9. Glioblastome verstehen – Alle Fragen

Die Diagnose Glioblastom kann beängstigend sein und viele Fragen aufwerfen. Ein Glioblastom ist ein Hirntumor, der aus den Gliazellen des Gehirns entsteht. Diese Art von Tumor wächst schnell und die Behandlung kann herausfordernd sein.

In unserem Online-Kurs “Glioblastome verstehen” möchten wir Ihnen helfen, diese Erkrankung besser zu verstehen und Ihre persönliche Situation besser einzuschätzen.

Einleitung durch Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Christian F. Freyschlag

Hallo, mein Name ist Christian Freyschlag. Ich bin Neurochirurg hier in Innsbruck und bin für die Neuroonkologie an unserer Klinik zuständig. Nebenbei bin ich auch der stellvertretende Klinikdirektor der Neurochirurgischen Universitätsklinik in Innsbruck. Ich darf Ihnen heute alles Wissenswerte zum Glioblastom, primär auch zum Auftreten, zur Verteilung und auch zur Diagnostik des Glioblastoms hier in diesem Video berichten und hoffe, Sie gut informieren zu können.

Glioblastome einfach erklärt

Was ist ein Glioblastom?

Das Glioblastom ist zum einen der häufigste der hirneigenen Tumoren. Hirneigen bedeutet Tumore, die im Hirn entstanden sind und nicht dorthin gestreut haben. Zum anderen aber auch einer der bösartigsten dieser hirneigenen Tumoren.

Was ist der Unterschied zwischen einem Glioblastom und anderen Hirntumoren?

Das Glioblastom, wie es früher auch hieß. Glioblastoma multiforme, also vielgestaltig, ist ein Tumor, der aus vielen verschiedenen Teilen besteht, die auch unterschiedliche Merkmale aufweisen. Und im Vergleich zu den sogenannten niedriggradigen Tumoren ist es eben bösartig und die Bösartigkeit macht sich daran bemerkbar, dass es sich sehr schnell teilen kann und somit auch sehr schnell wachsen kann.

Wovon sind Prognose und Behandlung beim Glioblastom abhängig?

Zum einen ist die Prognose davon abhängig, wie gut man es behandeln kann. Das bedeutet zum Beispiel aus neurochirurgischer Sicht, wie gut man den Tumor entfernen kann, ob man den komplett entfernen kann. Das ist in Bezug auf die Kontrastmittel-Aufnahme im MRT zu betrachten. Oder ob man nur Teile davon entfernen kann. Zum anderen auf die weiterführende Behandlung, die in der Regel aus Strahlentherapie und medikamentöser Therapie besteht. Die andere Seite ist dann die gesamte Genetik dieses Tumors, die wir heutzutage auch standardmäßig mitbestimmt. Da gibt es zum Beispiel die sogenannte MGMT Promotor Methylierung. Das ist eine kleine genetische Veränderung, die aber tatsächlich große Wirkung auf die Behandelbarkeit von Glioblastomen aufweist. Und auch das ist ein Punkt, wovon die Behandlungsqualität, die Wirksamkeit der Behandlung und letztendlich auch die Prognose abhängt

Hier geht es zum Video-Interview: „Glioblastome einfach erklärt”

Entstehung und Risikofaktoren von Glioblastomen

Wie häufig sind Glioblastome?

Die Glioblastome sind die häufigsten der hirneigenen Tumoren. Das heißt aber insgesamt trotzdem eine seltene Erkrankung, wenn man es jetzt mit anderen klassisch onkologischen Diagnosen wie zum Beispiel Lungenkrebs, Brustkrebs oder Prostatakrebs vergleicht. Dagegen ist ein Glioblastom was eigentlich Seltenes. Mit der Brille eines Neurochirurgen oder Neurochirurgin betrachtet natürlich was sehr Häufiges, weil wir die Patient:innen häufig sehen, die Glioblastome entwickeln, aber sozusagen an der Bevölkerung gemessen eine sehr seltene Erkrankung. Betroffen sind vorwiegend Patient:innen in den in der sechsten Lebensdekade, das sprich über 60 Jahre alt. Das Hauptalter ist um die 65, wo Glioblastome auftreten. Das ist kein Tumor der jungen Bevölkerung, sondern der älteren Bevölkerung.

 Wie entsteht ein Glioblastom und gibt es Risikofaktoren?

Gliome oder Glioblastome entstehen aus unkontrolliertem Wachstum von Gliazellen. Diese sogenannten Gliazellen sind ganz wichtige Zellen im Gehirn, die die Nervenfasern umscheiden. Das kann man sich vorstellen bei der Elektrik die Isolierung eines Kabels. Und diese Zellen fangen eben unkontrolliert an zu wachsen. Und um das zu erreichen, schalten sie alle Schutzmechanismen des Körpers, wie zum Beispiel das körpereigene Immunsystem konsequenterweise und Schritt für Schritt ab. Das heißt, diese Zelle wird in gewisser Weise unsterblich. Und das ist sozusagen auch das Ziel solcher bösartigen Tumoren. Risikofaktoren dafür gibt es keine uns Bekannten. Es gibt eine ganz, ganz seltene genetische Prädisposition, also genetische Neigung dazu. Es gibt Familien, wo gehäuft Glioblastome auftreten, aber das ist eine absolute Rarität. Das ist nicht so, wie man es vom Lungenkrebs kennt, dass man sagt, wer lange raucht, wird Lungenkrebs bekommen. Diese Risikofaktor-Beziehung gibt es bei der Gliom-Erkrankung aber bei den Glioblastomen nicht.

Hier geht es zum Video-Interview: „Entstehung und Risikofaktoren von Glioblastomen”

Symptome von Glioblastomen

Welche Symptome sind bei einem Glioblastom typisch?

Die Symptome von Hirntumoren liegen eigentlich immer daran, wo dieser Hirntumor wirklich auch im Gehirn zu liegen kommt. Das heißt, die Symptome im Gehirn hängen immer davon ab, welche Funktion an dieser Stelle verortet ist. Das heißt zum Beispiel, wenn ein Tumor sehr nahe der Hauptmotorikregion, also der Bewegungsregion, liegt, dann ist es wahrscheinlich, dass Lähmungen auftreten. Das geht von Feinmotorikstörungen, also Probleme beim Schreiben, bis hin zu wirklich Lähmungen der gesamten Körperhälfte. Das kann schleichend, das kann aber auch plötzlich auftreten. Nicht zuletzt deswegen, weil es manchmal plötzlich auftritt, werden Patient:innen auch sehr häufig unter der Diagnose eines Schlaganfalls in die Klinik gebracht, wo man dann in der initialen Diagnostik merkt, dass die keinen Schlaganfall haben, sondern irgendeine Art von Tumor und dann die weitere Diagnostik sich anschließt. Zweites häufiges Symptom von Hirntumorerkrankungen sind epileptische Anfälle, die natürlich auch plötzlich auftreten, aus sozusagen völliger Gesundheit heraus. Andere Symptome, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, sind sicherlich deutlich im Hintergrund. Also der Glaube, dass jeder Hirntumor Kopfschmerzen machen muss, ist sicherlich nicht richtig, ist aber ein häufiges Symptom generell und deswegen auch häufig bei Tumorpatienten und -patientinnen gefunden.

Welche Rolle spielt die Lage des Glioblastoms für die Symptome?

Man muss sich das im Gehirn auch wieder das Beispiel der Elektrik so vorstellen. Es gibt gewisse Regionen, die gewisse Funktionen erfüllen und diese Funktionen können durch die Nähe zu einem Tumor oder auch durch das den Tumor umgebende Ödem, also die Schwellung im Hirngewebe, beeinträchtigt sein. Das heißt, wenn ich jetzt einen Tumor habe, der nahe der Sprachregion liegt, ist es wahrscheinlich, dass ich eine Sprach oder Sprechstörung bekomme. Wenn ich einen Tumor habe, der nahe der Bewegungsregion liegt, werde ich motorische Ausfälle, also Ausfälle der Beweglichkeit & Bewegungsfähigkit haben und so weiter. Somit gibt es sozusagen für jede Hirnregion, die eine spezielle Funktion erfüllt, auch einen dazu passenden Ausfall, wenn dort ein Tumor wächst.

Wie können sich die Symptome im Verlauf der Erkrankung verändern?

Die Symptome können sich verändern. Häufig ist es so, dass die Symptome anfänglich nach der Operation, nach der Strahlentherapie besser werden, weil viele der Symptome durch die umgebende Schwellung bedingt sind und nicht primär direkt durch den Tumor. Wenn die Schwellung dann nach der Behandlung zurückgeht, dann werden Symptome auch sehr häufig besser, kommen dann aber häufig wieder zurück, wenn der Tumor zum Beispiel nachwächst. Es kann auch sein, dass die Tumoren nach einer längeren Zeit der Erkrankung auch noch sogenannte Satelliten Tumore entwickeln. Das kann man sich so ein bisschen vorstellen wie Metastasen, also die Absiedelungen des Tumors, die aber im Gehirn stattfinden und auch ein ganzes Stück weg sein können. Somit kann es auch zu neuen Symptomen durch Auftreten von neuen Tumoren an einer anderen Stelle kommen.

Bei welchen Symptomen sollte ich zur Ärztin/zum Arzt gehen?

Prinzipiell bei allen Symptomen, die nicht normal sind. Das ist ja schon eigentlich logisch. Aber wenn es jetzt zum Beispiel zu Auftreten von motorischen Störungen kommt, wenn ich nicht mehr ordentlich schreiben kann. Wenn mir ständig Dinge aus der Hand fallen. Dann muss man schon mal zum Hausarzt zumindest gehen und sich das anschauen lassen, ob da eine Lähmung in irgendeiner Form vorliegt. Das kann natürlich manchmal recht schleichend gehen. Die meisten Symptome sind sehr akut und da stellt sich die Frage gar nicht “Gehe ich zum Arzt?”, weil in der Regel dann ein Rettungswagen/Notarzt gerufen wird und die Patient:innen sofort in die Klinik oder in das nächstgelegene Krankenhaus gebracht werden. Da stellt sich die Frage, wie gesagt gar nicht. Aber bei schleichenden Symptomen, auch bei Wesensveränderungen, wenn Leute plötzlich ihre Alltagsgewohnheiten über Bord werfen oder depressive Symptome entwickeln aus dem Nichts heraus, dann sollte man durchaus mal das Gespräch auch mit Hausarzt oder Hausärztin suchen, ob da nicht vielleicht etwas dahinterstecken kann. Wobei wie gesagt die überwiegende Zahl der Symptome akut auftritt und sich somit diese Frage gar nicht stellt.

Hier geht es zum Video-Interview: „Symptome von Glioblastomen”

Arztgespräch beim Glioblastom

An welche Ärztin/welchen Arzt sollte ich mich bei Verdacht auf einen Hirntumor wenden?

Wenn man schon den Verdacht hat, dass man einen Hirntumor hat, dann sollte man sich an einen Neurologen/Neurologin oder Neurochirurgen/Neurochirurgin wenden. Prinzipiell ist allerdings sicherlich empfehlenswert, sich primär an den Hausarzt oder die Hausärztin zu wenden, um dann auch eine Überweisung zum Spezialisten/zur Spezialistin zu bekommen für die weitere Diagnostik. Häufig ist es auch so, dass man anderen Arten von Hirntumoren zufällig entdeckt, zum Beispiel wegen Kopfschmerzen, wegen Schwindel oder anderen milden Symptomen. Der Hausarzt die Hausärztin hat hier schon ein MRT veranlasst und die Patient:innen dann mit dem MRT dann zu uns oder zur Neurologie kommen.

Welche Fragen an mich habe ich beim Arztgespräch zu erwarten und welche Fragen sollte ich stellen?

Die Arztgespräche laufen in der Regel immer relativ gleich ab. Man versucht so viel Information wie möglich aus der Patientin oder dem Patienten zu bekommen. Das heißt, wie lange gehen die Symptome schon? Was ist Ihnen noch aufgefallen? Häufig auch mit einer Außen-Anamnese. Das heißt, was hat der Partner, die Partnerin, die Familie, die Kinder bemerkt an Veränderungen? Was ja häufig auch die Patient:innen selber gar nicht bemerken. Das heißt, wir versuchen auch beim Erstgespräch häufig Familie, enge Angehörige dabei zu haben, weil die oftmals noch einen zusätzlichen Blick auf die Situation äußern können, der den Patient:innen gar nicht so aufgefallen wäre. Ansonsten normale Fragen zum medizinischen Hintergrund, Vorerkrankungen, Medikamente, die man kontinuierlich einnimmt, andere Tumorerkrankungen in der Vergangenheit. Also ein ganz normales ärztliches Anamnesegespräch und dann sehr symptombezogen eine Untersuchung und auch ein weiteres Gespräch über die aktuell aufgetretenen Symptome und dann in der Folge natürlich auch über die möglichen Behandlungsoptionen.

Wie kann ich mich auf das erste Arztgespräch vorbereiten? (Befunde etc. für Anamnese)

Ich glaube, prinzipiell muss man sich darauf gar nicht speziell vorbereiten. Wichtig ist für uns immer Vorbefunde zu haben. Das heißt, wenn Sie Vorerkrankungen haben, sei es Lunge, sei es Herz oder auch andere Tumorerkrankungen, dann vielleicht da einen Arztbrief mitzunehmen. Gerade wenn diese nicht zum Beispiel in einem anderen Krankenhaus behandelt werden, dann hat man häufig über die ELGA auch Zugriff darauf, aber halt nicht immer uneingeschränkt. Somit ist es immer sinnvoll, da einen ausführlichen, relativ aktuellen Arztbrief mitzubringen, der uns dann schon ein bisschen auf die Sprünge hilft, was an Vorerkrankungen vorliegt und auch für uns für die Planung unserer weiteren Schritte wichtig ist. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass jemand eine sehr schwere Herzerkrankung im Vorfeld hat, dann kläre ich schon als Chirurg im Vorfeld mit unseren Anästhesist:innen, ob es spezielle Untersuchungen braucht, wenn wir über eine OP sprechen wollen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Arztgespräch beim Glioblastom”

Der Weg zur Diagnose beim Glioblastom

Wovon hängt es ab, wie lange es bis zur Diagnose dauert?

Prinzipiell startet der Weg zur Diagnose eines Glioblastoms mit der Entnahme von Gewebe, das heißt mit einer Biopsie oder einer Entfernung des Tumorgewebes. Dieses Gewebe wird dann in die Neuropathologie gebracht, wo es zur weiteren Diagnostik vorbereitet und aufgearbeitet wird. Das braucht viele labortechnische Schritte. Viele davon haben auch eine ganz klar definierte Laufzeit. Da gibt es Färbungen, die müssen zumindest 48 Stunden einwirken. Und diese Färbungen nehmen natürlich Zeit in Anspruch. Und das ist auch die Zeit, die es braucht, bis wir eine Diagnose haben. Zusätzlich zur neuropathologischen Begutachtung durch das Mikroskop gibt es auch immer noch eine molekulargenetische Untersuchung, die auch wieder gewisse Laufzeiten hat. Und auch da ist es so, dass das Gerät, das diese Untersuchung durchführen kann, nicht für jede einzelne Tumorprobe eine Untersuchung losgeschickt wird, sondern auch gewisse Weise gewartet wird, bis da ein paar Proben zusammengekommen sind, damit man die Untersuchungsgrundlage möglichst gut ausnützt. Und das ist sozusagen die Zeit, die verstreicht. Da reden wir von im besten Fall einer Woche bis zehn Tage, im schlechtesten Fall 14/15 Tage, bis wir einen Befund bekommen. In ganz speziellen Fällen kann das sogar noch mal länger dauern. Wenn die Neuropatholog:innen sich entschließen, eine Zweitmeinung einzuholen, weil etwas zum Beispiel besonders auffällig oder speziell ist, dann wird es manchmal auch noch an eine andere Neuropathologie verschickt, um dort eine zweite Begutachtung einzuholen, wenn man sich eben nicht ganz sicher ist.

Welche Untersuchungen sind für die Diagnose eines Glioblastoms notwendig?

Zur Vorbereitung einer operativen Entfernung eines Glioblastoms braucht es prinzipiell mal ein gutes, hochauflösendes MRT, also eine Magnetresonanztomographie des Kopfes mit und ohne Kontrastmittel. Darauf kann man schon relativ gut die operativen Schritte planen. In speziellen Lagen, wenn zum Beispiel das Glioblastom nahe von wichtigen Hirnarealen liegt oder nahe von wichtigen Hirnbahnen liegt, also sozusagen den Kabeln, die die Hirnareale verbinden, dann kann es auch noch notwendig sein, spezielle MRT-Sequenzen durchzuführen, die dann bei uns in die Planung mit einbezogen werden. Wenn wir dieses MRT haben und die Operation geplant haben, wird das Gewebe danach an die Neuropathologie geschickt, wo es eben dann ausführlich aufgearbeitet wird mit speziellen Labortechniken, bis wir dann letztendlich einen schriftlichen Befund bekommen, der uns mitteilt, dass es sich bei dem Gewebe um ein Glioblastom handelt.

Wann wird bei einem Glioblastom eine Biopsie durchgeführt?

Das wird von Klinik zu Klinik oft unterschiedlich gehandhabt, wann Biopsien genommen werden. Wir persönlich machen Biopsien bei Tumoren, die nicht gut zugänglich sind oder die Operation ein sehr hohes Risiko in sich trägt, ein bleibendes neurologisches Defizit zu bekommen. Es kann auch Sinn machen, bei unklaren bildgebenden Befunden zunächst eine Biopsie zu entnehmen, weil es ein sehr wenig invasiver Eingriff ist, sehr wenig Risiko in sich trägt und man dann schon mal eine Diagnostik hat, um weitere Schritte zu planen. Biopsie kommt auch dann in Frage, wenn Patient:innen sehr schwer vorerkrankt sind, eine lange Narkose seitens der Narkoseärzt:innen nicht gut möglich ist oder auch sehr betagte Patient:innen, wo man eine Diagnose haben möchte, aber denen man eine große Operation mit Entfernung von Tumor aus dem Gehirn nicht zumuten möchte. Auch da kann es durchaus Sinn machen, eine Biopsie zu haben.

Hier geht es zum Video-Interview: „Der Weg zur Diagnose beim Gliobblastom”

Verlauf und Prognose beim Glioblastom

Ist ein Glioblastom heilbar?

Nein, das Glioblastom ist nicht heilbar. Was wir positiv beeinflussen können, ist die Zeit, bis der Tumor wiederkommt. Bis der Tumor wieder wächst. Das können wir durch alle Behandlungen, durch die Operation, durch die Strahlentherapie, auch durch medikamentöse Behandlungen sehr günstig beeinflussen. Aber eine Heilung, wie wir es bei anderen Krebserkrankungen schon sehen, können wir beim Glioblastom noch nicht aussprechen.

Wie sieht der Krankheitsverlauf bei einem Glioblastom aus?

Wenn man jetzt davon ausgeht, dass die Operation gut gegangen ist und danach die Strahlentherapie gemacht wurde dann machen wir in der Regel in unserer neuroonkologischen Ambulanz alle drei Monate MRT Kontrollen, schauen uns die an, machen dann auch noch spezielle Sequenzen dazu, weil man häufig nach einer Strahlentherapie Veränderungen im MRT sieht. Vor allem was die Kontrastmittelaufnahme betrifft, wo man sich manchmal schwer tut das einzuschätzen, ob das wieder nachgewachsener Tumor ist oder nur Veränderungen die durch die Strahlentherapie bedingt sind. Und mit diesen Kontrollen geht man alle drei Monate voran unter der kontinuierlichen medikamentösen Therapie. Und wenn dann irgendwann der Tumor zurückkehrt, der Tumor nachwächst, steht man sozusagen fast wieder am Anfang der Überlegungen. Dann muss man wieder überlegen: Kann man es nochmal operieren? Was sehr häufig möglich ist. Kann man es nochmal bestrahlen? Das hängt jetzt davon ab: Hat man es davor operiert oder nicht? Mit welcher Intensität kann man nochmal bestrahlen? Und was ist unsere sogenannte Second Line, also die zweite chemotherapeutische Option, die wir für die Patient:innen dann haben? Und das ist die Überlegung, die man macht beim ersten Rezidiv , wenn der Tumor das zum Ersten Mal wiederkommt. Ähnliche Überlegungen hat man, wenn es den Patienten und Patientinnen sehr gut geht, auch beim zweiten Rezidiv. Das heißt, jedes Mal, wenn der Tumor zurückkommt, steht man wieder vor sozusagen denselben Gedanken. Kann man nochmal operativ was machen. Kann man nochmal strahlentherapieren? Was gibt es an medikamentösen Optionen? Und das bespricht man dann mit den Patient:innen und den Angehörigen, welche Optionen wir da sehen und was wir für sinnvoll erachten. Es ist auch so, dass man alle diese Fälle dann noch mal in einem Tumorboard bespricht, wo sozusagen alle zusammenkommen, die mit dieser Erkrankung zu tun haben und da auch eine Empfehlung abgegeben wird, die wir dann den Patient:innen kommunizieren, was unsere Empfehlung ist. Und dann führen wir ein Aufklärungsgespräch über die Optionen.

Was soll ich tun, wenn sich meine Symptome verschlechtern oder neue Beschwerden auftreten?

Wenn sich Symptome verschlechtern oder neue Beschwerden auftreten, sollten Sie prinzipiell immer Kontakt mit ihren behandelnden Ärzt:innen aufnehmen. Die Neuroonkologie ist im Allgemeinen eine Zentrumsmedizin. Es ist sehr selten, dass Patient:innen mit Glioblastomen weiterhin beim Hausarzt oder bei der Hausärztin oder in kleineren Krankenhäusern betreut werden. Meistens werden die Patient:innen in Österreich an den neuroonkologischen Zentren betreut. Dort haben sie ihre Ansprechpartner:innen, an die sie sich auch wenden sollten, wenn sich die Symptome verschlechtern, neue Symptome auftreten oder auch bei allen anderen Fragen oder Problemen. In solchen Fällen können die behandelnden Ärzt:innen oft sehr gut weiterhelfen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Verlauf und Prognose beim Glioblastom”

Alltag und Unterstützung beim Glioblastom

Wie beeinflusst das Glioblastom meinen Alltag?

Im Idealfall beeinflusst das Glioblastom den Alltag nicht zu sehr. Allerdings ist es, glaube ich, sehr romantisch zu glauben, dass man nicht beeinträchtigt wird durch so eine Diagnose. Prinzipiell haben wir Patienten und Patientinnen, die auch während der Therapie zum Teil Vollzeit arbeiten gehen, sportlich aktiv sind. Die Realität, muss man ehrlicherweise sagen, ist aber schon so, dass die Erkrankung gerade in den ersten Wochen und Monaten sehr viel des Alltagslebens konsumiert, weil man natürlich sehr viele Gedanken hat, die darum kreisen. Durch die Strahlentherapie, die auch in der Regel sechs Wochen lang geht, auch sehr ans Zentrum gebunden wird, wenn man da jeden Tag einmal zur Bestrahlung gehen muss. Die weiteren Therapien sind in der Regel ambulant und sollten eigentlich nicht den Alltag großartig beeinflussen. Aber auch da gibt es individuelle Geschichten. Manche Patient:innen vertragen die Therapie sehr gut. Manche Patient:innen berichten uns, dass sie während der Therapiewoche nicht so aktiv sein können. Das ist tatsächlich sehr, sehr individuell.

Wie können mich Familie und Freund:innen beim Umgang mit der Erkrankung unterstützen?

Ich glaube, dass ein soziales Netz aus Freunden, aus Familie, aus Arbeitskolleg:innen ganz, ganz wichtig ist, wenn man an einem Glioblastom erkrankt. Aber prinzipiell auch bei jeder schwerwiegenden Erkrankung ein ganz wichtiges Auffangnetz darstellt für die Patient:innen, die betroffen sind. Ich glaube nicht, dass man beziffern kann oder ganz klar sagen kann, welche Art der Unterstützung da ganz wichtig ist. Da geht es, glaube ich, viel um Beistehen, um Zuhören, um Ängste nehmen. Vielleicht auch ganz von der anderen Seite kommend, Ängste zu erkennen und darauf hinzuweisen, dass es da vielleicht das eine oder andere Problem gibt, wo sich die Betroffenen vielleicht selbst noch nicht ganz im Klaren darüber sind, dass sie da Probleme haben, mit ihren Ängsten umzugehen. Ich glaube, das ist ganz viel auf dieser auch freundschaftlich psychischen Ebene relevant, dass da Beistand da ist und dass man auch manchmal ein bisschen abgelenkt wird. Ein anderes Beispiel: Häufig haben die Patienten ja auch eine Fatigue Symptomatik. So bezeichnet man das, wenn man chronisch müde ist. Und auch da haben wir die Erfahrung gemacht, dass diejenigen, die sehr gut in einem sozialen Netz aufgefangen werden, auch sehr gut betreut werden, möchte ich fast sagen, oder immer wieder abgeholt werden, um Dinge zu tun. Dass diese ganz gut durch diese Zeit durchkommen, wo man eben vermehrt müde ist, was häufig auch so nach der Strahlentherapie passiert. Und auch da ist es ganz wichtig, dass man sozusagen jemanden hat, der einen immer wieder so ein bisschen antreibt. Und wir haben die Erfahrung gemacht, dass das für die Betroffenen sehr gut ist. Umgekehrt haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass Freunde und Familie ganz häufig ein bisschen zurückhaltend sind, was die Anforderungen betrifft. Sie sagen häufig: Jetzt lassen wir die Patientin mal ein bisschen in Ruhe und zur Ruhe kommen. Das ist oft aber gar nicht notwendig. Es ist oft besser, wenn man da tatsächlich mehr mit den Leuten unternimmt, damit da konstant auch ein bisschen was passiert. Ich glaube in unserer Erfahrung einfach sehr, sehr wichtig, dass die Leute wenig Zeit zum Nachdenken im stillen Kämmerlein haben, sondern mehr Zuspruch bekommen, Beschäftigung bekommen und was zu tun haben. Gerade in der Zeit, wo außer einer Strahlentherapie zum Beispiel tagsüber wahrscheinlich gar nicht so viel passiert.

Wie kann mir psychoonkologische Unterstützung bei einem Glioblastom helfen?

Die psychoonkologische Betreuung von Patient:innen mit Gliomen und vor allen Dingen mit Glioblastomen ist was enorm Wichtiges. Zum einen fokussiert man sich dabei natürlich immer auf die Betroffenen. Zum anderen ist es aber auch sehr, sehr wichtig, auch die Angehörigen, das unmittelbare soziale Netzwerk, die sogenannten Caregiver, also die, die sich um die Patient:innen dann auch kümmern, im häuslichen Umfeld mit einzubeziehen. Es gibt die häufigere Situation, dass die Patient:innen Ängste haben, Sorgen haben und die Psychoonkologie da sehr unterstützend eingreifen kann. Zum anderen gibt es aber auch die Situation, dass die Betroffenen sehr wenig Angst und sehr wenig Sorgen haben, aber die Angehörigen durch die Situation sehr belastet werden. Und die werden ganz häufig leider vergessen. Deswegen ist es uns besonders wichtig, dieses Angebot der Psychoonkologie, das es bei uns und auch in vielen anderen Zentren gibt, nicht nur den Betroffenen selbst anzubieten, sondern eben auch dem unmittelbaren sozialen Umfeld, das heißt Partnern, Kindern, alle, die von der Erkrankung unmittelbar mitbetroffen werden, auch anzubieten, sich an die Psychoonkologie zu wenden. Weil es eben auch die nicht direkt oder nur als Angehörige Betroffenen sehr stark treffen kann.

Wie kann mir eine palliative Behandlung bei einem Glioblastom helfen?

Das Glioblastom ist per se in der onkologischen Definition eine palliative Erkrankung, weil wir es nicht heilen können. Das heißt, wir sind sehr früh auch bemüht, die Patient:innen hier im Land Tirol auch einem palliativen Unterstützungsnetzwerk zuzuführen. Das heißt, es gibt von vielen Bezirken ein mobiles Palliativteam, zum Teil auch Palliativstationen in den dort zuständigen Krankenhäusern, wo man die Patienten frühzeitig anbinden sollte. In unserer Wahrnehmung ist eine sehr frühe Anbindung sinnvoll, auch wenn man es noch nicht in Anspruch nehmen muss. Idealerweise wäre es so, dass man, sobald man von der Diagnose erfährt, das Palliativteam einschaltet. Was jetzt nicht bedeutet, dass die sozusagen dann auch direkt kommen müssen, sondern einfach nur, dass man weiß, da gibt es Patient:innen mit einer Erkrankung, die palliativ betreut wird und da könnte dann in naher Zukunft auch vielleicht eine Unterstützungsnotwendigkeit entstehen. Die Realität sieht dann häufig etwas anders aus, weil die Palliativteams natürlich sehr gut ausgelastet sind und auch nicht unendlich Ressourcen aufweisen. Für uns ist es besonders wichtig, dass die Patienten, die dann das Palliativteam auch wirklich schon brauchen, auch Zugang dazu finden. Und da haben wir hier in Tirol eine sehr gute Abstimmung mit den Palliativteams, dass die auch immer wieder Dinge bei uns nachfragen, weil, wie schon eingangs erwähnt, das ist eine Zentrumsmedizin, die Neuroonkologie, das heißt die kleineren peripheren Krankenhäuser haben damit nicht immer sehr viel zu tun. Und deswegen auch sind die Palliativteams auch mit uns in einem sehr regen Austausch über die einzelnen Patient:innen, die sie dann betreuen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Alltag und Unterstützung beim Glioblastom”

Meine Nachricht an Sie

Ich hoffe, ich konnte Sie gut über das Wissenswerte zum Glioblastom informieren. Meine persönliche Nachricht: Es ist mir ein ganz großes Anliegen, dass die Betroffenen mit Glioblastomen sich auch in ihren behandelnden Kliniken gut informiert fühlen und auch ganz besonders gut informiert werden über die Möglichkeit an der Teilnahme an klinischen Studien. Das ist mir nicht nur als Mediziner an einer Universitätsklinik wichtig, sondern auch für den Fortschritt der Erkrankung. Es ist leider so, dass wir beim Glioblastom nicht wahnsinnig viele Fortschritte in den letzten 20 Jahren haben. Es gibt einige sehr gute Fortschritte und da sind wir auch stolz drauf. Aber es braucht immer wieder auch Patient:innen, die bereit sind, den Weg in klinische Studien zu finden, weil die Therapie, die standardmäßig beim Glioblastom heutzutage verwendet wird, das heißt die Strahlentherapie, aber auch die medikamentöse Therapie mit Temozolomid nur da ist, wo sie ist, weil sich vor Jahren mehrere 100 Patient:innen mit Glioblastomen entschieden haben, sich eben einer solchen Studie zu unterziehen, die dann glücklicherweise positiv ausgefallen ist und so diese Therapien auch in die Standardtherapie wechseln und nicht nur experimentell sind. Das ist mir besonders wichtig, dass die Patient:innen sich da auch informieren, ganz aktiv nachfragen. Weil wir nur so näherkommen, dass wir irgendwann davon sprechen können, ein Glioblastom vielleicht auch heilen zu können.

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Geprüft Assoc.-Prof. Dr. Christian F Freyschlag: Stand September 2024 | Quellen und Bildnachweis
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.
(Zirkardianer Rhythmus )
Biologisches Phänomen, das in einem Rhythmus von ungefähr 24-Stunden bestimmte körperliche Funktionen beeinflusst.  Ein Beispiel ist der Schlaf-Wach-Zyklus durch die Freisetzung des Schlafhormons.
ambulant
Die Behandlung erfolgt ohne einen nächtlichen Aufenthalt im Krankenhaus.
Biopsie
Entnahme von verdächtigen Gewebeproben, um eine Krebserkrankung oder entartete Zellen zu diagnostizieren. Gewebeproben werden je nach Organ mit verschiedenen Techniken entnommen und unter dem Mikroskop beurteilt.
Chronisch
(Gegenteil: akut)
Sich über einen längeren Zeitraum allmählich entwickelnd oder bereits lange andauernd.
Fatigue
Häufige Begleiterkrankung von schweren Krankheiten, die mit anhaltender Müdigkeit, Kraftlosigkeit und fehlendem Antrieb einhergeht. 
Gliazellen
Zellen im Gehirn und im Nervensystem, die die Nervenzellen unterstützen und schützen. Sie helfen bei der Ernährung der Nervenzellen, halten das Umfeld sauber und sorgen dafür, dass die Signale im Nervensystem gut funktionieren. Gliazellen sind wichtig für die Gesundheit und Funktion unseres Gehirns.
 
Glioblastom
Ein bösartiger Hirntumor, der zur Gruppe der Gliome zählt. Diese Art der Hirntumore entstehen aus den Stützzellen des Gehirns (Gliazellen). Das Glioblastom ist der häufigste unter den Hirntumoren.
MRT
(Magnetresonanztomografie, auch Kernspintomografie)
Bildgebendes Verfahren, das sich besonders zur Darstellung von Weichteilen wie Muskeln oder Fettgewebe eignet. Magnetfelder lösen in den verschiedenen Geweben unterschiedliche Signale aus. Diese werden zu Bildern umgewandelt. Die Untersuchung ist schmerzlos und hat keine Strahlenbelastung.
Psychoonkologische Betreuung
Psychologische Unterstützung für Krebspatient:innen und deren Angehörige.  
Rezidiv
(Rückfall)
Wiederauftreten einer Krankheit nach zunächst erfolgreicher Behandlung mit Heilung oder Verbesserung.
Standardtherapie
Die Standardtherapie ist die Therapie, die den aktuell gültigen wissenschaftlichen Empfehlungen entspricht. Die Standardtherapie ist für verschiedene Erkrankungen unterschiedlich.
Strahlentherapie
Behandlung mit hochenergetischen Strahlen, um Krebszellen abzutöten.
Tumor
(„Geschwulst“)
Lokalisierte Vermehrung von Körpergewebe durch unkontrolliertes Wachstum von gutartigen oder bösartigen Zellen. Bösartige Tumore können in umliegendes Gewebe einwachsen und in entfernte Organe streuen. Der Begriff Tumor wird auch verwendet für eine Schwellung von Gewebe z.B. durch Einlagerung von Flüssigkeit im Rahmen von Entzündungsprozessen oder Blutungen.
Tumorboard
Ein Team aus medizinischen Expert:innen und Therapeut:innen verschiedenster Fachrichtungen. Sie treffen sich regelmäßig, um sich über Patient:innen mit einer Krebserkrankung auszutauschen und die für die jeweiligen Patient:innen bestmögliche Therapie zu empfehlen.
Zweitmeinung
Einschätzung eines zweiten Arztes oder einer zweiten Ärztin zur Diagnose oder Behandlung einer Erkrankung, um die Richtigkeit und Angemessenheit der vorgeschlagenen Therapie zu überprüfen.