Letzte Woche habt ihr bereits fünf persönliche Perspektiven kennengelernt – mit vielen alltagstauglichen Tipps von smarter Medikamenten-Kühlung bis Notfallordner. Heute geht’s weiter: Diesmal teilen Anna Lena (juvenile Arthritis), Evita (Lupus erythematodes), Willy (Morbus Fabry), Annika (Diabetes) und Agnes (Morbus Still) ihre Erfahrungen, Strategien und Aha-Momente. Ob Packlisten-Fan, Planungsprofi oder Genussmensch mit Pausenroutine – ihre Wege zeigen, wie Reisen trotz (oder gerade mit) chronischer Erkrankung gelingen kann. Lass dich inspirieren, pick dir heraus, was zu dir passt, und gestalte deinen Urlaub so, dass er sich sicher und gut anfühlt. Los geht’s!
Reisen mit chronischer Erkrankung – Teil 2
Anna Lena
Mein Name ist Anna Lena, ich bin 23 Jahre alt und komme aus Bad Goisern in Oberösterreich. Seit etwa vier Jahren lebe ich in Wien und studiere Internationale Betriebswirtschaft. Als Kind wurde bei mir juvenile Arthritis diagnostiziert.
Medikamente richtig kühlen und transportieren
Medikamente unterwegs kühl zu halten, ist im Sommer besonders wichtig. Neben klassischen Kühlpacks, die in speziellen Medikamententaschen verwendet werden, können auch Instant-Coolpacks eine wertvolle Ergänzung sein – sie lassen sich bei Bedarf aktivieren, wenn die Temperatur zu stark ansteigt. Ein Bluetooth-Temperaturmessgerät in der Medikamententasche hilft dabei, die Temperatur jederzeit im Blick zu behalten. Am Flughafen kannst du in vielen Apotheken Medikamente zwischenkühlen lassen.
Ganzheitlich auf Schutz achten
Gerade bei chronischen Erkrankungen ist ein umfassender Schutz während der Reise entscheidend. Um das Infektionsrisiko gering zu halten, kann das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in öffentlichen Verkehrsmitteln oder stark klimatisierten Räumen sinnvoll sein. Schone außerdem deinen Körper und deine Gelenke: Nutze einen Rollkoffer, vermeide schwere Taschen und nimm Hilfe beim Gepäcktragen in Anspruch. Auch Sonnenschutz gehört ins Reisegepäck – etwa Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor, eine Kopfbedeckung und luftige, schützende Kleidung.
Notfallordner erstellen – für ein sicheres Gefühl unterwegs
Ein gut vorbereiteter Notfallordner kann vor allem beim Fliegen mit Medikamenten wichtig sein. Darin enthalten sein sollten eine ärztliche Bescheinigung für deine Medikamente oder ein ausgefüllter Medikamentenpass – idealerweise auf Englisch und in der Sprache des Reiselandes. Du kannst eine Tabelle mit Medikamentennamen, Dosierungen und Einnahmezeiten erstellen und sie von deiner Ärztin oder deinem Arzt bestätigen lassen. Füge außerdem wichtige Versicherungsunterlagen hinzu, etwa zur Frage, ob bei einem medizinischen Notfall die Kosten übernommen werden.
Evita
Evita lebt mit Lupus erythematodes. Sie ist Yoga-Lehrerin, angehende Spiritual-Life-Coachin, Gründerin von Glanzvoller und angehende Buchautorin – mit Herz, Humor und einer Prise Magie. Mummy, Kroatin im Herzen und spirituelle Kreativqueen mit einem Hang zu Glitzer, innerer Arbeit und ehrlichen Worten. Statt Kaffee gibt’s bei ihr Zitronenwasser mit Klarheitsfaktor – am liebsten mit Blick ins Leben. Evita glaubt daran, dass in uns allen ein Funkeln steckt, das nur darauf wartet, wieder zu leuchten. Sie liebt echte Verbindungen, Manifestieren, kleine Rituale mit großer Wirkung und freut sich riesig über Austausch – schreib ihr gern!
Früher hat mich allein der Gedanke an Kofferpacken gestresst. Heute weiß ich: Mit der richtigen Vorbereitung, in meinem Fall „Listen“, kann ich auch mit Lupus reisen – entspannt, sicher und mit einem zufriedenen Gefühl.
Vorbereitung
Was mir beim Reisen mit meiner Erkrankung besonders wichtig geworden ist? Ganz klar: Vorbereitung – medizinisch, praktisch (was ich erleben möchte) und emotional (was ich mir Gutes tun kann, z. B. Massagen buchen). Ich schreibe mir vor jeder Reise eine Liste mit allen Medikamenten, die ich regelmäßig brauche – inklusive Reserve, Supplements und Notfall-Medikamenten. Auch Dinge wie Sonnenschutz, den ich gut vertrage und vorher getestet habe, eine Cappy und schützende Kleidung stehen fix auf der Packliste.
Recherche
Da ich bestimmte Lebensmittel wie Laktose, Sonnenblumenöl oder Knoblauch nicht vertrage, recherchiere ich im Vorfeld, wo ich einkaufen kann und wie ich mich selbst versorge, oder informiere das Hotel zuvor. Super wichtig. So habe ich meine Ernährung auch unterwegs unter Kontrolle.
Genießen
Was ich lange unterschätzt habe: Auch die Rückkehr darf stressfrei sein. Deshalb suche ich mir vor Ort (nicht im Hotel) meist einen Wäscheservice – am besten einen, der auch bügelt. So kann ich meine Sachen zu Hause direkt in den Schrank räumen. Und ganz wichtig: Ich plane nicht zu viel. Mein Körper braucht Pausen – und mein Kopf auch. Lieber bewusst Luft lassen und die Reise genießen, statt sie durchzutakten.
Wenn du selbst chronisch erkrankt bist, hoffe ich, dass dir diese Tipps helfen. Für mich machen sie den Unterschied zwischen „irgendwie durchhalten“ und „wirklich genießen“. Wie immer freue ich mich über Austausch.
Schulung ``Reisen mit HAE``
Mit hereditärem Angioödem (HAE) zu verreisen, bringt oft viele Fragen mit sich – von der Medikamentenplanung bis zur Wahl des Reiseziels. In dieser Schulung findest du praktische Hinweise, wie du deine Reise gut vorbereiten und auch unterwegs entspannt und sicher bleiben kannst. Ob allein, mit Familie oder mit einem Kind, das an HAE erkrankt ist: Es geht darum, stressige Situationen zu vermeiden, sich gut zu organisieren und im Notfall vorbereitet zu sein – damit deine Reise so verläuft, wie sie soll: erholsam und schön.
Willy
Willy ist 65 Jahre alt und erhielt im April 2014 die Diagnose „Morbus Fabry“. Heute ist er Obmann der Morbus Fabry Selbsthilfegruppe in Österreich.
Richtig planen:
Wer gerne verreist, sollte sich durch seine Erkrankung nicht aufhalten lassen. Wichtig ist dabei die Planung, welche man als Patient selber durchführen sollte. Speziell bei Fernreisen: Klima – vertrage ich Kälte oder Hitze? Schaffe ich auch längere Wanderungen in höheren Lagen wegen der dünneren Luft. Auch beachten, dass bei längeren, weit entfernten Reisezielen eine andere Zeitzone herrscht, auch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einnahme der Medikamente.
Medizinische Beratung:
Brauche ich in dem Land, wo ich hinreise, Impfungen? Sind diese zusätzlichen Medikamente auch mit meinen Dauermedikamenten verträglich? Unbedingt mit dem behandelnden Facharzt besprechen. Bei Fernreisen Infos beim Tropeninstitut einholen. Eine kleine Reiseapotheke mitnehmen, vor allem jene Medikamente, welche ich täglich einnehmen muss. Unbedingt darauf achten, dass man über die Urlaubsdauer genug von den Medikamenten bei sich hat. Wenn möglich eine Woche darüber – sicherheitshalber, denn am Urlaubsort bekommt man keine speziellen Medikamente.
Gute Absicherung
Reiseversicherung abschließen, vor allem für Rücktransport, am besten all inclusive, zahlt sich aus. Bei Fernreisen über das Bundesministerium für Internationale Angelegenheiten: www.bmeia.gv.at Informationen zu dem Land, wo man hinreisen will, einholen sowie auch für die Dauer der Reise sich dort anmelden wegen eventueller Notfälle. Je besser die Planung, umso schöner der Urlaub, vor allem zeitig genug mit der Planung anfangen.
Einen schönen Urlaub
wünscht euch Willy
Annika
Annika lebt schon seit ihrer frühen Kindheit mit der Diagnose Diabetes. Auf Instagram klärt sie über ihre Erkrankung auf und hilft anderen Betroffenen mit Tipps und ihren eigenen Erfahrungen.
Meine Top 3 Tipps für Reisen mit chronischer Erkrankung
Vorbereitung ist alles!
Egal wie und wo man hinfährt/hinfliegt, ist die Vorbereitung alles. Fliege ich in den Sommerurlaub ans Meer, also brauche ich mehr Pflaster für den Sensor/Katheter etc.? Genaue Planung ist wichtig. Besonders wenn man außerhalb Europas Urlaub macht, ist es wichtiger, lieber mehr „Material“/Medikamente mitzunehmen als zu wenig.
Genug Zeit am Flughafen einplanen!
Meistens wird man am Flughafen mit einer Insulinpumpe rausgezogen und muss einen Sprengstofftest machen. Deswegen lieber etwas mehr Zeit einplanen, um entspannt in den Urlaub starten zu können.
Sich nicht aufhalten lassen und Spaß haben!
Natürlich ist es etwas aufwendiger, wenn man mit einer chronischen Erkrankung Urlaub macht, jedoch soll dies nie ein Hindernis sein, sondern man kann alles machen und schaffen, mit genug Planung und Vorbereitung.
Agnes
Ich heiße Agnes und bin 35 Jahre alt. Mit 30 hatte ich den ersten Rheumaschub und erhielt die Diagnose Morbus Still. In meinen 20ern bin ich sehr viel gereist, habe unter anderem ein Auslandssemester in Indien gemacht und war bereits einige Male in Asien backpacken. Meine Leidenschaft war und ist es, neue Kulturen zu erleben und vor allem exotische Ziele zu bereisen. Nach der Rheuma-Diagnose war ich nun auf immunsupprimierende Medikamente angewiesen, die dauerhaft gekühlt werden müssen. Zunächst dachte ich: „Das ist das Ende meiner Abenteuer.“ Nach umfangreicher Recherche und Vorbereitung habe ich aber den Schritt gewagt, wieder mit dem (Fern)Reisen zu beginnen, und gemerkt, dass doch mehr möglich ist, als man zunächst denkt.
Das passende Reiseziel
Beim Reisen mit einer chronischen Erkrankung gibt es einige limitierende Faktoren, seien es Medikamente, die gekühlt werden müssen, oder körperliche Einschränkungen. Urlaub soll Spaß machen und erholsam sein. Da hilft es, ein Reiseziel zu wählen, das den aktuellen Bedürfnissen entspricht. Als erste Fernreise nach meiner Diagnose habe ich damals Kanada gewählt, da die Temperaturen angenehmer sind, die gesundheitliche Versorgung sehr gut und ich mich nicht um Tropenkrankheiten sorgen musste. Ein tropisches Reiseziel hätte für mich zu diesem Zeitpunkt noch zu viel Stress und Ängste bedeutet. In Kanada konnte ich entspannter die Erfahrung machen, wie es ist, mit meinen (zu kühlenden) Rheumamedikamenten zu verreisen.
Eine gute Vorbereitung hilft, im Urlaub entspannter zu sein.
Vor der Reise bespreche ich mit meinem Rheumatologen das Reiseziel, hole notwendige Dokumente ein (u. a. Arztbrief für die Mitnahme der Medikamente), gehe zur reisemedizinischen Beratung für etwaige Reiseimpfungen und kläre mit der Versicherung ab, was im Krankheitsfall passieren würde. Zusätzlich suche ich entlang der Reiseroute heraus, in welche Klinik ich im Notfall gehen könnte, und nehme eine kurze Beschreibung meiner Symptome und speziellen Bedürfnisse in der Landessprache mit. Ich achte jetzt auch sehr auf Sonnen- und Moskitoschutz, aber auch dafür gibt es viele Möglichkeiten. Eine weitere wichtige Vorbereitung ist die Reiseroute: Hat jedes Hotel einen Kühlschrank zur Kühlung der Medikamente? Wie lange sind die Reisezeiten? Welche Aktivitäten sind körperlich möglich?
Es ist mehr möglich, als man denkt!
Nachdem ich schrittweise Reiseerfahrungen mit Rheuma gesammelt habe, habe ich gemerkt, dass das Reisen mit den Medikamenten sehr gut funktioniert und vor Ort alles entspannter ist, als man zu Hause denkt. Die Menschen vor Ort waren immer sehr hilfsbereit, falls einmal etwas schiefging, z. B. der Kühlschrank im Zimmer kaputt war. Dadurch habe ich immer mehr Mut gefasst und mir letztes Jahr den Traum vom Tauchen auf den Philippinen verwirklicht. Nach der Diagnose hätte ich mir nie gedacht, dass ich noch einmal in die Tropen reisen werde. Rheuma muss nicht das Ende der Träume und Abenteuer sein. Ein paar Adaptionen sind vielleicht notwendig, aber es gibt so viele Reiseziele auf der Welt, dass für jedes Bedürfnis etwas Passendes dabei ist!
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Interviews geführt von: selpers Redaktion
Bildnachweis: Canva, Anna Lena, Evita, Willy, Annika und Agnes