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Kurs Kinder mit Hämophilie in der Schule: Lektion 4 von 6

Einen normalen Alltag ermöglichen

Eine Erkrankung wie die Hämophilie kann zunächst erschreckend wirken. Doch viele Sorgen sind unnötig. Wenn Sie die nötigen Vorsichtsmaßnahmen beachten und sich rechtzeitig informieren, können Sie Ihrem Betreuungskind die Teilnahme an fast allen Aktivitäten des Schul- und Kindergartenalltags ermöglichen. Ziel sollte immer sein, dass das betroffene Kind so normal wie möglich leben kann.

Video Transkript

Welche Informationen sollten LehrerInnen und BetreuerInnen von den Eltern erhalten?

  • Die Betreuer sollten darüber informiert sein, welche Art der Erkrankung genau vorliegt.
  • Ideal ist es auch, wenn die Betreuer informiert sind über den Schweregrad der Erkrankung.
  • Es sollte eine Kopie des Nothilfe-Passes, wo sich die wichtigsten Informationen finden zur Erkrankung, zu den Kontaktdaten des betreuenden Gerinnungszentrums, zu dem Gerinnungsfaktoren-Konzentrat, welches der Patient benötigt, in der Kindereinrichtung vorhanden sein.
  • Bei Patienten mit schwerer und mittelschwerer Form dieser Erkrankung ist es ideal, wenn für den Notfall ein Gerinnungsfaktoren-Konzentrat im Kühlschrank gelagert wird, sodass ein eintreffender Notarzt oder auch die Eltern dem Kind rasch das Gerinnungsfaktoren-Konzentrat spritzen können.

Wie kann ich Ausflüge in Schule oder Kindergarten so planen, dass Kinder mit Hämophilie teilnehmen können?

Prinzipiell gilt, dass Kinder mit Bluterkrankheit an Ausflügen teilnehmen können. Sie sollten natürlich unbedingt die Eltern über solche Ausflüge informieren. Es ist dann günstig, wenn die Eltern das so planen, dass die vorbeugende Gabe des Gerinnungsfaktoren-Konzentrates am Tag des Ausflugs erfolgt, sodass auch bei kleineren Verletzungen keine relevanten Blutungen auftreten können.

Was ist bei mehrtägigen (Auslands-) Reisen zu beachten?

  • Bei mehrtägigen Reisen sollten sich die Eltern unbedingt erkundigen, wo das nächstgelegene Gerinnungszentrum ist.
  • Darüber sollten die Betreuungspersonen informiert werden.
  • Es sollte gerade bei den Patienten mit den schweren und mittelschweren Formen der Bluterkrankheit auch für den Notfall oder für die vorbeugende Gabe das entsprechende Gerinnungsfaktoren-Konzentrat mitgeführt werden, was dann in der Einrichtung, in der die Kinder untergebracht werden, auch im Kühlschrank zu lagern ist, sodass es dann, wenn es durch den Notarzt oder durch den Patienten selbst, wenn er in der Lage ist, sich das Gerinnungsfaktoren Konzentrat zu spritzen, dann auch zur Verfügung stellt.

Wenn die Medikamente vom Kind oder Jugendlichen selbst gespritzt werden, wie können Betreuungspersonen sie dabei unterstützen?

  • Die Kinder und Jugendlichen, die sich selbst das Gerinnungsfaktoren-Konzentrat spritzen können, sollten ausreichend Zeit bekommen, denn es ist erforderlich, dass dieses Gerinnungsfaktoren-Konzentrat erst einmal entsprechend vorbereitet wird.
  • Dieses Faktoren-Konzentrat liegt in Pulverform vor, muss dann erst gelöst werden.
  • Die Kinder und Jugendlichen sollten Zeit haben, diesen Prozess des Spritzens vorzubereiten, indem sie eine entsprechende Unterlage zur Verfügung haben, das Desinfektionsmittel, das gesamte Spritzbesteck, das in den Gerinnungsfaktoren-Konzentraten vorhanden ist.
  • Und den Kindern und Jugendlichen sollten angeboten werden, dass eine Betreuungspersonen, wenn es erforderlich ist, ihnen dabei auch hilft.
  • Und es sollte auch dafür gesorgt werden, dass das Spritzen des Faktoren-Konzentrates in Ruhe in einem getrennten Raum erfolgen kann.

Was sollte beim Transport und der Aufbewahrung der Medikamente beachtet werden?

  • Diese Gerinnungsfaktoren-Konzentrate sollten idealerweise gekühlt transportiert werden.
  • Die meisten Gerinnungsfaktoren-Konzentrate können prinzipiell auch bei Raumtemperatur transportiert und gelagert werden. Man sollte in diesem Fall aber unbedingt darauf achten, dass sie nicht direkt der Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden.
  • Außerdem gehören diese Faktoren-Konzentrate nicht in einen Tiefkühlschrank, sondern nur in einen normalen Kühlschrank.

Die wichtigsten Fragen mit den Eltern klären

Um sich sicher zu fühlen, sollten Sie alle notwendigen Informationen haben. Setzen Sie sich deshalb mit den Eltern des betroffenen Kindes in Ruhe zusammen und klären Sie alle offenen Fragen und möglichen Probleme. Verstehen Sie sich als Team, das gemeinsam für das Wohl des Kindes sorgt.

Icon Praktischer Tipp Welche Infos sollten Sie einholen?

  1. Wie stark ist die Hämophilie ausgeprägt? Welche Art von Hämophilie hat das Kind?
  2. Welche Vorgaben gibt es für die Teilnahme am Sportunterricht oder anderen Aktivitäten? Darf es teilnehmen? Wenn ja, gibt es Einschränkungen?
  3. Welche Medikamente bekommt das Kind? Wird der Faktor vorbeugend gespritzt oder nur nach Bedarf? Wie muss das Medikament aufbewahrt werden? (Kühlung!)
  4. Wer soll bei welchen Symptomen und im Notfall angerufen werden, um den Gerinnungsfaktor rasch geben zu können? Notieren Sie Notfallnummern von Eltern, Kinderärztin/Kinderarzt und Hämophiliezentrum. Kann der Jugendliche das Medikament bereits selbst spritzen?
  5. Wie geht das Kind mit der Erkrankung um? Ist es zum Beispiel übervorsichtig und muss eher ermutigt werden? Oder überschätzt es sich eher und muss zur Vorsicht ermahnt werden?

Ausflüge und Reisen

Wenn es irgendwie machbar ist, sollten Kinder mit Hämophilie an Ausflügen und Reisen teilnehmen dürfen. Im Einzelfall muss natürlich mit dem Betreuungsteam und den Eltern geklärt werden, was möglich ist.

Sprechen Sie rechtzeitig über die wichtigsten Eckdaten:

  • Reiseziel Icon

    Was ist das Reiseziel?

    Wohin geht die Reise und wie sieht das Programm der Reise aus?

  • Flugzeug Icon

    Wie sieht es mit dem Transport aus?

    Wie können die Gerinnungspräparate und weiteres Material sicher transportiert und aufbewahrt werden? Bei Reisen ins Ausland informieren Sie sich über Zollbestimmungen für die Medikamente und Spritzen.

  • Spritze Icon

    Wer kann die nötigen Injektionen verabreichen?

    Grundsätzlich gilt: Spritzen setzen darf nur eine Person mit entsprechender Schulung! Sie dürfen als Betreuungsperson diese Aufgabe deshalb nicht übernehmen! Keinesfalls dürfen LehrerInnen oder ErzieherInnen selbst entscheiden, ob ein Medikament sinnvoll ist oder nicht. Informieren Sie deshalb immer die Eltern und/oder eine Ärztin/einen Arzt, bevor Sie eine Faktorgabe veranlassen. Klären Sie im Vorfeld, wer eine Spritze geben kann und darf.

  • Musikverbot Icon

    Gibt es ein ruhiges Zimmer?

    Wenn das Kind schon selbst spritzt: Gibt es ein ruhiges Zimmer mit Tisch, in dem das Kind sich zurückziehen kann? Welche Vertrauensperson kann gegebenenfalls assistieren, zum Beispiel Material reichen? Je nach Alter kann das auch eine Mitschülerin/ein Mitschüler sein. Kann genügend Zeit (bis zu einer Stunde) für die Medikamentengabe eingeplant werden?

  • Hämophiliezentrum Icon

    Wo liegt das nächste Hämophiliezentrum?

    Recherchieren Sie wie weit das nächste Hämophiliezentrum entfernt ist und wie Sie es erreichen können.

Grundinfo: Wie läuft die Medikamentengabe ab?

Manche Kinder lernen schon relativ früh den Umgang mit ihren Medikamenten. Dazu gibt es spezielle Übungssets, mit denen sie die Technik trainieren. Dennoch ist die Anleitung durch die in der Injektionstechnik erfahrenen Eltern wichtig, da das Medikament erst vorbereitet und dann intravenös gespritzt werden muss.

selpers Fallbeispiel Was sind die einzelnen Schritte für eine Medikamentengabe?

  1. Als Regel gilt: Das Faktorpräparat sollte bis zur Verwendung im Kühlschrank aufbewahrt werden. Manche Präparate können auch bei Raumtemperatur (bis max. 25°C) gelagert werden. Allerdings kann dann die Haltbarkeit des Präparates verkürzt sein.
  2. Für die Medikamentengabe ist ein ruhiger Ort mit genügend Licht und einem sauberen Tisch nötig. Wichtig ist, dass das Kind ungestört ist und genügend Zeit zur Verfügung hat. Das Spritzen selbst dauert nur wenige Minuten, aber die Vorbereitung des Medikamentes ist aufwändig.
  3. Gespritzt wird üblicherweise an der Hand oder am Arm. Nach dem Stauen der Vene wird eine Kanüle, das ist eine spezielle Injektionsnadel, in die Vene gesetzt.
  4. Über diese kann nun der Gerinnungsfaktor direkt in die Vene gespritzt werden.
  5. Anschließend wird die Kanüle wieder entfernt und stichsicher entsorgt.
  6. Wichtig ist, dass ein Zellstofftupfer lange genug (etwa drei Minuten) auf die Einstichstelle gedrückt wird.
  7. Anschließend räumt man alle Materialien wieder sauber weg und dokumentiert die Gabe im Medikamenten-Tagebuch.

Lassen Sie sich ruhig einmal vom Kind oder den Eltern zeigen, wie das Spritzen funktioniert. Dann können Sie im Notfall besser unterstützen.

Erfahrungen eines Betroffenen

Geprüft Prof. Dr. Ralf Knöfler: Stand Februar 2020

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Dieser Kurs ist Teil der Kursreihe „Hämophilie verstehen“

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