Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda – „Wahrnehmen der Früherkennungsuntersuchungen wichtig“
selpers: Lieber Herr Prof. Dr. Sevelda, der Sammelbegriff „Unterleibskrebs“ umfasst mehrere Krebsarten. Können Sie uns einen kurzen Überblick geben und erklären, warum sie unter diesen Begriff zusammengefasst werden?
Prof. Sevelda: Der Begriff wird dadurch definiert, dass es Krankheiten sind, die vom gynäkologischen Facharzt behandelt werden und alle Krebsarten des weiblichen Genitales umfassen. Das sind, Eierstock, Eileiter, Gebärmutterkörper, Gebärmutterhals, die Scheide und das äußere Genital. Zu gynäkologischen Tumoren aber nicht zum Bereich des Unterleibs zählt auch der Brustkrebs, das ist also ein eigener Bereich.
selpers: Wie häufig treten Krebsarten auf, die dem Begriff „Unterleibskrebs“ zugeordnet werden?
Prof. Sevelda: Wenn man alles zusammennimmt, die invasiven Karzinome und aber auch teilweise die Vorstufen, dann sind es circa 6500 bis 7000 Frauen jährlich in Österreich, die mit einer solchen Krebs- oder Krebsvorstufendiagnose konfrontiert sind.
selpers: Wie gestaltet sich die Diagnose dieser onkologischen Erkrankungen? Werden sie vergleichsweise eher früh oder spät erkannt?
Prof. Sevelda: Das hängt sehr von der Art ab. Der Gebärmutterhalskrebs und seine Vorstufen stellen sozusagen die Urform der Früherkennung mit dem Krebsabstrich dar, der in den 50er-Jahren des letzten Jahrtausends, um 1950 eingeführt wurde. Damit konnte der Anteil der Krebserkrankungen drastisch gesenkt werden. Hier ist die Früherkennung wichtig und bereits sehr ausgeprägt durch die Früherkennungsuntersuchung, die bis vor kurzem mit der Krebsabstrichuntersuchung durchgeführt wurde. Hier gibt es eine Neuerung. Nach den neusten Empfehlungen der wissenschaftlichen Gesellschaft wird der jährliche Krebsabstrich ab dem zwanzigsten Lebensjahr bis zum dreißigsten Lebensjahr empfohlen. Ab Dreißig hat man dann die Möglichkeit, entweder weiterhin den Krebsabstrich zu machen oder einen HPV-Test. Wenn dieser HPV-Test negativ ist, er also zeigt, dass keine Besiedlung mit Human Papilloma Viren im Genitaltrakt vorliegt, dann genügt eine Kontrolle dieses Tests nach drei Jahren.
Für die anderen Unterleibskrebserkrankungen gibt es keine etablierten Früherkennungsmethoden, für den Eierstockkrebs genauso wenig wie für Scheidenkrebs und Krebs des äußeren Genitales. Sie werden, wenn sie vorliegen, klinisch erkannt.
selpers: Gibt es allgemein Symptome, die man beachten sollte?
Prof. Sevelda: Krebs des Gebärmutterkörpers oder Gebärmutterhalses zeigt sich meist durch eine außergewöhnliche, lange anhaltende vaginale Blutung, die nicht von alleine aufhört und meistens nach der Menopause, also im Wechsel auftritt. Daraufhin wird eine Kürettage durchgeführt und die Diagnose Gebärmutterkörperkrebs gestellt. Beim Eierstockkrebs sind es zumeist eher Spätsymptome wie Zunahme des Bauchumfangs, Wasserbildung im Bauch oder Gewichtsverlust.
selpers: Was kann man selbst zur Vorsorge beitragen?
Prof. Sevelda: Die wichtigste Botschaft ist, dass man sich gegen den Human Papilloma Virus impfen lässt und dass vor allem Kinder im Rahmen des kostenlosen Impfprogramms vor einer HPV-Infektion, die zu Gebärmutterhalskrebs oder seinen Vorstufen führen kann, geschützt werden. Zusätzlich ist das Wahrnehmen der Früherkennungsuntersuchungen wichtig, vor allem beim Gebärmutterhalskrebs. Was man sonst als Frau noch selber machen kann, ist ein möglichst vernünftiger Lebensstil, das beinhaltet im Wesentlichen regelmäßige Bewegung, Vermeiden von Übergewicht, übermäßigem Alkoholkonsum und Nikotin.
selpers: Wie entwickelt sich die Therapie dieser Krebsarten momentan? Welche Möglichkeiten gibt es?
Prof. Sevelda: Für den Gebärmutterkörperkrebs geht die Entwicklung hin zu immer weniger radikalen und damit auch immer weniger belastenden Operationstechniken. Beim Eierstockkrebs ist das Gegenteil der Fall. Hier ist die vollständige Tumorentfernung das anzustrebende Ziel, das meist erreicht werden kann, wenn an entsprechenden Zentren interdisziplinär gemeinsam mit den Chirurgen vorgegangen wird.
Generell kann man sagen, dass heute die Behandlung von Unterleibskrebs sehr viel individueller auf die einzelnen Krebsarten abgestimmt erfolgt und wir mit Bestrahlung und Chemotherapie, auch mit Antikörper- und antihormonellen Therapien zusätzlich zur operativen Therapie heute sehr gute Möglichkeiten haben, Unterleibskrebs besser zu behandeln, als das noch vor zwanzig Jahren der Fall war. Auch die Nebenwirkungen sind durch diese modernen Therapien wesentlichen geringer geworden.
Vielen Dank für das Interview