Wie beeinflusst das Glioblastom meinen Alltag?
Im Idealfall beeinflusst das Glioblastom den Alltag nicht zu sehr. Allerdings ist es, glaube ich, sehr romantisch zu glauben, dass man nicht beeinträchtigt wird durch so eine Diagnose. Prinzipiell haben wir Patienten und Patientinnen, die auch während der Therapie zum Teil Vollzeit arbeiten gehen, sportlich aktiv sind. Die Realität, muss man ehrlicherweise sagen, ist aber schon so, dass die Erkrankung gerade in den ersten Wochen und Monaten sehr viel des Alltagslebens konsumiert, weil man natürlich sehr viele Gedanken hat, die darum kreisen. Durch die Strahlentherapie, die auch in der Regel sechs Wochen lang geht, auch sehr ans Zentrum gebunden wird, wenn man da jeden Tag einmal zur Bestrahlung gehen muss. Die weiteren Therapien sind in der Regel ambulant und sollten eigentlich nicht den Alltag großartig beeinflussen. Aber auch da gibt es individuelle Geschichten. Manche Patient:innen vertragen die Therapie sehr gut. Manche Patient:innen berichten uns, dass sie während der Therapiewoche nicht so aktiv sein können. Das ist tatsächlich sehr, sehr individuell.
Wie können mich Familie und Freund:innen beim Umgang mit der Erkrankung unterstützen?
Ich glaube, dass ein soziales Netz aus Freunden, aus Familie, aus Arbeitskolleg:innen ganz, ganz wichtig ist, wenn man an einem Glioblastom erkrankt. Aber prinzipiell auch bei jeder schwerwiegenden Erkrankung ein ganz wichtiges Auffangnetz darstellt für die Patient:innen, die betroffen sind. Ich glaube nicht, dass man beziffern kann oder ganz klar sagen kann, welche Art der Unterstützung da ganz wichtig ist. Da geht es, glaube ich, viel um Beistehen, um Zuhören, um Ängste nehmen. Vielleicht auch ganz von der anderen Seite kommend, Ängste zu erkennen und darauf hinzuweisen, dass es da vielleicht das eine oder andere Problem gibt, wo sich die Betroffenen vielleicht selbst noch nicht ganz im Klaren darüber sind, dass sie da Probleme haben, mit ihren Ängsten umzugehen. Ich glaube, das ist ganz viel auf dieser auch freundschaftlich psychischen Ebene relevant, dass da Beistand da ist und dass man auch manchmal ein bisschen abgelenkt wird. Ein anderes Beispiel: Häufig haben die Patienten ja auch eine Fatigue Symptomatik. So bezeichnet man das, wenn man chronisch müde ist. Und auch da haben wir die Erfahrung gemacht, dass diejenigen, die sehr gut in einem sozialen Netz aufgefangen werden, auch sehr gut betreut werden, möchte ich fast sagen, oder immer wieder abgeholt werden, um Dinge zu tun. Dass diese ganz gut durch diese Zeit durchkommen, wo man eben vermehrt müde ist, was häufig auch so nach der Strahlentherapie passiert. Und auch da ist es ganz wichtig, dass man sozusagen jemanden hat, der einen immer wieder so ein bisschen antreibt. Und wir haben die Erfahrung gemacht, dass das für die Betroffenen sehr gut ist. Umgekehrt haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass Freunde und Familie ganz häufig ein bisschen zurückhaltend sind, was die Anforderungen betrifft. Sie sagen häufig: Jetzt lassen wir die Patientin mal ein bisschen in Ruhe und zur Ruhe kommen. Das ist oft aber gar nicht notwendig. Es ist oft besser, wenn man da tatsächlich mehr mit den Leuten unternimmt, damit da konstant auch ein bisschen was passiert. Ich glaube in unserer Erfahrung einfach sehr, sehr wichtig, dass die Leute wenig Zeit zum Nachdenken im stillen Kämmerlein haben, sondern mehr Zuspruch bekommen, Beschäftigung bekommen und was zu tun haben. Gerade in der Zeit, wo außer einer Strahlentherapie zum Beispiel tagsüber wahrscheinlich gar nicht so viel passiert.
Wie kann mir psychoonkologische Unterstützung bei einem Glioblastom helfen?
Die psychoonkologische Betreuung von Patient:innen mit Gliomen und vor allen Dingen mit Glioblastomen ist was enorm Wichtiges. Zum einen fokussiert man sich dabei natürlich immer auf die Betroffenen. Zum anderen ist es aber auch sehr, sehr wichtig, auch die Angehörigen, das unmittelbare soziale Netzwerk, die sogenannten Caregiver, also die, die sich um die Patient:innen dann auch kümmern, im häuslichen Umfeld mit einzubeziehen. Es gibt die häufigere Situation, dass die Patient:innen Ängste haben, Sorgen haben und die Psychoonkologie da sehr unterstützend eingreifen kann. Zum anderen gibt es aber auch die Situation, dass die Betroffenen sehr wenig Angst und sehr wenig Sorgen haben, aber die Angehörigen durch die Situation sehr belastet werden. Und die werden ganz häufig leider vergessen. Deswegen ist es uns besonders wichtig, dieses Angebot der Psychoonkologie, das es bei uns und auch in vielen anderen Zentren gibt, nicht nur den Betroffenen selbst anzubieten, sondern eben auch dem unmittelbaren sozialen Umfeld, das heißt Partnern, Kindern, alle, die von der Erkrankung unmittelbar mitbetroffen werden, auch anzubieten, sich an die Psychoonkologie zu wenden. Weil es eben auch die nicht direkt oder nur als Angehörige Betroffenen sehr stark treffen kann.
Wie kann mir eine palliative Behandlung bei einem Glioblastom helfen?
Das Glioblastom ist per se in der onkologischen Definition eine palliative Erkrankung, weil wir es nicht heilen können. Das heißt, wir sind sehr früh auch bemüht, die Patient:innen hier im Land Tirol auch einem palliativen Unterstützungsnetzwerk zuzuführen. Das heißt, es gibt von vielen Bezirken ein mobiles Palliativteam, zum Teil auch Palliativstationen in den dort zuständigen Krankenhäusern, wo man die Patienten frühzeitig anbinden sollte. In unserer Wahrnehmung ist eine sehr frühe Anbindung sinnvoll, auch wenn man es noch nicht in Anspruch nehmen muss. Idealerweise wäre es so, dass man, sobald man von der Diagnose erfährt, das Palliativteam einschaltet. Was jetzt nicht bedeutet, dass die sozusagen dann auch direkt kommen müssen, sondern einfach nur, dass man weiß, da gibt es Patient:innen mit einer Erkrankung, die palliativ betreut wird und da könnte dann in naher Zukunft auch vielleicht eine Unterstützungsnotwendigkeit entstehen. Die Realität sieht dann häufig etwas anders aus, weil die Palliativteams natürlich sehr gut ausgelastet sind und auch nicht unendlich Ressourcen aufweisen. Für uns ist es besonders wichtig, dass die Patienten, die dann das Palliativteam auch wirklich schon brauchen, auch Zugang dazu finden. Und da haben wir hier in Tirol eine sehr gute Abstimmung mit den Palliativteams, dass die auch immer wieder Dinge bei uns nachfragen, weil, wie schon eingangs erwähnt, das ist eine Zentrumsmedizin, die Neuroonkologie, das heißt die kleineren peripheren Krankenhäuser haben damit nicht immer sehr viel zu tun. Und deswegen auch sind die Palliativteams auch mit uns in einem sehr regen Austausch über die einzelnen Patient:innen, die sie dann betreuen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Alltag und Unterstützung beim Glioblastom”