In Österreich ist die Bevölkerung, mit wenigen Ausnahmen, automatisch im Sozialversicherungssystem versichert. Doch was bedeutet das genau? Und wie funktioniert dieses System? In dieser Lektion erfahren Sie, wie das österreichische Sozialversicherungssystem aufgebaut ist und in welchen Versicherungsfällen Sie davon profitieren können.
Dr.in Maria-Luise Plank, Rechtsanwältin, beantwortet im Video "Wie funktioniert die Sozialversicherung?" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Welche Säulen umfasst die Sozialversicherung?
- Wer ist versichert, wer nicht?
- Wer zahlt wie viel ein?
- Wann muss ich mich selbst um meine Versicherung kümmern?
- Was umfasst eine Versicherung, was nicht?
- Wie kann man aus dem System fallen?
- Was ist zu tun, wenn man aus dem System gefallen ist?
- Auf den Punkt gebracht
Video Transkript
Welche Säulen umfasst die Sozialversicherung?
Die österreichische Sozialversicherung ist eine Pflichtversicherung. Das bedeutet, jeder der einer Erwerbstätigkeit nachgeht ist automatisch aufgrund des Gesetzes versichert. Ehegatten und Kinder können mit den Erwerbstätigen mitversichert sein. Der Versicherungsschutz umfasst hierbei grundsätzlich die Zweige der
- Krankenversicherung (KV): Im Fall von Krankheit und Schwangerschaft werden ärztliche Leistungen, Aufenthalte in Krankenanstalten, Medikamente, Rehabilitation etc zur Verfügung gestellt.
- Unfallversicherung (UV); Bei Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen muss dies Unfallversicherung die bestmögliche Therapie und Nachsorge übernehmen;
- Pensionsversicherung (PV): Im Versicherungsfall des Alters oder der Invalidität erhalten die Menschen einen Pension, die sich an der Dauer und der Höhe der Einzahlungen orientiert.
- Arbeitslosenversicherung (AV)
Wer ist versichert, wer nicht?
In Österreich gibt es ein System der Pflichtversicherung für alle Erwerbstätigen. Das bedeutet, dass die Versicherung kraft Gesetzes unabhängig vom Willen des Einzelnen eintritt. Die Pflichtversicherung beginnt, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. Arbeitnehmer mit einem Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze) erfüllt sind.
Folgende Personengruppen sind nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) grundsätzlich pflichtversichert (voll- oder teilversichert):
- Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer
- Geringfügig Beschäftigte (nur unfallversichert)
- Freie Dienstnehmerinnen/freie Dienstnehmer
- Heimarbeiterinnen/Heimarbeiter
- im Betrieb der Eltern (Großeltern, Wahl- oder Stiefeltern) beschäftigte Kinder, die für diese Tätigkeit kein Entgelt bekommen
- Vorstandsmitglieder und geschäftsführende Gesellschafterinnen/Gesellschafter einer AG
- geschäftsführende Gesellschafterinnen/Gesellschafter einer GesmbH
Angehörige, die selbst nicht unter die Versicherungspflicht fallen können im Rahmen einer Familienversicherung mitversichert werden. Als Angehörige gelten: Ehegatten, eingetragene Partner und Kinder, solange sie sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinden
Personen ohne Pflichtversicherung haben unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit einer freiwilligen Selbstversicherung.
Bezieht ein Arbeitnehmer ein Entgelt unter der Geringfügigkeitsgrenze ist er nur in der Unfallversicherung versichert.
Arbeitnehmer sind für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert. Um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben, muss die arbeitslose Person für einen bestimmten Mindestzeitraum einer Beschäftigung nachgegangen sein (in den letzten 2 Jahren zumindest 52 Wochen).
Wer zahlt wieviel ein?
Die Höhe der Beiträge der Versicherten und ihrer Dienstgeber ist im Gesetz durch einen Prozentsatz festgelegt. Dieser ergibt anhand der Beitragsgrundlage (Erwerbseinkommen des Versicherten) Beitragssatz. Grundsätzlich sind folgende Beiträge vom Einkommen an den Sozialversicherungsträger abzuführen:
- Krankenversicherung 7,65% wobei ca. ½ der Arbeitnehmer und ca. ½ der Dienstgeber zahlen.
Beitragspflicht besteht bis zur Höchstbeitragsgrundlage. Das bedeutet zB für das Jahr 2019, dass von der Geringfügigkeitsgrenze von EUR 446,81 bis zu einem Brutto-Einkommen von EUR 5.220,– Beitragseinnahmen für die soziale Krankenversicherung eingehoben werden.
Der Dienstgeber ist verpflichtet, die zu entrichtenden Beiträge bis zum 15. des Folgemonates mit einer Beitragsnachweisung an die Sozialversicherung zu überweisen.
Wann muss ich mich selbst um meine Versicherung kümmern?
Wenn Sie keine Anwartschaft in der Arbeitslosenversicherung haben und auch keine Mitversicherung in Frage kommt, dann gibt es die Möglichkeit einer freiwilligen Selbstversicherung.
Dienstnehmer/innen, die wegen Geringfügigkeit des Entgeltes von der Vollversicherung ausgenommen sind, können der Selbstversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung beitreten.
War man schon einmal in der Sozialversicherung versichert und endet die Erwerbstätigkeit ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld, dann ist eine freiwillige Weiterversicherung möglich.
Was umfasst die Versicherung, was nicht?
Unter Sozialversicherung versteht man in Österreich die staatliche Pflichtversicherung, um möglichst alle vor den Folgen von Krankheit, Alter, Unfall und Arbeitslosigkeit zu schützen. Menschen, die in besonderen Lebenslagen oder Situationen keine Chance auf ein Einkommen haben, sollten trotzdem vor völliger Mittellosigkeit und Armut geschützt werden.
Wie kann man aus dem System fallen?
Die österreichische Sozialversicherung ist als Pflichtversicherungssystem aufgebaut. Das bedeutet, dass die Versicherung kraft Gesetzes unabhängig vom Willen des Einzelnen eintritt. Die Pflichtversicherung ist an eine Beschäftigung geknüpft. Das bedeutet, wenn man niemals einer Erwerbstätigkeit nachgeht und auch nicht mit einem Ehegatten oder den Eltern mitversichert ist, kann man aus dem System fallen. Auch eine lange Arbeitslosigkeit kann dazu führen, dass sämtlichen Ansprüche aus der Sozialversicherung erlöschen.
Was ist zu tun, wenn man aus dem System gefallen ist?
Wenn eine Beschäftigung oder sonstige Ewerbstätigkeit nicht möglich ist, dann bleibt nur die Möglichkeit einer freiwilligen Selbstversicherung.
Wie erfahre ich meinen Versicherungsstatus?
Der Versicherungsstatus kann online unter www.sozialversicherung.at und weiter zu Online Services abgefragt werden oder ich wende mich direkt an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger: 1030 Wien, Haidingergasse 1, Telefon (allgemein): +43 (0)1 71132-0
Auf den Punkt gebracht
Die Pflichtversicherung in Österreich tritt unabhängig vom Willen des Einzelnen mit jeder Form von Erwerbstätigkeit ein. Die Pflichtversicherung ist für den Fall der Krankheit, Unfälle, Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit und das Alter gedacht. Es gibt die Möglichkeit der freiwilligen Selbstversicherung. Derzeit ist das Risiko der Pflegebedürftigkeit nicht von der Sozialversicherung umfasst.
Österreich ist ein sogenannter Sozialstaat und wird manchmal auch als Wohlfahrtsstaat bezeichnet. Gemeint ist damit, dass die soziale Gerechtigkeit und die soziale Sicherheit der BürgerInnen Ziele des Staates sind. Die Sozialversicherung steht im Zeichen dieser sozialen Ausrichtung. Sie ist nicht gewinnorientiert und hat eine lange Entstehungsgeschichte, die sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lässt. Es handelt sich bei der Sozialversicherung um eine Pflichtversicherung per Gesetz.
Was ist eine Pflichtversicherung?
Das bedeutet, dass anders als bei Privatversicherungen niemand auf Grund von beispielsweise hohem Lebensalter oder einer Vorerkrankungen abgelehnt werden kann.
Die Pflichtversicherung tritt automatisch durch eine ausgeübte Erwerbstätigkeit ein und gilt für alle Erwerbstätigen, wobei:
- ArbeitnehmerInnen dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) unterstehen,
- Selbstständige dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG),
- Ärztinnen/Ärzten, Apothekerinnen/Apothekern und Patentanwältinnen/Patentanwälten dem Freiberuflich Selbstständigen-Sozialversicherungsgesetz (FSVG) und
- Landwirtinnen/Landwirte dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG)
Wie wird die Sozialversicherung finanziert?
Das System der Sozialversicherung funktioniert durch eine sogenannte Beitragsfinanzierung. Das heißt, dass die/der Versicherte einen Sozialversicherungsbeitrag einbezahlt, der sich an der Einkommenshöhe orientiert.
Die kollektiv einbezahlten Beträge bewirken, dass die/der Einzelne sich im Notfall auf finanzielle Hilfe verlassen kann und sozial abgesichert ist.
Durch wen wird die Sozialversicherung verwaltet?
Kranken-, Unfall-, und Pensionsversicherung werden von den sogenannten Sozialversicherungsträgern selbstverwaltet. Die Verwaltung der Arbeitslosenversicherung hingegen wird vom Bund über das Arbeitsmarktservice (AMS) durchgeführt.
Die Sozialversicherungsträger sind unterschiedliche Einrichtungen, beispielsweise Krankenkassen, die auf Grund eines Versicherungsverhältnisses Leistungen erbringen. Seit dem 1. Jänner 2020 ist in Österreich eine neue Struktur der bestehenden Sozialversicherungsträger gültig. Wie diese Struktur nun aufgebaut ist erfahren Sie in Lektion 2.
Folgende Versicherungsfälle deckt die Sozialversicherung ab
Die Sozialversicherung hat vier Säulen, die bei unterschiedlichen Versicherungsfällen zum Tragen kommen:
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1. Krankenversicherung
Die Krankenversicherung kommt zum Einsatz, wenn jemand auf Grund von Krankheit, oder auch Mutterschaft, nicht in der Lage ist zu arbeiten.
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2. Unfallversicherung
Die Unfallversicherung tritt in Kraft, wenn es zu einem Arbeitsausfall, einer Berufskrankheit oder zu einem Unfall am Arbeitsplatz kommt.
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3. Pensionsversicherung
Die Pensionsversicherung sichert Personen ab, die auf Grund von Alter oder krankheitsbedingtem Ausscheiden nicht mehr arbeitsfähig sind.
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4. Sonderstellung der Arbeitslosenversicherung
Neben diesen drei Zweigen gehört auch noch die Arbeitslosenversicherung, die den Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit abdeckt, zur Sozialversicherung. Sie nimmt jedoch eine Art Sonderstellung ein, weil sie anders verwaltet wird.
Automatische Leistungsabrechnung durch die eCard
Die eCard ist eine Chipkarte mit personenbezogenen Daten. Sie ist mit dem elektronischen Verwaltungssystem des österreichischen Sozialversicherungssytems vernetzt und erleichtert dadurch verschiedene Verwaltungsabläufe.
Durch das Einscannen Ihrer eCard erhält z.B. die Sprechstundenhilfe Ihrer Ärztin/Ihres Arztes Informationen darüber, ob bzw. bei welchem Krankenversicherungsträger Sie versichert sind.
Die Leistungsabrechnung bei der Kassenärztin/dem Kassenarzt läuft automatisch über die eCard. Sie sollten Ihre eCard deswegen auf jeden Fall zu einem Arztbesuch bzw. einer Behandlung mitnehmen.
Hilfe bei fehlender Krankenversicherung
Immer wieder kommt es vor, dass Menschen durch das soziale Netz rutschen und ohne Versicherungsschutz dastehen. Es gibt verschiedene Einrichtungen, die hier einspringen und Menschen ohne Krankenversicherung im Krankheitsfall kostenlos behandeln.
- Wien: AmberMed, Ordenskrankenhaus der Barmherzigen Brüder, neunerhaus, Louisebus
- Linz: Help-Mobil
- Graz: Marienambulanz
- Salzburg: Virgilbus
- Innsbruck: MedCar(e)
Geprüft Dr.in Maria-Luise Plank: Stand 08.04.2020