Die Schizophrenie zählt zu den psychiatrischen Erkrankungen, die besonders im jungen Erwachsenenalter auftritt. In dieser Schulung erfahren Sie von Dr. Jens Mersch, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, welche Behandlungsmöglichkeiten Ihnen als PatientIn zur Verfügung stehen.
Therapien bei Schizophrenie
Was passiert nach der Diagnose?
Zunächst einmal finde ich wichtig, dass klar ist: Die Diagnose wird beim Facharzt für Psychiatrie gestellt. Auch wenn einige andere Berufsgruppen und auch Allgemeinmediziner natürlich die Verdachtsdiagnose äußern, ist einmal wichtig, dass man sich dann auf jeden Fall zum Facharzt begibt.
Nach der Diagnose wird in der Regel rasch mit der Behandlung begonnen bzw. gibt es hier eine ganz klare Empfehlung, dass man da rasch einsetzt mit der Behandlung, um ein weiteres Fortschreiten der Psychose zu verhindern.
Was passiert jetzt? Der Facharzt wird Behandlungsvorschläge machen, wird verschiedene Medikamente vorstellen und vorschlagen, wobei hier bei den Erstdiagnosen ganz wichtig ist, dass man versucht, möglichst niedrig und schonende Medikamente einzusetzen und erst langsam die Dosis zu steigern nach Wirkeintritt.
Wie kann eine Schizophrenie behandelt werden?
Die Schizophrenie wird vorwiegend mit Antipsychotika behandelt und eigentlich nur mit Antipsychotika.
Leider muss man sagen, dass es wenig Hinweise gibt, dass irgendeine andere Form der Therapie zum Erfolg führen würde.
Die gute Nachricht ist, dass es inzwischen eine Reihe moderner Antipsychotika gibt, die gut verträglich sind, so dass viele Befürchtungen und Vorbehalte gegen die Therapie eigentlich heutzutage nicht mehr so zutreffend sind.
Flankiert wird dieses Behandlungskonzept natürlich durch verschiedene Maßnahmen aus dem psychotherapeutischen und soziotherapeutischen Bereich, die aber diese Behandlung eigentlich nur ergänzen können.
Wie schnell soll die Behandlung nach der Diagnose beginnen?
Die Behandlung sollte möglichst frühzeitig nach der Diagnose, also am besten sofort beginnen. Denn ein Zuwarten macht eigentlich keinen Sinn.
Weiters sollte natürlich nicht vergessen werden, dass gleichzeitig eine organische Diagnostik laufen sollte, das bedeutet Bildgebung, am besten MRTs und Laboruntersuchungen, um auszuschließen, dass die Psychose, die sich hier erstmals manifestiert, aufgrund irgendwelcher anderen Vorgänge eintreten könnte.
Wie entscheidet meine Ärztin/mein Arzt, welche Therapie für mich gut ist?
Die Wahl der Therapie erfolgt meistens eher durch die Nebenwirkungen geleitet.
Also zunächst wird der Arzt versuchen, eine Therapieform zu wählen, die möglichst nebenwirkungsarm ist, da gibt es bei den modernen Antipsychotika eine Reihe von Optionen, und sich dann je nachdem, ob Nebenwirkungen auftreten oder nicht, weiter vorhandeln sozusagen zu einem Medikament, das dann gut funktioniert und gut vertragen wird von der jeweiligen Person. Das ist ja leider im Einzelfall nicht vorhersehbar, wer was wie gut verträgt. Und deswegen muss man sich da manchmal ein bisschen spielen. In der Regel sind die meisten Medikamente sehr gut verträglich.
Welche Möglichkeiten habe ich als PatientIn mitzuentscheiden, wie die Behandlung gestaltet wird?
Ich finde ganz, ganz wichtig, dass die Patienten von Anfang an aktiv mit eingebunden sind und mitentscheiden, welche Therapieform gewählt wird. Und da gibt es auch den schönen Begriff „shared decision making“ dafür. Also man trifft gemeinsam eine Entscheidung. Das setzt natürlich voraus, dass der Arzt oder die Ärztin den Patienten gut aufklärt, dass der Patient sich dann selbst informiert, gemeinsam mit dem Arzt für ein Medikament entscheiden kann. Und wie gesagt: Es geht um Nebenwirkungen, es geht um Verträglichkeit und dass man sich da entsprechend gemeinsam voran bewegt.
Muss ich für die Therapie ins Krankenhaus?
Man muss für die Therapie nicht unbedingt und notwendigerweise ins Krankenhaus. Das hängt sehr davon ab, wie schwer die Symptome ausgeprägt sind.
Bei einer frühen Psychose oder bei milden ausgeprägten Symptomen ist oftmals eine ambulante Behandlung möglich. Und deswegen ist es auch so wichtig, dass man sehr früh und bereits bei dem Verdacht auf eine Psychose zum Facharzt geht.
Allerdings gibt es natürlich schwere Symptome, gibt es schwere Psychosen, die hauptsächlich stationär behandelt werden sollten, weil einfach die Symptomatik so ausgeprägt ist, mit schweren Schlafstörungen, massiven Angstzuständen, häufig natürlich auch der fehlenden Krankheitseinsicht im Rahmen der Psychose, dass eine stationäre Behandlung leider manchmal nicht umgangen werden kann, andererseits häufig schneller zum Ziel führt.
Hier geht es zum Video-Interview: „Therapien bei Schizophrenie”
Antipsychotika
Was sind Antipsychotika und wie wirken sie?
Antipsychotika, das steckt ja auch schon im Namen, sind dazu gemacht, um Psychosen zu behandeln, also gegen die Psychose zu wirken. Früher haben die Neuroleptika geheißen. Der Begriff wird inzwischen mehr oder weniger verlassen.
Antipsychotika wirken also gegen eine Psychose und wirken in der Form, dass die Gedanken wieder geordneter werden, Wahnsymptome, Halluzinationen zurückgehen. Und es gibt da so ein Modell über eine Filterhypothese, dass die Schizophrenie gewissermaßen eine Filterstörung ist, bei der aus dem Unbewußten und Gedankeninhalte chaotisch, sozusagen an die Oberfläche dringen, und die Antipsychotika sozusagen einen Filter wieder bilden, der diese Symptome zurückdrängt und wieder ein klares Bewusstsein ermöglichen.
Welche Antipsychotika werden heute verwendet?
Bei den Antipsychotika ist es so, dass diese so beginnend mit den 50er Jahren überhaupt erst erfunden wurden. Das ist also eine relativ junge Substanzgruppe. Mehr durch einen Zufallsfund wurden die entdeckt.
Inzwischen werden sie eingeteilt in zwei Generationen:
Die erste Generation ist sozusagen die ältere Generation, die sehr häufig mit starken Nebenwirkungen vergesellschaftet war. Da waren vor allem die Bewegungsstörungen auch gefürchtet. Und man könnte eigentlich sagen, dass die alten Antipsychotika die Psychiatriepatienten oft erst zu von außen erkennbaren Psychiatriepatienten gemacht haben durch bestimmte Gangbilder, also dieser schleppende schwere Gang, Parkinson-Symptome und einer Reihe anderer Nebenwirkungen, die die Therapie sehr stark belastet haben.
Und es gibt jetzt diese zweite moderne Generation der Antipsychotika, die eben durch diese Nebenwirkungen nicht mehr so belastet ist. Die haben auch teilweise andere Nebenwirkungen. Das ist unterschiedlich ausgeprägt zwischen den Patienten. Das kann man auch im Einzelfall so nicht vorhersehen. Aber in der Regel handelt es sich hier um wesentlich besser verträgliche Medikamente, die auch die schizophrene Erkrankung globaler behandeln und nicht nur die Symptome wie Wahn und Halluzinationen behandeln, sondern eben auch Symptome wie Depressivität, Antriebsstörung mit im Fokus haben und hier gute Erfolge bringen.
Besonders wesentlich ist zu den modernen Antipsychotika auch zu sagen, dass sie einfach die soziale Funktionsfähigkeit wesentlich besser wiederherstellen und sich da massive Unterschiede ergeben. Gegenüber der Behandlungsperspektive von vor vielleicht 20, 30 Jahren, als eine Schizophrenie doch eine sehr invalidisierende Erkrankung war, gibt es jetzt doch Aussicht auch auf wirklich eine gute Wiederherstellung der Patienten.
Machen Antipsychotika abhängig?
Antipsychotika machen nicht abhängig. Das ist eine sehr häufige Befürchtung oder Annahme den Psychopharmaka allgemein gegenüber, das ist auch hier wichtig zu sagen, es gibt eigentlich nur diese Beruhigungsmittelgruppe, die die Gefahr hat, Abhängigkeit zu verursachen. Antidepressiva und Antipsychotika machen nicht abhängig. Das ist ganz wesentlich.
Das zeigt sich daran, dass Antipsychotika auch nicht mit einer sofort eintretenden berauschenden Wirkung einhergehen und dass es dabei nicht zu Dosissteigerung kommt und auch nicht zu einer Gewöhnung. Das heißt, dass man immer höhere Dosierungen brauchen würde, wenn man die länger nimmt.
Und das wären alles Kriterien, die für eine Abhängigkeit entscheidend sind. Und alle diese Kriterien treffen für Antipsychotika nicht zu.
Wie wahrscheinlich ist ein Rückfall unter medikamentöser Therapie?
Für den Rückfall gibt es ganz eindeutige Daten, die klar belegen, dass das Rückfallsrisiko unter einer antipsychotischen Therapie massiv reduziert ist. Hier gibt es natürlich Studien, die gegenüber Placebo, also einer Nicht-Medikation gelaufen sind. Und da ist ganz klar nachgewiesen, dass mit einem Antipsychotikum das Rückfallsrisiko drastisch reduziert ist.
Wie erfolgt die Behandlung mit Antipsychotika?
Die Behandlung mit Antipsychotika erfolgt in der Regel entweder oral oder über ein Depot-Medikament. Depot-Medikamente sind Injektionen, die monatlich bis zu 3-Mal gegeben werden können. Das erspart die tägliche Einnahme einer Tablette.
Die meisten Antipsychotika werden zumindest einmal oral genommen, also eine Tablette täglich. Manche muss man bis zu zwei Mal am Tag oder bis zu drei Mal am Tag nehmen.
Wann werden Depotspritzen bevorzugt eingesetzt?
Depot-Medikamente wurden früher vorwiegend eingesetzt für besonders schwere Krankheitsverläufe oder für Patienten, die die Medikamente nicht freiwillig nehmen wollten.
Durch die Möglichkeit, die es heutzutage gibt, dass viele moderne Antipsychotika als Depot-Medikation verfügbar sind, hat sich dies massiv verändert, auch in der Wahrnehmung der Psychiatrie-Community, dass moderne Antipsychotika als Depot-Medikation sich fast zu einem Goldstandard entwickelt haben inzwischen, weil einfach ganz klar gezeigt werden konnte, dass die Behandlungsaussichten, was die Rückfallshäufigkeit und auch den Behandlungserfolg betrifft, viel besser sind unter Depot-Medikation. Denn Depot-Medikation bildet einen kontinuierlichen Spiegel gegenüber diesen täglich wiederkehrenden Plasmaspitzen, die man hat, wenn man täglich eine Tablette nimmt. Ganz zu schweigen davon, dass Tabletten immer wieder mal vergessen werden. Und bei Depot-Medikation ist es auch für viele Patienten sehr befreiend, nicht jeden Tag an eine Tablette denken zu müssen.
Das bedeutet zusammengefasst, dass Depot-Medikamente heutzutage eigentlich von Beginn der Behandlung schon in Betracht kommen und es sozusagen inzwischen so ist, dass man sich überlegen muss, warum man kein Depot-Medikament gibt.
Welche Nachteile haben Depotspritzen?
Die Vorteile der Depot-Medikation habe ich schon dargestellt. Das heißt: Der Behandlungserfolg ist meistens besser.
Die Nachteile sind natürlich bei Depot-Medikation, dass man schon genau wissen muss, ob man das Medikament verträgt, bevor man Depot für einen Monat verabreicht und sozusagen schon vorher erste Erfahrungen mit der Substanz als Tablette gesammelt haben sollte.
Ein weiterer Nachteil ist natürlich, dass man jetzt nicht so gut die Dosis anpassen kann, denn die ist dann sozusagen unterwegs für einen Monat.
Es könnte ein Nachteil sein in bestimmten Fällen, wenn man sich von der Therapie ein bisschen anpassen will, bisschen mitgehen, überlegen, ob man da ein bisschen höher geht, ein bisschen runtergeht. Das geht bei Depot-Medikamenten eingeschränkt.
Ein wesentlicher Vorteil von Depot-Medikamenten ist, dass es in der Regel gelingt, die gesamte Bei-Medikation sehr stark zu reduzieren. Denn sehr häufig bekommen ja Patienten mit einer schizophrenen Erkrankung mehr als nur ein Antipsychotikum. Manchmal sind da Kombinationen mit verschiedenen anderen Medikamenten unterwegs. Und es hat sich schon gezeigt, dass diese Kombinationsbehandlungen, die sowieso sehr kritisch sind und wo es auch relativ wenig Daten gibt, dass die was bringen, in der Regel deutlich reduziert werden können, wenn ein Depot verabreicht wird.
Wie wird ein Depot nun verabreicht und wer macht das überhaupt? Depot wird in der Regel von den Fachärzten verabreicht. Natürlich geht es auch beim Hausarzt mit monatlichen Injektionsintervallen.
Wie läuft der Beginn mit Depotspritzen ab?
Depot-Medikation wird also in der Regel zunächst als Tablette, also oral eingenommen, und man muss erst einmal rausfinden, welche Dosierung überhaupt die optimale ist und ob das Medikament auch gut vertragen wird.
Dann wird umgestellt auf die Depotspritze in entsprechender Dosierung für einen Monat, und das Medikament, das geschluckt wird, ausgeschlichen.
Natürlich ist es auch möglich, wenn aus irgendwelchen Gründen die Depot-Medikation wieder geändert werden soll, zurück auf das Medikament zu gehen und die Tabletten weiter zu nehmen.
Kann ich die Medikamente absetzen, wenn ich mich besser fühle?
Dies ist ein häufiger Wunsch, natürlich in der Hoffnung, dass man die Medikation auch wieder mal absetzen kann.
Zur Schizophrenie ist zu sagen, dass es eine Erkrankung ist, die sehr häufig wiederkehrt. Es gibt natürlich daneben auch die Ausnahmen, dass eine Psychose einmalig auftritt und dann nie wiederkommt. Natürlich weiß niemand nach der ersten Psychose, ob diese Psychose wiederkommt oder nicht mehr wiederkommt. Und das bedeutet: Es ist zunächst einmal auf jeden Fall wichtig, die Medikamente über den Zeitpunkt der Genesung hinaus weiter zu nehmen. In der Regel wird hier ein halbes Jahr empfohlen. Nach dem halben Jahr wird es wichtig sein, in enger Rücksprache mit dem Facharzt, wenn der Wunsch besteht, die Medikation wieder auszuschleichen, und das ist relativ häufig, die Medikation nur schrittweise und sehr, sehr vorsichtig zu reduzieren und genau aufzupassen, ob wieder Symptome auftreten.
Und natürlich gibt es immer wieder Fälle, dass es gelingt, die Medikation auszuschleichen. Aber leider sind die Fälle häufiger, wo die Symptome zurückkommen.
Schizophrenie ist primär eine Erkrankung, die eher etwas Chronisches darstellt. Und deswegen ist es auch so wichtig, dass wir vom ersten Tag an gut behandeln und konsequent behandeln, denn jeder dieser Rückfälle verursacht einfach einen massiven Schaden und verursacht auch Probleme, wo der Anschluss verloren wird ans Leben, wo wichtige Abschlüsse in der Ausbildung nicht gemacht werden können, weil ja eben die Erkrankung eben genau im jungen Erwachsenenalter auftritt.
Was ist aus wissenschaftlicher Sicht die beste Therapie bei Schizophrenie?
Die beste Therapie bei Schizophrenie ist die Therapie, die funktioniert. Das bedeutet ein Medikament, das gut vertragen wird, möglichst wenig Nebenwirkungen beim Patienten verursacht und die beste Symptomkontrolle und die beste Rehabilitation zurück ins Leben ermöglicht. Und da ist es wirklich wichtig, dass man nicht ruht und nicht rastet, bis man die für den individuellen Fall geeignetste Therapie gefunden ist.
Zusammenfassend ist zu sagen: Es geht wirklich darum, ein Medikament zu finden, das dem individuellen Patienten am allerbesten hilft und das er gut verträgt. Und eigentlich ist der Tisch da breit gedeckt, und man sollte da auch alles probieren, wenn man das Gefühl hat, man kommt nicht richtig hin bis zur Remission.
Welche unterschiedlichen Nebenwirkungen können Antipsychotika haben?
Die Nebenwirkungen der einzelnen Antipsychotika sind in der Tat sehr unterschiedlich, und man kann das nicht global für die gesamte Gruppe der Antipsychotika sagen.
So gibt es zum Beispiel Antipsychotika, die dazu neigen, Gewichtszunahme zu fördern, und es gibt Antibiotika, die eher dazu neigen, Bewegungsstörungen zu verursachen. Sehr häufig sind auch sexuelle Funktionsstörungen. Manchmal kommt es zu Zyklusveränderungen. Also es gibt eine Reihe von Nebenwirkungen. Wie gesagt, unterschiedlich zwischen den einzelnen Antipsychotika.
Deswegen ist auch die Verschreibung eines Antipsychotikums, wie eingangs gesagt, oft nebenwirkungsgeleitet.
Und ganz wesentlich ist, dass nicht bei allen Patienten die gleichen Nebenwirkungen vorhersehbar auftreten. Das bedeutet: Im Umgang mit Nebenwirkungen ist es ganz wichtig, dass man die aktiv anspricht und dass man bei sehr belastenden Nebenwirkungen unbedingt auch versucht, ein Antipsychotikum zu wechseln.
Natürlich ist es so, dass es manchmal so sein wird, dass man zwischen Nebenwirkungen und Wirkungen sozusagen eine Balance finden muss und dass man bei einer sehr guten Wirkung vielleicht auch mal geneigt sein wird, eine geringe Nebenwirkung zu tolerieren, weil eben der Therapieeffekt so gut ist. Und manchmal wird es so sein, dass die Nebenwirkungen im Vordergrund stehen und die Wirkung schlecht ist. Und da wird man unbedingt das Medikament wechseln.
Bei welchen Beschwerden sollte ich mich an meine Ärztin/ meinen Arzt wenden?
Grundsätzlich sollte man sich bei allen Beschwerden an die Ärztin und den Arzt wenden, weil ich finde, prinzipiell muss man Beschwerden nicht unbedingt tolerieren.
Wichtig ist es auf jeden Fall sofort zu reagieren, wenn akute Beschwerden auftreten, die vorher so nicht da waren. Beschwerden könnten ja auch zum Beispiel sein ein Verlust der Wirkung, dass man das Gefühl hat, die Erkrankung kommt zurück. Und Beschwerden könnten natürlich auch sein, dass das Medikament in Kombination zum Beispiel mit einem anderen Medikament, z.B. einem Antibiotikum gegeben, Nebenwirkungen verursacht, die es vorher nicht verursacht hat. Und deswegen ist es wichtig, dass man auch rasch reagieren kann und Lösungen sucht.
Was kann ich selbst bei Nebenwirkungen tun?
Natürlich ist es so, dass bei den Nebenwirkungen das auch immer versucht wird, die tolerabel zu machen oder zu reduzieren.
Ein typisches Beispiel sind zum Beispiel die Gewichtsveränderungen, wo es eben Medikamente gibt, die eine Gewichtszunahme begünstigen. Allerdings ist es hier so, dass die Aussichten oft begrenzt sind. Man wird zunächst versuchen, durch kalorienbewusstes Ernähren, durch Bewegung sozusagen den Effekt, den Nebenwirkungseffekt zu reduzieren. Wenn das aber nicht zum Erfolg führt, sollte schon auch darüber nachgedacht werden, ein Medikament auch mal zu ändern.
Hier geht es zum Video-Interview: „Antipsychotika”
Zusätzliche Therapien
Welche anderen Medikamente können noch notwendig sein und warum?
In der Behandlung von Psychosen werden sehr häufig, besonders in der Akutphase Beruhigungsmittel eingesetzt, einfach weil in einer akuten psychotischen Erregung ein Antipsychotikum zu lange braucht, um zu wirken bzw. nicht alle Antipsychotika sedierend wirken. Das bedeutet: Hier brauche ich in der Einstiegsphase oftmals ein Beruhigungsmittel, das nach einigen Wochen auch wieder reduziert werden kann, weil ja die Beruhigungsmittel ein gewisses Abhängigkeitspotenzial haben und eben benebeln und die Sedierung mit dem Alltag meistens nicht zu vereinen ist. Das ist die ganz wesentliche Gruppe in der Kombination aus Behandlung.
Weiters ist es manchmal so, dass bei Negativsymptomen der Schizophrenie, damit sind gemeint depressive Symptome, sozialer Rückzug, Antriebsmangel, Antidepressiva eingesetzt werden. Und hierbei ist eigentlich kritisch anzumerken, dass es dafür relativ wenig Daten und Studien gibt, die das bestätigen würden, dass dieses Vorgehen etwas bringt. Nichtsdestotrotz wird es immer wieder versucht, manchmal mit Erfolg.
Was sollte ich bei der Einnahme der Medikamente beachten?
Bei der Einnahme der Medikamente ist generell mal auf eine Regelmäßigkeit zu achten. Das heißt, dass es täglich genommen wird. Und ich sage mal zu ungefähr gleichen Zeitpunkten. Es muss nicht sklavisch genau um 8 Uhr genommen werden, aber so am Morgen alle 24 Stunden z.B. ein Medikament zu nehmen ist wichtig.
Weiters ist wichtig, dass bei einer Kombination mit anderen Medikamenten darauf zu achten ist, ob die alle zusammenpassen. In dem Fall müsste man den Arzt informieren und nachfragen, ob es da Wechselwirkungen gibt zwischen den einzelnen Medikamenten, z.B. eine Antibabypille oder ein Antibiotikum.
Außerdem ist auch ganz wesentlich, dass die Schizophrenie natürlich in Episoden kommt und dass es daher gut sein kann, dass man ein Medikament auch vielleicht vergisst und für eine Woche vergisst und dann sozusagen den Schluss daraus zieht, man bräuchte das Medikament nicht mehr. Häufig sagen Patienten: „Ich habe es jetzt zweimal vergessen und es ist nichts passiert. Also bin ich jetzt gesund.“
Und da ist es einfach ganz wesentlich, dass das gut laufen kann für eine Woche, für den Monat, auch für zwei Monate und dann nach vielen Monaten wieder ein Rückfall in die Psychose erfolgt und das trotzdem damit zu tun hat, dass das Medikament abgesetzt wurde und ein kurzes freies Intervall existiert hat und dann wieder ein Rückfall in die Psychose erfolgt.
Deswegen sollte Absetzen immer nur gemeinsam mit dem Facharzt und dann auch immer nur ausschleichend unter einer engmaschigen Beobachtung erfolgen.
Wie könnte kontrolliertes Absetzen aussehen?
Wie besprochen: In einigen wenigen Fällen ist es so, dass durchaus eine Psychose nur einmal auftreten kann und nicht zurückkommt. In diesen Fällen, und das weiß man natürlich nie und deswegen sollte jeder auch das Recht darauf haben, wenn er das möchte, dass man kontrolliert absetzt.
Wie könnte das jetzt also aussehen? Kontrolliertes Absetzen würde bedeuten: In Rücksprache mit dem Facharzt die Medikation schrittweise zu reduzieren über einen langen Zeitraum und sich vorher darüber zu verständigen: Was sind sogenannte Frühwarnzeichen, das heißt Symptome, die typisch sind für die Erkrankung der jeweiligen Patienten.
Das bedeutet, der eine könnte Schlafstörungen haben, die andere könnte Konzentrationsstörungen bemerken, es könnten Ängste auftreten, es könnte eine gewisse Unsicherheit auftreten, die bemerkt wird, wenn man zum Beispiel in die U-Bahn steigt. Und diese Frühwarnzeichen, die häufig die Vorläufersymptome der Psychose waren, die sollten vorher besprochen sein und sozusagen kartografiert werden, damit klar ist: „Worauf achten wir denn, wenn wir jetzt die Medikation reduzieren?“ Idealerweise wissen auch die Angehörigen darüber Bescheid, dass gerade reduziert wird und auf welche Symptome zu achten ist, damit man rechtzeitig gegensteuern kann, bevor es wieder zu voll ausgebildeten Psychose kommt.
Wann ist eine Psychotherapie bei Schizophrenie sinnvoll?
Prinzipiell ist eine Psychotherapie dann sinnvoll, wenn es darum geht: Wie gehe ich mit der Erkrankung im Leben um? Also eher diese Coping-Seite, wie man neumodern dazu sagt.
Weiters gibt es natürlich viele psychotherapeutische Verfahren, auch Psychoedukationsmodule, die sich speziell mit der Schizophrenie beschäftigen und die hoch sinnvoll sind, weil es eben hier darum geht, bestimmte kognitive Fähigkeiten auch wieder zu schulen und die Integration im Alltag zu fördern.
Also Psychotherapie macht Sinn. Aber Psychotherapie macht keinen Sinn unter dem Aspekt, die Schizophrenie zu behandeln im Sinne einer kausalen Therapie, sondern mehr im Sinne einer symptomatischen Begleitung und Optimierung der Alltagsintegration.
Kann eine Psychotherapie die Medikamente ersetzen?
Psychotherapie kann Medikamente unmöglich ersetzen. Eine Psychotherapie ist dafür geeignet, den Umgang mit der Erkrankung zu verbessern, aber nicht dafür geeignet, die Erkrankung selbst zu therapieren.
Es gab einmal in den 70er Jahren im Rahmen der Anti-Psychiatrie-Bewegung einen Trend, Psychotherapie als Behandlungsoption auch für schizophrene Psychosen einzusetzen. Da gab es zum Beispiel die Soteria in der Schweiz.
Leider hat sich da nie irgendwas gezeigt oder kein großer Erfolg eingestellt.
Wie läuft eine Psychotherapie in der Regel ab?
Eine Psychotherapie ist ja eigentlich nur ein Überbegriff für verschiedene Angebote. Und ich würde hier auch die Psychoedukation dazu rechnen.
Also das bedeutet, eine Psychotherapie könnte zum Beispiel in einer Gruppenform stattfinden, wo einfach die Patienten miteinander sich austauschen oder auch Angehörige sich austauschen können und wo auch ein gewisses Knowhow und Expertenwissen vermittelt werden kann. Das wäre so eine grobe Umschreibung für Psychoedukation.
Eine Psychotherapie kann natürlich auch im ganz klassischen Setting Eins zu Eins stattfinden, wo es, wie gesagt, mehr um die Auswirkungen der Erkrankung geht und um Deutungen.
Eine Psychotherapie könnte auch stattfinden im Rahmen eines Familiengesprächs oder einer Helferkonferenz, wo einfach das relevante System beieinandersitzt und man die Situation zu optimieren versucht.
Wie lange ist eine Psychotherapie notwendig?
Das ist schwer zu sagen.
Eine Psychotherapie ist letztlich immer und, nicht nur bei der Schizophrenie, abhängig vom Leidensdruck der Behandelten. Und wenn der Eindruck entsteht: „Ich komme jetzt wieder besser zurecht“, dann schafft sich die Therapie hoffentlich selber ab.
Wann werden Angehörige mit einbezogen?
Der Einbezug der Angehörigen ist ganz wesentlich und wichtig und sollte eigentlich von Beginn der Therapie einsetzen, denn gerade die Angehörigen sind in der Frühphase der Erkrankung ganz relevant und wichtig, um den Betroffenen oder die Betroffene zu unterstützen, mit einer regelmäßigen Medikationseinnahme für Sicherheit zu sorgen und auch selbst die Erkrankung zu verstehen. Denn gerade aus den Reihen der Angehörigen kommt dann oft, speziell wenn die Symptome abgeklungen sind und die Patienten sich in einem besseren Zustand befinden, die Anregung, die Medikation wieder abzusetzen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Zusätzliche Therapien”
Soziales Umfeld
Welche Rolle spielen Angehörige bei Schizophrenie?
Die Angehörigen sind ein ganz relevanter Faktor als Motivatoren, als Co-Therapeuten und auch als Informierte von Anfang an in die Therapie mit einzubeziehen.
Wie beziehen Sie die Angehörigen ein?
Die Angehörigen sind, wie gesagt, von Anfang an dabei nach Möglichkeit. Die Angehörigen sind häufig auch im Verlauf der Erkrankung relevant, um auf Frühwarnzeichen, also frühe Krankheitssymptome, die sozusagen als Vorläufersymptome, bevor es zur vollen Psychose kommt, auftauchen können hinzuweisen und eben richtig auf diese frühen Symptome zu reagieren und die Betroffenen darauf hinzuweisen: „Pass mal auf: Du schläfst schon wieder drei Nächte nicht“ zum Beispiel. Und da kann oft von den Angehörigen der Impuls zu einer neuerlichen Behandlung erfolgen.
Und es ist wichtig, dass man das vorher schon bespricht.
Was ist Psychoedukation, und warum ist sie bei Schizophrenie wichtig?
Psychoedukation ist ein sehr strukturiertes, auf Manualen basiertes Lehrverfahren für Betroffene und auch für Angehörige, wo über Symptome, Behandlungsmöglichkeiten, Verlauf einer Erkrankung informiert wird und sozusagen eine gemeinsame Basis des Wissens hergestellt wird und die Patienten so zu Experten werden.
Welche Auswirkungen kann Schizophrenie auf zwischenmenschliche Beziehungen haben?
Schizophrenie kann ganz desaströse Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen haben, weil ja die Person, die von einer Schizophrenie betroffen ist, sozusagen „verrückt“ ist. Das bedeutet, für die Bezugspersonen ist das Verhalten oft nicht nachvollziehbar. Häufig kommt es auch zu Aggressionen, zu aggressivem Verhalten der Betroffenen gegenüber ihrem primärem Umfeld. Es ist total verwirrend und verstörend oft für Angehörige, zu erleben, wie ihr Sohn oder ihre Tochter in einer eigenen Welt abdriftet. Sehr häufig wird es auch dann mit Drogenkonsum vergesellschaftet sein bzw. wird Drogenkonsum vermutet. Und so kommt es zu sehr zerstörenden zwischenmenschlichen Erlebnissen auf dem Rahmen der Psychose.
Wie kann ich Ausgrenzung und sozialen Abstieg verhindern?
Ausgrenzung und sozialer Abstieg sind die gefürchteten Folgewirkungen der schizophrenen Erkrankung an sich. Und das bedeutet: Es braucht eine gemeinsame Anstrengung zum einen der Entstigmatisierung der Erkrankung, der Awareness-Bildung, dass auch eine Sensibilität im Umfeld da ist, dass es eine Erkrankung ist und keine Grille oder keine sich selbst ausgewählte Laune des Betroffenen. Und insofern geht es darum, wirklich zu informieren und auch eine konsequente und suffiziente Therapie sicherzustellen.
Was kann ich als PatientIn zur Therapie beitragen?
Ganz, ganz wesentlich ist zu sagen, dass bei der Schizophrenie, die eine Erkrankung des jungen Erwachsenenalters ist, sehr häufig heutzutage Cannabisprodukte mit an Bord sind sozusagen als Auslösefaktoren. Und das hat sehr viel damit zu tun, dass THC einfach inzwischen sehr weitverbreitet ist und das in den modernen Cannabisprodukten das THC sehr stark angereichert ist. Dass bedeutet also, irgendwie oder ganz generell gesprochen: THC hat bei einer Psychose oder nach einer Psychose überhaupt nichts mehr verloren. Es ist sozusagen ein Selbstzerstörungsknopf, wenn man THC-Produkte weiter konsumiert. Und deswegen ist da eine Abstinenz ganz, ganz wesentlich.
Wie kann ich mich als PatientIn dazu motivieren, die Therapie fortzuführen?
Motivation entsteht, finde ich, generell erst dann, wenn es ein Ziel gibt, das mit einer mit einer Lust, dieses Ziel zu erreichen, verbunden ist. Das bedeutet also: Therapie funktioniert dann am besten, wenn sich der Therapeut und die Patienten auf ein gemeinsames Ziel einigen können. Das kann jetzt ein Ziel sein, das in der Nähe liegt oder ein Ziel, das in der Ferne liegt. Häufig geht es eben aufgrund der Erkrankung des Alters um Ausbildungen, die abgeschlossen werden sollen, um Reisen, die geplant sind. Und solche individuellen Ziele zu finden, macht die Therapie leichter.
Hier geht es zum Video-Interview: „Soziales Umfeld”
Geprüft Dr. Jens Mersch: Stand 25.01.2022 | Quellen und Bildnachweis