontrolle sein.
Ist das der Fall, erhalten die Patienten mit einer schweren Hämophilie B eine Prophylaxe und brauchen diese, weil sie eine schwere Blutungsneigung haben. Wenn Sie eine gute Leberfunktion haben und keine anderen Einschränkungen oder Komorbiditäten, also Zusatzerkrankungen, dann sind Sie grundsätzlich für eine Gentherapie geeignet und wir können Ihnen diese empfehlen.
Der nächste Punkt ist Ihre Bereitschaft für eine Gentherapie. Es ist eine komplett neue Therapieform, welche einmalig verabreicht wird und die man nicht mehr rückgängig machen kann. Das ist etwas, worüber die Patienten aufgeklärt werden müssen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Grundlagen der Gentherapie bei Hämophilie B“
Wirkung der Gentherapie bei Hämophilie B
Woher weiß ich, dass die Gentherapie bei mir wirkt?
Nach der Gentherapie ist es vorgesehen, dass regelmäßige Untersuchungen durchgeführt werden. Zum einen sind diese Kontrolluntersuchungen wichtig, um frühzeitig mögliche Nebenwirkungen zu detektieren. Zum anderen zur Messung der Faktor IX Aktivität, um zu überprüfen, ob hier mittlerweile eine endogene Produktion eingesetzt hat.
Der Anstieg der Faktor IX Aktivität geschieht nicht gleich innerhalb der ersten zwei Wochen nach Therapiegabe. Nach drei bis vier Wochen erwartet man sich aber einen beginnenden Anstieg der Faktorproduktion.
Zum anderen kann man die Wirkung einer Gentherapie auch daran messen, dass keine Blutungen mehr auftreten. Die Effekte der Gentherapie machen sich klinisch bemerkbar, indem die Blutungsneigung deutlich abnimmt, weil nicht mehr so leicht Blutungen auftreten, beispielsweise wenn man sich in den Finger schneidet oder sich eine Verletzung zuführt, welche vor der Gentherapie stärker geblutet hätte.
Ist eine zweite Infusionsgabe der Gentherapie bei ausbleibendem Erfolg sinnvoll?
Theoretisch besteht bei einem kleinen Prozentsatz der Personen, die eine Gentherapie erhalten haben, die Möglichkeit, dass die Gentherapie nicht zu einem gewünschten Erfolg führt, das wissen wir aus Studien. Auf Basis der heutigen Kenntnislage erwarten wir uns von einer zweiten Infusion jedoch sehr wenig.
Die erste Infusion mit dem gentherapeutischen Produkt, das in einem viralen Vektor verpackt ist, führt zur Produktion von Antikörpern gegen den Vektor, der hier verwendet wurde. Eine zweite Wiederholung der Gentherapie würde daher keinen Effekt haben und wird auf Basis der derzeitigen Kenntnislage auch nicht empfohlen. Wir erwarten uns von einer zweiten Gabe kein weiteres Ansprechen. Es bleibt nach dem derzeitigen Konzept daher eine einmalige Therapieform.
Allerdings wird derzeit daran geforscht, ob man Gentherapien wiederholt verabreichen kann, beispielsweise in veränderter Form oder mit anderen Vektoren. Das ist aber eher bei der Hämophilie A der Fall, bei der Hämophilie B haben wir den Hinweis, dass wir ein höheres Ansprechen auf die Gentherapie haben, im Vergleich zur Hämophilie A.
Welche Nebenwirkungen können auftreten?
Es gibt im Grunde zwei Formen von Nebenwirkungen, die bei einer Gentherapie auftreten können. Die erste Nebenwirkung ist infusionsbedingt, es kann, wie bei allen anderen intravenösen Therapien, eine Unverträglichkeitsreaktion auftreten, eine Art anaphylaktische oder allergische Reaktion. Dadurch, dass die Therapie im Krankenhaus verabreicht wird, geschieht dies jedoch unter Aufsicht und es kann entsprechend gegengelenkt werden.
Die zweite Form der Nebenwirkung ist auch immunbedingt, allerdings kann es hier zu einer Immunreaktion auf das gentherapeutische Produkt kommen. Es ist nicht ganz klar, wie sich das vielleicht klinisch äußern könnte. Das Prinzip der Gentherapie bei der Hämophilie B ist, dass keine Integration in das Erbgut stattfinden soll. Es ist eine Gentherapie, die in der Zelle, im Zellkern, als Episom vorliegt und nicht weitervererbt oder weitergegeben wird.
Bezüglich der Integration in das Erbgut oder einem Einfluss auf andere Gene gibt es die theoretische Diskussion, ob zum Beispiel durch Veränderung von anderen Genen ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebserkrankungen auftreten könnte. Es sind aber alles theoretische Diskussionen, die hier angeführt werden, klinisch gibt es dafür keine konkreten Anhaltspunkte.
Man hat in den gentherapeutischen Studien Personen, die zum Beispiel eine Krebserkrankung entwickelt haben, genau darauf untersucht, ob das Auftreten der Krebserkrankung mit der Gentherapie zusammenhängen könnte. Diese detaillierten Analysen, die zum Teil auch publiziert sind, weisen nicht darauf hin, dass die aktuellen Gentherapieformen einen Einfluss auf die Entstehung dieser hätten.
Wichtig nach dem Verabreichen einer Gentherapie ist allerdings, dass die Patienten langfristig und regelmäßig beobachtet und kontrolliert werden, um jegliche Nebenwirkungen zu erkennen und allgemein zu erfassen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Wirkung der Gentherapie bei Hämophilie B“
Kontrolluntersuchungen bei Hämophilie B
In welchem Intervall finden Kontrolluntersuchungen statt?
Nach der Gentherapie sind die Kontrolluntersuchungen wichtig. Initial müssen sie sehr engmaschig erfolgen, mehrmals wöchentlich innerhalb der ersten Wochen. Danach bis zu einmal die Woche oder einmal im Monat, aber in den ersten drei bis sechs Monaten sehr engmaschig. Nach einem Jahr kann man die Kontrolle alle sechs Monate durchführen. Sie sollten lebenslang regelmäßig kontrolliert werden, mindestens alle sechs bis zwölf Monate.
Die engmaschigen Kontrolluntersuchungen zu Beginn sind wichtig, damit man gewisse Nebenwirkungen frühzeitig erkennt, dazu zählt insbesondere ein Anstieg der Leberwerte , der Transaminasen . Diese müssen früh erkannt und entsprechend auch schnell behandelt werden. Kommt es zu einem solchen Anstieg bedeutet das, dass die Zielzelle der Gentherapie, die Leberzelle, im Stress ist. Es kann eine Immunreaktion sein und hier muss man schnell reagieren, um den Erfolg der Gentherapie zu bewahren. Wir geben dann für eine begrenzte Zeit eine immunsuppressive Therapie, in der Regel mit Kortison in Tablettenform.
Würde man diese Veränderung länger nur beobachten, kann der Erfolg der Gentherapie durch eine Transaminitis und folglich ein Zugrundegehen der Leberzellen, zunichtegemacht werden. Die Chance auf einen anhaltenden Effekt der Gentherapie kann man durch ein frühzeitiges Erkennen und eine frühzeitige Intervention bewahren.
Bei der Hämophilie B ist diese Form der Nebenwirkungen selten, in Studien hat sich bei zwanzig Prozent der Patienten dieser Anstieg der Leberwerte gezeigt. Mit einer frühzeitigen Therapie, einer Immunsuppression , kann man gewährleisten, dass der Effekt der Gentherapie bis zu einem gewissen Grad anhaltend bleibt.
Welche Werte werden bei den Untersuchungen kontrolliert?
Bei den Kontrolluntersuchungen werden in erster Linie Blutuntersuchungen durchgeführt. Dabei schaut man sich neben dem allgemeinen Blutbild, der Blutchemie, vor allem die Leberwerte und die Gerinnungswerte an.
Außerdem interessiert uns die Faktor IX Aktivität, ob diese ansteigt, vor allem, ab wann sie ansteigt, welchen Wert sie erreicht und ob sie anhaltend gleich bleibt. Es könnte nach einer gewissen Zeit, das ist auch ein Thema bei der Gentherapie, zu einem Wirkverlust kommen. Wenn man dies beobachtet, müsste man sich Gedanken machen und untersuchen, ob dafür spezielle Gründe vorliegen oder nicht.
Kommt es zu einem Anstieg, zum Beispiel der Leberwerte, würde ich spezielle Leberuntersuchungen durchführen lassen. Die Leber ist wichtig, ein zentrales Organ für den Erfolg der Gentherapie, deshalb arbeiten wir auch engmaschig mit Leberspezialisten zusammen. Wenn sich die Transaminasen erhöhen, würde ich gemeinsam in meinem Zentrum mit unserem Leberspezialisten zusammenarbeiten, um mögliche Gründe für eine Leberwerterhöhung untersuchen zu lassen.
Welche Ereignisse sollte ich der Ärztin/dem Arzt mitteilen?
Grundsätzlich ist es bei der Hämophilie und insbesondere während der Therapie wichtig, dass ein Tagebuch, ein sogenanntes Substitutionstagebuch im Falle einer Substitution mit Faktorpräparaten, durchgeführt wird. Dort wird alles zur Substitution, aber beispielsweise auch Blutungsereignisse dokumentiert.
Ich empfehle hier und das ist sehr wichtig, dass dieses Tagebuch auch weiterhin geführt wird, um besondere Ereignisse festzuhalten. Dazu zählen Blutungen, was anschließend passiert ist, ob diese behandlungsbedürftig waren und ob man sich danach zusätzlich einen Faktor verabreichen musste oder nicht.
Dokumentieren Sie auch Ihre Spitalsaufenthalte oder besondere Ereignisse im Leben, mit einem Augenmerk auf die Blutungsereignisse. Diese können nämlich der erste Hinweis sein, wenn es zu einem Wirkverlust der Gentherapie kommt.
Darüber hinaus ist es meiner Meinung nach wichtig, dass man die Einnahme von Medikamenten, auch von neuen Medikamenten, genau dokumentiert. Es gibt Medikamenten, bei denen die Gefahr oder die Nebenwirkung besteht, dass sie zum Beispiel eine Belastung für die Leber sein können. Es ist wichtig, dass Sie vorab mit der Hämophilie Behandlerin oder dem Behandler absprechen, ob es in Ordnung ist, solche Medikamente einzunehmen. Diese Information ist den Behandlerinnen und Behandlern auch bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen mitzuteilen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Kontrolluntersuchungen bei Hämophilie B“
Mein Beitrag zur Therapie bei Hämophilie B
Was kann ich selbst tun, um die Therapie zu unterstützen?
Ja, auch Sie selbst können zum Erfolg der Gentherapie beitragen. Zum einen, indem Sie die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen, die vereinbart sind, wahrnehmen. Zum anderen, indem Sie Ihre Leber so gut wie möglich schützen. Sie ist ein wichtiges Organ, denn die Gentherapie hat die Leber als Ziel und in den Leberzellen wird die Faktorproduktion wieder aufgenommen. Jeder Stress für die Leber ist auch eine Gefahr für die Faktorproduktion.
Es ist wichtig, für eine gewisse Zeit auf Alkohol zu verzichten, aber nicht lebenslang. Man kann natürlich mit den Behandlern besprechen, ab wann es wieder sicher ist, Alkohol zu konsumieren. In den ersten Monaten, beziehungsweise im ersten Jahr, würde ich davon jedoch abraten.
Es ist auch häufig der Fall, dass viele pflanzliche Mittel oder bestimmte Schmerztherapien eingenommen werden. Diese können jedoch in der Metabolisierung für die Leber nicht einfach sind und eine Gefahr, eine Nebenwirkung oder eine Belastung für die Leber sein. Es ist wichtig, dass man die Einnahme vorab bespricht und nichts tut, was die Leber belasten könnte.
Darüber hinaus können Sie die Gentherapie unterstützen, indem Sie die Dokumentation, die Sie vor der Gentherapie auch mit der Faktorsubstitution durchgeführt haben, in ähnlicher Form fortführen. Sie können dort alle besonderen Ereignisse, wie Blutungen, dokumentieren und diese regelmäßig bei den Kontrolluntersuchungen mit dem Behandler oder der Behandlerin besprechen und rückmelden.
Was können Angehörige tun, um die Therapie zu unterstützen?
Die Angehörigen tun prinzipiell immer viel für ihre Liebsten mit Hämophilie und diese Unterstützung sollte auch nach Beginn der Gentherapie weiterhin bestehen.
Die Angehörigen können motivieren, dass weiterhin die Kontrollen stattfinden und dass beispielsweise die Dokumentation von besonderen Lebensereignissen weiterhin in gewohnter Form erfolgt. Sie sind in der Hämophilie sehr wichtig und haben einen besonderen Stellenwert.
Wo kann ich während meiner Therapie Unterstützung finden?
Der wichtigste Partner für Sie ist immer Ihre Hämophilie Behandlerin oder Behandler. Sie sind bei Fragen oder Problemen Ihre erste Adresse. Darüber hinaus gibt es viele Quellen, wo man sich Informationen holen kann. Heutzutage bietet das Internet viele Möglichkeiten, so auch zum Beispiel dieses Video, wo Sie sich gerade Informationen holen.
Es gibt in der Hämophilie Gemeinschaft auch gut organisierte Selbsthilfegruppen. Auf diese würde ich gerne hinweisen, insbesondere auf eine lokale Selbsthilfegruppe, die Österreichische Hämophilie Gesellschaft. Diese leistet hervorragende Arbeit und unterstützt Betroffene mit Hämophilie in allen Lebenslagen.
Es gibt auch internationale, wissenschaftliche Fachgesellschaften, die eine Menge an Informationsmaterial zur Hämophilie allgemein, zu den Hämophilie Therapien und im Speziellen zur Gentherapie anbieten.
Hier geht es zum Video-Interview: „Mein Beitrag zur Therapie bei Hämophilie B“
Meine Nachricht an Sie
Die vergangenen zwei Jahrzehnte in der Hämophilie Forschung und Behandlung, sind aus meiner Sicht ein großer Erfolg. Es gibt große Fortschritte und neue Entwicklungen, die den Behandlungsstandard in der Hämophilie allgemein verbessert haben.
Unser Ziel, die Blutungen zu verhindern, kann man mit den bestehenden Therapiemöglichkeiten sehr gut erreichen. Wir sehen an der neuen, heranwachsenden Generation mit Betroffenen einer schweren Hämophilie, wie wichtig ein regelmäßiger Schutz, eine sogenannte Prophylaxe, ist.
Heutzutage verfolgen wir in der Hämophilie auch ein weiteres wichtiges Ziel, und zwar die Lebensqualität von Betroffenen so gut es geht zu optimieren, denn in unseren Breitengraden ist das Hauptziel, Blutungen zu verhindern, nahezu erreicht. Diesbezüglich erhoffen wir uns von den neuen Therapieoptionen, die nicht intravenös, sondern subkutan verabreicht werden und von der Gentherapie, welche nur einmal verabreicht wird, dass sie einen langandauernden Effekt haben, mit einer anhaltend Faktorexpression, die sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt.
In der Hämophilie Behandlung sind wir heutzutage so weit, dass wir uns als Hämophilie Behandlerinnen und Behandler, als Partner und Unterstützer in jeder Lebenslage der Betroffenen sehen. Wir sind Ihre primäre Ansprechstation bei medizinischen Fragen, die Sie haben.
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