Die gelenkzerstörenden Prozesse der rheumatoiden Arthritis können durch eine zu starke Beanspruchung der Gelenke zusätzlich verstärkt und beschleunigt werden. Deshalb ist es ratsam, die beweglichen Knochenverbindungen im Alltag, im Berufsleben und auch in der Freizeit besonders zu schützen.
Neben technischen Hilfen wie Orthesen, Funktions- und Lagerungsschienen spielt in diesem Zusammenhang auch das Vermeiden übermäßiger Belastungen und falscher Bewegungen eine Rolle.
Cornelia Kolar, Diplomierte Ergotherapeutin, beantwortet im Video "Gelenkschutz im Alltag" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Was ist eine physiologische Achse und warum ist sie bei Rheuma wichtig?
- Wie kann ich im Alltag meine Gelenke schützen?
- Wie und wo kann ich Gelenkschutz erlernen?
- Machen Schienen als Prophylaxe, bevor Gelenkschäden überhaupt entstehen, Sinn?
- Wie helfen Schienen?
- Welche kühlenden Anwendungen können bei schmerzenden Gelenken helfen?
- Anleitung: Handlinsenbad
- Anleitung: Topfenwickel
- Welche Wärmeanwendungen können bei schmerzenden Gelenken helfen?
- Wie kann ich daheim die Durchblutung und Sensibilität meiner Finger fördern?
- Wie kann ich daheim mit einfachen Mitteln meine Finger- und Handmuskulatur trainieren?
- Auf den Punkt gebracht
Video Transkript
Was ist eine physiologische Achse und warum ist sie bei Rheuma wichtig?
Eine physiologische Achse ist die Einstellung des Gelenkes, so dass beispielsweise beim Handgelenk das Grundgelenk vom Mittelfinger, die Mitte des Handgelenks und Mitte des Unterarms in einer Verlängerungslinie gelagert sind. Dadurch ist die Kraft-, Zug- und Druckbelastung im Gelenk optimal verteilt. So kann vermieden werden, dass Abnützungen weiter fortschreiten können oder gar entstehen.
Wie kann ich im Alltag meine Gelenke schützen?
Für einen gelenkschonenden Umgang ist wichtig, dass die Gelenke geschützt sind. Das bedeutet, dass man Hilfsmittel verwenden kann und die Gelenke damit entlastet. So helfen z.B. Handschienen dabei, die Kraft-, Druck- und Zugbelastung zu verringern. Wichtig ist auch, dass man Gewicht auf beide Hände aufteilt, größere Gelenke belastet, rollt und schiebt oder zieht, anstatt dass man etwas trägt. Außerdem sollte man immer wieder regelmäßige Pausen einlegen.
Wie und wo kann ich Gelenkschutz erlernen?
Am besten ist, Sie gehen zu einer Ergotherapeutin und machen sich einen Termin aus, um gelenkschonende Maßnahmen zu erlernen, die speziell auf Ihre Gelenke zugeschnitten sind. Auch Physiotherapeuten bieten Ihnen Möglichkeiten, wie man zum Beispiel die Beine entlasten kann, die Arme entlasten kann und die Wirbelsäule. Der Ergotherapeut kann Ihnen darauf zugeschnitten auch zeigen, welche Hilfsmittel es gibt, die Sie im Alltag einsetzen können.
Machen Schienen als Prophylaxe, bevor Gelenkschäden überhaupt entstehen, Sinn?
Schienen sind dann sinnvoll, wenn Sie schon Schmerzen haben. Schauen Sie, welche Gelenke betroffen sind. Wenden Sie sich an einen Ergotherapeuten, der eigens auf Ihre Beschwerden Schienen anfertigen kann. Dabei unterscheidet man Funktionsschienen, die man untertags trägt, oder Nachtlagerungsschienen, um die Gelenke prophylaktisch schon zu entlasten.
Im Schub ist es dann sinnvoll, wenn die Gelenke bereits entzündet sind, damit sie nicht weiter abrutschen können oder subluxieren, also teilweise ausrenken können.
Wie helfen Schienen?
Schienen helfen, indem sie das Gelenk unterstützen.
Beispielsweise kann mit Tagschienen das Handgelenk so geschient werden, dass es in der physiologischen Achse gelagert ist. Dadurch kann man normal damit greifen, erfährt aber keine Bewegungseinschränkung.
Anders sind zum Beispiel kleinere Schienen, die man nur für den Daumen anfertigen kann. Dies ermöglicht meist eine bessere Handkraft, weil man besser zupacken kann und das Gelenk entlastet ist.
Oder aber man kann kleine Fingerschienen verwenden, die man im Alltag zwischendurch trägt, um auch die kleinen Fingergelenke zu entlasten.
Welche kühlenden Anwendungen können bei schmerzenden Gelenken helfen?
Wenn Schmerzen in den Gelenken auftreten und Sie eine Kälteanwendung brauchen, würde ich Ihnen empfehlen, Coolpacks aus dem Kühlschrank zu nehmen, die nicht gefroren sind.
Sie können sich auch ein Handlinsenbad herzurichten. Dazu nehmen Sie trockene Linsen, in etwa drei Kilogramm. Füllen Sie diese in eine leichte Plastikwanne ein und stellen Sie die Wanne mit den Linsen in den Kühlschrank.
Oder Sie machen ganz klassische Topfenwickel. Dazu nehmen Sie ein Geschirrtuch, legen Frischhaltefolie auf, geben den Topfen auf die Gelenke und packen diese dann ein. Die Anwendung sollte immer 20 bis 25 Minuten dauern und kann mehrmals täglich durchgeführt werden.
Anleitung: Handlinsenbad
Sie benötigen:
- 2-3 Kilogramm trockene Linsen (alternativ auch Raps)
- eine leichte, große Schüssel
Zur Vorbereitung die Linsen etwa eine Stunde im Kühlschrank kühlen.
3-5 mal täglich durchführen
Bei dem Handlinsenbad benötigen Sie zirka drei Kilo getrocknete Linsen. Füllen Sie die Linsen in eine leichte Plastikschüssel hinein. Sie sollte groß genug sein, damit Sie mit beiden Händen darin abtauchen können. Vor der Anwendung stellen Sie das Handlinsenbad in etwa eine Stunde in den Kühlschrank, damit die Linsen gut kühl sind. Sie können unterschiedliche Gegenstände drinnen verstecken, die Sie heraussuchen können. Sie können Ihre gelernten Fingerübungen durchführen oder einfach abtauchen oder die Linsen rieseln lassen. Bei akuten Schüben empfiehlt es sich, diese Anwendungen drei bis fünf Mal täglich durchzuführen.
Anleitung: Topfenwickel
Sie benötigen:
- Topfen
- Frischhaltefolie
- Schere (z.B. Federschere)
- Tuch (z.B. ein herkömmliches Geschirrtuch)
Für etwa 25 Minuten anwenden
Tipp: Stellen Sie schon im Vorhinein eine Schüssel mit Wasser oder ein zweites Tuch bereit, um nach dem Auftragen die zweite Hand reinigen zu können.
Um einen Topfen zu öffnen, können Sie als Hilfsmittel einen Nahtauftrenner verwenden, um die Lasche zu öffnen. Wichtig ist bei den Topfenwickeln, dass der Tropfen kühl ist, wenn Ihre Gelenke entzündet sind und Sie einen Topfenwickel brauchen, um die Schmerzen zu reduzieren.
Am besten bereiten Sie sich eine Frischhaltefolie vor. Schneiden Sie diese mit einer Federschere ab. Legen Sie sich ein Geschirrtuch unter. Die Frischhaltefolie kommt darüber. Legen Sie dann die betroffenen Gelenke auf die Frischhaltefolie und packen Sie sie mit Topfen ein. Am besten schmieren Sie den Topfen großflächig auf die betroffenen Gelenke. Wickeln Sie die Hand wieder ein in die Frischhaltefolie. Geben Sie das Tuch drum herum. Lassen Sie den Topfenwickel in etwa 25 Minuten einwirken, bis Sie einen kühlenden Effekt nicht mehr merken.
Welche Wärmeanwendungen können bei schmerzenden Gelenken helfen?
Sie können einerseits das Linsenhandbad im Backrohr wärmen. Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht am Geschirr verbrennen. Dies können Sie drei bis fünf Mal täglich für jeweils etwa 15 bis 20 Minuten anwenden. Achten Sie darauf, dass die Gelenke danach auch entspannt sind.
Eine andere Anwendung wäre das Paraffinhandbad. Es gibt Paraffinhandbäder bereits zu kaufen. Da ist die Temperatur vorab eingestellt. Legen Sie das Paraffin in die Wanne und stecken Sie das Gerät an. Je nach Gerät dauert die Schmelzdauer in etwa drei bis fünf Stunden. Wenn das Paraffin dünnflüssig ist, tauchen Sie mit der Hand ab. Tun Sie dies ein bis drei Mal, so dass das Paraffin einen leichten Film hinterlässt. Um die Wärme besser speichern zu können, packen Sie Ihre Hand entweder in einen kleinen Plastiksack ein oder in eine Frischhaltefolie. Zusätzlich umwickeln Sie Ihre Hand mit einem Handtuch oder Geschirrtuch, um die Wärme besser abspeichern zu können.
Empfehlenswert ist eine Einwirkdauer von 25 bis 30 Minuten. Bei Bedarf können Sie aber auch gerne länger die Wärme genießen.
Welche Wärmeanwendungen können bei schmerzenden Gelenken helfen?
Zur Sensibilitäts- und Durchblutungsförderung können Sie unterschiedliche Hilfsmittel verwenden. So können Sie beispielsweise mit Igelbällen, die weich sind, die Arme oder Beine abrollen. Hierbei haben Sie eine leichte durchblutungsfördernde Wirkung.
Man kann beispielsweise leichte Qigong Kugeln nehmen, diese in der Hand bewegen, unterschiedliche Fingerübungen durchführen. Auf diese Weise können Sie das Quergewölbe und das Längsgewölbe kräftigen, die Feinmotorik trainieren und die Durchblutung fördern.
Man kann unterschiedliche Bürsten verwenden, beispielsweise einen Küchenschwamm. Mit der rauen Seite können Sie die Oberflächensensibilität stimulieren oder auch mit der weicheren Seite. Empfehlenswert sind auch Babybürsten. Fingermassageringe kann man einzeln über die Finger drüber stülpen und hinauf und hinunter rollen. Mit ganz normalen Schuhbürsten können Sie ebenfalls die Arme oder Beine ausmassieren.
Wie kann ich daheim mit einfachen Mitteln meine Finger- und Handmuskulatur trainieren?
Am einfachsten ist es, wenn Sie Alltagsgegenstände zur Hand nehmen, die Sie einsammeln können. Das können zum Beispiel kleine Holzstücke sein. Versuchen Sie, möglichst viele Steine aufzusammeln, ohne dass sie aus der Hand fallen, und einzeln abzulegen. Dies können Sie auch mit Kaffeebohnen machen, Münzen oder anderen Gegenständen. Hierbei trainieren Sie die Innenhandmuskulatur und auch die Feinmotorik. Sie könnten auch Stecknadeln zu Hilfe nehmen, um den Spitzgriff zu üben. Hierbei empfiehlt es sich, mit jedem einzelnen Fingerpaar die Stecknadeln herauszuziehen und woanders hineinzusetzen. Eine andere Version wäre, einen Gummiringball zu verwenden, wo Sie einzeln die Gummiringe abziehen können und ebenfalls die Feinmotorik und Ihre Handmuskulatur trainieren können.
Geeignet sind auch Luftballons, die Sie mit Mehl oder Linsen füllen können. Dabei empfiehlt es sich, einen Trichter in einen Luftballon hinein zu stecken, diesen mit Mehl zu befüllen und zu verknoten. Hier können Sie sanft ihre Handinnenmuskeln trainieren und kneten.
Auch Katzen- und Hundespielzeug, das wenig Widerstand aufweist, können Sie verwenden, um Ihre Handinnenmuskulatur zu trainieren.
Auf den Punkt gebracht
- Bei all Ihren Tätigkeiten sollten Sie allgemeine Gelenkschutzprinzipien beachten.
- Bei Schmerzen können Wärme- oder Kälteanwendungen mildernd wirken. Probieren Sie selbst, was bei Ihnen besser hilft.
Was ist Gelenkschutz und wie wird er erreicht?
Der Begriff Gelenkschutz steht für sämtliche Maßnahmen, die Ihre Gelenke vor zu großer Beanspruchung, Über- oder Fehlbelastung schützen sollen. Es geht also um Maßnahmen gegen mechanische Kräfte, aus denen Fehlstellungen und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen und Schmerzen resultieren können.
Erreicht wird Gelenkschutz durch einen belastungsarmen Gebrauch Ihrer Gelenke, gelenk-entlastende Arbeitsweisen bei zahlreichen Tätigkeiten und den gezielten Einsatz nützlicher Alltagshilfen. Hierzu gehört es auch, die eigenen Grenzen zu akzeptieren und nicht dauerhaft mit Gewalt darüber hinauszugehen.
Achtung: Verwechseln Sie Gelenkschutz nicht mit Nichtstun. Bewegung ist bei Rheuma essentiell, da sie Ihre Gelenke, Bänder und Muskeln stärkt und die Beweglichkeit erhält.
Warum ist Gelenkschutz so wichtig?
Die ständige Belastung, insbesondere die Fehl- oder Überbelastung der Gelenke führt im Laufe der Zeit zu Abnutzungserscheinungen. Was schon für gesunde Gelenke eine Gefahr darstellt, gilt umso mehr für Menschen mit rheumatoider Arthritis. Indem Sie auf Ihren Gelenkschutz achten, können Sie nicht nur die Folgeerscheinungen Ihrer Erkrankung hinauszögern. Eine möglichst geringe Belastung der Gelenke kann Ihnen auch helfen, Schmerzen zu vermeiden.
Wie lässt sich der Alltag gelenkschonend gestalten?
Folgende Tipps können helfen, das Fortschreiten der rheumatischen Erkrankung zu minimieren und die Funktion Ihrer Gelenke zu erhalten:
1. Planen Sie Ihre alltäglichen Aufgaben
Teilen Sie Ihre Alltagsaufgaben in leichte, mittlere und anstrengende Tätigkeiten ein und verteilen Sie gelenkbelastende Arbeiten so auf den Tag und die Woche, dass Sie genügend Erholungs- und Entspannungsphasen haben. Putzen Sie beispielsweise nicht alle Ihre Fenster oder das ganze Auto an einem einzigen Tag, sondern nehmen Sie sich für jeden Tag einen Teil davon vor.
2. Bringen Sie Abwechslung in den Tagesablauf
Gestalten Sie Ihre Arbeit abwechslungsreich, anstatt über lange Zeit in derselben Position zu verbleiben oder fortwährend gleiche Bewegungen auszuführen. Durch unterschiedliche Bewegungsabläufe und wechselnde Sitzpositionen werden immer wieder andere Strukturen und Gelenke eingesetzt und die Belastung gleichmäßiger verteilt.
3. Denken Sie an Ihre Körperhaltung
Verdrehungen in Kombination mit Kraft-, Druck- und Widerstandshandlungen belasten Ihre Gelenke besonders stark. Achten Sie deshalb bei allen Tätigkeiten auf eine gerade Körperachse und gute Körperspannung.
4. Minimieren Sie den Kraftaufwand
Benutzen Sie Hilfsmittel wie Schraubdeckelöffner und andere Geräte mit Hebelwirkung, um Ihre Kräfte zu vervielfachen und Ihre Gelenke zu entlasten. Tragen Sie nichts, was sich schieben oder rollen lässt und gehen Sie lieber zweimal, anstatt große Gewichte auf einmal zu tragen.
5. Arbeiten Sie beidhändig
Indem Sie mit beiden Händen zugreifen, verteilen Sie die Belastung besser und schonen vor allem die empfindlichen kleinen Gelenke.
6. Verteilen Sie den Druck
Vergrößern Sie die Greiffläche von Gegenständen, um den Druck besser auf Ihre Gelenke zu verteilen. Nutzen Sie Griffverdickungen, um Zahnbürsten, Besteck und ähnliche Dinge leichter greifen zu können.
Wussten Sie schon
Für Sie als RheumapatientIn ist es wichtig, Ihre Grenzen zu kennen und auf einen ausreichenden Gelenkschutz zu achten. Das gilt auch, wenn Sie noch keine Gelenkveränderungen wahrnehmen oder kaum Schmerzen spüren.
Geprüft Cornelia Kolar: aktualisiert März 2022 | PP-BA-AT-0234 Oktober 2018