7. AML verstehen – alle Fragen

Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine Krebserkrankung, die eine krankhafte Vermehrung unreifer Vorstufen von Blutzellen auslöst. Sie kommt zunehmend bei älteren Erwachsenen vor. Hier finden Sie alle Fragen aus dem Online-Kurs “AML verstehen” übersichtlich beantwortet.

Was ist AML?

Was ist eine akute myeloische Leukämie?

Wenn wir von der akuten myeloischen Leukämie sprechen, dann erscheint es mir sinnvoll, zuerst auf die normale Blutbildung einzugehen. Tagtäglich wird bei jeder und jedem von uns eine Unzahl von gesunden Blutkörperchen produziert. Wir unterscheiden grob die roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport verantwortlich sind. Die weißen Blutkörperchen, die das Immunsystem darstellen und die Blutplättchen, die für die Gerinnung, das Stoppen des Blutes nach Verletzungen verantwortlich sind.

Diese gesunden Blutkörper werden im Knochenmark, in den Vorläuferzellen, auch Knochenmarkstammzellen genannt, gebildet. In diesen Knochenmarkstammzellen entstehen bei der Leukämie genetische Veränderungen.

Wir unterscheiden grob zwei Arten von genetischen Veränderungen. Zum einen die Mutationen, die die Gene betreffen, welche die Erbinformation beinhalten. Zum anderen die Chromosomenveränderungen, die kleine Strukturen im Zellkern darstellen und eine Unzahl von Genen beherbergen. Diese genetischen Veränderungen sind unterschiedlich und aufgrund dessen unterscheiden wir unterschiedliche Formen von Leukämien.

Welche Formen der Leukämie gibt es?

Wir unterscheiden unterschiedliche Formen von Leukämie. Nach ihrem Verlauf unterscheiden wir chronische Leukämien, die wie der Name schon sagt, über einen langen Zeitraum gehen, von Jahren bis zu Jahrzehnten. Außerdem gibt es die akuten Leukämien, hier ist der Name stellvertretend für den Verlauf, denn ohne Therapie führt sie innerhalb kürzester Zeit zu einem lebensbedrohlichen Punkt.

Je nachdem, woher die Leukämiezellen kommen und was die ursprünglichen, gesunden Zellen waren, kennen wir lymphatische Leukämien, die vom eigentlichen Immunsystem ausgehen und myeloische Leukämien. Wenn ich im Zusammenhang dieser Fortbildung von Leukämie spreche, dann meine ich die akute myeloische Leukämie.

Was passiert bei einer AML im Körper?

Wenn sich eine akute myeloische Leukämie, abgekürzt AML, anbahnt, dann entstehen mehr und mehr Blutzellen im Knochenmark. Diese bösartigen Blutzellen verdrängen die gesunden Blutzellen und die normale Blutbildung wird beeinträchtigt.

Es entsteht eine Blutarmut, eine sogenannte Anämie. Folglich entsteht ein Defekt des Immunsystems und ein Mangel an Blutplättchen mit entsprechenden klinischen Folgen. Wir haben weniger Abwehr, weniger Blutgerinnung und fühlen uns müde, matt und abgeschlagen.

Welche Arten der AML gibt es und wie unterscheiden sie sich?

AML ist nicht gleich AML, es gibt unterschiedliche Formen, auch wenn der Name gleich ist. Aufgrund genetischer Veränderungen unterscheiden wir drei Risikoformen. AML mit hohem Risiko ist sehr schwer zu behandeln, auch mit Stammzell- oder Knochenmarktransplantation. AML mit mittlerem Risiko ist besser zu behandeln, auch mit Stammzelltransplantation. Bei AML mit gutem Risiko ist nicht einmal eine Transplantation notwendig.

So wie sich AML entwickelt, unterscheiden wir die sogenannte de-novo-AML. Dies ist eine AML, bei der wir nicht wissen, was zuvor passiert ist, die plötzlich, ohne Vorerkrankung da ist. Dies ist die häufigste Form bei circa 70 Prozent bis 80 Prozent aller Patientinnen und Patienten.

Es gibt auch eine sekundäre AML, hier ist AML eine zweite Erkrankung. Das heißt, wir haben eine andere Erkrankung zuvor, beispielsweise eine Knochenmark-Schwäche, auch genannt ein myelodysplastisches Syndrom.

Sehr selten kennen wir therapieassoziierte AML. Dies ist eine AML, bei der Patientinnen und Patienten zuvor eine Chemotherapie, eine Strahlentherapie, für eine andere Erkrankung bekommen haben. Oftmals ist dies eine Brustkrebserkrankung oder eine Darmkrebserkrankung. Diese Formen sind jedoch selten und wesentlich wichtiger ist hier die Behandlung der Ersterkrankung, des Ersttumors.

Hier geht es zum Video-Interview: Was ist AML?

Ursachen und Häufigkeit der AML

Welche Ursachen sind bei der AML bekannt?

Wenn wir auf die Ursachen von AML zu sprechen kommen, so möchte ich feststellen, dass bei den meisten Patientinnen und Patienten keine Ursache ersichtlich ist.

Wir kennen einige Risikofaktoren, wie beispielsweise das Arbeiten mit Benzol oder mit Pestiziden, was jedoch sehr selten ist. Wir kennen auch das Risiko des Rauchens, aber die Verbindung zwischen Rauchen, auch Nikotinabusus genannt, und akuter myeloischer Leukämie ist wesentlich geringer als die Verbindung zum Lungenkrebs. Wir kennen, wie bereits erwähnt, die Chemo- und Strahlentherapie für eine Ersterkrankung. Jedoch ist das Risiko nach einer Chemotherapie oder Strahlentherapie für einen Brustkrebs an Leukämie zu erkranken sehr gering. Das heißt, beim Großteil der Patientinnen und Patienten wissen wir nicht, woher die akute myeloische Leukämie kommt.

Ist AML vererbbar?

Wir kennen einige, ganz wenige Fälle, bei denen genetische, also erbliche Faktoren eine Rolle spielen. Diese nennt man Leukämie-Familie, wo die Großmutter Leukämie gehabt hat, der Vater Leukämie gehabt hat und die Kinder folglich ein erhöhtes Risiko für AML aufweisen. Aber das ist sehr selten und bewegt sich in einem Prozentsatz von weniger als fünf, bezogen auf alle AML Fälle.

Wie häufig kommt die AML vor?

Akute myeloische Leukämie ist eine seltene Erkrankung. Wir haben eine Häufigkeit von vier pro 100.000 pro Jahr. Das heißt in Österreich diagnostizieren wir jährlich bei circa 400 Patientinnen und Patienten diese Erkrankung.

Wer ist am häufigsten von AML betroffen?

AML kann in jedem Lebensalter auftreten. Wir kennen AML sowohl bei Kindern als auch bei jugendlichen Erwachsenen. Am häufigsten finden wir diese Erkrankung jedoch im höheren Lebensalter. Der Altersgipfel liegt bei 72 Jahren und sowohl Frauen als Männer werden in gleichem Maße von AML betroffen. Im hohen Lebensalter, jenseits der 70 Jahre, haben wir eine Häufigkeit von 30 bis 50 pro 100.000 pro Jahr. Das heißt AML ist eine Erkrankung, deren Häufigkeit über das Lebensalter hinweg zunimmt.

Hier geht es zum Video-Interview: Ursachen und Häufigkeit der AML

Symptome und Verlauf bei AML

Was sind typische Symptome bei AML?

Wenn wir von den Symptomen der AML sprechen, dann möchte ich ein wenig ausholen. Wir kennen in der Medizin krankheitstypische, krankheitsspezifische Symptome. Beispielsweise beim Herzinfarkt ist es der Brustschmerz und die Ausstrahlung in die linke Schulter und den linken Arm.

Das haben wir bei akuter myeloischer Leukämie jedoch nicht. Wir haben keine typischen Symptome, es sind untypische Symptome. Die Patientinnen und Patienten fühlen sich müde, sie fühlen sich matt, die Leistung geht zurück, irgendetwas ist anders und sie können es nicht wirklich definieren. Wenn die Krankheit fortschreitet, dann finden wir die Zeichen, die bedingt sind durch eine Verminderung gesunder Blutkörperchen.

Wenn die Sauerstoffträger, die roten Blutkörperchen, weniger werden, tritt Schwäche und Atemnot ein. Es folgt eine Neigung zum Kollaps, zum Zusammenbrechen. Wenn die gesunden weißen Blutkörperchen weniger werden und das Immunsystem schwächer wird, treten Infektionen auf. So gut wie alle Infektionen machen sich bemerkbar durch Fieber. Wenn die Blutplättchen weniger werden, die für die Gerinnung, das Stoppen des Blutes verantwortlich sind, kommt es auch ohne Verletzungen zu Blutungen. Am Anfang entstehen ganz kleine Blutpunkte, sogenannte flohstichartige Blutungen an der Haut und an den Schleimhäuten. In weiterer Folge kommt es oftmals zu schweren Blutungen im Magen-Darm-Bereich, aber auch im zentralen Nervensystem, im Gehirn.

In welchem Zeitraum entwickeln sich die Symptome bei AML?

Wie lange dauert es von der ersten entarteten Knochenmarkstammzellen bis zum Vollbild der Leukämie? Das wissen wir letztendlich nicht genau. Jedoch nehmen wir an, dass sich so gut wie alle bösartigen Erkrankungen über viele Jahre entwickeln.

Wenn einmal Beschwerden wie Müdigkeit, Mattigkeit oder Fieberschübe auftreten, dann geht es relativ rasch, bis sich das Vollbild der Leukämie manifestiert. Denn wenn sich dieses manifestiert hat, mit den Folgen des Blutplättchenmangels, des geschwächten Immunsystems und einer Verminderung der roten Blutkörperchen, dann besteht ein lebensbedrohliches Zustandsbild.

Was ist der typische Verlauf bei einer behandelten AML?

Die Leukämie ist eine sehr schwere Erkrankung und führt letztendlich, wenn sie nicht behandelt wird innerhalb kurzer Zeit, innerhalb von drei bis fünf Monaten, zum Tode. Wesentlich ist, dass wenn eine Therapie eingeleitet wird, wir diese unmittelbare Lebensbedrohung sehr rasch und früh stoppen können.

Das erste Ziel bei der Leukämie-Therapie ist jenes, die Leukämie zurückzudrängen. Wir wollen eine sogenannte Remission erreichen, bei der wir nur wenige Leukämiezellen im Knochenmark nachweisen können. Wenn das der Fall ist, dann brauchen wir eine Festigungstherapie, das kann auch eine Stammzelltransplantation sein, welche den Zustand, wie der Name schon sagt, festigt.

Das Ziel der intensiven AML-Therapie ist jenes, dass die Patientinnen und Patienten gesund werden. Gesund heißt keine Leukämie, keine Leukämie spezifischen Medikamente und eine weitestgehend normale Lebensqualität.

Wir haben bereits gehört, das AML vor allem im höheren Lebensalter auftritt. Dort haben wir oft nicht mehr das Ziel der intensiven Therapie, weil der Körper andere Erkrankungen zeigt, die zu schwer sind, um eine intensive Chemotherapie oder eine Stammzelltransplantation zu erlauben. Doch dank neuer Behandlungen können wir auch hier viele gute Optionen anbieten mit dem Ziel, die Leukämie zurückzudrängen und in Remission zu bringen. Das heißt, dass wir im besten Fall keine Leukämiezellen bei einer Knochenmarkpunktion mehr nachweisen können, die Lebensqualität deutlich verbessert und auch die Lebensspanne deutlich verlängert wird.

Hier geht es zum Video-Interview: Symptome und Verlauf bei AML

Der Weg zur Diagnose AML

Bei welchen Symptomen sollte ich eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen?

AML entwickelt sich wie bereits erwähnt mit unspezifischen Symptomen. Wann immer Leistungsminderung, Abgeschlagenheit oder Mattheit über einen längeren Zeitraum auftritt, sollte eine Ärztin oder ein Arzt konsultiert werden.

Wesentlich sind die Fieberschübe, welche Zeichen einer Infektion sind. Diese legen initial bei Leukämie eine Grippe oder grippeartige Infektion nahe. Aber wie Sie wissen, vergehen diese Zeichen normalerweise nach einer Woche, spätestens nach zwei Wochen. Bei Leukämie bleiben sie jedoch bestehen. Wenn Sie drei Wochen oder länger Fieberschübe haben, dann sollten Sie auf jeden Fall zu Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt gehen.

Kann die Krankheit auch ohne Beschwerden auftreten oder sind immer Symptome vorhanden?

In den allermeisten Fällen von akuter myeloischer Leukämie treten unspezifische Beschwerden auf. Natürlich finden wir jetzt immer mehr Fälle, die im Zuge von Routineuntersuchungen festgestellt werden. Beispielsweise bei Routine-Blutbildkontrollen oder Gesundenuntersuchung und in diesem Fall zeigen Patientinnen und Patienten keinerlei Beschwerden und nichtsdestoweniger liegt eine Leukämie vor.

Welche Ärztin/welcher Arzt behandelt eine AML?

So gut wie immer gehen Patientinnen und Patienten mit den Erstsymptomen zum praktischen Arzt. Dieser wird eine Blutuntersuchung durchführen und danach Patientinnen und Patienten an ein Zentrum überweisen.

In Österreich haben wir die glückliche Situation, dass so gut wie alle Leukämie-Fälle an Universitätskliniken beziehungsweise Schwerpunktkrankenhäusern behandelt werden. An diesen sind Ärztinnen und Ärzte in Bezug auf diese seltene Erkrankung gut ausgebildet und auch die dafür nötigen Strukturen sind vorhanden

Welche Fragen kann mir meine Ärztin/mein Arzt stellen?

Wenn Sie zu Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt gehen, sind die zentralen Fragen immer:

  • Wie geht es Ihnen?
  • Was haben Sie für Beschwerden?

Das bitte ich Sie ganz ehrlich und offen zu beantworten. Weitere ganz wesentliche Fragen sind auch im Hinblick auf die Behandlung der Leukämie:

  • Was haben Sie für Vorerkrankungen?
  • Was haben Sie für Medikamente eingenommen?
  • Haben Sie Allergien?

Hier empfiehlt es sich, eine Liste mitzunehmen, vielleicht hat Ihre Ärztin oder Ihr Arzt auch bereits eine entsprechende Liste von Ihnen.

Ich möchte aber auch umgekehrt daran erinnern, auch Sie haben vielleicht wesentliche Fragen an Ihre Ärztin, oder Ihren Arzt. Ich weiß aus Erfahrung, dass im Zuge des Arztgespräches oft vieles vergessen wird, weil es doch eine gewisse Ausnahmesituation darstellt. Hier meine Empfehlung, dass Sie sich bereits vorher Gedanken über Ihre Fragen machen und diese auch gerne schriftlich festhalten und dann vorbringen.

Was soll ich vor dem Erstgespräch beachten?

Im Zuge eines ersten Gespräches ist es mir sehr wichtig zwei Punkte zu kommunizieren. Der erste Punkt ist natürlich jener der Diagnose und AML ist eine schwere Diagnose. Der zweite für mich wesentliche Punkt ist, dass mit dieser Diagnose sehr wohl Hoffnung verbunden ist.

Meine Botschaft an Sie ist, dass wenn Sie vom ersten Gespräch zurückgehen, Sie nicht nur an die Diagnose denken, sondern mit der Diagnose immer die Hoffnung verbinden. Es werden noch viele Fragen kommen, vielleicht sogar Fragen, die im Zuge des Erstgesprächs bereits adressiert wurden. Diese Fragen sollten Sie neuerlich adressieren, sei es im Umgang mit dem Internet, aber wohl besser in weiteren Gesprächen mit Ihren Ärztinnen und Ärzten.

Die gesamte Aufklärung, wenn man so will, das gesamte Wissen über diese Erkrankung braucht Zeit. Genauso wie die Akzeptanz der Diagnose Zeit braucht.

Welche Blutwerte werden bei Verdacht auf AML überprüft?

Bei Verdacht auf AML machen wir ein sogenanntes großes Blutbild. Das heißt, wir schauen uns an, wie viele rote Blutkörperchen, wie viel weiße Blutkörperchen und wie viele Blutplättchen Sie haben.

Wir führen auch einen sogenannten Ausstrich durch, bei dem wir im Mikroskop die weißen Blutkörperchen beurteilen. So können wir erkennen, ob es sich um normale Immunzellen handelt oder ob schon Leukämiezellen dabei sind.

Welche weiteren Untersuchungen sind notwendig?

Die weiteren Untersuchungen bei Verdacht auf Leukämie umfassen auf jeden Fall die Knochenmarkpunktion, weil die Leukämie aus dem Knochenmark kommt. Wir brauchen jedoch, um die Tauglichkeit in Bezug auf intensive Therapie festzulegen, auch weitere Untersuchungen, wie die Herzultraschall-Untersuchung, die Untersuchung der Niere und des Harnes und eine Lungenfunktion. Wir müssen uns vom gesamten Körper, von allen Körperfunktionen ein Bild machen, da diese Parameter wesentlich für unsere Therapieempfehlung sind.

Was ist eine Knochenmarkspunktion und wann wird sie durchgeführt?

Die Leukämie kommt genauso wie die gesunde Blutbildung aus dem Knochenmark. Dieses befindet sich innerhalb der Knochen, der Rippen, der Wirbel und der langen Röhrenknochen. Wir führen eine Knochenmarkpunktion am Beckenknochen durch, weil es die sicherste Form der Knochenmarkpunktion darstellt.

Im Allgemeinen erfolgt eine örtliche Betäubung, in einzelnen Fällen ist auch eine Narkose möglich und dann wird zum einen das blutbildende Gewebe aus dem Knochenmark abgesaugt, eine sogenannte Aspiration getätigt. Zum anderen wird auch eine kleine Probe, eine sogenannte Biopsie entnommen. Diese Untersuchungsmaterialien werden unterschiedlich weiterverarbeitet, einerseits auf der Pathologie, wo der Knochen und das Knochenmark genau beurteilt werden. Andererseits in spezialisierten Laboren, wo Antikörper gegen die Leukämie-Zellen gerichtet werden, um genau festzustellen, welche Art der Leukämie es ist und letztendlich auch, um genetische Veränderungen festzustellen.

Hier geht es zum Video-Interview: Der Weg zur Diagnose AML

Nächste Schritte bei AML

Wie gehe ich mit meiner Diagnose AML am besten um?

Die Diagnose einer akuten myeloischen Leukämie ist eine schwere Diagnose. Es ist eine schwere Erkrankung und meiner Erfahrung zufolge braucht es Zeit, bis Patientinnen und Patienten mit dieser Diagnose wirklich umgehen können. Meine persönliche Empfehlung ist, gegenüber Ihren Angehörigen, Freundinnen und Freunden offen zu sein und auch dieses Thema mit diesen zu besprechen.

Ich habe bereits erklärt, dass wir bei so gut wie allen Fällen nicht wirklich die Ursache wissen. Aus diesem Grund bitte ich Sie darum, von der Frage nach Schuld Abstand zu nehmen. Dies ist wesentlich, denn die Frage nach Schuld bringt weder Sie noch uns in der Behandlung der Leukämie weiter. Wichtig ist es aktiv zu bleiben, die Diagnose anzunehmen und Richtung Behandlung mit Ihren Ärztinnen und Ärzten zu gehen.

Was kann ich tun, um besser mit Angst und Wut umzugehen?

Es wird bei der Diagnose einer akuten myeloischen Leukämie immer wieder sowohl Angst als auch Wut aufkommen. Neben der Schuldfrage sind das sehr wesentliche Punkte und meine Empfehlung ist es, dass Sie diese Angst ganz offen mit Ihrem Umfeld, Ihren ÄrztInnen und den PflegerInnen im Krankenhaus anzusprechen. Wir können heutzutage sowohl im Krankenhausbereich als auch wenn Sie entlassen sind, gute Psychologinnen und Psychologen empfehlen, die Sie dabei unterstützen.

Welche Prognose hat die AML?

Wir sind Gott sei Dank in einer Zeit, wo wir diese Frage ausschließlich positiv beantworten können. Wir können mit intensiver Therapie und das ist Chemotherapie plus minus Stammzelltransplantation, die Erkrankung wirklich heilen. Auch wenn der Weg dorthin ein langer und sehr beschwerlicher ist.

Wir haben aber auch viele ältere Patientinnen und Patienten, wo wir die intensive Therapie nicht durchführen können. Jedoch gibt es neue Behandlungsverfahren, die die Leukämie zurückdrängen, eine Remission herbeiführen, die Lebensqualität verbessern und die Lebenszeit verlängern. Es ist sehr selten geworden, dass wir weder die eine noch die andere Behandlungsmöglichkeit anbieten können. In 95 Prozent und mehr aller Leukämie-Patientinnen und -Patienten, können wir tatsächlich eine gute Therapie anbieten.

Welche Auswirkungen kann AML auf meinen Alltag haben?

Wie bereits erwähnt ist AML eine schwere Diagnose und es wartet eine lange Behandlung, die oftmals auch intensiv ist. Das bedeutet, dass der Alltag sich vorübergehend verändern wird und die Leukämie und die Leukämie-Behandlung im Zentrum stehen wird. Aber nichtsdestoweniger erachte ich es für sehr wesentlich, dass Sie sich selbst einbringen, vieles hinterfragen und nachlesen, vieles mit Ihren Ärztinnen, Pflegern oder Pflegerinnen und Ihren Angehörigen diskutieren.

Darüber hinaus ist auch das Beibehalten der Aktivität wichtig. Wir als Ärztinnen und Ärzte brauchen Ihren aktiven Anteil an der Behandlung, für die Bewältigung der Erkrankung. Aktivität bedeutet manchmal etwas Banales, wie regelmäßig zu essen und zu trinken. Das ist der natürliche Weg und sowohl Krankheit als auch Therapie sind energiezehrend. Sie können sich auch bewegen, aktiv sein, spazieren gehen, walken oder auch geistig aktiv sein. Das ist ganz wesentlich in der Behandlung und in der Bewältigung dieser Erkrankung. Und wie gesagt, wir brauchen Ihre Mithilfe, da es ein langer Weg wird.

Welche Tipps gibt es bei Müdigkeit und Schwäche?

Ein häufiges Symptom der Erkrankung, aber auch der Behandlung sind Müdigkeit und Schwäche. Die erste Frage ist natürlich: Was ist die Ursache? Eine wesentliche Ursache ist der Mangel an roten Blutkörperchen. Wenn dieser Mangel zu stark wird, dann haben wir Bluttransfusionen für Sie, die diesen Mangel vorübergehend ausgleichen. Unspezifische Müdigkeit und unspezifische Schwäche tritt ebenfalls häufig auf. Unser Rat für Sie ist aktiv zu bleiben, im Rahmen aktiv zu bleiben. Wie erwähnt sich zu bewegen, sich geistig zu beschäftigen und nicht nur im Bett zu verweilen.

Was kann ich gegen Übelkeit und Erbrechen tun?

Übelkeit und Erbrechen sind keine typischen Symptome. Sie sind Zeichen oder Nebenwirkungen der Leukämie-Therapie, die in unterschiedlichem Maße sehr häufig beobachtet werden. Hier haben wir verschiedene, sehr gute Medikamente, sowohl Tabletten als auch Infusionen, die wir Ihnen anbieten können. Das Ziel ist nicht nur die Übelkeit und das Erbrechen zu beseitigen oder deutlich zu vermindern, sondern dass Sie weiter weitestgehend normal essen und trinken können.

Welche Unterstützung kann ich mir von meinem Umfeld holen?

AML ist eine Erkrankung, deren Behandlung über eine lange Zeit geht. Sie brauchen daher Unterstützung und Sie sollen diese auch erhalten. Die erste Unterstützung soll vom Krankenhauspersonal, von Ärztinnen, Ärzten und von der Pflege kommen. Sie sollen alle Ihre Fragen immer beantwortet bekommen.

Wesentlich ist auch die Unterstützung durch das familiäre Umfeld, durch Freundinnen und Freunde. Darüber hinaus auch die Unterstützung durch professionelle psychologische Kräfte, die wir in allen Bereichen, sowohl im Krankenhausbereich als auch im niedergelassenen Bereich anbieten können. Diese werden Sie über die gesamte Dauer betreuen.

Hier geht es zum Video-Interview: Nächste Schritte bei AML

Geprüft Univ.-Prof. Dr. Heinz Sill: Stand April 2022 | Quellen und Bildnachweis

Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.