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Kurs Lungenhochdruck und Angehörige: Lektion 1 von 6

Was ändert sich für PatientInnen?

Im Gegensatz zu anderen schweren Erkrankungen ist Lungenhochdruck nach außen hin kaum sichtbar, dadurch kann es schwer werden, sich in den/die PatientIn hineinzuversetzen. Die Einschränkungen sind jedoch groß: Durch die Atemnot können selbst normale Alltagshandlungen enorm anstrengen. Dies belastet nicht nur den Alltag, sondern löst auch verschiedenste Emotionen aus, mit welchen man lernen muss umzugehen.

Video Transkript

Was sollten Nahestehende von Menschen mit Lungenhochdruck über die Erkrankung wissen?

Über die Erkrankung zu wissen – es ist für Sie als Angehöriger wahrscheinlich sehr schwer sich das vorzustellen. Wenn man schneller gehen muss, dass man ganz schnell außer Atem ist, dass man dann Probleme kriegt, dass die Beine wehtun, die Oberschenkel schmerzen. Dass man zum Beispiel, wenn man geht, wenn man etwas schneller geht, gar nicht mehr dazu sprechen kann, weil die Luft ausgeht, weil die Luft einfach knapp wird. Und es ist natürlich dann ganz toll, wenn Sie als Angehöriger, als Familienmitglied oder als Freund da unterstützen könnten und vielleicht sich dem Tempo ab und zu anpassen. Sie müssen sich vorstellen, wenn man im Winter Stiefel trägt – man hat mehr Gewand an, man hat eine Tasche mit, man hat eine Winterjacke an – ist das für uns schwieriger, unterwegs zu sein als im Sommer mit Flip-Flops und einem Sommerkleid, wenn man einfach nicht so viel mittragen muss. Und ich glaube, das kann man sich als gesunder Mensch sehr, sehr schwer vorstellen. Ich konnte das auch nicht.

Warum sind die Symptome von Lungenhochdruck für Außenstehende so schwer zu verstehen?

Die Symptome von Lungenhochdruck sind eigentlich eher keine klassischen Symptome, die auf eine schwere Krankheit hinweisen. Also man hat weder Fieber, noch hat man Schmerzen, noch fallen einem die Haare aus, noch hat man irgendwelche anderen offensichtlichen Symptome, die auch jemanden davor bewahren, in die Schule zu gehen. Meine Eltern haben immer gesagt: „Du hast kein Fieber, du hast keine Schmerzen, du gehst in die Schule!“ Die Symptome von Lungenhochdruck sind sehr unspezifisch. Vor allem, wenn man dann auf einmal merkt: Man kriegt ein bisschen weniger Luft, also Atemnot bei Belastung. Das schiebt man zuerst einmal auf etwas anderes, in meinem Fall würde ich es aufs Übergewicht schieben. Ein anderer wird es vielleicht aufs Rauchen schieben. Der Dritte sagt vielleicht: „Schon lange nicht mehr im Fitnessstudio gewesen…“. Aber man geht deswegen nicht zum Arzt. Und wenn man dann merkt: Ja, das wird immer schlimmer, und das kann doch nicht sein, und man geht dann zum Arzt, dann geht man zum praktischen Arzt, und der praktische Arzt sagt einem wieder: „Hören Sie auf zu rauchen, nehmen Sie ab, gehen Sie ein wenig ins Fitnessstudio…“, aber man denkt nicht an so eine gefährliche Krankheit, weil sie doch sehr, sehr selten ist.

Zusätzlich, wenn man sich sehr, sehr viel damit beschäftigt, wie ich das nun in den letzten 20 Jahren getan habe, glaubt man schon, dass man selber ein bisschen verrückt wird und sagt: „Naja, eigentlich habe ich das ja auch, aber vielleicht ist es eigentlich nur, weil ich älter werde…“. Und der Lungenhochdruck kann ja sehr schleichend voranschreiten. Die Kinder sind eine absolute Minderheit in der Minderheit der seltenen Krankheit. Die meisten Patienten kommen dann irgendwann in meinem Alter drauf. Und so haben wir letztes Jahr auch meine Mutter verloren, die auch eine schwere PH hatte, und jetzt hat man dann bei mir – natürlich auch von meinem Herzen her – festgestellt, dass ich eigentlich auch eine Pulmonale Hypertension habe.

Ich kann jetzt eigentlich von Monat zu Monat besser verstehen, was mir Patienten und was mir meine Tochter eigentlich immer erzählt haben: Es gibt gute Tage, und es gibt schlechte Tage. Und damit muss man lernen, umzugehen, und man muss versuchen, sich zu adaptieren. Das heißt: Überall, wo Schatten ist, da ist auch Licht. Man muss schauen, dass man das Positive aus der Situation herausfindet und sich an dieses Positive dann klammert. Mit „positiv“ meine ich jetzt: Wenn mein Hobby vorher Skifahren war, dann könnte es ja nachher auch Schachspielen sein. Oder wenn ich in der Natur sein möchte, könnte ich vielleicht auf‘s Golfspielen umsatteln, wenn ich vorher Triathlon-Kämpfer war. Man findet immer eine Möglichkeit, wie es gut weitergeht und wie man sich adaptiert und wie man Freude am Leben behält.

Wie fühlt sich der Alltag mit Lungenhochdruck für Sie an?

Der Alltag mit PH ist natürlich bestimmt von den vielen Auf und Abs, die man hat. An guten Tagen denkt man oft gar nicht an Lungenhochdruck und es ist gar kein Problem. An schlechten Tagen fällt es mir oft schwer fortzugehen, mich anzuziehen, herzurichten, unterwegs zu sein. Aber es ist ganz, ganz wichtig, dass man den Kontakt zur Außenwelt hält, auch an schlechten Tagen, wenn es nicht so gut geht. Dann bin ich halt nicht so viel unterwegs, lade mir jemanden ein, eine Freundin zum Tratschen. Aber aufpassen, dass man hier nicht in die Isolation fällt, das ist für mich ganz, ganz wichtig.

Welche Symptome Ihrer Tochter waren für Sie am schwersten zu verstehen?

Symptome bei Lungenhochdruck, gerade bei einem Kind, sind nicht sehr einfach zu erkennen. Sie sind generell nicht einfach zu erkennen, aber ein Kind hat überhaupt nicht das Bedürfnis, darüber zu sprechen. Ein Kind versucht sich zu adaptieren. Ein Kind jammert nicht von Haus aus, denn Lungenhochdruck verursacht keine Schmerzen. Ein Kind passt sich irgendwie an. Es ist dann an der Mutter meistens, die sofort erkennt, wenn es ihrem Kind nicht gut geht. Eine Mutter hat hier ein Gespür, und man sollte immer glauben, was eine Mutter sagt. Bei uns war das genauso, obwohl man meine Frau als Hypochonder und hysterisch bezeichnet hat. Aber sie hat recht gehabt. Und bei meiner Tochter hat man dann langsam gesehen, dass sie sich zurücknimmt, dass sie sich sehr oft hinhockt, dass sie die Spielleiter-Funktionen übernimmt und nicht aktiv mitspielt, sondern die anderen Kinder eher eingeteilt hat und wir uns gedacht haben: „Aha, das wird einmal eine Führungsposition…“ Und so hat es sich dann auch entwickelt, dass sich meine Tochter sehr stark adaptiert hat an den Umstand, dass es ihr schwer gefallen ist zu atmen oder schwergefallen ist, körperliche Anstrengungen hinzunehmen.

Welche Symptome belasten Sie am meisten?

Am meisten belastend für mich ist die Atemnot, wenn man einfach nicht so schnell gehen kann, wenn man nicht so schnell dorthin kommt, wo man hin möchte. Das ist für mich ein bisschen wie ein Hemmstein. Aber ich denke mir immer: „Sollte es nur das sein, die Nebenwirkungen ganz gering gehalten werden bzw. andere Symptome sich gar nicht bemerkbar machen, dann sind wir doch als Lungenhochdruck-Patienten sehr glücklich, eine gute Lebensqualität zu erzielen.

In welchen emotionalen Reaktionen können sich die Symptome äußern?

Die Emotionalität bei Lungenhochdruck ist eine sehr große. Von der Kinderseite her sind die Kinder so, dass sie einfach genervt sind, dass sie manche Sachen nicht können, dass sie mit anderen nicht mit können, dass sie jetzt etwas wollen und es einfach nicht können, weil ihnen die Luft dazu fehlt oder die Kraft dazu fehlt. Und das führt zu sehr emotionalen Wutausbrüchen, die man dann auch so ein bissel – als Drama Queen haben wir unserer Tochter bezeichnet – als sehr aufbrausend und vielleicht auch manchmal als ungehörig empfindet, weil man nicht weiß, warum diese Ausbrüche kommen. Das dauert dann relativ lang, bis man sich in das Kind hineinversetzen kann. Bis man sich identifizieren kann mit den Problemen, die dieses Kind hat, weil das Kind über diese Probleme mit den Eltern nicht spricht. Und es wird von Jahr zu Jahr besser, und man wird hier auch von Jahr zu Jahr feinfühliger.

Mit welchen Emotionen mussten Sie nach der Diagnose zurechtkommen?

Da waren natürlich viele Emotionen da. Da hat es Emotionen… das waren eigentlich alles am Anfang Negativgefühle: „Werde ich mein Leben weiterleben können? Wie lange wird es noch dauern? Hat es überhaupt noch einen Sinn, zu leben, etwas Neues zu beginnen?“ Das Selbstwertgefühl sinkt. Man weiß eigentlich mit seinem Körper nicht so recht: Was passiert jetzt in meinem Körper? Aber dadurch, dass man sich dann informiert, dass die Medikamente zu wirken beginnen, bekommt man wieder wie ein neues Leben geschenkt, und man darf daran nicht verzweifeln. Man muss immer das Positive sehen. Weil, wenn die Medikamente wirken, dann hat man wirklich wieder ein relativ gutes Leben mit geringen Einschränkungen.

Unsichtbare Einschränkungen im Alltag

Lungenhochdruck ist eine unsichtbare Erkrankung und verschlechtert sich schleichend. Deshalb ist es für die PatientInnen oft schwer, anderen ihre Probleme begreifbar zu machen. Trotzdem hat die Erkrankung je nach Ausprägung große Auswirkungen auf den Alltag.

Schon kleine Belastungen wie Treppensteigen, Putzen, Duschen oder Spazierengehen sind ohne genügend Luft kaum zu bewältigen. Atemnot, Herzstolpern und sogar Ohnmachtsanfälle sind die mögliche Folge. Da bereits wenige Stufen einer Gipfelbesteigung gleichkommen, wird es schwer, den Alltag zu bewältigen.

Nach außen hin mag es den Anschein erwecken, als ob der/die PatientIn keine gesundheitlichen Einschränkungen hätte, doch in Wirklichkeit kommt man mit Lungenhochdruck schon bei alltäglichen Handlungen an seine Leistungsgrenze. Es wird immer schwerer, den Alltag zu bewältigen wodurch negative Gefühle ausgelöst werden: Die PatientInnen fühlen sich beschämt, ihr Selbstwertgefühl sinkt, sie sind zornig, traurig und besorgt. Viele haben Angst, die Wohnung zu verlassen, weil sie so wenig belastbar sind. Diese PatientInnen brauchen jetzt viel Verständnis durch ihre Angehörigen.

Atemtest für Angehörige

Visualisierung eines Atemtests für Angehörige von Lungenhochdruckpatienten Um sich in eine/n Lungenhochdruck-PatientIn einzufühlen, können Sie diesen Selbsttest ausprobieren:

  1. Halten Sie sich die Nase zu oder verwenden Sie eine Nasenklemme.
  2. Stecken Sie einen dicken Trinkhalm in den Mund (etwa in der Größe, wie man sie zu vielen Softdrinks bekommt) und atmen Sie nur durch diesen Strohhalm.
  3. Probieren Sie jetzt aus, wie es sich anfühlt, eine Treppe hochzusteigen oder eine Runde durch den Garten zu gehen. Ganz schön anstrengend, oder?

Wut, Trauer, Hilflosigkeit … Emotionen nach der Diagnose

Die Diagnose einer chronischen Erkrankung ist ein schwerer Schlag und verändert vieles. Aufgrund dessen haben die meisten PatientInnen, gerade in der ersten Zeit nach der Diagnose, mit starken Gefühlen zu kämpfen, welche ihren Raum benötigen. Jede/r PatientIn verarbeitet die neue Situation anders, es gibt keine „Regel“, welche auf alle Menschen zutrifft.

Viele PatientInnen berichten unter anderem von diesen Gefühlen:

Angst und Sorgen

„Wie wird es weitergehen?“ „Welche Folgen hat die Erkrankung?“ Von diesen Ängsten sind auch Sie als Angehörige/r sicher nicht frei. Viele Betroffene berichten, dass sie sich vor allem nachts ängstlich oder furchtsam fühlen.

Ärger und Zorn

Wut auf das eigene Schicksal, auf den scheinbar unzuverlässigen Körper, auf die Gesamtsituation, … es gibt viele Gründe, zornig zu werden. Manchmal werden auch die Angehörigen zum „Blitzableiter“.

Frustration

Sich selbst zu beobachten und festzustellen, dass man immer weniger leisten kann ist sehr frustrierend. Wenn dann noch das Gefühl hinzukommt, nicht verstanden zu werden, ist dies schwer zu verkraften.

Schuldgefühle und Scham

Niemand ist gerne von anderen abhängig. Wir alle wollen stark und selbständig sein. Sollte dies nicht mehr zu schaffen sein, ist es oft mit Scham und dem Gefühl von Unzulänglichkeit verbunden.

Erleichterung

Manchmal ist es jedoch erleichternd, zu wissen, was los ist. Der Diagnose geht oft eine lange Odyssee von Arzt zu Arzt voraus. Endlich einen Namen für das Problem zu kennen und so gut wie möglich behandelt zu werden, kann sehr beruhigend sein. Immerhin wissen Sie nun, worauf Sie sich vorbereiten können.

Mit dem Gefühls-Wirrwarr umzugehen, in welches PatientInnen und Angehörige geraten können, ist manchmal schwer. Wie Sie es schaffen können, erfahren Sie in den weiteren Lektionen dieses Kurses.

Geprüft Dr.in med. Iris Herscovici: Stand Mai 2018

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Dieser Kurs ist Teil der Kursreihe „Leben mit Lungenhochdruck“

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Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.