Vor ca. 10 Jahren ist bei Yvonne ein ursprünglich unauffälliger Leberfleck über der linken Brust entartet. Diagnose: superfiziell, spreitendes malignes Melanom. Von diesem Zeitpunkt an, begann für sie eine herausfordernde Zeit mit vielen Hoch und Tiefs. Wie sie diese schweren Momente überstanden und es geschafft hat, besonders durch ihre Angehörigen so stark zu bleiben, erzählt sie in diesem Gastbeitrag.
Der Leberfleck ist mir im April 2012, während meiner Schwangerschaft, aufgefallen. Er ist regelmäßig aufgegangen und hat geblutet. Ich erhielt die Diagnose superfiziell, spreitendes malignes Melanom. Es folgen Untersuchungen, Therapien und Behandlungsmethoden mit der schlussendlichen Nachricht, dass der Tumor nicht gestreut hatte. Nach meiner 5-Jahres-Nachsorge galt ich als geheilt. Nach insgesamt sechs Jahren jedoch, wurde eine Spätmetastasierung in der Leber diagnostiziert. Ich hatte Symptome wie bei einer schweren Gastritis, ich fühlte mich über Wochen müde, schwach, energielos. 80 % der Leber war metastasiert und ich stand kurz vor dem Leberversagen. Durch diesen Rückfall habe ich in den ersten Monaten kaum mehr etwas wahrgenommen. Die Ärzte haben mir noch maximal zwei Wochen Lebenszeit gegeben. Und dennoch hatte ich einen mutigen Arzt, der viele Therapiemethoden nicht unversucht lassen wollte.
Fast drei Jahre habe ich gegen diese hinterhältige Krankheit gekämpft. Ich war über ein Jahr lang Palliativpatientin. Ich lag drei Monate stationär, dann zu Hause mit zwei kleinen Kindern. Ich war monatelang so geschwächt, dass ich keine drei Schritte gehen konnte. Dank vieler Umstände, die man nicht erklären kann, konnte ich im Mai 2020 aus der Palliativversorgung entlassen werden.
Im Rahmen der Nachsorge wurden allerdings erneut Metastasen in Leber und Lunge festgestellt. Der Tumor war wieder da und mit ihm der Moment, indem ich mich wieder machtlos fühlte … ich wollte einfach nur weg. Weglaufen, weg sein… Ich spürte den Tumor und es machte mir Angst. Meine größte Angst ist es, unsere beiden Kinder nicht nur nicht aufwachsen zu sehen, sondern dass sie die Bedrohung spüren, dass die Angst um Mama sie erneut aus der Bahn wirft. Mein Sohn hat seither eine Essstörung, er kann im wahrsten Sinne keine Probleme mehr schlucken.
Das Gefühl, dass mir das ganze Leben erneut um die Ohren fliegt, ist jedoch schon bald schwächer geworden und einem Widerstandswillen gewichen. Mein Kopf sendete von dem Moment an vor allem zwei Überlebensregeln – und zwar in Endlosschleife:
„Immer schön im Hier und Jetzt bleiben.“ und „Kann übel kommen, muss aber nicht.“ (Susanne Reinker)
Erfahrungen meiner Familie
Ich denke, das Schlimmste für meinen Mann war, mich so hilflos zu sehen. Die Frage unserer damals 6- und 8-jährigen Kinder, ob Mama sterben wird, nicht mit nein beantworten zu können. Mit mir eine Patientenverfügung abschließen und sich aktiv mit dem Tod auseinandersetzen zu müssen. Mein Mann hat auch ein paar Momente erlebt, in denen er dachte, er wacht am nächsten Morgen ohne mich auf. Meine Erkrankung hatte gravierende Auswirkungen auf unsere Kinder, sie hatten und haben noch immer große Angst um mich. 2019 habe ich für sie Hörgeschichten aufgenommen, damit sie mich nicht vergessen, weil ich nicht wusste, wie lange ich noch leben werde. Berücksichtigt man, dass vor zwei Jahren der erste Lockdown dazu kam, ist es großartig, wie sie diese Situation meistern. Wir sind stolz auf sie! Selbstbewusst, stark, klug und sensibel sind sie und unser großes Glück, immer wieder, jeden Tag und wir wünschen uns von Herzen endlich eine unbeschwerte, sorgenfreie und wunderbare Zeit für sie.
Der Alltag mit einem malignen Melanom
Mit der Spätmetastasierung war an keinen Alltag mehr zu denken, ich war Palliativpatientin, konnte kaum aufstehen, mich nicht selbständig waschen, kaum essen. Als ich nach meinem drei monatigen Krankenhausaufenthalt nach Hause kam, war alles für die Palliativpflege vorbereitet. Ein Pflegedienst, eine Palliativärztin sowie meine Familie haben meine Versorgung übernommen. Meine Eltern/Schwiegereltern sind zeitweise bei uns zu Hause eingezogen, um sich um unsere Kinder zu kümmern, die nur noch auf leisen Sohlen durchs Haus geschlichen sind. Nach etwa einem halben Jahr zu Hause ging es langsam bergauf und ich fand zurück in die Selbständigkeit. Erst im Frühjahr 2020 war ich wieder unterwegs, bin raus gegangen und habe wieder am aktiven Leben teilgenommen. Ich bin erwerbsunfähig und bekomme bis heute Pflegestufe III.
Was mir geholfen hat: Tipps für andere Betroffene
• Ein Arrangement mit diesem „Mitbewohner“ hilft mir diese Krankheit zu überstehen ebenso wie Familie, Freunde, Mitpatienten und Bekannte, die frei von Berührungsängsten sind. Auch ein inzwischen gutes Körpergefühl und das Wissen um eine Medizin mit wachsenden Erfolgschancen geben mir enorm viel Kraft.
• Ich hatte von Anfang an volles Vertrauen in meine Ärzte. Sie haben das Übel ausfindig gemacht, jetzt bekämpfen sie es. Mit modernster Technik, medizinischem Fortschritt und mit dem erforderlichen Einfühlungsvermögen. Mein Arzt, Dr. Börge Arndt, hat mich ebenso wenig aufgegeben, wie meine Familie und mein Palliativpflegeteam, das war und ist unbezahlbar.
• Immer an meiner Seite war und ist mein Mann. Er hat 100% Verantwortung für unsere Familie übernommen. Er versucht mir auch heute immer den Rücken freizuhalten. In den vielen dunklen Momenten, seid wir gegen meinen Hautkrebs kämpfen, ist er für mich und unsere Kinder da. Seine Stärke, Ruhe und Unterstützung haben mir geholfen, den Weg seit meiner Erkrankung sicher zu gehen. Und auch wenn die letzten 3 Jahre sicher die herausforderndsten, verrücktesten, schmerzhaftesten in unserer Ehe waren, so waren und sind sie auch die intensivsten. Voller Liebe und Inspiration.
• Zudem hat es mir geholfen, viel über die Erkrankung und die Fortschritte in der Medizin der Krebstherapie zu lesen. Geschichten von neuen Therapieverfahren, von Hoffnung für die Medizin, von Genesung und dem Leben nach der Krankheit. Geschichten, die erzählen, wie Menschen dies gelungen ist.
• Auch der Austausch in Sozialen Netzwerken, wie Instagram und in Online-Veranstaltungen, (die beispielsweise regelmäßig von melanom.info angeboten werden) hilft mir. Der Kontakt mit Menschen, die das Gleiche durchmachen, wie ich, geben mir das Gefühl auf meinem Weg nicht allein zu sein. Den Schritt mit meiner Krankheit auf Instagram (@lema4jorelle) an die Öffentlichkeit zu gehen, habe ich mir lange überlegt und es auch erst getan, als ich die schlimmsten psychischen und physischen Folgen überwunden hatte.
• Auch denke ich mir im schwärzesten Moment, dass dem Krebs sicher besser beizukommen ist, wenn der Verstand sich nicht widerstandslos der Panik ergibt. Ich möchte offensiv, optimistisch und fröhlich und das Steuer wieder übernehmen.
Wie geht es mir heute damit?
Es ist eine aufwühlende Zeit. Eine Zeit, in der es ok ist ein bisschen zu fallen, weil es einfach ist, wie es ist. Weil ich weiß, dass selbst Fallen nur eine weitere Etappe bis zum Fliegen ist. Ich habe Angst davor, dass die Tumore doch wieder wachsen, Angst davor, nicht gut durchzukommen. Angst um meinen Sohn, der vor ein paar Tagen abends in seinem Bett zu mir sagte: „Ich werde erst gesund, wenn du wieder gesund bist, Mama.“
Ich hole mir jetzt das Leben, das mir gehört, solange es eben dauert und ich weiß für mich intuitiv ist es zuallererst ein geistiger Kampf – meine Genesung – der Körper folgt!