6. Schmerzen bei NMOSD – Alle Fragen

Bei der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung, kurz NMOSD, handelt es sich um eine chronisch entzündliche Autoimmunerkrankung . Oftmals treten bei Betroffenen Schmerzen und Sensibilitätsstörungen auf. In dieser Schulung wird erklärt, wie solche Schmerzen entstehen und wie sie therapiert werden können. Außerdem lernen Sie, in welchen Körperregionen die Schmerzen auftreten und wann sie ein Hinweise für einen NMOSD-Schub sein können. Lernen Sie darüber hinaus, Ihren Alltag trotz Schmerzen bestmöglich zu gestalten.

Schmerzen bei NMOSD verstehen

Um was für eine Erkrankung handelt es sich bei NMOSD?

Die Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) ist eine seltene Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Was bedeutet autoimmun? Das bedeutet, dass das eigene Immunsystem ein bestimmtes Zieleiweiß/Zielprotein angreift; im Falle von NMOSD ist es ein Wasserkanalprotein des zentralen Nervensystems namens Aquaporin 4. Warum ist das wichtig zu wissen? Erstens können wir das bei der Diagnostik sehr gut nutzen, denn die Mehrheit der Patient:innen mit NMOSD hat Antikörper gegen Aquaporin 4 im Blut. Zweitens kommt es bei dieser Erkrankung durch Aktivierung des Immunsystems zu entzündlichen Läsionen im Gehirn, Rückenmark und Sehnerv und die Entzündung kann durchaus häufig sehr aggressiv sein. Bei dieser Erkrankung ist es wichtig, dass die Patient:innen eine Immuntherapie bekommen, um solchen Schüben und Attacken vorzubeugen.

Welche Symptome entwickeln Patient:innen mit NMOSD?

Je nach Lokalisation der Entzündungen können unterschiedliche Symptome auftreten. Am häufigsten sind das Lähmung, Gehbehinderungen, Sehbehinderungen oder auch Gefühlsstörungen im Sinne von Taubheitsgefühlen und leider nicht selten Schmerzen. Die Schmerzen bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen können die Lebensqualität und die Alltagsaktivität der Patient:innen deutlich einschränken.

Wie oft treten Schmerzen bei NMOSD auf?

Das ist eine sehr wichtige Frage. Die Schmerzen treten bei NMOSD sehr häufig im Laufe der Erkrankung auf. 70-80% aller Patient:innen berichten, mindestens Schmerzphasen zu haben oder sogar chronische Dauerschmerzen zu haben. Dabei empfinden die Patient:innen Schmerzen oft als deutlich beeinträchtigender als andere Symptome wie Gehbehinderungen oder Sehschwächen. Aus diesem Grund ist die korrekte Behandlung von Schmerzsyndromen bei NMOSD wichtig.

Welche Schmerzformen kommen bei NMOSD Patient:innen vor?

Wir kennen hier unterschiedliche Schmerzformen. Und bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen können auch unterschiedliche Schmerzformen auftreten. Im Rahmen der Studie, die wir vor drei Jahren im deutschsprachigen Raum durchgeführt haben, konnten wir feststellen, dass circa ein Drittel der Patient:innen sogenannte neuropathische Schmerzen haben. Die neuropathischen Schmerzen sind häufig intensive Schmerzen, welche durch eine direkte Schädigung des Nervensystems entstehen. Dabei werden normale Reize bzw. normale Signale wie zum Beispiel Berührungen als sehr schmerzhaft empfunden. Diese Schmerzen beschreiben die Patient:innen häufig als brennend, kribbelnd, elektrisierend oder stechend. Diese sind äußerst unangenehm und haben einen großen Einfluss auf das Leben der Betroffenen.

Das andere Drittel der Patient:innen hat sogenannte nozizeptive Schmerzen. Das Wort bedeutet nicht mehr und nicht weniger als normale, übliche Schmerzen, die jeder von uns kennt, zum Beispiel nach einem Trauma. Diese Schmerzen entstehen durch eine Stimulation der Schmerzrezeptoren an der Haut, in Muskeln oder Knochen. Bei NMOSD treten solche Schmerzen meist aufgrund einer deutlichen Erhöhung des Muskeltonus auf und können dementsprechend behandelt werden. Circa ein Drittel der Patient:innen hat eine Mischform, bei der sie nicht sicher unterscheiden können, ob das nozizeptive, also übliche, einfache Schmerzen sind, oder die starken neuropathischen und sehr intensiven Schmerzen.

Wo sind die Schmerzen meistens lokalisiert?

Die Schmerzen bei NMOSD können prinzipiell unterschiedliche Lokalisationen haben, je nachdem, wo die entzündliche Läsion vorliegt. Allerdings treten die Schmerzen am häufigsten in den Beinen auf, gefolgt vom Rumpf, den Armen und dem Bauch- und Brustbereich. Dadurch, dass die Schmerzen häufig mit einer Rückenmarksentzündung, die zentral liegt, assoziiert sind, sind es nicht selten beidseitige Schmerzen. So berichten 50% der Patient:innen von Schmerzen in beiden Beinen und 30% in beiden Armen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Schmerzen bei NMOSD verstehen”

Schmerzen bei NMOSD erkennen

Wie erkenne ich Symptome, die bei NMOSD charakteristisch sind?

Bei der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung gibt es Schmerzformen, die häufiger auftreten oder charakteristisch sind. Eine Form davon sind jene Schmerzen, die bei oder nach Rückenmarksentzündungen auftreten können und die besonders unangenehm sind. Die Patient:innen beschreiben in diesen Situationen ein Engegefühl im Brust- oder Bauchbereich, das sie einschnürt, was dauerhaft und bei jedem Atemzug störend ist. Die Patient:innen beschreiben das häufig auch als ein Korsett-Gefühl. Diese Schmerzen sind leider schwierig zu behandeln.

Es gibt eine andere, nicht so häufig vorkommende Variante von Schmerzen, die aber sehr charakteristisch für Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen ist; das sind die sogenannten paroxysmalen tonischen Spasmen. Es mag etwas komplex klingen, aber eigentlich sind das kurzzeitige, zehn bis dreißig Sekunden dauernde sehr intensive Schmerzen, die meistens in Armen oder Beinen auftreten und von einer Fehlstellung, wie zum Beispiel der Hand oder des Fußes, begleitet werden. Die Schmerzen sind so intensiv, dass Patient:innen häufig Gegenstände aus der Hand fallen; solche Schmerzattacken können mehrmals am Tag auftreten. Diese Schmerzen gehören auf jeden Fall medikamentös behandelt und können sogar ein Hinweis auf Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen sein, falls die Diagnose noch nicht gestellt ist.

Können neu aufgetretene Schmerzen bei NMOSD auf einen Schub hindeuten?

Das ist eine sehr gute und wichtige Frage. In der Tat können sich die Schübe erst mit Schmerzen zeigen und erst später mit neurologischen Defiziten einhergehen. Vor allem charakteristisch ist das für Sehnerventzündungen. In 60% der Fälle beschreiben die Patient:innen, dass erst ein Schmerz, vor allem typischerweise sogenannte bewegungsabhängige Schmerzen, auftreten. Diese spürt man zum Beispiel, wenn man mit den Augen nach links und nach rechts schaut. Erst ein oder zwei Tage später berichten die Patient:innen dann, dass sie auf einem Auge schlechter oder verschwommen sehen.

Auch bei Rückenmarksentzündungen können die Patient:innen zuerst einmal intensive Schmerzen auf einer bestimmten Höhe im Rücken verspüren, und erst später kommen die Defizite. Charakteristisch ist auch, dass, wenn die Patient:innen den Kopf nach vorne beugen, sie ein elektrisierendes Gefühl bzw. eine kleine Stromattacke im Rücken verspüren, und das deutet auf eine mögliche aktive Entzündung im Rückenmark hin.

Welche Risikofaktoren gibt es zur Entstehung von Schmerzen bei NMOSD?

Das ist eine wichtige Frage. Nicht alle Patient:innen mit NMOSD haben chronische Schmerzen. Das hängt vor allem davon ab, ob die entzündliche Läsion in den Gehirnregionen vorliegen, die für die Schmerzwahrnehmung, Schmerzbearbeitung oder eventuell sogar Schmerzunterdrückung verantwortlich sind. Wir haben diese Frage im Rahmen unserer Studie vor drei Jahren untersucht. Es zeigte sich, dass vor allem die Rückenmarksentzündungen das Risiko erhöhen, an chronischen Schmerzen zu leiden. Interessanterweise haben nicht alle Rückenmarksentzündungen denselben Einfluss. Vor allem die Läsionen im oberen thorakalen Segment, auf der Höhe Th1 bis Th6, sind mit deutlich erhöhtem Risiko für chronische Schmerzen verbunden. Es gibt auch eine rationale Erklärung dafür. Gerade auf dieser Höhe, wo die Läsionen auch entstehen, liegen Nervenzellengruppen, die für die Schmerzunterdrückung verantwortlich sind. Sollten diese geschädigt sein, ist die Schmerzwahrnehmung deutlich höher und die Patient:innen leiden unter chronischen, zum Teil schwer behandelbaren Schmerzen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Schmerzen bei NMOSD erkennen”

Alltag mit Schmerzen bei NMOSD

Wie kann ich meinen Alltag trotz Schmerzen bei NMOSD gut weiterführen?

Die Schmerzintensität korreliert bei der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD) deutlich mit Alltagseinschränkungen. Wenn Sie intensive Schmerzen haben und darunter leiden, müssen Sie Ihren Tag so gut wie möglich vorplanen, weil jede Art von Stress zu muskulärer Anspannung und zu noch erhöhter Schmerzwahrnehmung führt. Man sollte aktive Phasen und Entspannungsphasen so gut wie möglich kombinieren und sich richtig Zeit geben bzw. nicht in Hektik geraten, wenn Sie Sachen im Laufe des Tages planen. Außerdem spielt die Stimmung eine erhebliche Rolle für die Schmerzwahrnehmung. Es ist bekannt, dass die im ersten Teil erwähnten neuropathischen Schmerzen vor allem durch Depression verstärkt werden können. Patient:innen mit Schmerzen sind häufig aus diesem Grund auf emotionale Unterstützung der Familie angewiesen. Sollten Sie eine depressive Stimmung oder depressive Komponenten haben, macht es Sinn, sich professionelle Hilfe zu holen, weil auch Präparate gegen Depression für die Schmerzwahrnehmung sehr viel bringen können.

Soll ich mich bei Schmerzen durch NMOSD mehr bewegen oder meinen Körper schonen?

Grundsätzlich empfiehlt es sich, sich aktiver und mäßig zu bewegen, vor allem bei mit Spastik assoziierten Schmerzen, also Schmerzen, die mit einem erhöhten Muskeltonus in Verbindung stehen. Hier sind leichte, regelmäßige Übungen oder Dehnungen sehr hilfreich. Diese helfen, den Muskeltonus zu reduzieren und Schmerzen zu beruhigen. Allerdings sollte keine sportliche Aktivität oder regelmäßige körperliche Aktivität überanstrengend sein. In diesem Fall ist es kontraproduktiv und kann die Schmerzen verstärken. Neben eigenen Aktivitäten ist es auch sinnvoll, regelmäßig Physiotherapie zu bekommen; auch gemäßigte Yogaübungen oder Atemtechniken helfen nicht selten, gerade bei erhöhtem Muskeltonus oder bei einer Spastik, zur Ruhe zu kommen. Und dann wird auch die Schmerzintensität deutlich geringer.

Sind Schmerzen bei NMOSD heilbar?

Bei dieser Frage muss man zwei Formen von Schmerzen unterscheiden. Die akuten Schmerzen, die gleichzeitig mit einem Schub oder mit einer Attacke der Erkrankung kommen, können durch eine Schubtherapie behandelt werden. Meistens ist das eine Cortisonpulstherapie oder ein Blutaustauschverfahren. Diese Schmerzen können tatsächlich komplett rückläufig sein. Trotzdem kann es auch da mehrere Wochen dauern, bis Patient:innen schmerzfrei sind. Bei anderen chronischen Schmerzen, die schon länger bestehen, ist die komplette Heilung leider weniger wahrscheinlich. Da kann man allerdings eine gute Schmerzkontrolle durch adäquate symptomatische Therapien erreichen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Alltag mit Schmerzen bei NMOSD”

Behandlung von Schmerzen bei NMOSD

Wann sollte ich mir bei Schmerzen ärztliche Hilfe holen und wer sind meine Ansprechpartner:innen?

Wenn Sie neu aufgetretene Schmerzen haben, die Sie von früher nicht kennen, ist es auf jeden Fall sinnvoll und ratsam, sich bei der behandelnden Neurologin/dem behandelnden Neurologen vorzustellen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, dass Patient:innen mit NMOSD entweder bei einer Neuroimmunologin/einem Neuroimmunologen oder in einer spezialisierten Klinik mit neurologischem Schwerpunkt angebunden sind. Sollten die Schmerzen gleichzeitig mit neuen, anderen neurologischen Beschwerden oder Defiziten, zum Beispiel einem Taubheitsgefühl, einer Sehstörung bzw. -schwäche, auftreten, ist es wirklich ein Notfall. Dann kann es sein, dass es sich um einen Schub bzw. eine NMOSD-Attacke handelt, und dann müssen Sie umgehend in die Notfallaufnahme eines Krankenhauses oder zu Ihrer Neurologin/Ihrem Neurologen kommen. So können mögliche Folgen des Schubs minimal gehhalten werden und Sie bekommen so schnell wie möglich eine Schubtherapie.

Sollte es sich um Fluktuationen bzw. um Schwankungen von bereits bekannten Schmerzsyndromen handeln, dann hat es keine Eile, dann können Sie das in aller Ruhe bei Ihrer Neurologin/Ihrem Neurologen abklären. Sollte die neurologische Beratung für die Schmerzbehandlung nicht ausreichend sein, ist es in seltenen Fällen notwendig, dass Sie zu Schmerzspezialist:innen gehen, die die Schmerzmedikation noch genauer einstellen können.

Wie wird entschieden, wie ich bei Schmerzen bei NMOSD medikamentös behandelt werde?

Das ist vielleicht die wichtigste Frage, die wir bei diesem Thema besprechen müssen. Bevor man mit Medikamenten eine Therapie beginnt, muss man ziemlich genau feststellen, welche Schmerzformen auftreten. Dafür ist es ratsam, dass Sie Ihre Schmerzen Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt möglichst genau beschreiben. Sind das dauerhafte Schmerzen oder handelt es sich um Schmerzattacken? Wie ist der Schmerzcharakter? Ist er ziehend, erdrückend, elektrisierend, brennend oder stechend? Sind die Schmerzen stärker in der Nacht oder tagsüber? Wo sind sie lokalisiert? Gibt es Provokationsfaktoren, wann diese Schmerzen besonders stark auftreten?

Durch Ihre Beschreibungen kann die Ärztin/der Arzt genau feststellen, ob es neuropathische Schmerzen, nozizeptive Schmerzen oder vielleicht Spastik-assoziierte Schmerzen sind. Alle drei Arten haben wir bereits im ersten Teil des Kurses besprochen. Sollten es intensive, neuropathische Schmerzen sein, helfen die normalen Schmerzmittel bzw. normale Analgetika nicht ausreichend. Bei diesen Schmerzen brauchen Sie spezifische Präparate gegen neuropathische Schmerzen. Dazu gehören klassischerweise Gabapentin, Pregabalin oder auch sogenannte Natriumkanalblocker wie Carbamazepin, Oxcarbazepin und einige weitere Präparate. Diese Präparate sollten langsam aufdosiert werden und durch eine bestimmte Dosis können diese eine deutliche Linderung der Schmerzen bringen. Im Falle von Spastik-assoziierten Schmerzen müssen neben analgetischer Therapie vor allem Medikamente gegen Muskelspasmen gegeben werden, wie zum Beispiel Baclofen oder Tizanidin. Erst nach der Reduktion des Muskeltonus verspüren Sie eine Besserung der Schmerzen. Sollten Sie die sehr starken Schmerzattacken in Form von paroxysmalen, tonischen Spasmen haben, sind dies sehr intensive, zehn bis dreißig Sekunden dauernde oder kurzzeitige Schmerzattacken. In diesem Fall brauchen Sie in erster Linie sogenannte Natriumkanalblocker, wie oben bereits erwähnt; hier werden beispielsweise Carbamazepin oder Oxcarbazepin angewandt.

Um eine genaue, gezielte und effektive Schmerztherapie zu erreichen, müssen Sie somit in erster Linie Ihre Schmerzen sehr gut und vor allem genau beschreiben. In seltenen Fällen sind bei ganz starken Schmerzen noch andere Präparate bzw. Opioide notwendig. Es ist vor allem wichtig, dass die Schmerztherapie ausreichend ist und Patient:innen schmerzfrei sind, auch wenn dadurch intensivere Therapien notwendig sind. In diesem Fall ist es durchaus sinnvoll, sich mit Schmerzspezialist:innen in Verbindung zu setzen. Sollten Sie mit der Neurologin/dem Neurologen im Rahmen der Behandlung keine ausreichende Schmerzlinderung erreichen, können Sie gerne die Möglichkeit in Anspruch nehmen, sich mit einem Schmerzspezialisten in Verbindung zu setzen. Das kann zum Beispiel in einer Schmerzklinik oder einer Schmerzpraxis gemacht werden, in der die Therapie noch genauer eingestellt werden kann.

Was muss ich bei der Einnahme von Medikamenten gegen Schmerzen bei NMOSD beachten?

Schmerzpräparate bergen oft einige Nebenwirkungen, die man ganz genau beachten soll. Sowohl die Präparate gegen neuropathische Schmerzen als auch morphinähnliche Präparate oder Opioide können zu einer deutlichen Schwindelsymptomatik und zu Konzentrationsstörungen führen. Es ist durchaus ratsam, diese Präparate langsam bzw. behutsam aufzudosieren, um solche Nebenwirkungen zu vermeiden. Sollten Patient:innen versuchen, schnell zu einem Effekt zu kommen und von Anfang an eine höhere Dosis zu nehmen, führt das nicht selten zu einem kompletten Therapieabbruch und danach möchten die Patient:innen die Präparate gar nicht mehr ausprobieren. Dementsprechend haben wir dadurch eine Therapieoption weniger; hier ist Geduld trotz Schmerzen wichtig.

Andere Präparate wie zum Beispiel Carbamazepin oder Oxcarbazepin haben ein Interaktionsrisiko mit anderen Medikamenten, welche die Aktivität des Leberenzyms aktivieren können. Dadurch kann der Spiegel von anderen Medikamenten reduziert werden. Da müssen Sie genau nach Interaktionen zwischen Ihren Medikamenten und neu gegebenem Carbamazepin oder Oxcarbazepin mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt besprechen. Außerdem ist es bei diesen beiden Präparaten relevant, die Salzwerte im Blut zu kontrollieren. Es kommt nicht selten zu einer Reduktion von Salz im Blut, was auch mit deutlichen Nebenwirkungen und Beschwerden in Verbindung stehen kann.

Welche Alternativen bzw. nicht medikamentösen Behandlungen gegen Schmerzen wurden bei NMOSD getestet?

Leider haben wir im Moment nicht so viele Daten zu nicht medikamentösen Therapien bei NMOSD-assoziierten Schmerzen. Das ist aber ein sehr wichtiges Thema, da gerade viele Präparate deutliche Nebenwirkungen haben, insbesondere, wenn sie in höheren Dosierungen angewendet werden. Es gab eine interessante Studie zur Scrambler-Therapie, das ist so eine Art Stromtherapie, bei der Elektroden an bestimmte Hautareale neben der Schmerzlokalisation geklebt werden. Dabei wird mit sehr sanfter elektrischer Stimulation erreicht, dass die Nervenfasern, die Schmerzsignale weiterleiten, quasi umgeschult werden, um die normalen Signale ans Gehirn weiterzugeben. Nach zehn Tagen Therapie konnte bei diesem Verfahren der Studie siebzig Prozent Reduktion der Schmerzintensität erreicht werden, was sehr erfolgreich ist. Es wird noch abgewartet, wie und wann dieses Verfahren auch in der Praxis angewendet wird und für Patient:innen erreichbar ist.

Ansonsten gibt es nur einzelne Berichte von Cannabinoid-Präparaten, die bei NMOSD oder auch in anderen Bereichen der Schmerztherapie verwendet werden; größere Studien gibt es leider in Hinblick auf NMOSD bis jetzt nicht. Ansonsten macht es neben Medikamenten Sinn, aktiv an Physiotherapie teilzunehmen und alle Übungen zu machen, die helfen, den Muskeltonus zu reduzieren. Das kann dementsprechend zu einer Verbesserung der Schmerzen führen. Besprechen Sie mit Ihrer Physiotherapeutin/Ihrem Physiotherapeuten vor allem die Regionen, die durch die Spastik betroffen sind. Sie sollten bestimmte Dehnungsübungen gezeigt bekommen, die Sie dann regelmäßig zu Hause anwenden können. So können Sie dementsprechend auch eine Reduktion der Schmerzen ohne Tabletten erreichen.

Haben die Immuntherapien Einfluss auf die Schmerzen bei NMOSD?

Das ist eine sehr interessante Frage. Immuntherapien haben einen merkbaren Einfluss auf chronische Schmerzen. Interessant ist es, weil eigentlich Immuntherapien keinen direkten Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung haben. Ziel der Immuntherapie ist es, möglichen Schüben vorzubeugen und das Immunsystem zu beruhigen. Trotzdem berichten einige Patient:innen, dass nach Beginn der Immunprophylaxe die Schmerzintensität reduziert wird, dass Sie sich besser fühlen. Woran das liegt, kann man noch nicht genau sagen, aber möglicherweise deutet es indirekt auf unterschwellig weiterhin bestehende Entzündungen hin, auch wenn die Patient:innen keine Schübe haben. Um genau diese Frage zu beantworten, brauchen wir weitere Studien. Für die Praxis ist aber relevant, dass man auf jeden Fall bei der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung eine Immuntherapie braucht. Die Schübe können schwerwiegend sein und zudem kann es zur Schmerzlinderung beitragen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Behandlung von Schmerzen bei NMOSD”

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