4. Grundlagen der Gentherapie bei Hämophilie B

Was ist eine Gentherapie?

Die Gentherapie ist eine neuartige Therapieform zur Behandlung von genetisch bedingten Erkrankungen. Sie zielt darauf ab, den zugrunde liegenden Gendefekt der Hämophilie B zu korrigieren. So wird der Mangel an Gerinnungsfaktor IX langfristig behoben.

Die verschiedene Arten der Gentherapie

  • Genaddition: Ein funktionierendes Gen wird eingefügt.
  • Genkorrektur: Das defekte Gen wird korrigiert.
  • Genausschaltung: Das defekte Gen wird ausgeschalten.

Bei der Behandlung von Hämophilie B wird ein neues Gen hinzugefügt. Es kommt also eine Genaddition zum Einsatz. Dieses neue Gen wird als Transgen bezeichnet. Es gelangt in die Zielzelle, bei Hämophilie B in eine Leberzelle. Dort wird durch die nun funktionierenden Gene die Produktion von Faktor IX ermöglicht.

Was ist das Ziel der Gentherapie?

Das Ziel der Gentherapie ist, das defekte Gen, das die Erkrankung verursacht, zu korrigieren. Dadurch muss nach der Gentherapie langfristig keine Therapie mit Faktorkonzentraten mehr durchgeführt werden.

Welche Untersuchungen werden vor Beginn der Gentherapie bei Hämophilie B durchgeführt?

Ob eine Gentherapie für Sie in Frage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ihre Ärzt:innen werden verschieden Untersuchungen durchführen, um festzustellen, ob eine Gentherapie bei Ihnen eingesetzt werden kann.

  1. Zunächst werden Bluttests vorgenommen. Die Gentherapie wird durch im Labor veränderte Viren in unsere Zellen transportiert. Bei der Gentherapie für Hämophilie B wird ein Adenovirus als Transportmittel für die Gentherapie verwendet. Viele Menschen sind schon einmal mit Adenoviren in Kontakt gekommen, da diese Viren verschiedenen Erkrankungen wie Infektionen der Atemwege auslösen können. Daher haben viele Menschen bereits Antikörper gebildet, die auch gegen die Gentherapie wirken. Sollte dies der Fall sein, wird gemeinsam mit Ihrem Behandlungsteam entschieden, ob die Gentherapie durchgeführt werden kann.
  2. Da die Therapie die Leber betrifft, muss auch die Leberfunktion untersucht werden. Die Blutwerte, insbesondere die Transaminasen , werden überprüft. So kann der Zustand der Leber beurteilt werden.
  3. Andere Erkrankungen, die sich negativ auf die Gentherapie auswirken könnten, müssen ausgeschlossen werden. Dazu gehören HIV und chronische Hepatitis. Auch eine Alkoholerkrankung kann eine Gentherapie als Behandlungsmöglichkeit ausschließen.

Wie läuft eine Gentherapie bei Hämophilie B ab?

Die Gentherapie wird über eine einmalige Infusion verabreicht. Die Gabe erfolgt unter ärztlicher Aufsicht, um mögliche Nebenwirkungen zu überwachen.

Es kann unter anderem zu einer Unverträglichkeitsreaktion kommen. Eine Unverträglichkeitsreaktion zeigt sich dadurch, dass der Körper mit Krankheitssymptomen auf die Inhaltsstoffe der Gentherapie reagiert. Ihr Behandlungsteam kann Ihnen Medikamente geben, welche die Unverträglichkeitsreaktion abmildern. Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Lektion “Wirkung der Gentherapie bei Hämophilie B”.

Nach der Verabreichung können Sie am selben oder spätestens am nächsten Tag nach Hause gehen. Durch die Therapie sollte die Faktorproduktion einsetzen, sodass eine vorbeugende Therapie nicht mehr notwendig ist.

Wann wird eine Gentherapie bei Hämophilie B empfohlen?

Die Gentherapie wird für betroffene Personen mit einer mittelschweren oder schweren Form der Hämophilie B empfohlen. Diese Ausprägung der Erkrankung zeigt sich durch vermehrte Blutungen und lange Blutungszeiten. Wenn diese Beschwerden auftreten, spricht man von einem starken Blutungsphänotyp.

Die Gentherapie kann außerdem nur bei Hämophilie-B-Patient:innen angewendet werden, die keine fortgeschrittene Lebererkrankung haben. Akute Infekte wie Hepatitis oder eine unbehandelte HIV-Erkrankungen müssen ebenfalls vor Therapiebeginn ausgeschlossen werden. Ihr Behandlungsteam wird vor Therapiebeginn entsprechende Untersuchungen durchführen, um sicherzustellen, dass Sie für die Gentherapie geeignet sind.

Aktuell ist die Gentherapie bei Hämophilie B nur für die Behandlung von Menschen über 18 Jahre zugelassen.

In unserer Schulung “Gute Entscheidungen treffen bei Hämophilie” erfahren Sie, was Sie bei der Entscheidung über eine Gentherapie berücksichtigen sollten.

Warum ist die Gentherapie nur bei Erwachsenen möglich?

Es gibt noch keine gesicherten Studienergebnisse zur Anwendung der Gentherapie bei Kindern. Da die Leber bei Kindern noch wächst und sich verändert, wird angenommen, dass die Gentherapie in diesem Alter nicht die gleiche Wirkung hat wie im Erwachsenenalter.  Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über den passenden Zeitpunkt für den Beginn einer Gentherapie bei Ihnen oder Ihrem Kind.

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Geprüft Univ.-Prof. Dr. Cihan Ay: Stand Oktober 2024 | Quellen und Bildnachweis
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.
Antikörper
(Immunoglobuline)
Eiweiße (Proteine), die von Zellen des Immunsystems gebildet werden, um Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren zu bekämpfen. Bei manchen Erkrankungen kann es zu einer fehlgeleiteten Bildung von Antikörpern gegen körpereigene Zellen oder Strukturen kommen.
Gentherapie
Behandlungsmethode, die darauf abzielt, genetische Defekte durch die Einführung von gesunden Genen zu korrigieren oder auszugleichen.
Hämophilie
(Bluterkrankheit)
Erkrankung der Blutgerinnung. Betroffene haben einen Mangel an Gerinnungsfaktoren, die zur Blutstillung benötigt werden. Dadurch treten Blutungen häufiger auf als bei gesunden Personen und werden langsamer gestoppt. Es gibt zwei Arten der Hämophilie. Bei Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor VIII (acht). Bei Hämophilie B fehlt der Gerinnungsfaktor IX (neun).
Infusion
Verabreichung einer Flüssigkeit (mit oder ohne darin gelösten Medikamente) über einen Zugang in ein Blutgefäß.
Transaminasen
Enzyme, die in der Leber vorkommen und deren Konzentration im Blut auf Leberschäden hindeuten kann.