Depression ist eine häufige psychische Erkrankung. Da Ernährung und Psyche in einem engen wechselseitigen Verhältnis stehen, kann gesunde Ernährung einer Depression vorbeugen und auch zur Therapie der Depression eingesetzt werden. DDr.in Sabrina Mörkl, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, beantwortet hier die wichtigsten Fragen zu Depression und gesunder Ernährung.
Ernährung und Depression
Wie hängen Ernährung und Depression zusammen?
Ernährung und Depression haben wahrhaftig sehr vielfältige Zusammenhänge:
- Erstens einmal ist Ernährung die Grundlage auch für die Bausteine unseres Organismus, einerseits die Bausteine des Gehirns, aber auch Bausteine für Nervenbotenstoffe, die ganz wichtig sind für die Stimmung, wie zum Beispiel das Serotonin, aber auch das Dopamin.
- Zweitens ist Ernährung ganz wichtig als Grundlage oder sozusagen als Futter für die Darmbakterien, die wiederum über gewisse Mechanismen mit dem Gehirn verbunden sind und so auch zum Beispiel Entzündungsvorgänge beeinflussen können.
- Und als Drittes ist Ernährung eine Medizin. Das heißt: Sie ist einerseits dafür da, dass wir sagen, wir können Entzündungen im Zaum halten und zweitens damit dann auch die Psyche stabilisieren.
Kann ich meine Depression durch Ernährung beeinflussen?
Depressionen haben einen sehr engen Zusammenhang mit Ernährung und, das zeigen aktuelle Arbeiten und Studien, auch aus meiner Arbeitsgruppe, dass sie durch Ernährung beeinflussbar sind
- einerseits in der Prävention, d.h. in der Vorbeugung bei psychischen Erkrankungen. Wenn man z.B. eine pflanzenbasierte Ernährung hat, dann hat man ein bis zu 43 Prozent niedrigeres Risiko für Depressionen.
- Andererseits kann man es natürlich auch in der Therapie einsetzen: Wenn man die Ernährung umstellt, können Depressionen dadurch positiv beeinflusst werden.
Warum kann sich der Appetit bei einer Depression verändern?
Depression und Appetit sind eng miteinander verwoben und verbunden.
- Einerseits gibt es die Art von Depression, wo man früher gesagt hat „Major Depression“, also eine Depression, wo der Appetit vermindert ist, wo der Patient oder die Patientin jetzt weniger Lust darauf hat, auch etwas zu essen und weniger Freude am Essen hat. Das geht mit Gewichtsabnahme einher.
- Und auf der anderen Seite unterscheiden wir davon dann die sogenannte Atypische Depression. Das ist eine gewisse Depressionsform, wo es einerseits zu einem vermehrten Schlafbedürfnis kommt, aber auch zu einem gesteigerten Appetit. Und das ist dann verbunden mit einer Gewichtszunahme, mit einem metabolischen Syndrom, mit Diabetes und auch mit erhöhtem Blutdruck.
Wie kann Ernährung die Stimmung beeinflussen?
Hier gibt es verschiedene Parfaits. Ernährung und Stimmung sind aneinander gekoppelt, man könnte sagen, Ernährung ist die Grundlage der Stimmung. Erstmals ist es beschrieben worden von 1922 von James und Lange. Die haben gesagt: Alles was wir essen und in uns aufnehmen, macht eine Stimmungsveränderung und verändert auch das Abbild unserer Psyche. Dieses Wissen um Stimmung und Ernährung ist eigentlich schon etwas sehr altes und ist jetzt aber wieder Gegenstand der aktuellen Forschung.
Wie beeinflusst die Stimmung das Essverhalten?
Stimmung und Essverhalten sind auch in einem wechselseitigen Austausch und haben ein sehr enges Zwischenspiel. Man muss sich jetzt nur vorstellen: Wenn man jetzt z.B. sehr gestresst ist, eine schlechte Stimmung hat, eine schlechte Laune hat, setzt das gewisse Botenstoffe frei, wie z.B. Adrenalin, Noradrenalin. Und der Sympathikus, dieses Nervensystem, das sonst für Kampf und Flucht zuständig ist, wird aktiviert. Dadurch kommt es natürlich zu einer Verminderung von Hunger, von Appetit, denn wenn es um Kämpfen und Flüchten geht, ist natürlich Essen und Verdauen nicht so das erste und primäre Ziel.
Wenn aber Stress chronisch wird und chronisch anhält, wird mehr Cortisol ausgeschüttet, und das führt dann tatsächlich auch zu einer Appetitsteigerung und Gewichtszunahme in diesem Fall.
Welche Lebensmittel und Nährstoffe können die Stimmung besonders beeinflussen?
Lebensmittel und Nährstoffe sind vor allem relevant in der Behandlung von Depressionen, wenn wir an Omega-3-Fettsäuren denken. Die sind auch hier zugelassen als Add-On-Therapeutikum. Wir finden sie beispielsweise in Makrelen, in Lachs oder in Hering.
Dann gibt es gewisse Mikronährstoffe, die auch für die Synthese, also für den Zusammenbau von Nervenbotenstoffen verantwortlich sind. Hierzu zählen das Magnesium, aber zum Beispiel auch Eisen ist ein wichtiger Profaktor oder Vitamine wie Vitamin B6.
Wie hängen körperliches Wohlbefinden und Antrieb zusammen?
Veränderungen der Faktoren Antrieb und Stimmung oder körperliches Wohlgefühl sind als Hauptsymptome der Depression beschrieben.
- Einerseits kennen wir ja in der Psychiatrie gewisse Erkrankungen, wo der Antrieb massiv gesteigert ist, also wo man extrem viel Motivation hat, kaum schläft, das Gefühl hat, Bäume auszureißen, früh aufsteht und sehr viel Energie hat.
- Auf der anderen Seite gibt es aber dann auch Zustände, wo wir dann sagen: Depression, wo der Antrieb sehr stark vermindert ist, das heißt, wo Patienten und Patientinnen nicht mehr aus dem Bett kommen, sich nicht mehr motivieren können, auch einen verminderten oder einen gesteigerten Appetit haben.
Also Stimmung, Antrieb und Körper sind hier eng miteinander verwoben. Sie können dann auch sozusagen als Diagnosekriterien von gewissen psychischen Erkrankungen geltend werden.
Inwiefern kann die Ernährung auf den Antrieb wirken?
Ernährung und das, was wir essen, hat unmittelbar einen Einfluss auf unseren Antrieb und auf unsere Motivation.
Jeder von uns kennt das vielleicht, wenn wir in der Früh aufstehen, sehr müde sind, dann zum Kaffee greifen. Also es gibt gewisse Nahrungsmittel, die unmittelbar Antriebssteigernd sind Koffein, Teein zum Beispiel. Und viele wissen auch gar nicht, dass zum Beispiel Schokolade, 100 Gramm Schokolade, sogar mehr Koffein haben als der Kaffee.
Und hier muss man dann natürlich auch aufpassen, denn diese Psychostimulanzien, wo ja auch das Koffein dazugehört, haben eine kurzfristige Wirkung. Sie wirken kurzfristig antriebssteigernd. Und nachher kommt es dann eben zu einem Down oder Antriebstief.
Gibt es Lebensmittel oder Nährstoffe, die den Antrieb besonders beeinflussen können?
Lebensmittel und Nährstoffe, die den Antrieb besonders beeinflussen, sind, wie schon genannt, natürlich dann solche Stoffe, die hier besonders auf Adrenalin, Noradrenalin auch wirken: Kaffee, Tee, aber auch Schokolade kann es sein.
Im Gegenteil, wenn man jetzt eher was Dämpfendes denkt, gibt es natürlich auch schwere, fettereiche Speisen. Das weiß man auch aus persönlicher Erfahrung. Wenn man jetzt vielleicht auch über den Hunger einmal isst, ist es so, dass natürlich der Körper dann auch die gesamte Energie dazu aufwenden muss, um das dann zu verdauen. Und das macht dann selbstverständlich auch müde und macht auch weniger Antrieb, weniger Motivation.
Hier geht es zum Video-Interview: „Ernährung und Depression”
Körper und Psyche
Wie hängen Entzündungen im Körper und Depression zusammen?
Die letzten Jahre war das eigentlich ein Hauptfokus in der Forschung, denn man ist draufgekommen: Viele Patientinnen und Patienten, die über depressive Symptome klagen, also verminderte Stimmung, Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit und Interesselosigkeit, haben gleichzeitig einen erhöhten Entzündungswert im Blut, also das CAP oder erhöhte Interleukine. Und dann war natürlich eine Fragestellung der Forschung: „Woher kommt diese Entzündung?“ Und das wird aktuell eben beforscht, dass man dann sagt: „Okay, wo sitzt diese Entzündung, und wie können wir sie dann auch beeinflussen?“
Wo finden diese Entzündungsprozesse statt?
Diese Entzündungsprozesse sind einerseits angesiedelt im Gehirn, da hat auch dann die Forschung damit begonnen, dass man gesagt hat: „Okay, wenn jetzt hier eine Entzündung auftritt, führt das zu einer Neurodegeneration, führt das zu oxidativem Stress und dann auch dazu, dass Nervenzellen beeinträchtigt werden in der Signalübertragung.“
Aber dann hat man auch herausgefunden, dass die Entzündung nicht nur im Gehirn ist, sondern wirklich im ganzen Körper, dass man von einer sogenannten systemischen Ganzkörper-Inflammation sprechen kann und von einem sogenannten Inflamed Mind.
Welche Nährstoffe und Lebensmittel können Entzündungen begünstigen?
Als begünstigende Faktoren für Entzündungen gelten vor allem das Essen, das wir heutzutage essen, wenn wir gestresst sind, nämlich
- Fastfood,
- frittiertes Essen,
- Convenience Food,
- fast alles, was schnell gehen muss, was wir als Fertigprodukte auch in den Geschäften finden.
- Lebensmittel mit sehr vielen gesättigten Fetten zum Beispiel
tragen hier zu einem Entzündungs-Geschehen bei. Und diese Entzündung beginnt dann häufig auch im Darm und überträgt sich auf das Gehirn und auf die Psyche.
Was bedeuten Darmflora und Darm-Mikrobiom und welche Rolle spielen diese bei Depression?
Die Begriffe Darmflora und Darm-Mikrobiom kann man eigentlich sehr synonym oder gleichwertig verwenden.
Wenn man ganz genau darauf schaut, könnte man sagen: Darm-Mikrobiom ist eigentlich das gesamte genetische Material aller Darmbakterien, die in uns wohnen. Und in den letzten Jahren sind durch Neuerungen in der Wissenschaft Methoden entstanden, die uns erlauben, dieses Darm-Mikrobiom oder diese Darmflora, die in jedem einzelnen Menschen vorliegt, ganz genau zu charakterisieren, also einerseits zu wissen, welche Bakterien sind da, und was tun diese Bakterien?
Und wir wissen: Die Darmflora ist bei depressiven Patientinnen und Patienten häufig beeinträchtigt. Es liegt also hier eine Abweichung vor, oft eine Verminderung der Artenvielfalt oder eine sogenannte Dysbiose. Als das Dysbiose bezeichnet man einen Fehler oder mehrere Abweichungen in der Zusammensetzung der Darmbakterien. Das kann zum Beispiel sein,
- dass die Artenvielfalt von Bakterien vermindert ist,
- dass es verschiedene Spezies gibt, die dann einfach nicht mehr vorkommen,
- oder dass gewisse Bakterienfamilien vermehrt da sind und so gesunde Stämme verdrängen können.
Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn?
Die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn wird durch die sogenannte Darm-Gehirn-Achse geregelt. Das ist ein bidirektionales Kommunikationssystem zwischen Gehirn und Darm. Das heißt: Der Darm kann einerseits Informationen an das Gehirn senden. Andererseits nimmt auch das Gehirn natürlich Einfluss auf den Darm. Und die Darm-Gehirn-Achse besteht vor allem aus einem Hauptakteur. Das ist der zehnte Hirnnerv, der sogenannte Nervus vagus, und das legt sich so wie ein Stethoskop über die inneren Organe und vor allem auch über den Darm und sendet hier wichtige Informationen ans Gehirn und kann so die Stimmung, aber natürlich auch Appetit und psychische Erkrankungen beeinflussen.
Welche Lebensmittel unterstützen meinen Darm und was sind Probiotika?
Lebensmittel sind äußerst wichtig für die Darmgesundheit. Und wichtig ist vor allem auch, zu den richtigen Lebensmitteln zu greifen. Worüber sich der Darm und die Darmbakterien freuen, ist, wenn wir ihnen Futter liefern. Und das geschieht in Form von Ballaststoffen. Ganz wenige Österreicher und Österreicherinnen schaffen es wirklich, die empfohlene Ballaststoffmenge zu erreichen. Das wären so 30 Gramm pro Tag. Das finden wir in Vollkornprodukten, in Hülsenfrüchten. Das wird heutzutage leider kaum gegessen. Und dementsprechend haben auch die Bakterien bei uns ja wenig Nahrung, können sich dann auch schlechter vermehren. Es gibt eine verminderte Artenvielfalt, und das wirkt sich vehementest auf die Psyche aus.
Probiotika können dem ein bisschen entgegensteuern. Probiotika sind lebende Darmbakterien, lebende Darmkeime, die, wenn man sie in einer gewissen Menge zuführt, einnimmt, dann einen positiven Effekt auf das Darm-Mikrobiom haben und hier dann auch zu einer Verbesserung der Situation im Inneren beitragen können und auch zu einer Verbesserung der psychischen Gesundheit.
Was sind Psychobiotika?
Den Begriff Psychobiotika gibt es eigentlich erst seit 2013. Das ist also ein ganz junger Begriff. Und Psychobiotika sind eigentlich alle Mittel, alle Substanzen, die das Darm-Mikrobiom und die Darm-Gehirn Achse verändern und dann auf die Psyche wirken.
Dazu gehören zum Beispiel die Probiotika, das sind lebende Darmkeime, aber auch Präbiotika, und das sind vor allem Ballaststoffe, also in Obst und Gemüse. Diese verändern die Darmbakterien und führen dann auch über die Darm-Gehirn-Achse zu einer Veränderung der Psyche und Motivation. Sie können auch Kognition, Gedanken und Stimmung beeinflussen.
Welche Nährstoffe sind wichtig für meine Gehirn- und Gedächtnisfunktion?
Hier gibt es eine Reihe von Nährstoffen, denn das Gehirn unterliegt sozusagen nicht nur einem Faktor alleine, es ist immer ein ganzes Orchester oder ein ganzes Symposium, das hier zusammenspielt.
- Allen voran sicherlich wichtig sind die Omega-3-Fettsäuren, die für Gehirn und Gedächtnis massiv relevant sind. Sie kommen zum Beispiel vor in Walnüssen, aber auch in Leinsamen oder Fisch und Fischölen.
- Dann als Zweites komplexe Kohlenhydrate, wiederum Ballaststoffe als Futter für die Darmbakterien, die dann auch Substanzen wie kurzkettige Fettsäuren produzieren, die wiederum das Gehirn hier schützen und Entzündungen reduzieren können.
- Und als dritter Bestandteil einer Gehirngesundheit und einer Stütze für die Gedächtnisfunktion würde ich die sekundären Pflanzenstoffe nennen, hier vor allem dann die Polyphenole. Die findet man zum Beispiel in grünem Tee. Aber wir kennen auch das Resviratol, zum Beispiel in Trauben oder in roten Lebensmitteln, Himbeeren und so weiter. Diese üben ebenfalls einen antiinflammatorischen und einen protektiven, also schützenden Effekt auf die Nervenzellen aus.
Kann ich Botenstoffe im Gehirn durch meine Ernährung unterstützen?
Es ist möglich, Botenstoffe im Gehirn durch Ernährung zu unterstützen. Und vor allem geht das, und das zeigen auch die aktuellsten Arbeiten, am besten durch eine möglichst diverse Mischkost. Das heißt eine Kostform, die basierend ist auf viel Gemüse, auf sehr viel Obst, auf sehr vielen Ballaststoffen, aber natürlich dann auch gewisse Mengen an Proteinen. Sie enthält Fleisch und hat sehr wenig gesättigte Fette und Süßes. Diese Ernährung ist vor allem auch deswegen so relevant, weil sie wichtige Kofaktoren liefert, die wir für die Produktion von Nervenbotenstoffen brauchen.
Gibt es Lebensmittel, die Serotonin erhöhen und gegen Angst helfen können?
Tatsächlich gibt es Lebensmittel, die Serotonin im Körper steigern können, nämlich auch messbar. Es hat da Arbeiten gegeben, wenn man zum Beispiel sehr viele Walnüsse ist, dass man dann im Blut den Serotoninspiegel steigern kann. Leider bringt das jetzt sehr wenig, direkt den Serotoninspiegel im Blut anzuheben, weil nämlich Serotonin die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann. Es ist, das fragen mich auch manchmal die Patientinnen und Patienten, schon möglich, Serotonin im Blut zu messen. Aber das sagt nichts darüber aus, was wirklich dann auch im Gehirn vor sich geht und wie viel Serotonin im Gehirn vorhanden ist.
Was allerdings schon die Blut-Hirn-Schranke überschreiten kann, ist das sogenannte Tryptophan und das 5-HTP, 5-Hydroxytryptophan. Diese Stoffe können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und dann dazu die Grundlage bilden, dass Serotonin im Gehirn hergestellt werden kann. Und Tryptophan-reiche Lebensmittel wären natürlich Nüsse, ist aber auch Fleisch zum Beispiel, Getreide, Eier enthalten diesen Grundstoff Tryptophan für die Serotonin-Synthese.
Hier geht es zum Video-Interview: „Körper und Psyche”
Veränderter Appetit bei Depression
Wieso führt eine Depression bei manchen Menschen zu Appetitverlust?
Der Appetitverlust ist ein Zusatzsymptom von Depressionen. Die Hauptsymptome sind ja Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit, Interesselosigkeit. Und bei vielen depressiven Patienten kommt es eben durch die Depression zu einer Aktivierung der Stress-Achse. Das heißt Sympathikus-Tonus wird gesteigert, und das führt in vielen Fällen, aber nicht in allen Fällen zu einer Verminderung des Appetites, auch zu einer Verminderung der Motivation, sich Essen zuzubereiten und dann auch frisch zu kochen.
Inwiefern stellt Appetitlosigkeit ein Risiko dar?
Die Appetitlosigkeit kann leider auf lange Frist dann Depressionen verstärken. Denn viele Patientinnen und Patienten sagen dann: „Okay, ich habe keinen Appetit, ich habe keinen Hunger, warum soll ich mir dann eigentlich etwas kochen?“ Viele lassen dann Mahlzeiten aus, vergessen teilweise auch aufs Essen. Und das führt natürlich zu erheblichen Verlusten an Nährstoffen. Der Körper und auch das Gehirn werden auf Sparflamme zurückgefahren. Und das verstärkt dann auch, wie so ein Teufelskreis, könnte man sagen, die depressive Symptomatik, weil dann auch einfach nicht genug Baustoffe für die Neurotransmitter vorhanden sind.
Was kann ich im Alltag gegen Appetitlosigkeit tun?
Der erste Schritt ist natürlich immer, dass man sagt, wenn eine Appetitlosigkeit da ist: abklären. Die Ursache finden. Und wenn eine Ursache da ist, die behandelbar ist, dann die behandeln.
Denn Appetitlosigkeit kann natürlich auch bei vielen Erkrankungen vorkommen, zum Beispiel bei Krebserkrankungen, Tumorerkrankungen oder auch wenn man eine chronische Entzündung innerer Organe hat, wie zum Beispiel der Leber. Das muss abgeklärt werden und dann auch behandelt werden.
Wenn sich dann wirklich die Depression herauskristallisiert als Ursache, kann man sich da helfen,
- indem man gewisse Kräuter zum Beispiel verwendet beim Essen,
- sich das Essen sehr schön anrichtet,
- sich Zeit auch nimmt zum Essen
- und vor allem auch in Gemeinschaft, in Gesellschaft, mit der Familie, in einem angenehmen Umfeld isst.
Wieso nehmen manche Menschen durch eine Depression an Gewicht zu?
Ca. 40 Prozent aller depressiven Patientinnen und Patienten berichten unähnlich zu den anderen Patientinnen und Patienten mit Depression
- von einem gesteigerten Appetit,
- von einem gesteigerten Schlafbedürfnis
- und auch von einer erhöhten Reizbarkeit.
In diesem Fall reden wir von einer sogenannten atypischen Depression. Und insbesondere sind das auch Menschen, die darüber berichten, dass sie chronisch sehr großem Stress ausgesetzt sind. Und durch diesen chronisch langanhaltenden Stress führt es eben zu einer Dysregulation von gewissen Hungerhormonen. Und diese führen dann dazu, dass man wirklich auch Heißhunger entwickelt, zum Beispiel auf Süßspeisen oder auf fettige, hochkalorische Speisen. Diese führen dann zu einer Gewichtszunahme und leider auch im Körper zu einer Entzündung.
Warum kann übermäßiger Hunger ein Problem darstellen und wie kann ich damit umgehen?
Viele depressive Patientinnen und Patienten berichten mir von übermäßigem Hunger. Und tatsächlich ist es so: Wenn das Serotonin im Gehirn abfällt, wird ein Alarm im Körper ausgelöst und wir brauchen Zucker, um dann auch die Serotoninvorstufe, das Tryptophan ausreichend vom Darm aufnehmen zu können. Deshalb kommt es dann zu diesen übermäßigen Hungergefühlen.
Wie man damit umgehen kann? Da sind mehrere Faktoren sehr hilfreich. Man muss dann natürlich auch ausprobieren, was für einen persönlich am besten passt. Aber viele meiner Patientinnen und Patienten haben gute Erfahrungen damit gemacht, sich wirklich einen guten Tagesplan aufzustellen, ihre Mahlzeiten gut einzuteilen und vor allem auch eine Routine ins Essen zu bekommen.
Denn einerseits geht es sicherlich darum, was man isst, aber dann auch andererseits darum, wie man isst und wann.
Was kann gegen Heißhungerattacken während einer depressiven Episode helfen?
Heißhungerattacken können bei depressiven Episoden auftreten, aber sie können auch ein Symptom vieler anderer Erkrankungen sein. Zum Beispiel, wenn man an einer Zuckerkrankheit leidet, einem Diabetes oder wenn man eine massive Schilddrüsenunterfunktion hat, kann es zu Heißhungerattacken kommen. Der erste Schritt jedenfalls ist immer ein Schritt dann auch zum Arzt oder zur Ärztin, um dann mittels einer Blutabnahme und einer genauen Untersuchung abzuklären, ob nicht auch andere Faktoren dahinterstecken, die man hier mit behandeln muss.
Wenn jetzt wirklich die Depression als Ursache für die Heißhungerattacken übrigbleibt und sich dann herauskristallisiert nach einer genauen Abklärung, hilft hier dann wiederum
- eine Regelmäßigkeit in den Mahlzeiten,
- kleinere Portionen,
- Zucker so weit wie möglich reduzieren und
- komplexe, langanhaltende Kohlenhydrate essen, die dann auch länger satt machen.
Warum ist es wichtig, Ausgewogenheit in der Ernährung zu finden?
Eine ausgewogene Ernährung ist die Grundlage für eine ausgewogene Psyche. Und das zeigen auch viele Studien und Arbeiten der letzten Jahre, wenn man eine extreme Ernährungsform praktiziert. Ich glaube, eine ganz extreme wäre zum Beispiel eine ketogene Diät, wo man eben den Hauptanteil der aufgenommenen Kalorien über Fett abdeckt. Hier fehlt es dann an Stoffen, die das Gehirn benötigt, nämlich zum Beispiel an den komplexen Kohlenhydraten, an den auch ungesättigten Fettsäuren, aber auch an den ganzen Pflanzenstoffen. Und deshalb: Je diverser eine Ernährung ist, je vielfältiger die Ernährung ist, umso vielfältiger ist auch dann das Darm-Mikrobiom, die Darmbakterien und unsere innere Welt, und umso gesünder ist die Psyche.
Wie kann es mir gelingen, mich bei Stressbelastung gut zu ernähren?
Das kann durchaus eine Challenge oder eine Herausforderung sein. Das ist es auch für viele Patientinnen und Patienten. Hier kann man vor allem den Tipp geben, gut vorauszuplanen, in stressigen Zeiten dann auch zu erkennen: „Aha, jetzt habe ich zum Beispiel den Heißhunger gerade auf Süßes oder Chips…“ Aber dann bewusst nicht zu diesen Dingen zu greifen, sondern einmal zu sagen: „Okay, Stopp! Ich merke, ich bin gerade sehr gestresst. Mir geht es jetzt nicht gut.“ Und dann aber sich daran zu erinnern, dass man die freie Wahl hat, nach welchen Nahrungsmitteln man hier greift. Und dann natürlich auch wieder allgemeine Dinge, dass man sagt: So gut wie möglich eben frisch kochen oder sich bekochen lassen. Und wenn es dann mal der Lieferservice sein muss, dann eher Gerichte mit Zutaten bestellen, die möglichst bunt sind, die möglichst vitaminreich sind.
Darf ich essen, was ich möchte, und wie kann ich lernen zu spüren, was mein Körper braucht?
Es ist erlaubt, natürlich, das zu essen, was Sie möchten. Das Problem ist, und ist im zweiten Teil der Frage angesprochen, dass eine Depression eigentlich das Körpergefühl vermindert und man hier nicht mehr so richtig spürt: Was braucht der Körper eigentlich? Was wäre jetzt wichtig, dass ich dem Körper zuführe? In den letzten Jahren und besonders seit 1995 ist der Begriff erst einmal aufgekommen des sogenannten Intuitive Eating. Das heißt, dass man dann auch aus der Intuition heraus zu jenen Dingen greift, auf die der Körper gerade Lust hat. Und grundsätzlich sind wir alle ja seit der Kindheit nichts anderes als intuitive Esser. Das heißt: Wir essen, wenn wir Hunger haben, und wir hören auf zu essen, wenn wir satt sind.
Im Erwachsenenalter haben wir diesen Mechanismus dann großteils verlernt, oder durch psychische Erkrankungen ist es dann nicht mehr möglich, achtsam aufs Essen zu schauen. Aber die gute Nachricht ist hier: Es kann trainiert werden. Und vor allem auch wenn man sich bewusst hinsetzt, das Essen genießt und auch immer wieder dazwischen Pausen macht, um dann zu sehen: „Ist jetzt schon ein Sättigungsgefühl da? Kann ich jetzt schon mit dem Essen aufhören?“
Was vielleicht auch noch dann wichtig ist beim intuitiven Essen ist, dass man sich jetzt durchaus dann auch einmal etwas gönnen darf, dass man sich nicht schuldig fühlt und jetzt Lust hat auf eine große Salami-Käse-Pizza, durchaus dann auch einmal dem nachgeben darf, und das dann aber auch mit Bewusstheit, mit Bedacht und vor allem auch mit Genuss ist dann isst. Und auch ein ausgleichendes Element dann vielleicht noch mit dazu fügt, dass man jetzt dann zum Beispiel sagt: „Okay, ich gönne mir es dann, dieses Essen, das vielleicht nicht so extrem gesund ist für meinen Körper und für meine Psyche. Aber ich gebe dann etwas dazu, zum Beispiel jetzt einen bunten Salat oder dann als Nachspeise ein ganz polyphenolreiches Obst, um hier dann auch wieder einen Ausgleich zu schaffen.“
Also: Keine Verbote, möglichst viel Genuss, langsames Essen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Veränderter Appetit bei Depression”
Lebensmittel und Nährstoffe bei Depression
Was ist unter ausgewogener Ernährung zu verstehen?
Unter ausgewogener Ernährung ist eine gesunde Mischkost zu verstehen, die sich vor allem an der österreichischen Ernährungspyramide auch orientiert, das heißt, dass man jetzt 50 bis 60 Prozent der gesamten Energie durch Kohlenhydrate aufnimmt, 30 Prozent der Energie durch Fette, 10 Prozent der Energie durch Proteine. Und natürlich ganz wichtig, und das ist auch die Basis der Ernährungspyramide, sind Obst und Gemüse. Bis zu oder mehr als 5 Portionen sollten hier pro Tag verzehrt werden.
Sieht eine gesunde Ernährung für jeden Menschen gleich aus?
Eine gesunde Ernährung hat eine gemeinsame Basis für jeden Menschen, ist aber dann im Speziellen wieder hochindividuell.
Jeder von uns hat ein etwas anderes Darm-Mikrobiom, das ungefähr so einzigartig ist wie der Fingerabdruck. Das heißt, jeder von uns kann auch gewisse Nährstoffe, die wir zuführen, dann wieder ganz unterschiedlich aufnehmen. Und das ist eine Richtung oder ein Forschungszweig, das heißt „personalisierte Medizin“. Der hat sich in den letzten Jahren entwickelt, steckt aber noch immer in den Kinderschuhen. Das heißt, es könnte zum Beispiel sein, dass wir in fünf bis zehn Jahren dann auch sagen können: „Ein Herr X mit Depression braucht diese und diese Spezialernährungsform, während jetzt ein anderer Herr mit derselben Erkrankung vielleicht dann eine komplett andere Ernährungsform benötigt.“ Aber wie gesagt, das muss noch erforscht werden. Aber die Basis, und das kann man sagen, ist eine ausgewogene Mischkost, pflanzenbasiert mit hohem Obst-, Gemüse- und Ballaststoffanteil.
Sind bestimmte Ernährungsformen empfehlenswert bei Depression?
Tatsächlich, und das wurde in den letzten Jahren sehr genau erforscht, gibt es gewisse Ernährungsformen, die vorbeugend für Depressionen wirken, aber dann auch therapeutisch eingesetzt werden können, um Depressionen zu behandeln.
Da zählt in erster Linie die sogenannte mediterrane Diät oder mediterrane Ernährung dazu, und das ist eine Ernährungsform, sie heißt auch Kreta- oder Mittelmeer-Diät, die vor allem in den Ländern des Mittelmeerraumes weitverbreitet ist. Sie basiert auf Obst und Gemüse und hat natürlich auch dann Fisch und Olivenöl als Hauptbestandteil. Und das wirkt hoch antientzündlich und stützt hier die Psyche und trägt zu einer verbesserten Stimmung bei.
Das wurde angeschaut in einer Studie von meiner Kollegin Sanchez Villegas. Die hat Leute beobachtet, die auf Gran Canaria auf den Kanarischen Inseln sich mediterran ernährt haben, über Jahrzehnte. Und da ist rausgekommen, dass diese ein bis zu 43 Prozent niedrigeres Risiko für Depressionen haben. Und das ist beträchtlich.
Sind bestimmte Nahrungsergänzungsmittel empfehlenswert bei Depression?
Hier wurden tatsächlich etliche Nahrungssupplemente die letzten Jahre erforscht.
Und herauskristallisiert hat sich hier vor allem die Bedeutung von sogenannten Omega-3-Fettsäuren, die hier einen antidepressiven Effekt zeigen. Und ganz besonders wichtig ist da immer, dass Sie draufschauen, welche Omega-3-Fettsäuren Sie hier zuführen. Denn diese werden einerseits aufgeteilt in einen EPA- und einen DHA-Anteil. Und der EPA-Anteil sollte ja immer etwas höher ausfallen oder zumindest 60 Prozent betragen, dass ein antidepressiver Effekt da ist.
Andere Nährstoffe sollen natürlich auch supplementiert werden, aber nur, wenn ein Mangel vorliegt. Das heißt: Ich würde Ihnen als Patientin oder Patient raten: Wenn Sie eine Depression haben, gehen Sie zu Ihrem Arzt oder der Ärztin Ihres Vertrauens. Machen Sie eine Blutabnahme. Lassen Sie auch die Nährstoffe bestimmen und substituieren Sie dann genau diese, wo auch ein Mangel vorliegt.
Welche Rolle spielen Kohlenhydrate bei Depression und welche Lebensmittel enthalten Kohlenhydrate?
Kohlenhydrate sind natürlich die Basis unserer Ernährung. Aber sie sind auch mit der Entstehung von Depressionen verbunden. Insbesondere jene Kohlenhydrate, die sehr schnell ins Blut gehen, und das sind die Zucker, wie zum Beispiel die Fructose, die Lactose oder die Galactose. Diese werden vom Körper sehr, sehr schnell aufgespalten, gehen massiv schnell ins Blut, auch schnell ins Gehirn, und können dann natürlich, wenn der Blutdruckzuckerspiegel wieder nach einer gewissen Zeit sinkt, dann auch dazu beitragen, dass es zu depressiven Symptomen kommt.
Gewisse Lebensmittel sind natürlich sehr zuckerreich und sollen bei Depressionen auch eingeschränkt werden, vermieden werden. Cola ist da immer ein Beispiel. Wenn man am Tag ca. 2 bis 3 Dosen Cola trinkt, führt das dazu, dass das Risiko, an einer Depression zu erkranken, um 25 bis 30 Prozent ansteigen kann.
In welchen Lebensmitteln kommen gesättigte und in welchen ungesättigte Fettsäuren vor und warum spielt das bei Depression eine Rolle?
Allgemein unterscheidet man ja zwischen den gesättigten und ungesättigten Fettsäuren.
- Gesättigte findet man zum Beispiel in vielen Soßen, in Schlagobers, in Butter, in tierischen Fetten, im Schmalz. Das sind alles solche Quellen von gesättigten Fettsäuren.
- Ungesättigte Fettsäuren, die dann natürlich auch deutlich gesünder sind für die Psyche, findet man in gesunden Ölen. Rapsöl ist da eine Quelle, aber natürlich auch Olivenöl ist da sehr, sehr wertvoll. Walnussöl und Leinöl. Und wenn man sich so das Verhältnis anschaut, sollte das zirka einen Teil gesättigtes Fett beinhalten und zwei Teile von ungesättigten Fettsäuren. Die sollten den Hauptbestandteil der Ernährung ausmachen, weil sie auch natürlich vor Entzündungen schützen und Depressionen vorbeugen und behandeln können.
Welche Rolle spielt Eiweiß (Protein) und welche Lebensmittel sind reich an Eiweiß?
Eiweiße sind Bausteine einerseits für die Synthese von den Neurotransmittern, das heißt Serotonin, Dopamin, Noradrenalin brauchen als Grundstoff Eiweiße, dass man sie herstellen kann und dann auch die Nervenzellen richtig miteinander kommunizieren können. Der Eiweißbedarf ist individuell ganz unterschiedlich, auch davon abhängig, wie viel man sich bewegt. Aber im Durchschnitt brauchen wir ca. 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht an Eiweißen pro Tag.
Und wo man Eiweiß finden kann, das wären zum Beispiel gute Quellen: Milchprodukte, Käse, mageres Fleisch, aber natürlich auch Fisch, Makrele, Hering, Lachs sind da sehr gute Eiweißquellen.
Welche Vitamine sind bei Depression von Bedeutung und welche Lebensmittel enthalten diese?
Depressionen können tatsächlich oft mit Vitaminmangelzuständen einhergehen.
Bei uns an der Med.Uni Graz haben wir mal angeschaut, wie viele Patientinnen und Patienten mit Depressionen bei Aufnahme tatsächlich solche Mängel auch haben. Das wird ja normalerweise nicht mit bestimmt im Gesamtlabor.
Aber im Rahmen dieser Studie haben wir dann gesehen, dass fast alle Patientinnen und Patienten einen Vitamin-D-Mangel aufgewiesen haben. Vitamin D ist ja als sogenanntes Sonnenvitamin ganz, ganz wichtig für die Psyche und hat hier einen stabilisierenden Effekt.
Ein zweiter Mangel, der hier sehr häufig aufgetreten ist, war der Eisenmangel. Und Eisen, wissen wir, ist ein Kofaktor für die Serotoninsynthese. Das heißt, wenn man jetzt genug Tryptophan und so zum Beispiel ausnimmt aus Nüssen und aus Fleisch, aber dann gleichzeitig einen Eisenmangel hat, kann der Körper das Serotonin, also diesen Glücksbotenstoff gar nicht herstellen.
Weiters sind natürlich auch wichtig z.B. die B-Vitamine, aber auch die Folsäure, und diese sollten dann ganz besonders im Rahmen von Depressionen auch angeschaut werden und durch Ernährungsmaßnahmen dann auch ausgeglichen werden. Folsäure ist zum Beispiel im grünen Blattgemüse, B-Vitamine in magerem Fleisch, Milchprodukten vorhanden.
Gibt es Lebensmittel, die ich bei Depression meiden sollte?
Diese Lebensmittel gibt es, die bei Depressionen vermieden werden sollen. Es sind vor allem jene, die Depressionen auch nachweislich verstärken können. Hier fällt darunter die sogenannte Western Diet, also Fast Food im weitesten Sinne, Lebensmittel, die frittiert sind, Lebensmittel, die hoch verarbeitet sind. Da gibt es so einen Spruch: Wenn die Großeltern das Essen nicht mehr als Essen erkennen würden, dann sollte man das auch nicht essen oder sich nicht zuführen. Das heißt: Je naturbelassener etwas ausschaut, je weniger verarbeitet, umso weniger Zusatzstoffe auch im Essen vorhanden sind, umso gesünder ist es natürlich für den Körper und umso gesünder ist es auch für die Psyche.
Welche Essgewohnheiten können Depressionen verschlimmern?
Eine Reihe von Essgewohnheiten kann zur Verschlimmerung von Depressionen beitragen. Die häufigsten Essfehler, die ich jetzt von Patientinnen und Patienten gehört habe, sind folgende, nämlich
- dass entweder gar nichts gegessen wird, weil der Appetit fehlt
- oder das massiv zu viel gegessen wird, zum Beispiel im Rahmen von Heißhungerattacken,
- dass zu schnell gegessen wird, also dass das Kauen auch vergessen wird. Und Kauen ist sehr, sehr wichtig, weil die Verdauung eigentlich im Mund beginnt. Und wenn man nicht gut kaut und das Essen herunter schlingt, tun sich auch die Darmbakterien viel schwerer, um das Essen zu verwerten und gut aufzunehmen und auch dann damit Vitamine und Mineralstoffe aufnehmen zu können.
Also: sich Zeit lassen beim Essen, gut kauen und vor allem auch in Gesellschaft essen und sich dann nicht ablenken lassen vom Handy oder vom Computer.
Welche Wirkung hat Zucker und kann ein Zuckerverzicht gegen Depression helfen?
Zucker aktiviert in unserem Gehirn das sogenannte Belohnungssystem oder Dopaminsystem.
Das weiß man auch aus Tierstudien. Wenn man jetzt Ratten oder Mäuse Zucker füttert, leuchten im Gehirn sämtliche Belohnungsareale auf. Und diesen Effekt hat es auch beim Menschen. Deshalb greifen viele Leute ja dann auch, um sich zu belohnen oder um sich was Gutes zu tun oder wenn sie gestresst oder schlechter Stimmung sind, zu zuckrigen Lebensmitteln. Das hat kurzfristig den Effekt, dass man sich deutlich besser fühlt, dass die Stimmung dann nach oben geht, aber dann zu diesem Preis, dass es dann noch diesem anfänglichen Zuckerpeak oder dieser Zuckerspitze dann wieder relativ rapide bergab geht, es zu einem Stimmungstief dann kommt, zu einer Antriebsminderung. Das heißt bei Depressionen Zucker so gut wie möglich reduzieren. Ganz auf Zucker zu verzichten ist schwierig und ist auch für viele Leute nicht umsetzbar. Das heißt: Immer wieder sich kleine Dinge auch gönnen gehört da dazu. Aber Zucker eben auch so weit wie es geht reduzieren. Insbesondere zum Beispiel auf Softdrinks verzichten oder auf zuckrige Torten, Süßigkeiten, und diese wenn, dann nur zu besonderen Anlässen verzehren und dann unter ganz besonderem Augenmerk auch der Achtsamkeit, dass man das dann langsam und auch mit Genuss essen kann.
Hier geht es zum Video-Interview: „Lebensmittel und Nährstoffe bei Depression”
Ernährung im Alltag bei Depression
Welche Rolle spielen bei Depression die Tageszeiten, das Umfeld und die Gesellschaft beim Essen?
Depression ist durchaus auch eine sogenannte chronobiologische Erkrankung. Das heißt: Die innere Uhr kann bei Depressionen durcheinanderkommen und das wirkt sich auch auf die Ernährung aus. Viele depressive Patientinnen und Patienten berichten, dass sie oft zu unpassenden Tageszeiten essen, zum Beispiel ganz spät in der Nacht, oder auf das Frühstück auch verzichten, oder dann zu Mittag keinen Hunger haben oder nur sehr schnell dann irgendein Fastfood essen. Und tatsächlich hat es auch etwas mit der Tageszeit zu tun. Unser Körper ist darauf ausgerichtet, zu gewissen Zeiten eben den inneren Verdauungstrakt anzukurbeln und hier dann auch Vitamine, Mineralstoffe, Nährstoffe aus der Nahrung gut herausholen zu können.
Wichtig ist es vor allem bei depressiven Erkrankungen, dass man in einem guten Umfeld ist, wo man sich wohlfühlt. Das heißt, wenn das jetzt ein sehr stressiges Umfeld ist, wo man keine Zeit hat, wenn hunderttausend Mal daneben das Telefon läutet, oder wenn man abgelenkt ist durch Fernsehen oder Netflix und so weiter, führt das dann dazu, dass man dann vielleicht Dinge auch isst, die man sonst nicht essen würde. Und auch wenn man alleine ist, einsam ist, traurig ist, dass man dann mehr auch zum Beispiel an Nahrungsmittel zuführt und das dann zu einer Verstärkung einerseits von Gewichtszunahme, aber auch Depressionssymptomen beitragen kann.
Wie hängen Schlaf und Ernährung zusammen und was bedeutet das bei Depression?
Schlaf leistet einen großen Beitrag zum Empfinden von Hunger und auch zum Empfinden von Sättigungsgefühl. Und ich weiß nicht, ob es Ihnen einmal schon passiert ist, dass Sie ein paar Nächte deutlich weniger als sonst geschlafen haben. Vielleicht, wenn Sie gestresst waren oder wenn Sie viel zu tun gehabt haben, und dann am nächsten Tag für sich gemerkt haben, dass Sie plötzlich viel Lust hatten auf Kohlenhydrate oder auf Zucker und dann auch mehr gegessen haben.
Das heißt: Wenn wir nicht in die Tiefschlafphasen kommen in der Nacht und uns da auch nicht gut erholen können und uns die Regeneration hier fehlt, braucht der Körper und auch die Psyche und das Gehirn am nächsten Tag deutlich mehr Energie, um dann auch das tägliche Leben gut zu schaffen und zu bewältigen. Und wenn solche Zustände, wenn man schlecht schläft, dauerhaft vorkommen, führt das dann dauerhaft auch häufig zu einer Dysregulation von Appetit. Man isst mehr, und man isst dann auch wieder das Falsche. Und das führt dann zu einer Verstärkung von Depressivität, zu Gewichtszunahme.
Man kann den Schlaf dann natürlich umgekehrt verbessern, indem man sagt mediterrane Ernährung, viele Ballaststoffe, Obst- und Gemüsezufuhr und auch dann ein Essen nicht zu spät am Abend, um dann auch gut zur Ruhe zu finden.
Worauf sollte ich beim Fasten bei Depression achten?
Fasten und Depression ist aktuell Gegenstand der Forschung, und es gibt hier noch keine konkreten Empfehlungen.
Ich würde aber folgendes raten, dass Sie bitte nicht zu Hause selbstständig irgendwelche Fastenkuren ausprobieren, ohne eine ärztliche Anleitung und ohne das auch vorher mit einem Arzt oder Ärztin Ihres Vertrauens besprochen zu haben.
Gerade in den ersten Tagen beim Fasten kommt es auch bei Gesunden zu diesen sogenannten Fastenkrisen, das heißt zu depressiven Einbrüchen. Und hier brauchen Sie selbstverständlich, wenn eine vorbestehende Depression schon da ist, eine entsprechende Begleitung. Das heißt: Ein Fasten hat natürlich eine Reihe von gut erforschten positiven Effekten auf den Körper. Wenn Sie sich dafür entscheiden, dann machen Sie das bitte in Zusammenarbeit mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.
Welche Tipps können mir im Alltag helfen, mich gesünder zu ernähren?
Ich würde Ihnen raten, sich vor allem da auch Unterstützung zu holen, Informationen zu holen zu gesunder Ernährung, und hier vielleicht auch nicht so das Internet als primäre Quelle, weil hier viele Dinge drinnen stehen, die nicht ganz so stimmen.
Es gibt hier einerseits Beratungsmöglichkeiten beim Verband der Diätologen. Hier gibt es eine neue Gruppe auch zur Ernährungsmedizin in der Psychiatrie. Andererseits gibt es auch speziell ausgebildete Ärzte, die hier beraten können mit zum Beispiel einem Österreichischen Ärztekammer-Diplom für Ernährungsmedizin.
Meinen Patientinnen und Patienten sage ich immer, auf eine ganz hohe Diversität und eine hohe Vielfalt in der Ernährung zu achten. Und hier machen wir manchmal die sogenannte New Food Challenge. Das heißt, ich gebe ihnen dann als kleine Aufgabe: Wenn Sie einkaufen gehen, dann immer einmal in der Woche ein Lebensmittel mitzunehmen, das Sie so noch nicht ausprobiert haben, zum Beispiel ein Obst oder ein Gemüse und das dann sich zu Hause zubereiten und dann auch zu essen, um auch so hier eine möglichst große Vielfalt bei Lebensmitteln zu garantieren.
Inwiefern kann Kochen hilfreich für mich sein?
Kochen kann hilfreich sein, wenn Sie an depressiven Symptomen leiden, aber es hängt ein bisschen davon ab, wie schwer ausgeprägt diese depressive Symptomatik ist.
Es ist ganz klar, dass man mit einer schweren Depression es nicht schafft, da in eine Küche zu gehen und sich dann da komplizierte Mahlzeiten zuzubereiten. Aber bei leichten, mittelschweren Depressionen ist das schon möglich. Und es ist auch durchaus eine Therapieform, die wir an der Uniklinik für Psychiatrie in der Ergotherapie einsetzen. Auch eine Lehrküche haben wir bei uns, wo man dann unter Aufsicht auch ausprobieren kann, gewisse neue Gerichte zuzubereiten und diese dann auch gemeinsam in Gemeinschaft zu essen.
Gibt es einfache und schnelle Methoden für Menschen, die wenig Freude am Kochen haben?
Hier muss man sagen: Am besten dann natürlich sich bekochen lassen, wenn man die Möglichkeit dazu hat und sonst einmal klein beginnen. Wenn man jetzt zum Beispiel daran denkt: Ich kann mal schauen, welche Rezepte kann ich vielleicht schon? Und was kann ich da noch hinzufügen, um das Ganze vielleicht noch einmal einen Tick gesünder zu machen, um das Ganze noch ein bisschen diverser, vielfältiger zu machen, geschmacksintensiver zu machen. Zum Beispiel auch die Verwendung von Kräutern, von Gewürzen, und hier auch dann immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Das wäre so mein Ratschlag an Sie.
Was sollte ich bei der Zubereitung von Speisen bei Depression beachten?
Beim Zubereiten sollte man hier natürlich etwas vorsichtig sein, nicht in Richtung traditionelle österreichische Küche, wie das vielleicht auch Eltern, Großeltern gemacht haben, viel in Schmalz oder Fett frittieren, das wäre eher nachteilig bei Depressionen. Sondern dass Sie eher wirklich dann darauf achten, möglichst viel Frisches zu kochen, möglichst auch kurze Garzeiten, Dämpfen wäre hier zum Beispiel eine Kochmethode, und dann natürlich viele Dinge dazugeben, es bunt auch zu gestalten, denn das Auge isst natürlich mit.
An wen kann ich mich bei Fragen zur Ernährung bei Depression wenden?
Bei Fragen zur Ernährung und Depression wenden Sie sich am besten an Ihren behandelnden Arzt, behandelnde Ärztin und vor allem im Speziellen auch an Ärztinnen und Ärzte, die eine Zusatzausbildung haben für Ernährungsmedizin. Das Spezialfach Ernährungsmedizin in der Psychiatrie besteht noch nicht lange. Es ist erst jetzt auch intensiver Gegenstand der Forschung. Es gibt sehr wenige Psychiaterinnen und Psychiater mit Ernährungsmedizin-Diplom.
Das heißt, wo man sich zusätzlich noch eine Unterstützung holen kann, ist z.B. auch der Verband der Diätologen Österreichs. Hier gibt es die Diätologen, Diätologinnen, die speziell auf Ernährung und Psyche geschult sind und hier auch dann eine Fachexpertise aufweisen und unterstützen können.
Was bedeutet Ernährungstherapie und wie läuft diese ab?
Ernährungstherapie heißt eigentlich, dass eine multifaktorielle Behandlung einer Depression zum Beispiel durch Ernährungsmaßnahmen unterstützt wird. Das läuft so ab, dass Sie dann zu einem Ernährungsmediziner, einer Ernährungsmedizinerin oder einer Diätologin, einem Diätologen gehen und dort eine ganz genaue Anamnese erhoben wird. Das heißt, er oder sie wird sie dann fragen:
- Was essen Sie?
- Wann essen Sie?
- Unter welchen Umständen essen Sie?
- Wie sieht Ihr Essverhalten aus?
- Gibt es ein gewisses problematisches Essverhalten, wie zum Beispiel Heißhungerattacken oder massives gesteigertes Essen bei Stress oder Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit?
Und das wird dann eben auch gemeinsam besprochen. Ernährungsprinzipien werden herausgearbeitet, das heißt, Sie kriegen dann eine Zusammenfassung auch über gewisse Ernährungsmaßnahmen, die bei Ihren Erkrankungsbild hilfreich sind. Und es wird auch eine Beratung vorgenommen, wenn Sie Mängel haben, wie man hier gezielt vorgehen kann, um diese zu substituieren. Wenn Sie z.B. einen Vitamin D Mangel aufweisen, bekommen Sie hier dann Tipps und Tricks, um den Vitamin-D-Spiegel im Körper zu steigern.
Und nicht zuletzt werden Ihnen dann auch Ratschläge und Tipps gegeben zum Kochen, zum Einkaufen und zur Zubereitung von Speisen.
Wie können Familie und Freunde mich unterstützen?
Familie und Freunde können eine sehr große Stütze für Sie sein, vor allem, wenn sie für Sie da sind. Das heißt, wenn sie zum Beispiel auch im Hinblick auf Essen und Ernährung gemeinsam Sie einladen, dann zu kochen oder auch gemeinsam dann bei Tisch mit Ihnen sitzen.
Wichtig ist ein Essen in einer entspannten und ruhigen Atmosphäre, wo man sich wohlfühlt. Denn das sagt dann auch dem Darm, dass jetzt die Zeit ist, um Nahrungsmittel aufzunehmen, um zu verdauen. Und das wirkt dann über die Darm-Gehirn-Achse antidepressiv. Und das funktioniert am besten in einem ruhigen Umfeld, wo sie sich geborgen fühlen. Das heißt: Unbedingt Kontaktaufnahme mit Freunden und Familie.
Hier geht es zum Video-Interview: „Ernährung im Alltag bei Depression”
Geprüft Priv.-Doz.in DDr.in Sabrina Mörkl: Stand November 2021 | Quellen und Bildnachweis