Es kann vorkommen, dass bestimmte Schmerzmittel mit Ihren vorbestehenden Medikamenten gefährliche Wechselwirkungen zeigen können. Schmerzmittel und Krebstherapie – deshalb ist es sehr wichtig, dass Sie Ihre Schmerztherapeutin/Ihren Schmerztherapeuten zu Beginn einer Therapie genau informieren, welche Medikamente Sie momentan einnehmen und welche Vorerkrankungen Sie in Ihrem Leben hatten.
Priv.-Doz. Dr. Christopher Gonano, Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin, sowie Experte für Schmerzmedizin, beantwortet im Video "Schmerzmittel und Krebstherapie" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Können Schmerzmittel die Wirkung oder Nebenwirkungen meiner anderen Medikamente beeinflussen?
- Auf welche Wechselwirkungen von Schmerzmitteln mit anderen Medikamenten sollte ich als KrebspatientIn besonders achten?
- Können pflanzliche Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel eine Wechselwirkung mit Schmerzmedikamenten haben?
- Können die verschiedenen Schmerzmittel beliebig miteinander kombiniert werden?
- Kann ich zu einer verschriebenen Schmerztherapie bei Bedarf zusätzlich rezeptfreie Schmerzmittel nehmen?
- Tritt mit der Zeit eine Gewöhnung oder eine Wirkungsabnahme der Schmerzmittel ein?
- Machen Schmerzmittel abhängig?
- Auf den Punkt gebracht
Video Transkript
Können Schmerzmittel die Wirkung oder Nebenwirkungen meiner anderen Medikamente beeinflussen?
Viele meiner Patienten fragen mich oft besorgt, ob so eine große Anzahl an unterschiedlichen Medikamenten kein Problem darstellt. Ja, das kann durchaus Probleme bereiten, aber nach sorgfältiger Durchsicht werden die Medikamente wohl notwendig sein. Es gibt keine absolute Kontra-Indikation für das eine oder andere Medikament. Aber Ihr behandelndes Ärzteteam sollte tunlichst über sämtliche verordneten Medikamente Bescheid wissen, um Nebenwirkungen, aber auch Wechselwirkungen unterscheiden zu können.
Auf welche Wechselwirkungen von Schmerzmitteln mit anderen Medikamenten sollte ich als KrebspatientIn besonders achten?
Viele Medikamente können viele Nebenwirkungen machen. Die häufigsten Nebenwirkungen der Schmerzmedikamente neben Übelkeit und Verstopfung wären vor allem Müdigkeit und eine Herabsetzung der Reaktionsfähigkeit. Dies kann vor allem beim Autofahren zum Problem werden.
Aber keine Angst: Sobald Ihre Schmerzmedikation stabil eingestellt ist, können Sie wieder gefahrlos Autofahren.
Die Wechselwirkungen mit Ihrer Krebstherapie kann auch zu Nebenwirkungen führen, die aber im individuellen Intervall mit Ihrem Schmerztherapeuten zu besprechen ist.
Können pflanzliche Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel eine Wechselwirkung mit Schmerzmedikamenten haben?
Wir lernen jede Woche über das komplexe Thema von Wechselwirkungen zwischen Medikamenten. Aber auch der nicht unbedeutende Einfluss von Nahrungsergänzungsmitteln oder normalen Nahrungsmitteln wie z.B. vor allem Grapefruitsaft kann zu wesentlichen Wechselwirkungen führen.
Können die verschiedenen Schmerzmittel beliebig miteinander kombiniert werden?
Eine ausgewogene Schmerztherapie, gerade vor dem Hintergrund eines stattfindenden Krebstherapie, ist sehr komplex. Bitte, bitte vermeiden Sie, in Eigenregie Ihre Medikamente zu verändern, das Intervall zu verändern, die Dosis zu adaptieren oder gar ein Medikament durch das andere auszutauschen.
Kann ich zu einer verschriebenen Schmerztherapie bei Bedarf zusätzlich rezeptfreie Schmerzmittel nehmen?
Eine professionelle Schmerztherapie besteht aus einer breiten Basistherapie, die für Ihren Alltag durchaus ausreichend ist. Wichtig ist aber mir, für meine Schmerzpatienten eine zusätzliche Bedarfstherapie bereits fix verordnet zu haben. Meine Patienten wissen, wie oft, wie viel, wovon sie zusätzlich bei Schmerzspitzen wie zum Beispiel vermehrter körperlicher Aktivität, wie Einkaufen, Ausflüge zusätzlich einnehmen dürfen. Bedarfsmedikation in Eigenregie direkt aus der Apotheke lehne ich strikt ab.
Tritt mit der Zeit eine Gewöhnung oder eine Wirkungsabnahme der Schmerzmittel ein?
Manche meiner Patienten berichten, dass die gleiche Dosis zu immer weniger Schmerzfreiheit führt. Dieser Umstand ist uns bekannt. Diesen Umstand kennen wir als Schmerztherapeuten, und wir wissen, wie wir ihm begegnen.
Oft wird der Wirkstoffgruppe ausgetauscht, die Applikations-, die Verabreichungsform geändert. Sprechen Sie mit uns auch darüber, wenn Sie den Eindruck haben, dass eine fixe Therapie nicht mehr den gewünschten Erfolg zeigt.
Machen Schmerzmittel abhängig?
Eine der größten Sorgen meiner Patienten ist, ob sie von meinen Schmerzmedikamenten abhängig werden können. Die Frage ist mit einem klaren Jein zu beantworten. Natürlich können stark wirksame Schmerzmedikamente ein Abhängigkeitspotenzial auslösen. Sie brauchen jedoch diese Medikamente, um wieder zurück zu weitestgehender Lebensqualität zu finden. Ein erfahrener Schmerztherapeut wird Sie, sollten Sie diese Medikamente nicht mehr benötigen, auch bei der Reduktion selbiger tatkräftig unterstützen.
Auf den Punkt gebracht
Können Schmerzmittel die Krebstherapie beeinflussen
- Die Wirkung von Schmerztabletten ist komplex, daher sollten Sie nicht selbst Medikamente, Dosis oder Intervall verändern.
- SchmerztherapeutInnen können durch die Kombination einer Basistherapie mit Medikamenten bei erhöhtem Bedarf die für Sie passende Therapie zusammenstellen.
- Auch eine Therapie, die anfangs gut gewirkt hat, kann mit der Zeit nicht mehr passen – sprechen Sie mit Ihrem Behandlungsteam darüber.
Können Schmerzmittel die Krebstherapie beeinflussen?
Schmerzmedikamente können die Wirkung einer Krebstherapie sowohl steigern als auch verringern oder ihre Nebenwirkungen verstärken.
Beispielsweise können die Schmerzmittel Ibuprofen, Diclofenac und Metamizol bei einer Chemotherapie mit Methotrexat dessen Konzentration erhöhen und zu einer Verstärkung seiner Nebenwirkungen führen.
Besprechen Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt daher so genau wie möglich, welche Krebstherapie Sie im Augenblick oder in näherer Zukunft bekommen.
Wann darf ich bestimmte Medikamente nicht einnehmen?
Unter bestimmten Umständen verbietet sich die Einnahme gewisser Medikamente. Das nennt man eine Kontraindikation. Die unterschiedlichen Schmerzmedikamente, wie zum Beispiel die Nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), werden in der Lektion "Wirkstoffe zur Schmerzbekämpfung" genauer erklärt.
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Herz/Kreislauf
Wenn Sie älter als 60 Jahre sind, an Bluthochdruck oder einer koronaren Herzerkrankung leiden, schon einmal einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine Lungenembolie hatten, sollten Sie keine NSAR einnehmen.
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Magen-Darm
Wenn Sie anfällig für Entzündungen, Blutungen oder Geschwüre im Magen-Darm-Bereich sind, dürfen Sie keine NSAR einnehmen. Diese Medikamente können die Schleimhaut schädigen und Blutungen oder Geschwürbildung verursachen.
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Lunge
Wenn bei Ihnen nach der Einnahme von NSAR, Paracetamol oder Metamizol einmal allergische Symptome wie Nesselsucht, Bronchospasmus (Zusammenziehen der Luftwege) oder Asthma aufgetreten sind, dürfen Sie diese Medikamente nicht nehmen.
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Leber
Sollte bei Ihnen eine Leberfunktionsstörung vorliegen, dürfen Sie keine NSAR und kein Paracetamol einnehmen. Sie belasten die Leber zusätzlich und können Leberschäden verursachen.
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Schwangerschaft und Stillzeit
Nicht einnehmen dürfen Sie in Schwangerschaft und Stillzeit NSAR (Acetylsalicylsäure, Diclofenac oder Ibuprofen) sowie Metamizol. Vorsicht geboten ist bei Paracetamol sowie bei Opioiden; eine längerfristige Einnahme sollte nicht erfolgen.
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Niere
Sollte bei Ihnen eine Nierenfunktionsstörung vorliegen, dürfen Sie keine NSAR und kein Paracetamol einnehmen. Sie belasten die Organe zusätzlich und können die nierenschädigend wirken.
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Blut/Knochenmark
Bei Blutungsneigung dürfen Sie keine NSAR einnahmen. Diese Medikamente verzögern die Blutgerinnung. Bei Störungen der Knochenmarksfunktion oder der Blutbildung dürfen Sie kein Metamizol einnehmen. Es kann eine zusätzliche Verschlechterung der Blutbildung verursachen.
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Opioide
Für einzelne Opioide bestehen bestimmte Kontraindikationen, über die Ihre Schmerztherapeutin/Ihr Schmerztherapeut Sie informiert.
HINWEIS: Diese Auflistung umfasst nur die wichtigsten Kontraindikationen und ist nicht vollständig. Sprechen Sie ausführlich mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt über bestehende Vorerkrankungen und die Therapien.
Medikamentenwechselwirkungen
Es kommt vor, dass sich verschiedene Medikamente in ihren Wirkungen wechselseitig beeinflussen. Informieren Sie Ihre Ärztin/Ihren Arzt unbedingt darüber, welche Medikamente Sie regelmäßig einnehmen.
Medikamentenliste
Das Führen einer Medikamentenliste ist aus mehreren Gründen hilfreich. Sie behalten einen Überblick über die eigenen Medikamente. Sie können Ihre ÄrztInnen umfassend informieren. In einem Notfall können auch fremde ÄrztInnen ersehen, welche Medikamente Sie einnehmen. Wir haben eine Medikamentenliste zum Ausdrucken und Ausfüllen für Sie vorbereitet. Sie können das PDF hier downloaden.
Praktische Tipps
- Denken Sie daran, sich vor Wochenenden oder Urlauben früh genug Rezepte bzw. Medikamente zu besorgen.
- Bei Reisen ins Ausland benötigen Sie bei einer Therapie mit stark wirksamen Opioiden einen Opioid-Ausweis, den Ihnen Ihre Ärztin/Ihr Arzt ausstellt.
- Vor allem in der Einstellungsphase (erste 4 Wochen) einer Opioid-Therapie sollten Sie aufs Autofahren verzichten. Unter schwach wirksamen Opioiden ist Autofahren in der Folge meist kein Problem. Bei starken Opioiden sollten Sie erst wieder Auto fahren, wenn die Dosis stabil ist.
- Während einer Opioid-Therapie sollten Sie übermäßigen Alkoholkonsum vermeiden.
Wussten Sie schon
Bei oraler Medikamenteneinnahme sollten Sie auf den Konsum von Grapefruit verzichten. Darin enthaltene Stoffe können die Wirkstoffaufnahme im Darm erhöhen und zu Überdosierung führen. Da diese Wechselwirkung auch Schmerzmittel und Krebstherapien betrifft, sollten Sie Grapefruit generell ganz meiden.
Geprüft Priv.-Doz. Dr. Christopher Gonano: Stand November 2019