Epilepsie ist eine häufig auftretende neurologische Krankheit. Etwa jeder/jede Zehnte erlebt einmal im Leben einen epileptischen Anfall. Dank moderner Untersuchungsmethoden und medikamentöser Behandlung lässt sich diese Krankheit heutzutage jedoch sicher diagnostizieren und gut behandeln. In diesem Video erklärt Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Luef wie die Epilepsie entsteht, wie sie diagnostiziert wird und was Betroffene sowie Angehörige wissen sollten.
Was ist Epilepsie?
Was ist Epilepsie und wie häufig kommt sie vor?
Als Neurologe würde ich sagen, dass Epilepsien – sprechen wir im Plural – eine der häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen sind. Sie haben das Symptom des epileptischen Anfalls, welcher unterschiedlich sein kann. Epilepsien gehören, wie bereits gesagt, zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen – etwa zehn Prozent der Menschen haben einmal in ihrem Leben einen epileptischen Anfall; etwa 5% davon erleiden dann die Erkrankung Epilepsie. Es käme in diesem Fall immer wieder zu Anfällen, wenn die Erkrankung nicht richtig behandelt werden würde. Bei der Entstehung der Epilepsien gibt es einen Gipfel im Kleinkindesalter, in dem Epilepsien häufig beginnen können; zusätzlich besteht in höherem Alter ab dem 60. Lebensjahr eine höhere Wahrscheinlichkeit, epileptische Anfälle zu haben.
Ist jeder epileptische Anfall eine Epilepsie?
Nicht jeder Anfall bedeutet gleich die Erkrankung Epilepsie. Zehn Prozent der Bevölkerung haben einmal in ihrem Leben einen Anfall – das können beispielsweise Studenten sein, die die Nacht durchlernen oder durchfeiern und dann am nächsten Morgen aufgrund des Schlafentzuges einen Anfall haben. Da wird noch nicht von einer Epilepsie gesprochen – sollten von einem Gelegenheitsanfall aber dann mehrfach epileptische Anfälle auftreten und diese unprovoziert entstehen, spricht man von einer Epilepsie.
Wie gefährlich ist ein epileptischer Anfall?
Ein epileptischer Anfall ist im Prinzip relativ ungefährlich. Natürlich hängt es in erster Linie davon ab, wo dieser Anfall auftritt. Wenn der Anfall während des Schwimmens passiert, kann er tödlich ausgehen, da mit einem Atemzug die Lunge voll mit Wasser sein kann und die Gefahr des Ertrinkens besteht. Wenn der Anfall beispielsweise im Bett passiert, ist er wiederum ungefährlich – es kommt somit auf die Situation an.
Ist Epilepsie heilbar?
Eine Epilepsie ist als solches nicht heilbar, aber mit Medikamenten behandelbar. Etwa zwei Drittel der Menschen mit Epilepsie werden unter Medikamenten anfallsfrei; ein Drittel ist schwerer behandelbar. Es gibt außerdem noch Patienten, die man epilepsiechirurgisch behandeln kann – wenn die Anfallsursache chirurgisch behandelt werden kann, kann man auch von einer Heilung sprechen.
Was passiert bei Epilepsie im Gehirn?
Bei epileptischen Anfällen kommt es zu einer Entladung von Gehirnzellen. Das Gehirn hat etwa 80 Milliarden Gehirnzellen, welche alle miteinander in Kontakt bzw. unter Spannung sind. Wenn ein Kurzschluss in den Gehirnzellen entsteht bzw. ein “Gewitter”, entsteht in der betreffenden Region des Gehirns ein epileptischer Anfall.
Welche Hirnareale sind bei Epilepsie betroffen?
Grundsätzlich können alle Areale des Gehirns epileptische Anfälle auslösen. Im Gehirn laufen Vorgänge wie das Riechen, Schmecken, Hören oder Sehen ab – wenn sich diese Zellverbände elektrisch entladen, spricht man von einem epileptischen Anfall. Wenn beispielsweise eine Geruchsmissempfindung, eine Halluzination oder eine Geschmacksmissempfindung entsteht, kann das ein epileptischer Anfall sein. Somit können diese Anfälle in den unterschiedlichsten Regionen des Gehirns entstehen; am häufigsten sind Anfälle aus dem Schläfenlappen.
Kann ein epileptischer Anfall bleibende Schäden verursachen?
Prinzipiell nicht. Wenn man epileptische Anfälle unbehandelt lässt, kann es auf Dauer zu Gedächtnisstörungen kommen – das sind jedoch keine Schäden, welche man sieht, aber mit Gedächtnistests messbar sind.
Was versteht man unter fokalen epileptischen Anfällen?
Fokale (herdförmige) epileptische Anfälle sind die häufigsten epileptischen Anfälle. Das sind Anfälle, welche von einer bestimmten Region im Gehirn ausgehen. Das betrifft meist die Schläfen- oder Stirnlappen, bei denen es wiederum unterschiedliche Regionen gibt; wenn dort die Entladung der Zellen stattfindet, sprechen wir von sogenannten fokalen Anfällen.
Was versteht man unter generalisierten Anfällen?
Bei generalisierten Anfällen entladen sich die Gehirnzellen im Gegensatz zu fokalen Anfällen nicht nur über eine bestimmte Region des Gehirns, sondern spontan über das gesamte Gehirn.
Hier geht es zum Video-Interview: „Was ist Epilepsie?”
Ursachen und Risikofaktoren von Epilepsie
Ist Epilepsie vererbbar?
Epilepsie ist an sich nicht vererbbar. Was vererbbar ist, ist die Neigung zu epileptischen Anfällen. Hier wird von genetischen Epilepsien gesprochen – die Neigung dazu, irgendwann im Leben einen epileptischen Anfall zu erleiden, kann in der Erbmasse gespeichert sein. So wie wir unseren Vorfahren ähnlich sehen können, können wir Krankheiten von unseren Vorfahren übernehmen. Die Epilepsie als Erkrankung ist jedoch nicht vererbbar.
Welche genetischen Erkrankungen können eine Epilepsie verursachen?
Es gibt genetische Erkrankungen, die Epilepsie zur Folge haben können bzw. mit epileptischen Anfällen vergesellschaftet sind. Hier gibt es Syndrome wie z.B. das Landau-Kleffner-Syndrom, das mit Fehlbildungen des Gehirns vom Kleinkindesalter an besteht – das ist immer mit epileptischen Anfällen vergesellschaftet. Ein weiteres, bekannteres Syndrom ist die Trisomie 21 – hier ist das Chromosom 21 dreifach vorhanden. Da kann es im Alter zu epileptischen Anfällen kommen.
Was kann bei Erwachsenen eine Epilepsie verursachen?
Bei Erwachsenen kann wie auch bei Kindern jede Art der Verletzung des Gehirns epileptische Anfälle verursachen. Wenn Verletzungen des Gehirns entstehen – bei Erwachsenen etwa Schlaganfälle oder Tumore bzw. bei Kindern ein Schädelhirntrauma oder eine stärkere Gehirnerschütterung, kann diese Veränderung im Gehirn eine kleine Narbe hinterlassen, welche eine Instabilität in den Gehirnzellverbänden entstehen lässt. Dabei kann es zu einer Neigung zu epileptischen Anfällen kommen.
Welche Faktoren begünstigen eine Epilepsie?
Es gibt Faktoren, die epileptische Anfälle begünstigen können. Dazu gehört eine Störung des regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus, welcher für das Leben zentral ist – wenn dieser gestört ist, sind die Gehirnzellen instabiler und können sich leichter entladen. Wenn man die ganze Nacht wach ist, Alkohol trinkt und nicht schläft, ist der Schlafrhythmus gestört; außerdem hat der Alkohol eine dämpfende Wirkung auf das Gehirn. Wenn der Alkoholspiegel dann in den Morgenstunden langsam abfällt, kann es zu einem epileptischen Anfall kommen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Ursachen und Risikofaktoren von Epilepsie”
Symptome und Verlauf bei Epilepsie
Wie kündigt sich ein epileptischer Anfall an?
Es gibt Anfälle, die sich ankündigen und es gibt Anfälle, die aus heiterem Himmel auftreten. Fokale Anfälle aus dem Schläfenlappen können sich mit einer sogenannten Aura ankündigen. Die Aura (griechisch: das Lüftchen) ist eine Art Vorgefühl bzw. eine Sensation, die sich schwer beschreiben lässt; danach verliert man das Bewusstsein. Häufig sind epigastrische Auren bzw. eine aufsteigende Übelkeit; danach weiß man oft nichts mehr. Hierbei muss jedoch nicht auf den Magen geachtet werden – das wird vom Gehirn bzw. vom Schläfenlappen gesteuert. Das wäre eine Form der Ankündigung für einen epileptischen Anfall – wenn das erkannt wird, kann die Gefahr der Verletzung verringert werden, indem man sich hinsetzt.
Wie äußert sich ein epileptischer Anfall?
Diese Ankündigungen von Anfällen werden schon als bewusst erlebte Anfälle bezeichnet. Es gibt unterschiedliche Formen: oft treten Geruchsstörungen auf – dann spricht man von einer olfaktorischen Aura. Außerdem können Geschmacksstörungen bzw. eine gustatorische Aura auftreten. Ein Anfall könnte aber auch durch ein ledigliches Zucken mit der Hand bewusst erlebt werden (motorische Anfälle). Das alles sind Phänomene, welche einen Anfall ankündigen können – wenn diese Ankündigungen auftreten, verliert man als Betroffener im Anschluss das Bewusstsein und weiß danach oft gar nichts mehr. Die Umgebung kann dann beobachten, wie der Körper zuckt oder krampft – hier wird dann vom großen Anfall bzw. Grand-mal-Anfall gesprochen. Außenstehende, welche einen Anfall beobachten sind oft so entsetzt über das Anfallsgeschehen, dass sie wenig darüber berichten können. Was beobachtet werden kann ist das Verkrampfen der Arme, wenn ein sogenannter tonischer Anfall auftritt bzw. klonisch, wenn die Arme zucken. Beteiligte können mit diesen Symptomen oft nicht umgehen, wenn beispielsweise Schaum aus dem Mund kommt oder ein Biss in die Zunge passiert und die Person blutet – trotzdem ist es eine ganz banale Entladung von Zellen im Gehirn.
Wie fühlt man sich während eines epileptischen Anfalls?
Während eines Anfalls fühlt man nicht sehr viel. Es gibt ganz selten Anfälle, die mit einer Schmerzsymptomatik einhergehen; meistens merkt man während des Anfalls jedoch gar nichts. Man kann sich aber während des Anfalls verletzen – wenn jemand im Schlaf einen Anfall hat, kann es passieren, dass die betreffende Person beim Aufwachen Muskelkater hat oder sich durch Ausschlagen verletzt hat. Ansonsten kann ein Biss in die Zunge oder Harnlassen vorkommen – sonst merkt man aber selbst nichts.
Merke ich auch abseits eines Anfalls etwas von der Erkrankung?
Meistens merkt man selbst nicht viel, wenn man keine Auren bzw. Vorankündigungen von den Anfällen hat und aufgrund derer ein komisches Gefühl bekommt. Es kommt jedoch nicht selten vor, dass Vorgefühle bagatellisiert werden. Es gibt beispielsweise eine Form der Epilepsie, die im Jugendalter auftritt – die sogenannte juvenile myoklonische Epilepsie. Diese geht oft mit Zuckungen einher, welche meist in den Morgenstunden passieren, vor allem, wenn junge Menschen am Abend länger aus waren. Dann kann es passieren, dass am Morgen die Zahnbürste beim Zähneputzen wegfliegt; das wird oft damit abgetan, dass sich der*die Betroffene denkt, es läge am Schlafmangel oder Alkohol. Tatsächlich ist das aber schon ein myoklonischer Anfall, der dann in späterer Folge zu großen Anfällen mit tonisch-klonischen Krämpfen führen kann.
Wie unterscheiden sich die Symptome von fokalen und generalisierten Anfällen?
Man kann fokale und generalisierte Epilepsie sehr gut in der Untersuchung unterscheiden, jedoch weniger gut im klinischen Bereich. Wenn beim Patienten keine Ankündigungen vor Anfällen passieren oder sich ein Patient nach einem großen Anfall nicht mehr an das Gefühl davor erinnern, bleibt dem Patienten keinerlei Erinnerung vom Anfall – nur die Tatsache, dass er bewusstlos geworden ist. Aus diesem Grund kann er dem Arzt/der Ärztin natürlich wenig über das Anfallsgeschehen schildern und die behandelnden Ärzte sind dann auf eine Fremdanamnese angewiesen – auf Menschen, die den Anfall gesehen haben und berichten können.
Wie unterscheiden sich die Symptome von fokalen und generalisierten Anfällen?
Man kann fokale und generalisierte Epilepsie sehr gut in der Untersuchung unterscheiden, jedoch weniger gut im klinischen Bereich. Wenn beim Patienten keine Ankündigungen vor Anfällen passieren oder sich ein Patient nach einem großen Anfall nicht mehr an das Gefühl davor erinnert, bleibt dem Patienten keinerlei Erinnerung vom Anfall – nur die Tatsache, dass er bewusstlos geworden ist. Aus diesem Grund kann er dem Arzt/der Ärztin natürlich wenig über das Anfallsgeschehen schildern und die behandelnden Ärzte sind dann auf eine Fremdanamnese angewiesen – auf Menschen, die den Anfall gesehen haben und berichten können.
Was passiert nach einem epileptischen Anfall?
Nach einem großen bzw. Grand mal Anfall mit tonisch-klonischen Krämpfen ist es so, dass man zunächst einmal schläft und kein Bewusstsein hat. Es dauert dann – das können ein paar Minuten bis zu einer Stunde sein, bis man sich wieder orientieren kann und sich in der Umgebung wieder zurechtfindet.
Kann man sich nach einem Anfall daran erinnern?
Menschen, die einen großen bzw. tonisch-klonischen Anfall gehabt haben, können sich an gar nichts erinnern. Der Anfall kommt in diesem Fall aus heiterem Himmel und wenn die Betroffenen wieder zu sich kommen, wissen sie nicht, was passiert ist. Menschen, die diesen Anfall beobachten glauben oft, sie müssen helfen – aber umso weniger man tut, desto besser ist es. Früher wurde in der Krankenpflegeausbildung gelehrt, bei einem großen Anfall einen Keil zwischen die Zähne zu geben – das wird heute nicht mehr gemacht, da dadurch der Biss in die Zunge nicht verhindert wird und man sich als Helfer selbst verletzen kann. Man kann jedoch darauf achten, den Patienten in eine stabile Seitenlage bringen zu können und Gläser oder andere Gegenstände aus dem Weg zu räumen, um die Umgebung zu schützen. Sehr viel mehr kann und soll man in dieser Situation sonst nicht machen.
Welche langfristigen Folgen und Symptome können epileptische Anfälle hervorrufen?
Wenn man sich beim epileptischen Anfall selbst nicht verletzt, kommt es auch nicht zu Symptomen. Wenn durch eine schlechte Behandlungsmöglichkeit oder unregelmäßige Einnahme der Medikamente Anfälle jedoch immer wieder auftreten, kann es langfristig zu Gedächtnisstörungen kommen. Während des Anfalls selbst kann man sich zusätzlich verletzen – das kann langfristige Folgen mit sich bringen. Häufig passieren durch Anfälle Rippen- oder Wirbelkörperbrüche, die dann unter Umständen auch zu Lähmungserscheinungen führen können. Wenn große Anfälle vorkommen, sollte man als Beteiligter deshalb immer wieder nach Schmerzen fragen und gegebenenfalls Röntgenbilder vom Brustkorb anfertigen lassen, ob nicht doch eine Rippe oder ein Wirbelkörper gebrochen ist.
Welche Details sollte ich nach einem Anfall schriftlich festhalten?
Wenn sich die betreffende Person an ein Gefühl vor dem Anfall erinnern kann, so ist den behandelnden Ärzten und Ärztinnen sehr geholfen, wenn das schriftlich festgehalten ist. Wenn beispielsweise vor dem Anfall Übelkeit, ein komischer Geschmack, Geruch oder ein Geräusch bemerkt wurde, sollte das notiert werden, um später den Ursprung des Anfalls leichter finden zu können. Häufig wird dieses Gefühl auch vergessen, da ein großer Anfall hier auch das Gedächtnis stört.
Hier geht es zum Video-Interview: „Symptome und Verlauf bei Epilepsie”
Der Weg zur Diagnose bei Epilepsie
Wann sollte ich unbedingt eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen?
Ein erster epileptischer Anfall gehört immer ärztlich abgeklärt. In diesem Fall sollte ein Arzt, ein Neurologe oder ein Kinderarzt bzw. ein Neuropädiater aufgesucht werden, um eine Abklärung durchzuführen. Das Zentrale ist dabei das EEG, die Elektroenzephalographie; umso früher das EEG durchgeführt werden kann, desto aussagekräftiger ist es. Diese Untersuchungen sollten nach Möglichkeit innerhalb der ersten zwanzig Stunden nach dem Anfall durchgeführt werden, da man dadurch viel über die Form der Epilepsie herausfinden kann.
Welche Anzeichen sollte ich ärztlich abklären lassen?
Leider werden oft Symptome von Patienten und deren Angehörigen nicht gleich erkannt. Wenn jedoch Sensationen wie ein Kribbeln am Arm, eine plötzliche Geruchs- oder Geschmacksstörung oder aufsteigende Übelkeit auftreten, ist das abklärungsbedürftig. Weiters sind Déjà-vu-Erlebnisse Anzeichen, wenn diese öfter als einmal im Monat auftreten – dann sollte man einen Facharzt aufsuchen, welcher durch ein EEG ableiten kann, ob ein epileptisches Ereignis dahintersteht.
Zu welcher Ärztin/welchem Arzt sollte ich bei Verdacht auf Epilepsie gehen?
Wenn bei Erwachsenen der Verdacht auf Epilepsie besteht, ist immer ein Facharzt für Neurologie aufzusuchen. Im Kindesalter sind Kinderärzte dafür zuständig – am besten ist es, einen Neuropädiater bzw. Neuro-Kinderarzt aufzusuchen, welcher sich noch besser damit auskennt. Hier kann man dann abklären lassen, ob diverse Attacken ein epileptisches Phänomen sein können.
Welche anderen Erkrankungen und Anfälle können ähnliche Symptome hervorrufen?
Natürlich ist es nicht immer leicht, eine Epilepsie zu diagnostizieren. Bei einer Synkope bzw. einem Kreislaufkollaps mit Myoklonien kann man auch zucken – Beteiligte beschreiben diesen Kollaps dann oft als Bewusstseinsverlust mit Zuckungen. Da ist die Gefahr dann groß, das mit Epilepsie zu verwechseln, obwohl es damit nichts zu tun hat. Weiters gibt es eine Gruppe von psychogenen bzw. dissoziativen Anfällen, welche durch psychische Belastungssituationen auftreten können, die wie epileptische Anfälle aussehen, mit Epilepsie aber nichts zu tun haben.
Welche Fragen wird mir die Ärztin/der Arzt stellen?
Wenn man nach dem ersten Anfall zu einem Facharzt kommt, wird die erste Frage sein, ob man vor dem Anfall etwas gespürt hat. In den meisten Fällen ist das für die Patienten schwer zu sagen. Aus diesem Grund werden die beteiligten Menschen wie Familie oder Freunde befragt, ob z.B. vor dem Anfall eine Art Schmatzen (Schmatzautomatismus) zu hören war, was typisch für einen fokalen Anfall wäre. Ein außerdem typisches Anzeichen sind Gestikulationen mit den Händen – das wird vom Arzt bzw. von der Ärztin erfragt.
Wie kann ich mich auf den Arztbesuch vorbereiten?
Man kann sich auf jeden Arztbesuch vorbereiten – damit ist dem untersuchenden Arzt immer sehr geholfen. Man kann z.B. schon eruieren, ob in der Familie jemand Epilepsie hat oder ob man als Kleinkind einen Unfall mit einem Schädel-Hirn-Trauma oder eine Hirnhautentzündung hatte. Außerdem spielt die Schwangerschaft und die Geburt eine Rolle – das sind Fragen, die man schon im Voraus klären kann, um vorbereitet schneller ins Gespräch kommen zu können.
Was erwartet mich beim ersten Arztbesuch?
Beim ersten Besuch eines Facharztes wird neben der Anamnese – Suchen nach der Ursache des Anfalls – eine klinische Untersuchung gemacht. Neurologen oder Neuropädiater untersuchen die Reflexe im Körper, ob irgendwelche Ausfälle erkennbar sind und führen dann die erste wichtige Untersuchung, das EEG, durch. Beim EEG werden Elektroden an den Kopf angebracht, mit denen man die Hirnströme messen kann – im besten Fall sollte das früh gemacht werden (bis zu zwanzig Stunden nach dem Anfall). Dadurch könnte man schon eine epileptogene Bereitschaft erkennen. Nach dem EEG wird eine bildgebende Untersuchung des Gehirns gemacht – da ist die Diagnostik der Wahl die Kernspintomographie; das MRT. Damit lässt sich das Gehirn gut darstellen und kann etwaige kleine Narben oder Veränderungen im Gehirn feststellen, welche die Anfälle auslösen können.
Welche Untersuchungen können zur Diagnose einer Epilepsie durchgeführt werden?
Nach einem ersten Anfall ist es sinnvoll, eine stationäre Abklärung an einer Kinderklinik oder an einer Neurologie zu machen, um alles durch EEG und MRT abklären lassen zu können. Zudem können Laboruntersuchungen durchgeführt werden, ob Blutunterzucker besteht oder die Blutsalze zu gering sind – auch das kann Anfälle auslösen. Neben den Laboruntersuchungen sind das EEG und die Kernspintomographie die wesentlichen Untersuchungen – das lässt sich in einem stationären Setting leichter abklären. Dafür bleibt man ein paar Tage stationär im Krankenhaus; diese Untersuchungen sind nicht schmerzhaft und gehören in einer solchen Klinik zur Routine.
Was versteht man unter einer EEG-Untersuchung und wie kann man dadurch eine Epilepsie nachweisen?
Das Elektroenzephalogramm bzw. EEG ist eine der wichtigsten Untersuchungen, um Anfälle abklären zu können. Dem Patienten werden Elektroden an den Kopf geklebt oder mittels Hauben auf den Kopf gesetzt, wodurch die Spannungen einzelner Gehirnzellen untereinander gemessen werden. Wenn hier die Spannung abfällt oder sich erhöht, hat man ein sogenanntes epilepsietypisches Potential – das ist ein klarer Hinweis für Epilepsie. Beim Elektroenzephalogramm werden am Kopf durch eine Elektrodenhaube in bestimmten Abständen Elektroden angebracht; mit einem Gerät werden dann die Hirnströme aufgezeichnet – so können Hirnströme zwischen zwei Elektroden gemessen werden. Wenn sich ihr Spannungsfeld entsprechend verändert, ist das ein Hinweis für eine Epilepsie ist.
Wie sehen die EEG-Ergebnisse bei Epilepsie-Patient*innen typischerweise aus?
Wenn im EEG-Befund eine Aktivität auftritt, welche bei beiden Hemisphären gleichzeitig beginnt und danach abrupt wieder endet, weicht das von einem gesunden EEG ab. Dann gibt es pro Sekunde drei Spitzen und das zieht sich generalisiert durch – das wäre der typische Befund von einer Absencen-Epilepsie.
Hier geht es zum Video-Interview: „Der Weg zur Diagnose bei Epilepsie”
Leben mit Epilepsie
Wie geht es nach der Diagnosestellung für mich weiter?
Wenn die Diagnose einer Epilepsie gleich zu Beginn gestellt werden kann, wird auch gleich mit einer antiepileptischen Medikation begonnen. Für die meisten Formen der Epilepsie handelt es sich dabei um eine dauerhafte Therapie; es gibt sehr wenige Epilepsien des Kindes- und Jugendalters, welche im Erwachsenenalter nicht mehr auftreten. Bei den meisten Epilepsien beginnt man jedoch mit einer Medikation, um die Anfälle zu behandeln und zu stabilisieren. In den meisten Fällen handelt es sich um eine dauerhafte Therapie, die man dann zeitlebens braucht.
Wie können Anwesende bei einem epileptischen Anfall Erste Hilfe leisten?
Wenn man bei einem epileptischen Anfall anwesend ist, kann man leider nicht viel machen. Man möchte natürlich helfen – das ist jedoch schwierig. Das Wichtigste ist es, den Betroffenen in eine stabile Seitenlage zu bringen und alles wegzuräumen, wodurch man sich verletzen könnte. Viel mehr kann man in dieser Situation gar nicht tun.
Darf ich als Frau mit Epilepsie schwanger werden?
Frauen mit Epilepsie müssen bei der Schwangerschaft ein paar Dinge berücksichtigen. Antiepileptische Medikamente können Fehlbildungen verursachen – das trifft jedoch nicht auf alle zu. Da muss man sich gut beraten lassen, welche Medikamente während einer Schwangerschaft ideal sind. Wichtig ist dabei, die bestehenden Medikamente nicht abzusetzen, sobald man von einer Schwangerschaft erfährt. Dadurch kann es zu gefährlichen Anfällen, welche für Mutter und Kind schädigend sind, kommen.
Was können Auslöser für einen epileptischen Anfall sein und wie kann ich Anfallsauslöser meiden?
Es gibt viele Auslöser, welche die Neigung zu epileptischen Anfällen verstärken. Ein Auslöser kann Schlafentzug oder ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus sein; außerdem übermäßiger Alkoholkonsum, wobei da nicht der Alkohol an sich Auslöser ist, sondern der Abfall vom Alkoholspiegel den Anfall im Gehirn verursachen kann. Andere Medikamente wie Schmerzmittel können bei übermäßiger Einnahme Anfälle verursachen; außerdem kann bei zuckerkranken Menschen Unterzucker einen Anfall zur Folge haben. Weiters können Auslöser für einen Anfall zu wenig Blutsalze sein, da Natrium für das Gehirn sehr wichtig ist. Somit sollte man auf die Ernährung und speziell auf Zucker achten, außerdem spielt der Lebensstil eine wichtige Rolle. Dadurch können epileptische Anfälle vermieden werden.
Welche Alltagssituationen können bei Epilepsie gefährlich sein und wie kann ich das Risiko begrenzen?
Epileptische Anfälle können auch gefährlich werden. Wenn bei einer Epilepsie das Medikament am Morgen vergessen wird und z.B. eine Bergwanderung geplant ist, kann das zu einem Absturz führen; außerdem kann durch einen Anfall beim Autofahren ein Unfall verursacht werden. Beim Sport generell, aber insbesondere beim Schwimmen kann ein Anfall sehr gefährlich werden, da eine Rettung oft zu spät kommt. Dieses Risiko kann man immer begrenzen, wenn man seine Medikamente regelmäßig einnimmt – eine hundertprozentige Garantie hat man jedoch nicht. Wenn man eine Epilepsie hat, sollte man aus diesem Grund bestimmte Dinge meiden; wenn man schon lange anfallsfrei ist, sollte man trotzdem die Umgebung informieren (wenn man z.B. ins Wasser geht). Das ermöglicht den Anwesenden, darauf zu achten und das Risiko zu minimieren. Wenn man sportbegeistert und schon jahrelang anfallsfrei ist, möchte man dieser Begeisterung natürlich nachgehen – man muss aber trotzdem beachten, dass in bestimmten Situationen durch Stress oder Anstrengung ein Anfall entstehen und das gefährlich werden kann.
Welche Einschränkungen kann Epilepsie bei Ausbildung und Beruf verursachen?
Es muss einem bewusst sein, dass man mit Epilepsie nicht alle Berufe ausüben kann. Man kann z.B. kein Pilot werden, wenn man auch nur einen Anfall im Leben gehabt hat. Dasselbe gilt für Lokomotivführer, was oft ein kindlicher Berufswunsch ist, oder für das Militär und die Polizei, wo durch die Waffen die Verantwortung zu groß ist. Dann gibt es noch viele Berufe, in denen es zu einer Schlafeinschränkung kommt (Schichtarbeit etc.). Hier entsteht ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus – wenn man hier jedoch die Medikamente regelmäßig einnimmt, stört das die Anfallssituation nicht.
Beeinflusst die Epilepsie meine Lebenserwartung?
Eine Epilepsie hat mit der Lebenserwartung nichts zu tun. Wenn die Epilepsie gut behandelbar ist und man anfallsfrei ist, hat man auch keine Folgeerscheinungen wie z.B. Verletzungen. Epilepsie limitiert die Lebenserwartung somit nicht; es gibt jedoch das sogenannte SUDEP. Das ist ein plötzlicher Tod bei Epilepsiepatienten, was bei etwa einem von tausend Patienten passiert. Dabei kann man die Todesursache nicht genau klären; man vermutet, dass die Atmung im Schlaf aussetzt oder Herzrhythmusstörungen auftreten. Das ist die einzige Todesursache, die es bei Epilepsie gibt – ansonsten kann man mit Epilepsie ein hohes Alter erreichen.
Wie unterscheidet sich die Prognose bei fokalen und generalisierten Anfällen?
Die Prognose ist bei beiden Anfällen relativ gleich. Generalisierte Anfälle kann man meist medikamentös sehr gut behandeln; der Großteil wird anfallsfrei. Bei fokalen Anfällen werden etwa zwei Drittel der Menschen anfallsfrei; das eine Drittel wird nicht anfallsfrei, wobei man davon einen Teil noch epilepsiechirurgisch behandeln kann.
Wie kann ich mich mit anderen Betroffenen austauschen?
Es ist natürlich wichtig, über die Erkrankung zu reden. Es ist immer noch so, dass Epilepsien mit einem Stigma behaftet sind; Eltern wollen beispielsweise nicht über die Epilepsie des Kindes sprechen und Kinder schämen sich oft, das in der Schule zu sagen. Deshalb ist es ganz wichtig, über Epilepsie zu reden. Hilfreich sind auch Selbsthilfegruppen, in denen man sich austauschen kann. Das Allerwichtigste ist jedoch, darüber zu reden – Epilepsie ist eine Erkrankung wie jede andere, die man großteils sehr gut behandeln kann.
Welche Hilfestellungen und Angebote gibt es sonst noch für Patient*innen?
Es gibt Broschüren, durch die man viel erfahren kann, welche oft von Selbsthilfegruppen herausgegeben werden. Man kann etwas über den Arbeitsmarkt herausfinden und sich weiter schlau machen. Weiters kann man im Internet viele Informationen finden – so wie auch diese Fortbildung trägt das dazu bei, die Krankheit leichter verstehen und leichter damit umgehen zu können. Ein weiterer Vorteil ist es natürlich auch, sich austauschen und diskutieren zu können – auch wenn im Internet fachlich nicht immer alles richtig ist, sind das doch die Sichtweisen des Einzelnen. In der Hinsicht kann man auch viel von seinem Arzt/seiner Ärztin erfragen und darüber sprechen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Leben mit Epilepsie”
Geprüft Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Luef (verstorben 2024): Stand August 2022 | Quellen und Bildnachweis