Bezüglich der Vorbereitung auf Sport und sportliche Aktivitäten unterscheiden sich Hämophile nicht von Menschen ohne erhöhte Blutungsneigung. Ist die gewählte Sportart mit einer höheren körperlichen Belastung verbunden, empfiehlt sich vorab ein physischer Check-up, bei dem die Gelenkflexibilität, die Bänderflexibilität, die Muskelkraft und das allgemeine Befinden näher in Augenschein genommen werden. So lässt sich gut abklären, ob die ausgesuchte Disziplin zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit beiträgt oder ob eher das Gegenteil der Fall wäre.
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Welche Do’s und Don’ts gibt es für Hämophilie-Patienten beim Sport?
Generell gibt es keine speziellen Dinge, die ein Hämophilie-Patient im Verhältnis zu jedem anderen Menschen, der Sport treibt, besonders zu unterlassen oder besonders zu berücksichtigen hat.
Generell bedeutet das, dass eine Erwärmung oder eine entsprechende Aufwärmung des Körpers, aber auch der psychischen Situation gegeben sein, muss. Das heißt, dass ich mich vorbereite körperlich und mental auf das, was gleich ansteht. Das bedeutet, dass ich mich Belastungen, vielleicht auch schnelleren Belastungen, schnelleren Bewegungen aussetze, dass ich ein gutes Aufwärmprogramm durchführe und alle Formen eines gut strukturierten Trainings auch vorhanden sein sollen. Es bedeutet, dass koordinative Aspekte vor den Kraftteilen stehen sollen und vor den Ausdauerbelastungen, sodass ich diese motorischen Schulungen immer vor den höheren Belastungen durchführe. Das gilt aber für jeden Sporttreibenden, ob es ein Hämophilie-Patient ist oder auch keiner.
Welche Besonderheiten sind bezüglich der Substitution und der Trainingsplanung zu beachten?
Wichtig ist, dass der Patient gut substituiert ist. In der Situation der guten Substitution ist auch die Wahrscheinlichkeit von Einblutungen sehr, sehr gering, und insofern gibt es dort auch dann in der Phase keine besonderen Beachtung zu schenken, was den Trainingsplan anbelangt.
Sollten Gelenkprobleme bestehen, dann ist so zu verfahren wie bei allen Patienten oder Menschen, die eine Gelenkverletzung haben. Wenn Schmerzen dort bestehen, wenn es Erwärmung gibt, wenn es auch Gelenkschwellungen gibt, ist jegliche Form des Sporttreibens ausgeschlossen. Da gilt es, die Gelenksituation primär zu beachten, therapeutisch zu behandeln, um dann nach Abklingen dieser Phase wieder ein Sporttreiben zu ermöglichen.
An wen können sich Hämophile bei Fragen zum Thema Hämophilie und Sport wenden?
In erster Linie sind sicherlich die Hämophilie-Schwerpunktzentren zu nennen. Diese Schwerpunkt-Zentren sind mit einem multiprofessionellen Team besetzt. Es sind dort Ärzte tätig, die sicherlich Information und Beratungen geben können, aber insbesondere auch Physiotherapeuten, gegebenenfalls auch Sportwissenschaftler, die Kenntnisse und die Zusammenarbeit mit Hämophilie-Patienten aufweisen und insofern eine sehr fundierte und dezidierte Beratung zu Hämophilie und Sport gehen können.
Aufwärmtraining und Cool-down
Wichtig ist es, die Muskulatur mit einem fünf bis zehnminütigen Warm-up auf den Sport vorzubereiten. Hierzu gehören routinemäßige Stretching-Übungen sowie gezielte Übungen für die später besonders beanspruchten Muskelgruppen. Dies macht die Muskeln und Gelenke flexibler und verringert das Risiko für Verletzungen.
Dabei empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
- Stretchen Sie langsam und halten Sie jede Dehnung für circa 30 Sekunden.
- der Dehnreiz sollte spürbar sein, allerdings dürfen die Übungen keine Schmerzen verursachen.
- Atmen Sie gleichmäßig.
- Vermeiden Sie beim Stretchen wippende Bewegungen, da diese Ihre Muskeln schädigen können.
Auch das Abkühlen nach der sportlichen Betätigung sollte mit einem leichten Training inklusive Stretching ablaufen.
Patienten mit bereits vorliegenden Gelenkschäden sollten bei Dehnungsübungen besonders vorsichtig vorgehen, da beim Dehnen geschädigter Gelenkte das Blutungsrisiko relativ hoch ist. Im Zweifelsfall können stattdessen Übungen zur Mobilisation Anwendung finden, die einen muskelentspannenden Effekt haben. Wenn Sie eine Dehnübung stärker im Gelenk als im anvisierten Gewebe spüren, ist die Sinnhaftigkeit einer Übung auf jeden Fall zu hinterfragen. Wenden Sie sich bei Unsicherheiten unbedingt an einen Physiotherapeuten.
Die Gelenke immer im Blick
Der Schweregrad der Hämophilie sollte bei der sportlichen Aktivität ebenso Berücksichtigung finden wie der Gelenkstatus. Im fortgeschrittenen Alter ist es ratsam, eine Sportart zu wählen, die gleichmäßig rhythmische Bewegungen aufweist und geringe Bewegungsenergien erfordert.
Je älter Sie werden, desto größer wird das Risiko für einen Gelenkschaden. Achten Sie deshalb beim Sport besonders auf Ihre Gelenke, um deren Gesundheit und Funktionstüchtigkeit zu erhalten.
Was tun bei Verletzungen?
Kleinere Schürfwunden oder Kratzer stellen bei gut substituierten Hämophilie-Patienten kein Problem dar. Hier genügt in der Regel ein Pflaster. Falls Sie jedoch Anzeichen für eine Blutung verspüren, beispielsweise ein Kribbeln oder ein Hitzegefühl in einem Gelenk oder einem Muskel, brechen Sie sofort das Training ab. Kühlen Sie die Stelle und spritzen Sie bei Bedarf Ihr Faktorpräparat.
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Welche Sofortmaßnahmen empfehlen sich für kleinere Verletzungen?
Bei einem gut substituierten Hämophilie-Patienten sind keine besonderen Maßnahmen zu treffen.
Wenn es kleine Schürfwunden sind, muss nichts Besonderes durchgeführt werden. Die Substitution ist ausreichend, um die Situation zu beherrschen. Vielleicht ein Pflaster würde noch genügen.
Ist es ist eine Prellung, so dass sich ein Hämatom, ein blauer Fleck bildet, wäre in dem Fall eine zusätzliche Kühlung sicherlich dann auch noch mal sehr hilfreich, um den ersten Schmerz zu lindern und auch die Einblutung in das Gewebe nochmal etwas zu reduzieren.
Wie lange sollten Hämophile nach einer Verletzung auf das Training verzichten?
Der Verzicht auf Training nach Verletzungen ist an drei Dingen festzumachen. Das bedeutet:
- ist die Gelenkblutung abgeschlossen,
- ist die Schwellung weg,
- ist der Schmerz weg und
- ist auch die Erwärmung des Gelenks und die Bewegungseinschränkung wieder auf Normalniveau, das heißt, dass sie beseitigt sind,
dann ist wieder ein strukturiertes, langsames aufgebautes Sportprogramm möglich. Aber auch nur dann.
PECH-Regel
Als Sofortmaßnahme empfiehlt sich außerdem die sogenannte PECH-Regel. Diese besteht aus folgenden Schritten:
- Pause machen und alle Aktivitäten sofort unterbrechen
- die Verletzung mit Eis kühlen
- einen Compressionsverband anlegen
- das verletzte Körperteil hochlagern
P ause
E is
C ompressionsverband
H ochlagern
Geben Sie dem betroffenen Gelenk unbedingt ausreichend Zeit zur Heilung, bevor Sie es aufs Neue belasten. In der Regel können Sie wieder mit dem Training beginnen, wenn:
- die Gelenkblutung abgeschlossen ist,
- die Schwellung und Erwärmung des Gelenks abgeklungen sind,
- keine Schmerzen mehr auftreten und
- keine Bewegungseinschränkungen vorliegen.
Inhalte wurden in Zusammenarbeit mit dem Sportwissenschaftler Ralf Kalinowski entwickelt: Stand 17.12.2018