Im folgenden Kapitel stelle ich dir unterschiedliche Impulse und Übungen für deine Kreativität vor. Welchen Stil oder Übung du letztendlich bevorzugen oder in deinem Tagebuch ausprobieren möchtest, liegt allein bei dir. Alles darf, nichts muss. Im Schreiben bist du keinen festen Regeln unterworfen. Vielleicht kombinierst du aber auch unterschiedliche Stile miteinander, je nachdem, wie viel Zeit dir an einem Tag zur Verfügung steht oder wonach dir gerade der Sinn steht.
Der erste Satz und weitere Schreibtipps
Den ersten Satz in einem Tagebuch zu verfassen mag vielleicht der schwerste sein. Aber wenn du deinen ersten Satz bewältigt hast, ist diese Hürde genommen und du kannst bereits mit deinem zweiten beginnen. Und ehe du dich versiehst, hast du deinen ersten Tagebucheintrag fertig gestellt, zu dem ich dir herzlichst gratuliere.
Tipp 1: Es muss kein Roman werden
Bei einem Tagebucheintrag kommt es nicht immer auf lange, ausformulierte Texte an. Es ist ausreichend, wenn wir uns in wenigen Sätzen auf das Wesentliche eines Tagesgeschehens konzentrieren. Situationen und Empfindungen lassen sich auch sehr gut in Stichworten sammeln und können auf diese Art eine eigene Dynamik entwickeln.
Oder aber du verzichtest an Tagen, an denen dich das Leben besonders fordert, auf Verben im Text . Dies kann ein Geschehen sehr intensiv darstellen.
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Tipp 2: Schenke deinen Stimmungen Farbe und Individualität
Im Text kannst du deine Stimmungen oder besondere Situationen durch unterschiedliche Schriftfarben betonen oder mit Textmarkern hervorheben und entwickelst auf diese Art eine dynamische Chronik deiner Stimmungen.
Deine Texte kannst du durch Zitate, Zeichnungen und Fotografien abrunden oder durch Mutmachkarten von Freunden und Familie unterstreichen.
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Tipp 3: Das automatische Schreiben
Kennst du solche Momente? Du bist ganz bei dir und deine Gedanken kommen und gehen, frei von äußeren Einflüssen. Versuche diese nun unzensiert von deinem ICH zu Papier zu bringen. Dabei spielen Satzzeichen oder Groß- und Kleinschreibung keine Rolle.
Diesen Stil nutze ich, wenn ich psychisch sehr gefordert bin, wenig Zeit zur Verfügung habe oder wenn mir eine Eingebung quasi unter den Nägeln brennt. Er hilft uns dabei, an überraschende Lösungen und Erkenntnisse zu gelangen, die in unserem Unterbewusstsein ruhen und nur darauf warten, von uns entdeckt zu werden.
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Tipp 4: Das systematische Schreiben
Das genaue Gegenteil zum Stil des automatischen Schreibens ist der Stil des systematischen Schreibens. Mit diesem Stil erstellst du beispielsweise Listen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. Diese Listen können einen Spiegel in unsere Seele darstellen, weil sie zeigen, was wir uns sehnlichst wünschen oder sie können uns dabei helfen, unseren Alltag neu zu strukturieren. Zugleich können sie aber ein ungemeiner Ansporn sein, unsere Wünsche und Ziele zur Erfüllung zu bringen. Ein Gedanke kommt und geht. Sobald wir diesen jedoch schriftlich festhalten, ist er visuell greifbar und entwickelt auf diese Art seine eigene Dynamik.
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Systematisches Schreiben: Themenideen für Listen in deinem Tagebuch
- Eine Bucket List (Liste der Dinge, die man vor seinem Tod unbedingt machen möchte)
- Wenn ich wieder gesund bin, möchte ich mir folgende Wünsche erfüllen
- Was kann ich selbst tun, damit es mir besser geht
- Was gibt es Schönes in meinem Leben
- Die 10 intensivsten Momente meines Lebens
Übungen
Im folgenden habe ich einige Übungen zusammengestellt, die dir dabei helfen, deinen Alltag zu reflektieren und dir innere Kraft und Ruhe schenken können. Wenn eine der Übungen nicht die richtige für dich zu sein scheint, stell sie hinten an. Vielleicht kommst du zu einem späteren Zeitpunkt auf sie zurück. Alles kann und nichts muss…
Übung 1: Glücksmomente festhalten
Nimm dir am Ende eines Tages Zeit und überlege dir, was dir an diesem Tag positiv in Erinnerung geblieben ist. Das müssen keine großen Momente gewesen sein. Spüre in dir nach, welcher Moment schön und bereichernd für dich war. Was hat dir Freude bereitet oder welchen Moment hast du als angenehm erlebt?
Diese Übung hilft dabei, dir genau diese oft unbeachteten Momente bewusst zu machen und ihrer Kraft nachzuspüren. Mit ihr stärkst du dein seelisches Gleichgewicht und förderst deine Resilienz (innere Widerstandskraft).
So geht’s:
Notiere deine Glücksmomente in deinem Tagebuch und versetze dich gedanklich noch einmal zurück und überlege dir:
- Wo war ich und was genau habe ich erlebt?
- Was hat diesen Moment besonders schön oder angenehm für mich empfinden lassen?
- Kann ich aus diesem positiven Moment lernen, was mir gut tut?
- Was kann ich dazu tun, solche Momente öfter zu erleben?
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Übung 2: Mach dir bewusst: Du bist viel mehr als die Erkrankung Krebs
Krebspatienten, die gerade ihre akuten Therapien oder sich im “Danach” versuchen wiederzufinden, fühlen sich im Geschehen der Erkrankung oft verloren und hilflos ausgeliefert. Viele Konstanten, die das bisherige Leben ausmachten, sind durch den aktuellen Gesundheitszustand oder weil Kräfte zusehends schwinden, scheinbar weggebrochen. Von unserem Umfeld werden wir zudem oft nur noch als DER onkologische Patient wahrgenommen und fühlen uns dabei nicht selten unserer Persönlichkeit beraubt. Dabei sind wir viel mehr als NUR der Patient. Wir sind an erster Stelle IMMER Mensch. Mit all unseren Talenten und Fähigkeiten. Diese können wir uns mit einer einfachen Schreibübung bewusst vor Augen führen.
So geht’s:
Schreibe auf eine leere Seite deines Tagebuchs:
Ich bin, folgend mit deinem Vornamen und halte fest, was dich als Mensch mit all deinen Stärken und Talenten ausmacht.
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Übung 3: Kraftspender deines Lebens
Zeichne ein Bild mit den wichtigsten Ressourcen und Kraftspendern deines Lebens und frage dich: Welche Personen und Aktivitäten in deinem Leben gibt es, die dir Kraft schenken?
Wenn dein Bild fertiggestellt ist, wird es dir eine Darstellung von allem Guten zeigen, welches dir im Leben Halt gibt.
So geht’s:
Zeichne dich im Mittelpunkt einer leeren Seite und stelle alle Kraftspender um dich herum auf. Wenn das Bild fertiggestellt ist, wird es dir eine Darstellung von allem Guten zeigen, welches dir im Leben Halt gibt.
Passe dieses Beispiel individuell an, so wie es für dich stimmig erscheint. Deine Kraftspender kannst du durch unterschiedliche Farben und Zeichnungen visuell verstärken.
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Übung 4: Schreibe deinem jüngeren ICH einen Brief
Wir Menschen halten gerne Rückschau in unsere Vergangenheit. Als junger Mensch hatten wir für unsere Zukunft große Träume und Pläne. Manche haben sich erfüllt oder wurden sogar übertroffen und manchmal wurden wir vom Leben enttäuscht.
Es mag befremdlich erscheinen, seinem jüngeren Selbst einen Brief zu schreiben, aber aus unserer Vergangenheit können wir für unser Heute lernen und ihr eine Hand reichen, die wir vergessen glaubten.
So geht’s:
In einem Brief an dein jüngeres-ICH hast du die Möglichkeit, einen Blick in deine Vergangenheit zu werfen und dich zu fragen: Was lief nicht so gut und was würdest du heute anders machen wenn du könntest?
Welche Botschaft oder Lebensmaxime würdest du deinem jüngeren-ICH mit auf den Lebensweg geben? Wie kannst du deinem jüngeren-ICH Mut und Selbstvertrauen schenken für die kommenden Hürden deines Lebens?
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Ich freue mich, wenn dir die Schreibtipps dabei helfen, deine Kreativität auszuprobieren und du mit ihnen deinen persönlichen und einzigartigen Erinnerungsschatz gestaltest.
Wann immer du zukünftig dein Tagebuch zur Hand nehmen und in ihm zurückblättern wirst, wird es dir zeigen, welche Wegstrecke du bewältigt hast. In seinen Seiten findest du wertvolle Anekdoten und Lebensmomente, mit allen Höhen und Tiefen, die dich als Mensch ausmachen.
Geprüft Nicole Kultau: aktualisiert März 2022