Eine Angina pectoris tritt nicht andauernd durch Beschwerden in Erscheinung. Dadurch ist es für Angehörige schwer, das richtige Maß an Unterstützung für die Betroffenen zu finden. In dieser Lektion lernen Sie, um was für eine Krankheit es sich genau handelt, wie sie sich auf die PatientInnen auswirkt und wie Sie die Erkrankte/den Erkrankten im Alltag entlasten können.
Mag. Dr. Josef Aichinger, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie, beantwortet im Video "Auswirkungen der Angina pectoris" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Was sollten Nahestehende von Menschen mit Angina pectoris über die Erkrankung wissen?
- Welche Aspekte der Angina pectoris sind für Betroffene besonders belastend?
- Mit welchen Einschränkungen ist mein/e Angehörige/r konfrontiert?
- Welche Art von Unterstützung brauchen Menschen mit Angina pectoris im Alltag?
- Was sind die Gefahren einer Angina pectoris?
- Welche Auswirkungen kann Angina pectoris auf das Leben naher Angehöriger haben?
- Sollte ich dabei helfen, dass mein/e Angehörige/r sich schont oder mehr von ihr/ihm fordern?
- Welche Arbeiten sollte ich meiner/meinem Angehörigen unbedingt abnehmen?
- Auf den Punkt gebracht
Video Transkript
Was sollten Nahestehende von Menschen mit Angina pectoris über die Erkrankung wissen?
Wenn Sie Angehörige mit Angina pectoris haben, sollten Sie wissen, welche Erkrankung hinter der Angina pectoris steht.
Angina pectoris selber bezeichnet nur ein Symptom und ist am besten zu übersetzen mit „Enge in der Brust“. Das beschreibt viel deutlicher, was der Patient erlebt im Angina-pectoris-Anfall, als unsere übliche deutsche Bezeichnung „Brustschmerz“ oder „Brennen hinter der Brust“.
Das Symptom selber ist in aller Regel ein Engegefühl in der Brust und wird verursacht durch die sogenannte koronare Herzerkrankung. Das heißt: Es ist eine Erkrankung der Herzkranzarterien, die durch Verkalkung und Einlagerung von Cholesterin die Kranzarterien einengt, damit die Sauerstoffversorgung des Herzens reduziert. Und das führt schlussendlich zur Angina pectoris, den Schmerz, oder das Engegefühl oder brennendes Gefühl hinter dem Brustbein, ausstrahlend in den Unterkiefer, manchmal in den Oberbauch, sehr selten aber auch, immer wieder auch in beide Arme, bevorzugt allerdings in den linken Arm.
Welche Aspekte der Angina pectoris sind für Betroffene besonders belastend?
Ihre Angehörigen haben im Falle von Angina pectoris oder koronarer Herzerkrankung unterschiedliche Stufen von Einschränkungen. Wir teilen ein in:
- Angina pectoris mit relativ niedrigem Risiko
- Angina pectoris mit mittlerem Risiko und
- Angina pectoris mit hohem Risiko.
Patienten mit niedrigem Risiko sind im Wesentlichen nicht eingeschränkt. Sie haben in Alltagsbelastungen so gut wie keine Einschränkungen. Sie haben lediglich bei höherer körperlicher Anstrengung dieses Angina-pectoris-Gefühl, wie ich es beschrieben habe, mit Enge oder Schmerzen der Brust.
Patienten mit mittlerem Risiko haben schon bei Alltagsbelastungen unter Umständen dieses Gefühl der Enge in der Brust. Sie sind bei niedrigerer Belastungsstufe schon limitiert und spüren dabei den Schmerz, der sie in ihrer Alltagsbelastung limitiert.
Wichtig für Sie ist zu wissen, dass Patienten mit Hochrisiko-Angina-pectoris durchaus höhergradige Einschränkung haben. Sie spüren diese Symptome bereits bei leichtester Belastung, unter Umständen auch schon aus der Ruhe heraus, und es kann sein, dass dies ein Warnsymptom eines drohenden oder beginnenden Infarktes ist.
Mit welchen Einschränkungen ist mein/e Angehörige/r konfrontiert?
Die Angina pectoris, wie ich bereits erwähnt habe, wird verursacht durch die koronare Herzerkrankung, das heißt durch Einengung der Herzkranz-Arterien, die zu einer Sauerstoffmangelversorgung des Herzens führen. Daher ist ein Angina-pectoris-Patient immer auch geplagt durch Ängste bis hin zu Todesangst, denn der Schmerz oder die Enge in der Brust kann durchaus auch andeuten, dass ein Herzinfarkt bevorsteht oder eine schwere Rhythmusstörung, die per se auch im schlimmsten Falle zum plötzlichen Herztod führen kann.
Außerdem kann der Angina-pectoris-Anfall durch die Minderversorgung des Herzens mit Sauerstoff dazu führen, dass es zu einer Pumpschwäche des Herzens kommt, die sich für den Patienten dann in akuter Luftnot äußert.
Für beides, wenn der Patient eine Rhythmusstörungen hat bzw. schwerste Luftnot hat, sollten Sie als Angehörige wissen, dass es da Zeit ist, einen Arzt zu rufen.
Welche Art von Unterstützung brauchen Menschen mit Angina pectoris im Alltag?
Wenn Sie einen nahen Angehörigen oder einen Partner mit Angina pectoris haben, kann der Angina-pectoris-Anfall für den Patienten Ängste hervorrufen. Daher ist es sehr wichtig, dass Sie nach Möglichkeit eine stressfreie, ruhige Atmosphäre schaffen. Damit werden Sie die Anfallshäufigkeit für Ihren Angehörigen deutlich reduzieren können.
Insbesondere wenn er in Angina-pectoris-Stadien mit höherem Risiko ist, kann er außerdem vermutlich eine Reihe von Alltagsarbeit nicht erledigen, die Sie ihm mit großer Wahrscheinlichkeit abnehmen müssen, wie etwa das Tragen schwerer Lasten und anderes mehr.
Es mag auch sein, dass Sie gefordert sind, dass im Falle eines akuten Angina-pectoris-Anfall, der sich selber nicht löst, auch Sie für den Patienten das Herbeirufen des Arztes oder des medizinischen Personals für Sie organisieren müssen. Aus diesem Grund sollten Sie alle diese Dinge zuvor mit Ihrem Partner, Ihrem Freund, Ihrem Angehörigen, der an Angina pectoris erkrankt ist, abgesprochen haben.
Was sind die Gefahren einer Angina pectoris?
Die Angina pectoris hat vor allem drei Gefahren, die Sie unbedingt genau wissen müssen:
- Das eine ist dies: Wenn ein Angina-pectoris-Anfall aus der Ruhe heraus oder bei primärer Stabilität sich akut verschlechtert hat, kann der Angina-pectoris-Anfall in diesem akuten Fall auch anzeigen, dass der Patient unmittelbar vor einem akuten Herzinfarkt steht. Der akute Herzinfarkt kann sehr rasch auch tödlich ausgehen. Daher müssen Sie genau einschätzen können, ob dieser Anfall jetzt wirklich eine dramatische Situation andeutet oder nicht.
- Zweitens ist ein akuter Angina-pectoris-Anfall immer auch im gewissen Maße verknüpft mit einem Risiko einer Rhythmusstörung aus der Herzkammer. Herzkammerrhythmusstörungen können im schlimmsten Fall degenerieren zu Kammerflimmern. Und diese Situation ist natürlich für den Patienten in hohem Ausmaße lebensbedrohlich, wenn Sie nicht rasch genug einschreiten.
- Und weiters: Wenn der akute Angina-pectoris-Anfall länger anhält und wenn von vorneherein eine eingeschränkte Pumpfunktion des Herzens besteht, kann der Angina-pectoris-Anfall auch zu einer akuten Pumpschwäche des Herzens führen mit akuter Luftnot bis hin zum Lungenödem. Und auch dies ist unbedingt eine dringliche Situation, die nach einem Arzt oder nach einem Krankenhausaufenthalt ruft.
Welche Auswirkungen kann Angina pectoris auf das Leben naher Angehöriger haben?
Die Angina pectoris Ihres Angehörigen oder Ihres Partners hat natürlich Auswirkungen auf Ihr eigenes Leben. Sie werden praktisch Komplize der Angst für den Patienten. Wie ich schon erklärt habe, kann natürlich jeder Angina-pectoris-Anfall aufgrund dessen, dass er einen Herzinfarkt nach sich ziehen kann, dass er eine böse Rhythmusstörung nach sich ziehen kann, Ängste auf den Patienten übertragen. Und diese Ängste werden Sie auch als Angehöriger mitbekommen und unter Umständen Komplize dieser Angst werden. Sie werden ein gewisses Ausmaß an Unsicherheit haben, wenn ein Patient in Ihrer näheren Umgebung ist, der im Grunde genommen eine Krankheit hat.
Ich spreche da in erster Linie von den Angina-pectoris-Patienten in der höheren Risikogruppe. Dass diese auch unter Umständen einen schlimmen Ausgang der Erkrankung befürchten müssen, das wird unumgänglich auch auf Sie abfärben. Und aus diesem Grund werden Sie vermutlich in diesem Falle sich in gewissem Ausmaß mitverantwortlich fühlen. Und Sie werden auch die Ängste Ihres Partners oder Ihres nahen Angehörigen teilen.
Sollte ich dabei helfen, dass mein/e Angehörige/r sich schont oder mehr von ihr/ihm fordern?
Grundsätzlich meine ich, dass jeder Patient für seine Krankheit und für die Betreuung seiner Krankheit selber verantwortlich ist. Mir ist wichtig, dass Sie als Angehörige wissen, dass Sie nicht schuld sind, wenn in der Krankheit irgendetwas schiefläuft.
Der Patient entscheidet sich, ob er die Medikamente einnimmt oder ob er sie nicht einnimmt. Der Patient entscheidet sich, ob er die Arzttermine wahrnimmt oder nicht. Sie können immer wieder unterstützen und ihm nahelegen, dass er dies alles im Sinne der guten Betreuung seiner Erkrankung machen sollte. Sie sind aber nicht für den Patienten verantwortlich. Und vor allem sind Sie nicht verantwortlich, wenn in der Erkrankung irgendetwas sich zum Böseren gewandt hat. Sie sollten sich auf jeden Fall freimachen von all diesen Schuldgefühlen.
Auch in aller Regel, was wir immer wieder sehen: Überbevormundung und Überprotektion ändert am Krankheitsverlauf nichts. Sie werden dem Patienten nicht wesentlich damit helfen, sondern irgendwo mit Zurückhaltung ihn in dieser Erkrankung begleiten und unterstützen.
Welche Arbeiten sollte ich meiner/meinem Angehörigen unbedingt abnehmen?
Wir wissen, dass in der Angina pectoris vor allem Arbeiten, die mit schwerer statischer Belastung einhergehen, namentlich Schleppen von schweren Lasten, oder wie es jetzt gerade ist in der Winterzeit, akut arbeiten in starker Kälte, typischerweise die Schneeschaufel-Angina. Diese Sachen provozieren Angina-pectoris-Anfälle. Das heißt: Aus diesem Grunde sollten Sie gerade solche Arbeiten, insbesondere bei Angina pectoris, die mit höherem Risikograd behaftet sind, Ihrem Partner und Ihrem Angehörigen abnehmen. Das heißt: Schneeschaufeln draußen, Tragen schwerer Lasten oder irgendwelche Aktivitäten, die in Stress, in emotionalem Stress ausgeführt werden sollten. Sie sollten meiden, dass man akut irgendetwas machen sollte. Auch die gewöhnlichen Sachen, dass man irgendeinem öffentlichen Verkehrsmittel, damit man es ja noch erreicht, nachläuft. Alles, was aus akutem Stress heraus geschehen sollte, belastet den Patienten mit Angina pectoris.
Auf den Punkt gebracht
Auswirkungen der Angina pectoris
- Die Angst vor einem Anfall oder einem Herzinfarkt wirkt sich auch auf die Angehörigen aus.
- Arbeiten in der Kälte, das Schleppen von schweren Lasten und stressende Aktivitäten sollten wenn möglich vermieden werden
Angina pectoris – was ist das?
Angina pectoris, auch als Brustenge bezeichnet, ist oftmals ein Schmerz mit einem Engegefühl in der Brust. Ursache hierfür ist eine verminderte Sauerstoffversorgung der Herzmuskulatur, beispielsweise durch die Verengung der Herzkranzgefäße infolge einer Arteriosklerose (Ablagerung von Cholesterin und Kalk in einer Plaque an der Innenwand der Gefäße).
Grob lässt sich die Angina pectoris in eine stabile und eine instabile Verlaufsform einteilen. Während die Beschwerden bei der stabilen Angina pectoris meistens wieder abklingen, sobald die auslösende Belastung wegfällt, werden die Brustschmerzen bei der instabilen Angina pectoris stärker, häufiger oder bestehen ganz ohne körperliche Beanspruchung.
Welche Einschränkungen bringt Angina pectoris für die Betroffenen mit sich?
Im frühen Stadium der Erkrankung sind die PatientInnen meist noch weitgehend beschwerdefrei. Beim Fortschreiten der Angina pectoris kommt es dann zu immer stärkeren Beeinträchtigungen.
Bezüglich der Einschränkungen wird die stabile Angina pectoris in folgende vier Grade eingeteilt:
- Grad I: Beschwerden nur bei schwerer körperlicher Anstrengung
- Grad II: geringfügige Einschränkungen bei normaler körperlicher Belastung
- Grad III: erhebliche Einschränkungen bei normaler körperlicher Belastung
- Grad IV: erhebliche Beschwerden bei geringer körperlicher Belastung oder sogar in Ruhe
Wenn sich die Intensität der Symptome des Anfalls ändert, oder ein Anfall plötzlich auch aus der Ruhe heraus auftritt, deutet das auf eine instabile Angina pectoris hin und Ihre Angehörige/Ihr Angehöriger sollte möglichst rasch eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen.
Wie viel Hilfe benötigen Angina-pectoris-PatientInnen im Alltag?
Wie viel Unterstützung PatientInnen mit Angina pectoris brauchen, richtet sich nach der Ausprägung der Symptome und des Allgemeinzustandes. Menschen mit stabiler Angina pectoris des ersten Grades können ihren alltäglichen Aktivitäten nahezu uneingeschränkt nachgehen, während Menschen mit schwerer oder instabiler Angina pectoris oft schon Hilfe bei kleineren Aufgaben benötigen.
Wie kann ich mich auf das Leben mit der Erkrankung vorbereiten?
Um Ihre/n Angehörige/n bestmöglich unterstützen zu können ist es notwendig, ausreichend über die Erkrankung informiert zu sein. In unseren anderen Kursen zu diesem Thema finden Sie wertvolle Informationen und hilfreiche Tipps für Angina-pectoris-PatientInnen.
Ist Angina pectoris vererbbar?
Die Erkrankung selbst ist im eigentlichen Sinne nicht vererbbar. Allerdings gilt als erwiesen, dass es bestimmte genetische Risikofaktoren für die Ausbildung einer koronaren Herzerkrankung gibt. Diese sind jedoch nur ein Faktor von vielen bei der Entstehung der Angina pectoris.
Legen Sie als Angehörige/r einer/eines Betroffenen Wert auf einen gesunden Lebensstil, ist Ihr Erkrankungsrisiko letztendlich nicht höher als das eines Menschen, der keinem familiären Risiko unterliegt, aber raucht, sich nicht ausreichend bewegt und Übergewicht hat.
Wie kann ich eine/n Angehörige/n mit Angina pectoris entlasten?
Sprechen Sie das Thema offen an
Das richtige Maß an Unterstützung zu finden, ist nicht immer einfach. Scheuen Sie sich nicht, die Patientin/den Patienten direkt anzusprechen und zu fragen, welche Hilfe sie/er von Ihnen benötigt.
Körperlich schwere Tätigkeiten abnehmen
Ab einem bestimmten Ausprägungsgrad der Erkrankung können bereits leichte körperliche Belastungen einen Angina-pectoris-Anfall auslösen. In diesem Fall ist Ihrer/Ihrem Angehörigen schon etwas geholfen, wenn Sie ihr/ihm Tätigkeiten wie Staubsaugen oder Fensterputzen abnehmen oder ihr/ihm die schweren Einkaufstaschen ins Haus tragen.
Unterstützung bei kalten Temperaturen
Niedrige Temperaturen verengen die Blutgefäße zusätzlich. Dadurch haben Menschen mit Angina pectoris im Winter oft Probleme mit der Kälte und sind froh, wenn sie das Haus nicht allzu oft verlassen müssen. Besuchen Sie Ihre/n Angehörige/n deshalb lieber, als sie/ihn zu sich einzuladen. Bieten Sie ihr/ihm an, dringende Wege oder den Einkauf für sie/ihn zu erledigen und übernehmen Sie das Schneeschaufeln.
Stress und Ärger fernhalten
Da psychische Belastung ebenfalls zu den möglichen Auslösern von Angina-pectoris-Anfällen gehört, können Sie Ihre/n Angehörige/n dadurch unterstützen, dass Sie Stress, Ärger und Aufregungen von ihr/ihm fernhalten. Helfen Sie ihr/ihm beispielsweise, einen Tagesplan zu erstellen, der ihr/ihm hilft ihre/seine Zeit besser einzuteilen und regen Sie sie/ihn dazu an ausreichend Ruhepausen einzulegen.
Praktischer Tipp
Gerade kurz nach der Diagnose lehnen viele Angina-pectoris-PatientInnen Unterstützung zunächst ab, weil sie die Krankheit und die damit verbundenen Einschränkungen noch nicht akzeptieren.
Nehmen Sie eine eventuelle Zurückweisung nicht persönlich, sondern signalisieren Sie weiterhin Hilfs- und Gesprächsbereitschaft.
Geprüft Prim. Mag. Dr. Josef Aichinger: aktualisiert April 2022 | AT-RAN-13-04-2019