Rituale helfen uns dabei, schwere Zeiten des Wandels und der Veränderung leichter auszuhalten.
Dabei sind wir alle geübt in unseren täglichen Ritualen, derer wir uns oft nicht bewusst sind. Ein Ritual ist ein Moment, der unseren Alltag strukturiert und uns einen Halt bietet. Ein Ritual stärkt aber auch das “Wir”-Gefühl einer Familie. Sie erleichtern das Zusammenleben und unterstützen Emotionen, für die nicht immer Worte gefunden werden müssen.
Bewusst eingesetzte Rituale, sind eine Wohltat für die Seele. Sie schenken uns Ruhe, Geborgenheit und Stabilität in einem Alltag, der oft das äußerste von uns an Krebs erkrankten Müttern abverlangt. Rituale zeichnen sich dadurch aus, dass sie regelmäßig wiederholt werden und entwickeln ihre individuellen Kraftmomente. Sie helfen uns dabei, mutig in uns hineinzufühlen und uns mit einer schwierigen Lebenssituation auseinanderzusetzen und schneller zu verarbeiten.
Familien- oder auch Bindungsrituale
Der Alltag meiner kleinen Familie ist tief von Ritualen geprägt, ganz besonders der meines autistischen Sohnes und bietet ihm Halt und Stabilität. Während der Zeit meiner Erkrankung, entwickelten sich neue Rituale in unserer Mutter-Sohn-Beziehung und schenkten uns auf ihre Art ein Stück Beständigkeit und Kraftanker, während einer äußerst turbulenten Zeit.
Rituale können je nach Beziehung zwischen Mutter und Kind, natürlich sehr individuell aussehen.
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Erklären
Meinem Sohn half es zum Beispiel sehr, abends zusammen mit mir gemütlich auf unserem Sofa zu kuscheln, meinen Port genauestens zu inspizieren und sich immer wieder auf kindgerechte Art erklären zu lassen, wozu dieser denn gut ist.
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Zuneigung zeigen
Abends, wenn ich ihn zu Bett brachte, streichelte er meine Glatze und gab ihr einen Gute-Nacht-Kuss und versicherte mir, wie schön ich sei.
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Feiern
Jede bestandene Chemotherapie feierten wir mit einem kleinen Fest und gönnten uns einen Besuch in unserem Lieblingslokal, sobald es mir gesundheitlich wieder möglich war.
Tagebuch schreiben
Ein wunderbares und reinigendes Ritual, liegt dem Tagebuch schreiben inne. Durch das Schreiben können wir traumatische Ereignisse besser verarbeiten. In Studien wurde sogar bewiesen, dass wir unser Immunsystem durch diese Art der Selbstreflexion unterstützen können.
Platz für Leichtes und Schweres
Das Reflektieren half mir dabei, Stresssituationen abzubauen und Gedanken anzusprechen, denen sich viele aus meinem Umfeld nicht gewachsen fühlten. Mein Tagebuch entwickelte sich im Laufe der Monate zu einem Seelenreiniger und Freund, in dem sowohl Leichtes und Schweres ihren Platz fanden. Im Niederschreiben meiner Empfindungen und Erlebnisse konnte ich absolut ehrlich sein, ohne auf Gefühle anderer Rücksicht nehmen zu müssen.
Erinnerung an schöne Momente
Und wenn man mit etwas Abstand in seinem alten Weggefährten zurückblättert, entdeckt man trotz vieler schwerer Momente, wunderbare Kleinode der Erinnerungen, die einem ein Lächeln schenken und zeigen, was man alles großartiges geleistet hat und dass das Leben im ganzen betrachtet, mehr Gutes bereithält, als man im Nachhinein vielleicht sieht.
Glücksmomente sammeln
Wir alle streben nach den glücklichen Augenblicken des Lebens und doch verlieren wir sie leicht aus unserem Gedächtnis, weil sie trotz ihrer Intensität flüchtig und fragil erscheinen, gerade in besonders schwierigen Lebenssituationen, die uns zu überrollen drohen.
Aber wie wäre es, wenn du und deine Familie, die glücklichen Momente eures Lebens auf bunten Zetteln festhaltet, diese in einem schönen Glas oder einer Familienschatzkiste zusammen mit Bildern, Konzertkarten und Erinnerungsstücken sammelt und am Ende eines Jahres, eure Glücksmomente hervorholt und wiederaufleben lasst?
Allein dieses Erlebnis, wird für euch bereits die Basis für ein neues Glas voller Glücksmomente bilden!
Achtsamkeit
Das zur Ruhe finden am Ende eines Tages, kann ein beruhigendes Ritual sein und uns dabei helfen, einen schwierigen Tag leichter loszulassen und unser Gedankenkarussell mit Achtsamkeit zum Stillstand zu bringen. Vielleicht in Gesellschaft einer Tasse Tee bei sanftem Kerzenschein oder einem entspannenden Bad, welches aufgewühlte Sinne beruhigt. Wenn es uns dabei gelingt, auch schwierigen Tagen noch etwas Gutes abzugewinnen, haben wir einen wichtigen Schlüssel der Resilienz in uns gefunden, die sich erlernen lässt. Dabei kann uns das Ritual der Achtsamkeit unterstützen.
Tägliche Rituale
Eine auf Facebook bloggende Freundin, beeindruckte ihre LeserInnen und mich nachhaltig mit einem ihrer täglichen Rituale. Nahezu jeder ihrer Einträge, endete mit ihrer Achtsamkeitsübung 4 mal Schönes und ließ uns auf diesem Weg an ihren Erfahrungen teilhaben.
Das konnte sein:
- Ein Spaziergang am Meer
- Das vertraute Kuscheln mit ihren Hunden
- Ein geschenktes Lächeln
- Die Geborgenheit ihres Zuhauses
- oder eine Mutmachkarte, die sie von FreundInnen erhielt
Diese kleine Achtsamkeitsübung ist leicht in den Tagesablauf zu integrieren. Ich freue mich, wenn du diese für dich ausprobieren möchtest und ihrer beruhigenden Wirkung Raum schenkst.
Visualisiere deine Wünsche
Während meiner Therapiezeit, gab es manche dunkle Stunde, die mir viel Kraft und Mut abverlangten. Um diesen etwas entgegenzusetzen, begann ich mir gedanklich vorzustellen, was ich mir Gutes tun wollte mit Beendigung der großen Therapieblöcke. Um meinen Wünschen mehr Gewicht zu verleihen, begann ich diese auf einem Poster schriftlich und mit Bildern zu visualisieren und pinnte diese bunte Collage an meinen Kühlschrank. So hatte ich meine Wünsche jederzeit vor Augen und wann immer ich an ihnen vorüberging, schenkten sie mir Hoffnung und Vorfreude, auf mein “Danach”.
Die meisten meiner damaligen Wünsche, erfüllten sich in der einen oder anderen Form. Manch einer entwickelte sich weiter und ermöglichte mir ungeahnte Entfaltungsmöglichkeiten. Aber vor allem schenkten mir meine visualisierten Wünsche Mut und Hoffnung, als ich sie dringend brauchte!
Wunschpunkte
- Gesund werden & bleiben
- Mamasein genießen
- Reisen unternehmen
- Konzerte, Theater, Musicals
- Ein neuer und erfüllender Job
- Zeit für mich!!!
- Glücklich sein …
- Ja, zum Leben – Nein, zu Energievampiren
- Leichtigkeit im Leben
- Glück verschenken
- Einen Belohnungsring
- Öfter Urlaub machen
- Zur Ruhe kommen
Im Laufe deiner Behandlungen wirst du herausfinden, welche Rituale dir und deiner Familie Kraft und Mut schenken. Manche Rituale wirst du gemeinsam mit deinen Herzmenschen entwickeln, andere wirst du für dich alleine zelebrieren wollen. Und das ist auch gut so…
Wenn ein Ritual dir dabei hilft, dich im Hier und Jetzt zu verankern, dann nutze es. Vielleicht wird es ein Abendspaziergang oder deine Zeit der täglichen Meditation sein oder die Art, wie du deine Tasche für eine weitere Chemotherapie oder anstehenden Klinikbesuch packen möchtest.
Ganz gleich wie:
Ich wünsche dir wertvolle Momente, dank der Kraft der Rituale!
Geprüft Nicole Kultau: aktualisiert März 2022