Die Diagnose Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) kann nicht nur für Betroffene, sondern auch für Angehörige eine Veränderung im Leben darstellen. Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten aus der Schulung “Menschen mit NMOSD unterstützen” übersichtlich zusammengefasst.
Umgang mit der Diagnose NMOSD
Was waren Ihre Reaktionen auf die Diagnose NMOSD?
Meine Reaktion auf die Diagnose Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) war eher unspektakulär, da mich der Anruf meines Neurologen im Auto erreicht hat und ich mich in der Situation gar nicht so geistig darauf konzentrieren konnte.
Daneben standen auch viele andere Diagnosen im Raum, sodass es sich für mich nur wie eine andere mögliche Diagnose angefühlt hat. Es hat sich für mich in diesem Moment nicht so endgültig und schockierend angefühlt, wie man es sich vielleicht vorstellt.
Wie kann ich als Angehörige:r die betroffene Person nach der Diagnose unterstützen?
Der erste Schritt nach der Diagnose sollte sein, dass man sich zusammensetzt und die Informationen über NMOSD durchforstet, abhängig davon, was individuell passend ist. Lassen Sie sich auch als Angehörige nicht davon erschrecken.
Darüber hinaus ist die Unterstützung auf der emotionalen Ebene sehr wichtig. Lassen Sie sich von der Diagnose nicht verrückt machen oder ins Chaos stürzen. Es ist wichtig Ruhe zu bewahren, das Ganze zu sortieren und sich Informationen zu beschaffen. Seien Sie immer füreinander da, bieten Sie sich dieses gegenseitig an.
Wie soll ich mich als Angehörige:r verhalten, wenn ich von der Diagnose erfahre?
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass sich nichts an der Person ändert, die einem gegenübersitzt. Die Situation wird sich ändern, aber die Person bleibt die gleiche.
Das bedeutet, wenn die Person vorher zum Beispiel gerne umsorgt werden wollte, dann machen Sie das auch einfach weiter. Wenn es eine sehr analytische Person ist, muss man auch das weiterhin respektieren.
Schaffen Sie das Angebot, dass man füreinander da ist und aufeinander zugeht. Respektieren Sie aber auch, wenn der Betroffene ein bisschen Freiheit und ein Rückzugsort braucht, um die Diagnose erst einmal für sich selbst zu verarbeiten und zu verdauen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Umgang mit der Diagnose NMOSD”
Veränderungen durch NMOSD
Was hat sich für Sie durch die NMOSD verändert?
Wir haben das große Glück, dass wir beruflich keine Einschränkungen hinnehmen mussten. Sowohl ich als auch meine Frau konnten unsere Berufe weiterhin vollständig ausführen. Dadurch hat sich an unserer Wohnsituation und unserem sozialen Umfeld nur wenig verändert.
Was sich natürlich verändert hat, ist unser Freizeitverhalten. In Phasen, wo es mir schlecht ging, haben wir uns sehr zurückgezogen. Das hat sich natürlich auf unseren Freundeskreis ausgewirkt, manche Freunde können das einfach nicht aushalten.
Die großen Veränderungen unseres Lebens haben sich nur auf den Bereich unseres Privatlebens bezogen. Gott sei Dank bin ich kein Pflegefall geworden und kann meinen Beruf noch ausüben. So haben sich die Veränderungen in einem sehr überschaubaren Rahmen gehalten.
Welche Herausforderungen sind auf Sie zugekommen?
Ich glaube die größte Herausforderung besteht darin, sich mit seinen Einschränkungen neu zu erfinden. Wenn man, wie ich, immer schlechter gehen kann, muss man sich irgendwann damit auseinandersetzen, dass man entsprechende Hilfsmittel, wie einen Rollstuhl verwendet. Wenn Patienten schlechter sehen können, müssen sie sich komplett neu auf diese Welt einstellen.
Das sind Veränderungen, die wirklich einschneidend sind, man muss lernen diese zu akzeptieren und anzunehmen. Man muss auf sich und seinen Körper hören, um auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren. Darüber hinaus muss man auch sein Denken bezüglich gewohnter Verhaltensmuster über den Haufen werfen und sich in manchen Situationen neu erfinden.
Was sollten Angehörige machen, wenn sich die betroffene Person mit NMOSD zurückzieht?
Die betroffene Person darf sich zurückziehen. Wenn man die Person kennt und eine Verbindung zueinander hat, merkt man, ob es sich um ein normales Zurückziehen handelt oder ob es mehr ist und vielleicht in die Richtung einer Depression geht. Passt auf, bietet euch an und seid für den anderen da.
Wenn ihr merkt, dass es mehr als das normale Zurückziehen ist und die Person mehr als ein bisschen Ruhe braucht, dann geht aktiv auf diese und die Ärzte zu. Wenn es wirklich schlimmer wird und die Person selbst nicht genug Kraft hat, um aus diesem Zurückziehen herauszukommen, dann müssen Sie als Angehörige unterstützend auf die Person einwirken.
Hier geht es zum Video-Interview: „Veränderungen durch NMOSD”
Unser Alltag mit NMOSD
Welche Situationen können Menschen mit NMOSD schnell sehr beanspruchen?
Vor allem Situationen, auf die man sich sehr freut, beanspruchen einen mit einer Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) oft schnell. Dort spielen oft das Körperliche und das Emotionale zusammen. Das wäre zum Beispiel eine Feier oder ein Ausflug, den man geplant hat und auf den man sich schon riesig freut.
Man hat schon viel Energie in die Vorbereitungen gesteckt und plötzlich kommt der Moment, in dem man merkt, dass es hier nicht weiter geht und beispielsweise die Fatigue zuschlägt. Dann kommt die Enttäuschung über einen selbst, dass man es heute wieder nicht schafft. Dadurch wird die Fatigue nochmal schlimmer, es ist ein selbstverstärkender Kreislauf.
Die Situationen kann man gar nicht genau definieren. Man hat sich einfach etwas vorgenommen, auf das man sich freut und dann funktioniert man einfach nicht, wie man es sich vorstellt. Das sind Situationen, die im Alltag sehr belastend sind.
Woran merken Sie, dass Ihr:e Angehörige:r mit NMOSD erschöpft ist?
Man merkt sehr schnell, wenn der Betroffene erschöpft ist. Gerade wenn es in Richtung Fatigue geht, merke ich es bei Matthias an den Augen. Er wird viel ruhiger, ist fast abwesend und kann Gesprächen nicht mehr so gut folgen. Er antwortet viel langsamer und zögerlicher als sonst.
Ein besonderes Merkmal ist, dass er sich hinlegt und stundenlang schläft, gerne den ganzen Tag. Dann muss man einfach aufpassen und ihn vielleicht auch mal wachrütteln, um ihn an das Trinken und die Einnahme der Medikamente zu erinnern, damit es nicht schlimmer wird.
In welchen Situationen brauchen Sie als Betroffener nun mehr Unterstützung?
Diese Situationen sind auch nicht genau zu definieren, weil die Schwankungen einer Autoimmunerkrankung von Tag zu Tag sehr groß sind. Manchmal kann ich selbstständig in das Auto einsteigen und mich selbst anschnallen. Manchmal bin ich aber so schlecht drauf, dass ich in so einer Situation Hilfe brauche.
Wir haben uns mit der Zeit gut eingespielt und ich habe das Vertrauen in Christine, dass ich Hilfe bekomme, wenn ich sie danach frage. Es hängt immer von der individuellen Situation ab, was ich an diesem Tag schaffe und was ich mir zutraue. Wenn es nicht funktioniert, muss ich mich selbst überwinden und nach Hilfe fragen.
Das Fragen nach Hilfe ist eine große Überwindung, man muss es aktiv lernen, anstatt sich zurückzuziehen und mit sich selbst in Ungnade zu fallen. Die Sekunde, in der ich Hilfe brauche, ist nicht gut, aber es ist nur eine Sekunde. Der Rest der ganzen Zeit ist wieder gut.
Wie gestalten Sie Reisen mit NMOSD?
Am Reisen hat sich für uns persönlich nicht viel geändert. Man kann weiterhin alles machen, was man vorher auch gemacht hat. Es müssen nur ein paar neue Punkte beachtet werden. Ganz wichtig ist, dass Urlaub in unseren Augen nicht mehr nur dafür da ist, von einem Punkt zum nächsten zu hetzen, unbedingt hier ein Foto zu machen und alles aus dem Reiseführer abarbeiten zu müssen, denn das braucht man sowieso nicht.
Man kann natürlich Aktivitäten planen, aber man braucht auch Ruhephasen. Es ist wichtig, dass man, gerade wenn man einen größeren Ausflug geplant hat, danach aktiv Ruhe einplant. Der Urlaub soll für beide eine Erholung sein und wenn man Ruhetage einplant, ist es viel erholsamer und entspannter. Damit spart man sich die Gedanken, ob man am nächsten Tag alles schafft oder ob man dann mehr unterstützen muss, denn das bringt keinem von beiden etwas. Es ist ein wichtiger Punkt, dass der Urlaub zur Erholung da ist und man ihn ruhiger gestaltet.
Dadurch, dass man es im Urlaub einfach ruhiger angehen lässt, bekommt man manchmal eine ganz andere Perspektive auf das, was man anschaut. Ich in meinem Rollstuhl komme teilweise gar nicht überall hin. Wenn ich dann aber am Ziel bin, kann ich den Moment wirklich in aller Ruhe genießen und in mich aufnehmen. Ich muss nicht dorthin hetzen, zu diesem Zeitpunkt ein Foto machen und dann direkt weiter. Ich gönne mir stattdessen die Ruhe, schaue mir alles an und nehmen es mit. Ich begreife dann, dass ich wirklich hier war und das ist der Moment, der für mich im Urlaub zählt und für mich wertvoll ist. Der Urlaub muss eine Erholung sein und kein vorzeige Prestigeobjekt.
Ein besonderer Tipp von uns ist, dass ihr einfach in euch hineinhört, was für euch wichtig ist und was für euch Erholung und Urlaub bedeutet. Das kann beispielsweise sein, auf einem Berg zu sein, denn auch da muss man nicht immer hochklettern. Einige Berge kann man mit der Gondel erreichen, man muss sich nicht überanstrengen. Das kann aber auch sein, am See oder am Meer zu sitzen und dieses stundenlang zu betrachten. Hört in euch rein, was euch guttut und wählt danach euer Urlaubsziel aus.
Hier geht es zum Video-Interview: „Unser Alltag mit NMOSD”
Umgang mit NMOSD-Symptomen
Was machen Sie, wenn ein NMOSD-Schub auftritt?
Als NMOSD-Patient muss ich sagen, dass diese Frage falsch an mich gestellt ist, denn wenn ich einen Schub habe, bin ich eigentlich handlungsunfähig. Ich liege dann meistens im Bett, schlafe und dann kommt meine Frau ins Spiel.
Sie sagt mir: „Pass auf, diesmal sind die Symptome schlimmer, sie halten länger an. Wir müssen jetzt etwas unternehmen.“ In dieser Situation ist die Funktion der Angehörigen enorm wichtig, sie können die Symptome nämlich beobachten und den Patienten aktiv ansprechen und ihn wachrütteln, manchmal im buchstäblichen Sinne, sodass er zum Arzt geht und sich behandeln lässt.
Meine persönliche Meinung ist, dass man lieber einmal zu viel als zu wenig zum Arzt gehen sollte. Nur der Arzt kann entscheiden, ob es sich um eine Fatigue handelt oder ob es wirklich ein Schub sein könnte. Wir können das für uns beobachten und bewerten, aber er kann es wirklich sagen. Wir gehen lieber einmal zu viel zum Arzt, dafür ist er da. Ihr braucht auch keine Angst haben wieder vorbeizuschauen, wenn ihr vor kurzem erst dort wart, aber nichts gefunden wurde.
Wie gehen Sie mit Schwierigkeiten bei der täglichen Fortbewegung um?
Ich habe das Autofahren aufgrund meiner Defizite im Gehen und in der Bewegung der Beine deutlich reduziert. Ich fahre nur dann Auto, wenn es mir wirklich sehr gut geht. Mein Gehen hat sich durch die NMOSD stark verschlechtert und ich habe mich aktiv für den Rollstuhl entschieden.
Dieser hat meine Mobilität, gerade in Verbindung mit einer Zugmaschine, enorm verbessert, auch die Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr. Ich habe keine Angst mehr zu stolpern, umgeschubst zu werden oder in eine gefährliche Situation zu geraten, ich komme immer sicher nach Hause. Gerade der Rollstuhl bietet mir bezüglich der Mobilität die Möglichkeit, beispielsweise in der Physiotherapie Vollgas zu geben.
Für mich war es damals ein Schockmoment, als Matthias meinte, dass er einen Rollstuhl braucht. Dieser hat aber nicht lange angehalten, denn als der Rollstuhl da war, hat man sofort gemerkt, was für eine Erweiterung der Reichweite wir dadurch haben.
Wir konnten wieder hinausgehen und haben neue Ecken entdecken können, die wir vorher nicht erkunden konnten, weil Matthias schon auf dem Weg zur U-Bahn oder in den Park so erschöpft war. Durch den Rollstuhl haben wir unseren Aktionsradius wieder stark erweitern können.
Was sollen Angehörige von NMOSD-Betroffenen machen, um die Bewegungsmöglichkeiten zu fördern?
Als Familienangehöriger und im Freundeskreis kann man darauf achten, Stolperfallen zu vermeiden. Zum Beispiel Teppiche, die nicht fest verankert sind, können entfernt werden. Wenn man das Glück hat, dass man gerade baut, dann sollte man darauf achten, dass alles ebenerdig ist und die Türen breit genug sind. Freunde von uns haben ihren Gartenweg so angelegt, dass ich dort mit dem Rollstuhl entlangfahren kann. Diese Geste ist sehr wertvoll für mich.
Wenn ich zum Beispiel Geburtstag habe und feiern möchte, dann frage ich vorher im Restaurant, ob es eine barrierefreie Toilette gibt und ob ich überhaupt ebenerdig in das Restaurant hineinkomme. Das sind auch Kleinigkeiten, die einfach unglaublich wertvoll sind. Ein zusätzlich wichtiger Punkt ist: „Lasst ihn machen“. Ihr müsste manchmal ertragen, dass es ein bisschen länger dauert, wenn er zum Beispiel die Treppen steigt.
Wenn ihr unterwegs seid, könnt ihr ein wenig darauf achten, wie dort die Gegebenheiten sind. Wir haben viele Freunde, die und schreiben: „Hey, wir sind grade hier und da. Es ist alles barrierefrei gestaltet, da gehen wir mal zusammen hin und das können wir mal zusammen machen. Das ist überhaupt kein Problem für Matthias.“ Das sind Sachen, die den Blickwinkel ein bisschen ändern und anpassen. Es ist ein anderer Fokus auf das, was wichtig ist, wie man unterstützen kann und wie man die Dinge angenehmer gestalten kann.
Wie gehen Sie mit Schwierigkeiten durch Sehstörungen im Alltag um?
Ich hatte nur am Anfang eine Sehnervenentzündung. Es war für mich eine komplett neue Erfahrung, dass man ein Schleier vor dem Auge und einen stechenden Schmerz im Auge hat. Weil es im Urlaub aufgetreten ist, habe ich es überspielt, damit meine Frau nichts mitbekommt, damit ich den Urlaub nicht versaue. Ich bin zu Hause in München dann aber direkt zum Augenarzt gegangen, der mich zu einem Neurologen überwiesen hat.
Aus unserem Bekanntenkreis kenne ich Patienten, die eine starke Einschränkungen im Sehen erlitten haben, zum Teil achtzig Prozent Verlust der Sehstärke. Das schränkt das Leben komplett ein, ich glaube, es ist sogar eine größere Einschränkung als eine Gehbehinderung, wie ich sie habe. Wenn ich keine Schilder mehr lesen kann, wie beispielsweise wo mein Zug hinfährt oder wenn ich die Ampel auf der anderen Straßenseite nicht mehr erkenne, dann ist das ein ganz wesentlicher Einschnitt.
Gerade der Umgang mit den Medien, ist erschwert, aber es werden Gott sei Dank immer mehr Integrationstools für den Rechner entwickelt. Zum Beispiel, dass Schriften mit einem höheren Kontrast dargestellt werden oder dass man sich den Bildschirm bei einer Farbsehschwäche anpassen kann.
Bei allen Aspekten ist wichtig, dass diese Integration stattfindet, also nicht nur im Bereich der Rollstuhlfahrer, sondern auch im Bereich der Sehschwäche. Es ist eine Sache, die man von außen nicht sieht, es ist schwer, es von außen zu beurteilen, aber es ist eine eklatante Einschränkung im Leben der Patienten.
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Arztbesuche bei NMOSD
Welche Unterstützung wünschen Sie sich von Angehörigen bei Arztterminen?
Welche Unterstützung ich mir wünsche, kommt ganz auf den Arzttermin an. Wenn es ein regulärer Termin ist, wie meine Basisinfusion oder eine einfache Kontrolle, dann schaffe ich das allein.
Wenn es darum geht Entscheidungen zu treffen, beispielsweise welche Therapie ich weitermachen möchte oder einen Informationstermin, dann ist es für mich wichtig, dass meine Frau dabei ist. Sie soll die Informationen auch aus erster Hand erfahren und ihre Fragen an die Ärzte stellen können.
Ist es für Sie in Ordnung, wenn Angehörige alleine mit Ihrem Behandlungsteam sprechen?
Es ist für mich vollkommen in Ordnung, wenn meine Frau allein mit meinem Behandlungsteam oder meinem Arzt spricht. Ich kann nicht beurteilen, was sie noch für offene Fragen hat und manchmal kann ich diese Fragen aus fachlicher Sicht auch gar nicht beantworten.
Bei meinen Eltern oder Geschwister zum Beispiel hätte ich schon bedenken, wenn sie allein mit meinem Arzt sprechen wollen würden. Sie sind in meine Diagnose und in meine Lebenssituation nicht so eng involviert.
Gibt es Situationen bei Arztterminen, die Sie verunsichern und wie gehen Sie damit um?
Bei uns ist die Kommunikation sehr wichtig. Wir saßen schon zu zweit bei Arztterminen, wo uns der Oberarzt, der Chefarzt und mehrere Assistenzärzte gegenübersaßen, welche uns die Situation erklärt haben und die Optionen aufgezeigt haben. Dabei ist es wichtig, sich gegenseitig darüber zu informieren, was man in dieser Situation denkt und fühlt.
Als Patient ist man manchmal eingeschüchtert, wenn so ein Gremium vor einem sitzt. Man sollte sich aber darüber bewusst sein, dass der Arzt nie das nachspüren kann, was man als Patient emotional fühlt. Als Patient hat man jedoch in jeder Situation das Recht zu sagen: „Stopp, so nicht“ oder „Ich habe hier eine Frage“, beziehungsweise „Welche Alternativen haben wir zu Ihrem Vorschlag?“. Das ist ein wichtiger Punkt, fragt nach, wenn euch irgendwas verunsichert oder etwas unklar ist. Fragt so lange nach, bis ihr es verstanden habt.
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Kommunikation mit NMOSD-Betroffenen
Wie kann ich meine:n Angehörige:n mit NMOSD bei Entscheidungen unterstützen?
Wir machen es häufig so, gerade am Anfang haben wir es häufig so gemacht, dass wir uns zu Hause erst mal darüber unterhalten, was auf uns zukommen könnte. Wir haben unsere Fragen aktiv notiert, um sie dann im Gespräch mit dem Arzt zu stellen. Teilweise haben wir uns auch Notizen gemacht, um die Informationen für uns zu sammeln und zu sortieren.
Manchmal muss man als Angehörige ein bisschen aktiver mitwirken und auch mal Entscheidungen treffen. Ich kann Matthias nicht zwingen zum Arzt zu gehen, ich kann ihn aber darauf hinweisen, dass es jetzt doch mal sinnvoll wäre, sich noch eine zweite Meinung einzuholen, sich noch andere Unterstützung zu suchen oder eine andere Therapie zu beginnen. Grade im Anfangsstadium braucht man manchmal psychologische Unterstützung oder eine Physiotherapie. Das mag der Patienten in dem Moment vielleicht noch gar nicht wahrhaben und man kann durchaus mal aktiv darauf eingehen.
Es ist wichtig, dass sie den Patienten auch mal aus der Wohlfühlzone rausschubsen. Man kann es sich mit seinen Einschränkungen sehr bequem machen, aber dann ist der Status quo meiner Meinung nach eher mit einer Tendenz nach unten. Wenn man aber von außen einen kleinen Schubs bekommt, um aus seiner Wohlfühlzone herauszukommen und mal etwas auszuprobieren, was man bisher noch nicht gemacht hat oder was einem vielleicht unangenehm ist, dann kann einen das auf lange Sicht wahnsinnig weiterbringen. Wenn man erkennt, dass einem etwas langfristig doch nichts bringt, dann haben wir es zumindest ausprobiert, machen einen Haken dran, haben die Erfahrungen gemacht, aber man hat keine Chance verstreichen lassen.
Man hat die Möglichkeit mal etwas anderes auszuprobieren, aber die Bereitschaft, es zu machen, muss vom Betroffenen selbst ausgehen. Wenn man ihn zwingt und er es aber nicht annimmt, beispielsweise gerade zum Thema Physiotherapie, dann bringt das nichts.
In welchen Situationen wünschen Sie sich als Betroffener mehr Unabhängigkeit?
Wir zwei haben irgendwann die Vereinbarung getroffen, dass Christine mich so lange in Ruhe lässt, bis sich aktiv nach Hilfe frage. Ich halte das für eine sehr gute Regelung, die man in vielen Bereichen, zum Beispiel auch mit einem Physiotherapeuten oder einem Sportlehrer beim Rehasport treffen kann.
Lasst es mich erstmal allein probieren und wenn ich Erfolg habe, ist es für mich ein kleiner Sieg an diesem Tag, der mir wieder mehr Selbstbewusstsein verschafft. Wenn ich es nicht schaffe, dann frage ich aktiv nach Hilfe und die Verhältnisse sind klar.
Es ist für die Angehörigen unglaublich schwierig zu beurteilen, wann und in welchem Maße man dem Angehörigen helfen soll. Es ist ein Lernen auf beiden Seiten, sowohl dass man fragt und sagt, dass man Hilfe braucht, als auch so lange zurückzustecken und nicht einzugreifen oder zu helfen. Es ist ein wichtiger Punkt für die Selbstständigkeit es Betroffenen.
Wie kann ich der betroffenen Person mitteilen, wenn ich Zeit für mich brauche?
Wir reden ganz offen darüber und das war auch schon früher so. Auch ohne NMOSD braucht jeder Partner mal eine Auszeit, das ist glaube ich kein Geheimnis und es ist nichts Schlimmes. Das darf jeder und ich habe als Angehörige genauso das Recht zu sagen: „Heute geht es mir nicht gut und ich brauche Zeit für mich“.
Wenn ich weiß, dass es an diesem Tag auch Matthias schlecht geht, ich es aber selbst auch nicht mehr aushalte, dann muss ich schauen, dass jemand anderes da ist. Ich muss auch auf mich hören und mir Zeit für mich gönnen, damit ich danach wieder gut für Matthias sorgen und für ihn da sein kann.
Hier geht es zum Video-Interview: „Kommunikation mit NMOSD-Betroffenen”
Mein Umgang mit NMOSD als Angehörige:r
Was machen Sie für Ihr eigenes Wohlbefinden?
Das mag sich vielleicht blöd anhören, aber ich suche Situationen, die Matthias und ich zusammen machen können, in denen es uns beiden gut geht. Das hört sich kitschig an, aber wenn es Matthias gut geht, dann geht es mir auch gut.
Schwierig sind Tage, an denen es Matthias nicht gut geht. Dann ist es schwer eine Balance zu finden zwischen ich helfe Matthias, ich bleibe bei ihm, ich unterstützte ihn, ich schaue, dass es ihm besser geht und ich achte darauf, wie es mir geht.
Wir haben einen sehr guten Freundeskreis, wir sind füreinander da und darauf sind wir total stolz. Er hat sich seit der Diagnose verändert, weil ein paar Freunde weggebrochen sind, die mit der Situation nicht zurechtgekommen sind. Das ist aber völlig okay, denn die Freunde, die wir jetzt haben, sind richtige Freunde, sie sind sogar Familie, wenn man das so sagen möchte.
Ich suche bei unseren Freunden eine Auszeit und in solchen Momenten versuche ich auch gezielt darauf zu achten, dass es um die Gruppe geht, mit der ich zusammen bin, damit nicht die NMOSD im Vordergrund steht.
Woran merken Sie, dass Sie eine Situation zu sehr belastet und Sie sich Hilfe suchen sollten?
Ich glaube, dass man das ein bisschen mit der Fatigue vergleichen kann. Es gibt einen Punkt, an dem es nur Erschöpfung ist, an dem man nur müde ist und es gibt einen Punkt, wo es extreme Erschöpfung ist, die als Fatigue bezeichnet wird. Ich glaube, dass es beim psychischen Wohlbefinden von Angehörigen ähnlich ist, es gibt zum einen Tage, an denen man sehr gut mit der Belastung zurechtkommt. Man trägt es einfach und macht sich keine Gedanken darum, wie schlecht es einem vielleicht geht.
Zum anderen gibt es aber Tage, wie eine kleine Bewegung von Matthias, dass er beispielsweise die Gabel nicht richtig halten kann oder dass er extrem lang braucht und sich noch schwerer tut, die Treppe zu steigen. Dann denkt man sich: „Mein Gott, du hältst das nicht mehr aus“ und dann breche ich in Tränen aus. Das ist einfach so, das muss ich in diesem Moment ertragen.
Daraufhin suche ich mir eine Auszeit und schaue davor, dass Matthias zum Beispiel noch auf das Sofa kommt, ich versorge ihn mit Getränken, mit Naschzeug und mache den Fernseher an. Man kann dann nochmal allein rausgehen oder mit jemandem telefonieren, den man gerne hat.
Wenn man aber merkt, dass man von selbst nicht mehr dort rauskommt und man sich in einer Spirale nach unten bewegt, dann sollte man aktiv Hilfe bei einem Profi suchen. Lasst es aber nicht so weit kommen und sucht euch rechtzeitig Hilfe. Ich habe zum Beispiel auch frühzeitig einen Termin beim Psychologen gehabt, um mich dort beraten zu lassen. Das war eine gute Entscheidung.
Wer kann Sie als Angehörige unterstützen und wo finden Sie Hilfe?
Leider gibt es, soweit ich weiß, aktuell keine Gruppen für Angehörige, wo man sich zusammenfinden kann, um sich gegenseitig zu unterstützen und auszutauschen. Mein großer Halt sind meine Freunde und meine Familie, an die ich mich immer wenden kann, wenn irgendwas ist. Dort suche ich Unterstützung, sie sind mein Rückzugsort und meine Bezugspersonen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Mein Umgang mit NMOSD als Angehörige:r”