9. Blasenkrebs behandeln – Alle Fragen

Der Blasenkrebs ist ein bösartiger Tumor , der sich im Gewebe der Harnblase entwickelt. In der Medizin spricht man auch von Harnblasenkrebs oder Harnblasenkarzinom. Die mit Abstand häufigste Form von Blasenkrebs ist das Urothelkarzinom. Blasenkrebs kann je nach Art verschiedene Behandlungen erfordern. Die wichtigste Unterscheidung liegt in muskelinvasiven und nicht-muskelinvasiven Tumoren, die die Therapieentscheidung maßgeblich beeinflussen.

In dieser Schulung erhalten Sie Informationen über die verschiedenen Behandlungen und die Wahl der passenden Therapie. Es wird erklärt, wie die transurethrale Resektion der Blase (TUR-B) abläuft. Auch die Chemotherapie , Strahlentherapie und Immuntherapie werden näher erklärt. Die radikale Zystektomie wird besprochen sowie die Bedeutung von Verlaufskontrollen und Nachsorge. Schließlich erfahren Sie, wie Sie aktiv zur erfolgreichen Therapie beitragen können.

Einleitung durch OÄ Dr.in Niedersüß-Beke

Liebe Patientinnen und Patienten, mein Name ist Dora Niedersüß-Beke. Ich bin Uro-Onkologin am Klinikum Ottakring und werde mich heute mit dem Blasenkarzinom beschäftigen. Dabei werden wir auf folgende Themen eingehen:

  • Unterschiedliche Therapieformen
  • Ausdehnung des Tumors
  • Möglichkeiten der Behandlung
  • Möglichkeiten mit dem Umgang der Nebenwirkungen
  • Lebensqualität
  • Psycho-onkologische Unterstützung

Hier geht es zur Einleitung des Kurses: „Blasenkrebs behandeln“

Therapieoptionen bei Blasenkrebs

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Blasenkrebs?

Wenn wir vom Blasenkrebs sprechen, gibt es ja unterschiedliche Ausmaße dieser Erkrankung. Und je nach Ausmaß der Erkrankung haben wir auch unterschiedliche Behandlungsmethoden.

Wenn es sich um ein lokalisiertes Stadium handelt, beziehungsweise wirklich oberflächliche Tumore, die im Ganzen abgetragen werden im Rahmen einer sogenannten TUR-B, also eine Transurethrale Resektion dieses Tumors, da wird eine Kamera eingeführt und die Tumorformation mit einer Schlinge abgetragen. Je nach Ausdehnung dieses Tumors, wo der Pathologe dann schlussendlich einen Befund abgibt, haben wir unterschiedliche Möglichkeiten der Behandlung.

  • Wenn der Tumor wirklich klein und oberflächlich war, genügt eine neuerliche Kontrolle in drei Monaten. Und dann gibt es weiteres Prozedere.
  • Wenn der Tumor ein höheres Risiko hat oder mehrere Tumore in der Blase waren, dann besteht auch die Möglichkeit einer lokalen Therapie. Zunächst alle drei Monate, aber es gibt unterschiedliche Schemata, da gibt es unterschiedliche Substanzen, die auch zur Anwendung kommen.
  • Wenn aber dieser Tumor eine gewisse Struktur in der Harnblasenwand wie die Muskulatur überschritten hat, muss man eine intensivere Therapie erwägen.
  • Wenn der Tumor in die Peripherie gestreut hat, sozusagen metastasiert ist, haben wir wieder andere Therapieoptionen zur Verfügung.

Wie schnell nach der Diagnosestellung sollte die Behandlung beginnen?

Die Diagnosestellung erfolgt ja zumeist durch Urolog:innen , zumindest im lokalisierten Stadium.

  • Wenn der Urologe/die Urologin im Rahmen einer Blasenspiegelung einen Tumor festgestellt hat, sollte die Vorstellung in einer urologischen Abteilung, wo man auch operativ diesen Tumor abtragen kann, relativ zügig erfolgen.
  • Wenn es sich um eine metastasierte Situation handelt, also ausgedehnte Tumorformationen, wo auch in anderen Körperteilen Tumor nachgewiesen werden kann, ist die Behandlung auf einer onkologischen Abteilung oder auf einer urologisch-onkologischen Abteilung durchzuführen und ebenfalls zeitnah anzufangen.

Wie lange dauert die Behandlung von Blasenkrebs?

Wie lange die Therapie des Blasenkarzinoms dauert, hängt wiederum von der Tumor-Ausdehnung ab.

  • In einem lokalisierten Stadium, also wirklich kleiner Tumor, oberflächlicher Tumor, kann eine einmalige Behandlung mit nachher Kontrollen ausreichend sein.
  • Je ausgedehnter der Tumor, umso länger ist die Behandlung, umso mehr Therapieformen müssen angewendet werden.

Was ist das Ziel der Therapie?

Das Ziel der Therapie ist natürlich, unsere Patient:innen tumorfrei zu bekommen, um sie zu heilen.

Das ist in einem lokalisierten Stadium natürlich deutlich wahrscheinlicher als in einem metastasierten Stadium. Das Ziel im metastasierten Setting ist einerseits eine adäquate Tumorkontrolle, Erhaltung der Lebensqualität und eine Lebenszeitverlängerung der Patient:innen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Therapieoptionen bei Blasenkrebs“

Die passende Behandlung bei Blasenkrebs

Wie wird entschieden, welche Therapie die richtige für mich ist?

Die Therapiewahl hängt natürlich von mehreren Faktoren ab.

Neuerlich, wenn wir vom lokalisierten Stadium sprechen, ist die Therapiewahl eben die Resektion, je nach Risikofaktoren mit weiteren lokalen Chemotherapeutika direkt in die Blase instilliert werden. Das ist eine Therapie, die eigentlich den meisten Patient:innen problemlos zugeführt werden kann.

Wenn wir jetzt in eine fortgeschrittene Situation rutschen, dann ist die Therapiewahl sehr wohl auch von der Konstitution des Patienten, quasi vom Performance-Status, also der körperlichen Beschaffenheit des Patienten, abhängig. Da müssen wir darauf achten, wie der Patient seinen Lebensalltag managt. Wenn ein Patient/eine Patientin bettlägerig ist, viele andere Erkrankungen hat, sogenannte Komorbiditäten hat, eine schlechte Nierenfunktion oder schlechte Herzfunktionen, gestaltet sich die Therapie natürlich anders als bei jungen, fitten Patient:innen.

Schlussendlich entscheiden wir gemeinsam im Rahmen eines sogenannten Tumorboards, welche Therapie für welchen Patienten die geeignete ist. Je nach Ausdehnung des Tumors wird gemeinsam mit den Urologen, mit den Strahlentherapeuten, mit den Radiologen und den Pathologen, sowie von uns, den Onkolog:innen, ein Therapiekonzept zusammengestellt. Die beste Möglichkeit, den Patienten durch diese Erkrankung zu begleiten.

Inwiefern spielt meine familiäre Situation bei der Behandlung eine Rolle?

Einen Halt durch die Familie zu haben, ist generell bei jeder onkologischen Erkrankung wichtig.

Wenn wir jetzt vom Blasenkarzinom speziell sprechen, dann ist es natürlich wichtig, gerade wenn man zum Beispiel auch operiert wird, wo auch zum Beispiel die Blase entfernt wird, komplett entfernt wird in einer sogenannten Zystektomie und man mit einer komplett neuen Lebenssituation umgehen muss, womöglich einen Ausgang hat, durch den Dünndarm der Harn abgeleitet wird oder auch eine neue Blase aus dem Darm geformt wird, ändert sich der Alltag der Patient:innen und seiner Familie enorm. Dabei Unterstützung und Teil zu haben, ist enorm wichtig, sowohl physisch als auch psychisch.

Inwiefern kann ich als Patient:in bei der Therapiewahl mitentscheiden?

Die Patientin/der Patient kann hundertprozentig bei der Therapiewahl mitentscheiden. Die Patient:innen bekommen eine adäquate Aufklärung, ausreichend Zeit, um sich die Therapiemöglichkeiten und die möglichen Eingriffe in seinen Körper zu überlegen und entsprechend der Möglichkeiten der Auswahl einer Therapieentscheidung zu finden.

Sollte ich mir eine zweite Meinung von anderen Ärzt:innen einholen?

Wir in der Onkologie sagen: Eine Zweitmeinung ist nie falsch, sofern es den Patient:innen die Sicherheit gibt, die die Patient:innen brauchen.

Wir denken jedoch, dass gerade bei Therapiezielen, die relativ zügig erfolgen sollten, nicht zu viel Zeit vergehen sollte und wir nicht zu viele Zweitmeinungen quasi einholen sollten, bevor dann tatsächlich eine systemische Therapie zum Beispiel losgeht oder eine Operation langzeitig verzögert wird.

Hier geht es zum Video-Interview: „Die passende Behandlung bei Blasenkrebs“

TUR-B bei Blasenkrebs

Was ist die Transurethrale Resektion (TUR-B) und wann wird sie eingesetzt?

Die Transurethrale Resektion der Blase wird eingesetzt, wenn im Rahmen einer Blasenspiegelung ein Tumor nachgewiesen worden ist.

Der Grund für eine Blasenspiegelung kann unterschiedlich sein. Entweder Schmerzen oder Blutabgängen beim Urinieren. Das sind die häufigsten Ursachen. Der Urologe/die Urologin untersucht mit einer Kamera die Blase und stellt dabei einen Tumor fest. Und im Rahmen dieser TUR-B, Transurethrale Resektion der Blase, wird dieser Tumor mittels sowohl wieder Kamera als auch einer Schlinge abgetragen.

Für Sie als Patient:in ist wichtig, dass die TUR-B der Blase eigentlich ein kurzer Eingriff ist. Man benötigt definitiv eine Narkose, aber die Intervention an sich dauert nicht länger als 30 Minuten.

Nach dem Einführen der Kamera werden die anderen Instrumente eingeführt, und wenn es sich um eine solitäre, also eine einzelne Tumorformation handelt, ist das relativ schnell beendet. Aber es gibt auch manchmal mehrere Tumoren in der Blase, die entsprechend gewissenhaft abgetragen werden müssen. Das kann sich dann ein bisschen in der Zeit variieren.

Während der TUR-B ist der Patient/die Patientin ein bis zwei Tage stationär aufgenommen.

Welche Nebenwirkungen können bei der TUR-B auftreten?

Nach einer TUR-B können z.B. Blutungen auftreten als Komplikationen, aber auch Schmerzen, Krämpfe im Unterbauch. Schmerzen oder auch Krämpfe können sehr gut mit oralen Medikamenten oder auch mit intravenösen Infusionen rasch behandelt werden.

Sollte es sich um eine schwerwiegende Blutung handeln, kann einmal ein Blasenspülkatheter zur Anwendung kommen. Ansonsten löst sich dieses Problem innerhalb der nächsten Stunden, Tage von alleine. Ganz selten ist es so, dass die Blutung so stark ist, dass eine neue Operation notwendig wird.

Hier geht es zum Video-Interview: „TUR-B bei Blasenkrebs“

Chemo-, Strahlen- und Immuntherapie bei Blasenkrebs

Was ist eine Chemotherapie und wann wird sie eingesetzt?

Eine Chemotherapie beim Blasenkarzinom kann auch in unterschiedlichen Settings eingesetzt werden, sowohl als Lokaltherapie bei lokalen Hochrisikotumoren, oder dann als Systemtherapie bei fortgeschrittenen Erkrankungen.

Und bei den fortgeschrittenen Erkrankungen unterscheiden wir unterschiedliche Arten von Chemotherapie.

Wir unterscheiden zum Beispiel die sogenannte Neoadjuvante Chemotherapie. Das ist eine Form der Chemotherapie, die vor der Operation, also vor der Blasenentfernung durchgeführt werden wird, damit man den Tumor kleiner bekommt und das Gesamtüberleben im weiteren Verlauf verlängert. Das ist die neoadjuvante Chemotherapie.

Wenn diese Chemotherapie für manche Patient:innen nicht infrage kommt, zum Beispiel aufgrund einer schlechten Nierenfunktion oder einer schlechten Herzfunktion, kann man den Patient:innen mittlerweile auch eine adjuvante Therapie geben. Die adjuvante Therapie ist wiederum eine Therapieform, die nach der Operation, nach der Blasenentfernung verabreicht wird und verhindern soll, dass der Tumor wieder kommt.

Wenn es sich aber um eine fortgeschrittene, eine metastasierte Krankheitssituation handelt, haben wir derzeit unterschiedliche Therapieformen, die zur Verfügung kommen. Einerseits eine platinbasierte Chemotherapie, eine platinbasierte Chemotherapie mit Cisplatin oder Carboplatin ist eine Therapieform, die Standard ist, seit über 20 Jahren. Dafür benötigen wir aber für die cisplatin-haltige Therapie eine adäquate Nierenfunktion und Herzfunktion. Wenn der Patient für eine cisplatin-haltige Chemotherapie nicht in Frage kommt, kommt Carboplatin zur Anwendung, das anhand der Nierenfunktion genau berechnet wird und auch von einer eingeschränkten Niere toleriert wird. Das sind die platinbasierten Therapien. Diese werden kombiniert mit Gemcitabine, einer zweiten Chemotherapiesubstanz. Das ist die Standard-Erstlinientherapie.

Wenn nun der Patient/die Patientin auf diese Therapie nach vier oder sechs Zyklen, das sind jeweils zwei Gaben, adäquat angesprochen hat, also gut angesprochen hat, den Tumor verkleinert hat, auch die Metastasen kleiner geworden sind, haben wir die Möglichkeit, eine Immuntherapie als sogenannte Erhaltungstherapie anzubieten. Das ist der bisherige Standard in der Erstlinientherapie .

Zukünftig wird sich aber in relativ naher Zukunft sogar diese Therapie ändern, denn seit letztem Herbst haben wir eine Phase-3-Studie, also eine große, randomisierte Studie, präsentiert bekommen, in der ein sogenanntes Antikörpersubstanz-Konjugat präsentiert wurde, nämlich Enfortumab-Vedotin. Diese Substanz ist unabhängig von der Nierenfunktion einsetzbar und hat in Kombination mit einer anderen Immuntherapie sehr hohe Ansprechraten, eine Verlängerung, eine Verdoppelung im progressionsfreien Überleben und auch im Gesamtüberleben zeigen können.

Was ist eine Strahlentherapie und wann wird sie eingesetzt?

Die Strahlentherapie ist ein sehr wichtiger Faktor in der Behandlung des Urothelkarzinoms, besonders, wenn es auch blasenerhaltende Konzepte geht.

Bisher ist der Standard, gerade bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, dass eben zunächst einmal eine Chemotherapie kommt und dann die komplette Blase entfernt wird.

Es gibt nun Patient:innen, die für eine derartige Therapie nicht infrage kommen beziehungsweise hoffentlich auch in naher Zukunft die Möglichkeit geben, diese große Operation nicht durchführen zu müssen, denn wer möchte schon, dass einem die Blase entfernt wird.

Aber aktuell ist das blasenerhaltende Konzept für Patient:innen mit einem solitären, also einem Einzeltumor in der Blase und im Rahmen einer kombinierten Therapie zugelassen. Diese sogenannte trimodale Therapie besteht aus der Strahlentherapie, einer parallel laufender Chemotherapie und sehr engmaschigen zystoskopischen Kontrollen, ob der Tumor vor allem nachher wirklich verschwunden ist.

Vor dem Einsatz dieser sogenannten trimodalen Therapie muss das Primum, also der Tumor, komplett reseziert sein durch diese besagte TUR-B.

Ein weiteres Einsatzgebiet der Strahlentherapie im Urothelkarzinom ist auch im palliativen Setting. Das heißt, in dem Setting, wo Patient:innen nicht geheilt werden können. Wenn es zum Beispiel zu starken Blutungen kommt, kann man durch die Strahlentherapie eine Blutung stoppen. Oder dann auch im metastasierten Setting, wo andere Organe befallen sein können, wie zum Beispiel auch die Knochen, kann eine Stabilisierung und eine Schmerzkontrolle erreicht werden.

Ist eine Immuntherapie eine Alternative zur Chemotherapie oder wird sie auch zusätzlich verabreicht?

Das ist für Sie als Patient:in eine besonders wichtige Frage, weil man hört und liest sehr viel über Immuntherapien, aber die Immuntherapie in der Erstlinientherapie eines fortgeschrittenen Tumors ist keine Alternative zur Chemotherapie.

Eine Immuntherapie kommt meistens in höheren Therapielinien erst zum Einsatz oder bei Patient:innen, die vorher eine Chemotherapie hatten, gut angesprochen haben und nachher eine sogenannte Erhaltungstherapie bekommen. Eine alleinige Immuntherapie ist nur zugelassen, wenn Patient:innen für eine Chemotherapie oder ein sogenanntes Antibody-Drug-Conjugat nicht infrage kommen.

Welche Nebenwirkungen können bei der Chemo-, Immun- und Strahlentherapie auftreten?

Wenn wir jetzt über die Nebenwirkungen sprechen, müssen wir auch wieder wissen: In welchem Stadium behandeln wir unseren Patient:innen?

Ich würde mich jetzt auf die fortgeschrittenen Stadien fokussieren, weil wir da eben unterschiedliche Therapiesäulen dieser Systemtherapie haben.

Wenn wir eine Chemotherapie haben, eben diese platinbasierten Therapieformen, dann können die klassischen Chemotherapie-Nebenwirkungen folgen. Das sind Blutbildveränderungen oder neuropathische Beschwerungen sein. Es kann aber auch die Einschränkung der Nierenfunktion sein oder eine Überlastung des Herzens durch die Flüssigkeitsgabe bedeuten. Zudem können aber auch noch Übelkeiten oder auch Durchfälle auftreten.

Übelkeiten und Durchfälle sind Nebenwirkungen, die wir in der Onkologie seit Jahrzehnten Chemotherapie-Anwendungen kennen. Sie sind sehr gut beherrschbar und mit sogenannten Supportivmaßnahmen, aber auch prophylaktisch behandelbar. Das heißt, wir versuchen Substanzen zu geben, dass es gar nicht zu Übelkeit kommt. Und wenn eine Übelkeit auftritt, dass die Patient:innen dann zu Hause mit adäquater Medikation versorgt sind, damit sie diese Nebenwirkungen auch zu Hause in den Griff bekommen. Das ist Chemotherapie.

Die Immuntherapie ist eine ganz andere Therapieform. Da wird ja die körpereigene Immunabwehr aktiviert. Die Immuntherapie kann jederzeit auf die körpereigenen Organe losgehen, wie eine Immunerkrankung. Dabei gibt es ein paar gefährliche Formen, wie zum Beispiel eine immunvermittelte Lungenentzündung, wo wir als behandelnde Ärzte sehr rasch reagieren müssen. Das heißt, vor Beginn einer derartigen Therapie, müssen Sie als Patient gut aufgeklärt werden, dass Sie bei zum Beispiel trockenem Husten, komischem Druck auf der Brust, Atemnot, zügig sich in ein Spital begeben.

Unsere Patient:innen bekommen vor einer Immuntherapie kleine Kärtchen auch ausgehändigt, damit sie auch, wenn sie woanders auf Urlaub sind oder sonst was, in einem jeweiligen Spital das herzeigen können, damit die behandelnden Ärzte dort wissen, welche Therapie sie bekommen.

Bezüglich der Strahlentherapie, die ebenfalls an sich sehr gut verträglich ist, ist es vor allem im Rahmen zum Beispiel der Trimodaltherapie, wenn die Strahlentherapie läuft, mit einer Strahlenzystitis, einer sogenannten Entzündung der Blase zu rechnen, das wiederum Beschwerden wie Schmerzen oder auch vermehrten Harndrang zunächst einmal verschlimmern können, aber nach Abschluss der Therapie und aber auch beim Wirken der Therapie deutlich besser werden und komplett verschwinden sollten.

Und last but not least, die Antibody Drug Conjugates, eben diese neuen Substanzen, die jetzt im Kommen sind und zukünftig aber eine sehr wichtige Rolle spielen werden: Hier ist es wichtig zu beachten, dass zum Beispiel mit der Substanz Enfortumab-Vedotin auch Hautnebenwirkungen auftreten können, und zwar schwerwiegende Hautnebenwirkungen. Das heißt, wir erklären auch hier unseren Patienten sehr genau, dass wenn sich kleine Bläschen, großflächige Rötungen oder sonstige Veränderungen in der Haut ereignen, sie zügig ins behandelnde Krankenhaus kommen sollen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Chemo-, Strahlen- und Immuntherapie“

Radikale Zystektomie bei Blasenkrebs

Was ist eine radikale Zystektomie und wann wird sie eingesetzt?

Eine radikale Zystektomie bedeutet eine radikale Entfernung der Blase.

Wir wissen ja, dass die Urothelkarzinome, von denen wir hier sprechen, zu 90 Prozent in der Blase zustande kommen, also auftreten. Eben nach oder auch ohne eine vorhergehende Chemotherapie wird vom Operateur, also vom Urolog:innen, die Blase komplett entfernt. Aber nicht nur die Blase, sondern auch rundherum die Lymphknoten und auch beim Herrn die Prostata und bei Damen die Gebärmunter, die Eileiter, Eierstöcke und auch ein Teil der Vaginalwand werden dabei mitgenommen.

Eine radikale Zystektomie kommt dann zur Anwendung, wenn der Tumor eine gewisse Struktur, nämlich in der Harnblasenwand die Muskulatur, bereits angegriffen hat.

Zusätzlich zur radikalen Zystektomie kann eine Chemotherapie hinzukommen. Besonders vor der radikalen Zystektomie bieten wir den Patient:innen eine sogenannte neoadjuvante Chemotherapie an, damit man im späteren Verlauf den Tumor verkleinert und aber auch mögliche zirkulierende Tumorzellen rechtzeitig einfängt.

Welche Behandlungsoptionen stehen zur Verfügung, wenn eine radikale Zystektomie nicht möglich ist?

In manchen Fällen ist eine radikale Zystektomie nicht möglich, weil der Patient/die Patientin zu schwach ist, zu schlecht beisammen ist, schlechte Organfunktionen hat, auch Lungenerkrankungen hat, die eine lange Narkose nicht erlauben oder auch kardial nicht fit genug ist. Beziehungsweise haben wir natürlich auch Patient:innen, die eine Entfernung der Blase kategorisch ablehnen. Für diese Patient:innen gibt es nach der Auswahl von bestimmten Kriterien, nämlich wenig Tumorformation in der Blase, komplette Resektion der Blase, die Möglichkeit, ein sogenanntes blasenerhaltendes Konzept im Sinne einer Strahlen-Chemotherapie einzuleiten.

Wie verändert sich mein Alltag, wenn meine Blase entfernt wird?

Nach einer kompletten Blasenentfernung ist der Alltag definitiv verändert.

Wichtig für Sie ist zu wissen, dass egal, welche Methode der Ableitung des Harns gewählt wird, der Alltag nicht mehr so ist wie gewohnt. Wenn man aus dem Dünndarm eine sogenannte Neoblase, eine neue Blase formt, ist die Kapazität dieser Neoblase gerade besonders zu Beginn sehr eingeschränkt. Das dauert bis zu sechs Monaten, bis wirklich eine sogenannte Blasenfunktion mit dieser Reservoir-Möglichkeit besteht. Das heißt, dieser Darm muss sich erst dehnen, daran gewöhnen, die Entleerung ist ganz schwer. Teilweise muss man sich selbst katheterisieren, bis sich das Ganze einpendelt. Das ist die Situation, wenn man eine neue Blase bekommt.

Oft wird aber auch der Harn aus dem Körper abgeleitet, indem ein Dünndarmstück geformt wird, wo der Harn direkt in ein Sackerl, in ein Plastiksackerl, das man an der Bauchwand trägt, abgeleitet wird. Das klingt am Anfang sehr erschreckend, aber die meisten Patient:innen gewöhnen sich sehr rasch daran und können auch wirklich ihrem Alltag nachgehen. Das heißt, sie können auch wieder damit Sport betreiben, sie können auch schwimmen gehen. Das heißt, diese Möglichkeiten bestehen danach.

Natürlich ist das aber für Sie, für Ihren Alltag und für Ihre Familie eine gravierende Veränderung, und es braucht wirklich lang, bis sich ein normaler Alltag einpendelt.

Nichtsdestotrotz handelt es sich eine kurative Situation, wenn man die Blase entfernt. Das heißt: Man versucht, die Patient:innen wieder komplett gesund zu machen. Das heißt, diese Operation ist zwar erschreckend, aber sie soll das Gesamtüberleben deutlich verlängern, indem man den Tumor komplett aus dem Körper entfernt.

Hier geht es zum Video-Interview: „Radikale Zystektomie bei Blasenkrebs“

Verlaufskontrollen und Nachsorge bei Blasenkrebs

Welche Kontrolluntersuchungen sind bei oder nach der Therapie vorgesehen?

Die Nachsorge beim Blasenkarzinomen verläuft wieder stadienabhängig.

Wenn der Patient/die Patientin eine komplette Resektion der Blase, also eine Blasenentfernung durchgemacht hat und sonst tumorfrei, also gesund ist, erfolgen dreimonatliche CT-Kontrollen, aber auch Vorstellungen bei Urolog:innen regelmäßig, zunächst auch alle drei Monate. Im weiteren Verlauf dehnen sich die Intervalle dieser Nachsorgeuntersuchungen jedoch aus.

Bei Patient:innen mit fortgeschrittenen Stadien, mit metastasiertem Stadium, läuft eine Systemtherapie, eine Chemotherapie, eine Immuntherapie, ein Antibody-Drug-Conjugates-Therapie, da erfolgen während der Therapie CT-Untersuchungen alle drei Monate, wo Ihre behandelnden Urolog:innen und Onkolog:innen nachsehen können, wie die Therapie wirkt, ob die Therapie wirkt und wann eine Therapie auch gegebenenfalls beendet werden kann.

Wenn jedoch der Tumor im Rahmen einer Therapie adäquat reseziert wurde und die Patientin/der Patient tumorfrei ist und auch keine weiteren Nachbehandlungen notwendig sind, sind die urologischen Kontrollen essenziell. Das heißt, initial dreimonatlich, und im weiteren Verlauf auch in größeren Abständen sollten Sie als Patient:in zu Ihrem Urologen/Ihrer Urologin gehen, damit er/sie regelmäßig in die Blase schauen kann.

Was ist ein Rezidiv und wie macht es sich bemerkbar?

Ein Rezidiv , das heißt, eine Wiederkehr des Tumors, kann sowohl lokal sein, also innerhalb der Blase, als auch in anderen Organen, sozusagen als ein Fernrezidiv im Sinne einer Metastasierung auftreten. Je nachdem, wo sich dieses Rezidiv eignet, kann man unterschiedliche Beschwerden haben.

Ist es nun in der Blase lokalisiert, kann es neuerlich zu Blutungen oder Schmerzen kommen oder auch Krämpfen in der Blase.

Ist es zum Beispiel außerhalb der Blase in einem anderen Organ, zum Beispiel im Knochen oder auch in den Lymphbahnen, kann es zum Beispiel im Knochen zu Schmerzen führen. In den Lymphbahnen kann es auch eine gewisse Struktur abhängen und es kann zu Schwellungen in den Beinen kommen Zum Beispiel, wenn sich die Metastase in der Leber absiedelt, dann kann es auch zu erhöhten Leberfunktionsparametern, was man im Labor sehen kann, führen. Gelegentlich kommt es auch zu Absiedelungen in die Lunge. Dann präsentieren sich die Patienten mit Atemnot oder Hustenreiz.

Generell für Sie als Patient:in ist zu wissen, dass wenn Symptome auftreten, die ungewöhnlich sind, egal in welchem Bereich die sich abspielen, Sie mit Ihrem behandelten Urolog:innen beziehungsweise Onkolog:innen den Kontakt aufnehmen, damit eine weitere Abklärung eingeleitet werden kann.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei einem Rezidiv oder wenn die bereits angewendete Therapie nicht wirkt?

Wenn Sie nun tatsächlich ein Rezidiv haben, sei es in der Blase, kann man je nach Ausdehnung dieses Rezidivs diese neuerlich wieder abtragen. Beziehungsweise, wenn es dann eine gewisse Struktur wieder überschritten hat, die Blasenmuskulatur, dann wiederum in die gleiche Schiene, wie wir es vorher schon besprochen haben: neoadjuvante Chemotherapie und dann Resektion, komplette Entfernung der Blase anbieten.

Wenn sich das Rezidiv nach einer kompletten Blasenresektion in einem anderen Organ manifestiert, dann kann man wiederum, je nach Ausdehnung dieses Rezidivs, das heißt, ist es nur an einer Stelle, auch eine gezielte strahlentherapeutische Behandlung durchführen. Man kann auch eine operative Behandlung, aber auch eine systemische Therapie im Sinne einer Chemotherapie, Immuntherapie oder Antikörpersubstanz-Konjugat anwenden.

Erfreulicherweise hat sich beim Urothelkarzinom, also beim Blasenkarzinom, in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Neben den platinbasierten Therapien, die ich schon erwähnt habe, haben wir neue Substanzen und die Immuntherapie dazubekommen. Mit diesen Substanzen haben wir die Möglichkeit, Patient:innen auch nach einer Progredienz, also einem nicht mehr Ansprechen auf die Therapie, weiteren Therapien zuführen zu können.

Wichtig ist dabei auch noch zu erwähnen, dass wir beim Urothelkarzinom eine Substanz haben, die direkt gezielt auf die Tumorzellen zusätzlich wirkt. Das ist bei einer besonderen Mutation, also Veränderung im Tumorgewebe, anwendbar.

Hier geht es zum Video-Interview: „Verlaufskontrolle und Nachsorge bei Blasenkrebs“

Mein Beitrag zur Behandlung bei Blasenkrebs

Was kann ich selbst tun, um die Behandlung zu unterstützen?

Sie dürfen essen und trinken, was Sie möchten. Sie dürfen auch ein Glas Wein oder ein Bier zur Therapie dazu nehmen. Das sind immer wieder Fragen, die aufkommen. Und mir ist es besonders wichtig, dass die Patient:innen nicht ihr Leben neben einer laufenden, schwerwiegenden Therapie komplett umstellen müssen.

Mit dem Rauchen sollten Sie aber nach Möglichkeit aufhören. Es gibt sehr wohl Daten, dass der Rauchstopp sich auch auf das Outcome bei den Tumorformationen auswirken kann, und auch Ihre Lunge sollte im Rahmen dieser Therapien bestmöglich geschont werden.

Warum sollte ich bei Blasenkrebs auf meinen Lebensstil achten?

Generell ist bei jeder onkologischen Erkrankung Lebensstil wichtig, um auch der Genesung beizutragen. Ausgewogene Ernährung, körperliche Bewegung, aber auch die psychische Gesundheit sind ganz wichtige Faktoren dabei.

An wen kann ich mich zur Unterstützung und Bewältigung der Erkrankung und Therapie wenden?

Während der laufenden Therapie besteht die Möglichkeit, eine psycho-onkologische Unterstützung einzufordern, die aber auch jederzeit am Zentrum angeboten werden sollte, aber auch an Selbsthilfegruppen, auch an die Krebshilfe generell, sich zu wenden. Daneben ist es auch meistens sinnvoll, andere Patient:innen mit ähnlicher Erkrankung und ähnlichen Therapieformen in Kontakt zu treten und dadurch mögliche Nebenwirkungen, Erfahrungen, positive oder negative, miteinander auszutauschen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Mein Beitrag zur Behandlung bei Blasenkrebs“

Meine Nachricht an Sie

Liebe Patientinnen und Patienten, zum Schluss möchte ich Ihnen noch mitgeben, dass das Blasenkarzinom erfreulicherweise mittlerweile eine gut behandelbare Tumorerkrankung geworden ist, wir jetzt in naher und auch ferner Zukunft neue Therapieformen haben und noch viel mehr neue Therapieformen bekommen werden, womit man diesen Tumor gut behandeln kann.

Wichtig ist, in dieser Situation, obwohl es eine sehr schwerwiegende Situation ist, nicht zu verzagen, mit Ihrem behandelnden Arzt einen guten Kontakt, einen vertrauensvollen Kontakt aufzubauen, sich wohlzufühlen, immer zu fragen, wenn Sie Fragen haben, am besten auch aufschreiben, damit Sie dann im Gespräch diese Fragen nicht vergessen, und auch gemeinsam mit anderen Patienten oder mit Ihrer Familie einfach diese Tumorerkrankung akzeptieren und bestmöglich zu bekämpfen.

Hier geht es zum Video: „Meine Nachricht an Sie“

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AT-NONO-00247; 08/2024 | Geprüft OÄ Dr.in Dora Niedersüß-Beke: Stand September 2024 | Quellen und Bildnachweis
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.
Chemotherapie
Behandlung mit Medikamenten (Zytostatika), die das Wachstum von Krebszellen hemmen sollen.
Erstlinientherapie
Als Erstlinientherapie bezeichnet man die Therapieform, die bei einer bestimmten Erkrankung als Erstes angewendet werden sollte. Die Erstlinientherapie hat sich in wissenschaftlichen Studien als die am besten geeignete Therapie einer Erkrankung erwiesen. Dabei kann die Erstlinientherapie aus mehreren Therapien oder Medikamenten bestehen. In einigen Fällen kann diese Therapie allerdings nicht angewendet werden. In jedem Fall entscheidet Ihre Ärztin oder Ihr Arzt mit Ihnen gemeinsam, welches die für sie persönlich beste Therapie darstellt.
Fernrezidiv
Wiederauftreten des Krebses in anderen Organen, wie z. B. Lunge, Leber oder Knochen. Siehe auch Metastase.
Immuntherapie
Therapie, die das Immunsystem beeinflusst und bei verschiedenen Erkrankungen, wie z.B. Krebs, eingesetzt wird. Je nach Krankheitsursache kann das Immunsystem gehemmt, stimuliert oder durch die Gabe von Antikörpern verändert werden.
Lymphknoten
Bestandteil des Immunsystems, reinigt und filtert die Lymphe aus den Lymphbahnen. Befinden sich an verschiedenen Regionen im Körper, zum Beispiel am Hals und in der Achselregion.
Metastase
Absiedlungen von Krebszellen eines bösartigen Tumors an anderen Körperregionen.
Onkologie
Fachbereich der Medizin, der sich mit bösartigen Tumoren und anderen Krebserkrankungen beschäftigt.
Resektion
Operative Entfernung von Gewebe oder Organteilen.
Rezidiv
(Rückfall)
Wiederauftreten einer Krankheit nach zunächst erfolgreicher Behandlung mit Heilung oder Verbesserung.
stationär
Vor oder nach der Behandlung befindet sich die Patientin/der Patient mindestens eine Nacht im Krankenhaus.
Strahlentherapie
Behandlung mit hochenergetischen Strahlen, um Krebszellen abzutöten.
Systemische Therapie
Therapie, die sich im gesamten Körper verteilt und nicht nur an einer Stelle wirkt. Eine systemische Therapie wird beispielsweise als Tablette, Kapsel, Infusion oder Spritze verabreicht.
Therapielinien
Abfolge verschiedener Therapieoptionen, die nacheinander eingesetzt werden, wenn die vorhergehende Therapie nicht den gewünschten Erfolg bringt.
Tumor
(„Geschwulst“)
Lokalisierte Vermehrung von Körpergewebe durch unkontrolliertes Wachstum von gutartigen oder bösartigen Zellen. Bösartige Tumore können in umliegendes Gewebe einwachsen und in entfernte Organe streuen. Der Begriff Tumor wird auch verwendet für eine Schwellung von Gewebe z.B. durch Einlagerung von Flüssigkeit im Rahmen von Entzündungsprozessen oder Blutungen.
Urolog:innen
Sind Fachärzte für die ableitenden Harnwege sowie die männlichen Geschlechtsorgane. Urolog:innen nehmen auch Operationen vor.
Zweitmeinung
Einschätzung eines zweiten Arztes oder einer zweiten Ärztin zur Diagnose oder Behandlung einer Erkrankung, um die Richtigkeit und Angemessenheit der vorgeschlagenen Therapie zu überprüfen.