7. Behandlung von Immundefekten – alle Fragen

Die Behandlung von Immundefekten ist wichtig, weil diese schwere Infekte verursachen können. Es gibt unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten: Immunglobulinersatztherapie, Antiinfektiöse Therapien und die Stammzelltherapie. Univ.-Prof. Dr. Hermann Wolf und Dr. Matthias Gessner beantworten die häufigsten Fragen zur Behandlung von Immundefekten.

Behandlungsmöglichkeiten

Gibt es für jeden Immundefekt eine Behandlung?

Im Prinzip gibt es für jeden Immundefekt eine Behandlung. Da die Erkennung des Immundefekts die Richtige und auch im Ausmaß angemessene Behandlung ermöglicht.

Welche Immundefekte müssen unbedingt behandelt werden?

Unbedingt behandelt werden müssen alle Immundefekte, die so schwer sind, dass sie häufige und schwerwiegende Beschwerden machen. Wenn jemand wegen eines Immundefekts in Gefahr ist, an einer lebensbedrohlichen Infektion zu versterben, dann ist es völlig klar, dass so ein Immundefekt bei der Erkennung ab der Erkennung behandelt werden muss.

In welchen Fällen ist es besonders wichtig, eine Behandlung sofort zu beginnen und wann kann die Behandlung noch warten?

Besonders wichtig ist das, wenn der Immundefekt so schwer ist, dass man überhaupt keine, wir nennen das adaptive Immunität, das heißt überhaupt keine Antikörperbildung oder T-Zell-Reaktionen hat. Das ist also der Typ Immundefekt, wo es in den 70er Jahren in den Medien den Bubble Boy gab, der überhaupt keine T-Zellen in seinem Immunsystem reifen lassen konnte und deshalb keine Antikörperbildung und auch keine T-Zell-Antwort hatte. Und diese Kinder muss man sagen, aber auch in einer schwächeren Form Erwachsenen, diese Kinder sind besonders bedroht durch schwere, lebensbedrohliche Infektionen. Da muss man also bei der Diagnostik praktisch sofort beginnen mit Isolation, anti-infektiöse Maßnahmen und so weiter.

Das ist jetzt der andere Teil, welche Immundefekte gibt es, wo man nicht unbedingt oder wo man auch überhaupt nicht behandeln muss, weil so etwas gibt es ja auch.

Es gibt z.B. das andere Ende des Spektrums, die IgA-Defizienz, wenn also ein Mensch einfach kein IGA machen kann. IgA ist einer der Typen an Antikörpern, die wir beim Menschen kennen. Und diese Antikörper sind je nach Funktion, und natürlich muss man auch sagen: je nach Lebensumständen, mehr oder weniger wichtig. Also ein IgA zu haben ist sehr wichtig für ein kleines Kind in einer Dritte-Welt-Situation mit entsprechenden hygienischen Bedingungen. Wenn dieses Kind nicht gestillt wird, also kein IgA über die Muttermilch bekommt oder wenn es selber keine IgA machen kann, dann wird es auf den Schleimhäuten leicht Infektionen haben.

In unserer westlichen Welt, wo wir einen hohen Hygienestandard haben, können wir auf das Stillen und damit das IgA in der Muttermilch bis zu einem gewissen Grad verzichten. „Bis zu einem gewissen Grad“ meine ich nicht, dass das völlig ohne theoretische oder praktische Probleme ist. Aber im Sinne der Infektabwehr kann ich das kompensieren.

Und so gibt es eben IgA-defiziente Personen, 1:700 ungefähr, die können statistisch gesehen mehr Autoimmunerkrankungen haben, mehr Allergien haben, aber die müssen nicht, und tun es auch in den meisten Fällen nicht, durch eine Anfälligkeit für Infektionen auffallen.

Welche Therapiemöglichkeiten stehen zur Verfügung und wie häufig werden sie eingesetzt?

Die häufig notwendigen Therapiemöglichkeiten kann man ganz klar sagen: Mindestens 60 Prozent, vielleicht sogar in Richtung 80 Prozent der Patienten mit einem Immundefekt brauchen eine Antikörper-Substitution, wenn der Immundefekt klinisch schwer ist. Die häufigste unbedingt behandelbare Form eines Immundefekts ist dieses sogenannte Common Variable Immunodeficiency, die CVID-Erkrankung, die unbedingt behandelt werden muss. Und hier gibt es Patientenzahlen, die in die vielen Tausende gehen, und die werden Immunglobulin-Ersatztherapie behandelt.

Auch bei den sekundären Immundefekten sind mittlerweile die Patienten, die zu wenig Antikörper machen, die weitaus häufigste Zahl. Einfach deshalb, weil die Erkrankungen, die wir mit immunsuppressiven Medikamenten gut behandeln können, wo aber dann eine mehr oder weniger große Einschränkung der Antikörper-Bildung unweigerlich passiert, immer mehr zunehmen und auch diese Patienten durch die gute Behandlung länger leben und auch von den Folgen der Behandlung im Sinne einer Immundefizienz länger sozusagen betroffen sind.

Der Antikörper-Ersatz ist sicher eine sehr häufige Sache.

Die nächst häufige Sache sind Störungen der T-Zellen, wo also zusätzlich zur Antikörper-Therapie andere anti-infektiöse Maßnahmen erforderlich sind.

Eher selten sind Patienten mit Stammzelltransplantation. Die sind sozusagen das schwerste Ausmaß dieses T-Zellen-Defekts.

Und auch häufig sind die verschiedenen Formen des Komplement-Defekts, die aber praktisch alle durch anti-infektiöse Vorbeugung im Sinne einer Antibiotika-Prophylaxe behandelt werden.

Unterscheiden sich die Therapien für primäre und sekundäre Immundefekte?

Bei den sekundären Immundefekten gibt es erstens einmal ein sehr starkes Schwergewicht auf der defekten Antikörper-Bildung.

Prinzipiell muss man sagen: Die Therapien unterscheiden sich, weil z.B. bei einem sekundären Immundefekt ich jetzt kein Beispiel hätte, wo eine Stammzell-Transplantation gemacht wird. Oder wo z.B. eine Gentherapie gemacht wird. Das ist mal ein rein prinzipieller Unterschied.

Dann ist natürlich die Therapie des sekundären Immundefekts auf die Lösung der Ursache ausgerichtet. Da möchte ich Ihnen die HIV-Erkrankung in Erinnerung rufen. Da ist also das HI-Virus, das die CD4-Zellen zerstört. Und durch die antiretrovirale Therapie, also die medikamentöse Therapie der Infektion, senkt man die Menge Virus im Körper. Die CD4-Zellen kommen zurück, sie werden nicht mehr zerstört, und die Immun-Defizienz hört auf.

So etwas geht bei den primären Immun-Defizienzen natürlich nicht, außer eben durch eine Gentherapie. Also so ein Ausschalten der Ursache.

Was die Antikörper-Ersatztherapie oder das Problem der defekten Antikörper-Bildung anbelangt, da unterscheiden sich die sekundären und primären Immundefekte überraschend wenig, sowohl in der Behandlung als auch in den Folgen des Immundefekts. Da gibt’s immer mehr Publikationen, die das zeigen, dass die sekundären Immundefekte überraschend schwere Folgen haben, wenn man das genau aufarbeitet – ziemlich vergleichbar denen der Patienten mit primären Immundefekten, was irgendwie logisch ist, weil wenn ich zu wenig Antikörper bilde, habe ich ein Problem mit Infektionen. Ob das jetzt genetisch bedingt ist oder durch ein Medikament oder durch ein Anti-CD20-Behandlung, sollte für die Auswirkung eigentlich keine Rolle spielen.

Wie unterscheiden sich Therapien für Erwachsene und Kinder?

Therapien für Erwachsene und Kinder unterscheiden sich eigentlich prinzipiell nicht. Das heißt: Prinzipiell haben sie alle Möglichkeiten der Therapie bei beiden Altersstufen.

Bei den Kindern gibt es natürlich eine Besonderheit, nämlich in den ersten Jahren ist das Immunsystem besonders flexibel, und es gibt Kinder, wo das Immunsystem nachreift und wo sozusagen unter Umständen man statt eine Antikörper-Ersatztherapie zu beginnen, lieber sich überlegt: Ich überbrückte durch andere Maßnahmen, vielleicht Antibiotika-Prophylaxe, vielleicht auch einfach Zuwarten, Reduzieren der Exposition gegenüber Infektionen, indem ich das Kind nicht zu früh in den Kindergarten gebe, die Zahl der Infektionen und warte ein bisschen – ein, zwei Jahre, bis das Immunsystem nachhilft und eine Therapie gar nicht mehr notwendig ist.

Das ist etwas, was beim Erwachsenen so nicht vorstellbar ist.

Können unterschiedliche Therapien kombiniert werden?

Prinzipiell können unterschiedliche Therapien kombiniert werden in der Behandlung der Immundefekte.

Wobei man hier, wenn Sie sagen „Kombinationtherapie“: Man muss ja überlegen, dass die Immundefekte in der Charakteristik sich ja wandeln. Also man spricht jetzt mehr von genetisch bedingten Störungen des Immunsystems, um auch die Störungen zu erfassen, wo das Immunsystem zu viel Aktion setzt, also genetisch bedingte Entzündungserkrankungen oder Autoimmunerkrankungen. Und dort ist es ja sehr häufig, dass immunsuppressive Maßnahmen kombiniert werden.

Aber auch in der Infektionsabwehr kann man z.B. kombinieren eine Antibiotika-Prophylaxe und eine Immunglobulin-Therapie. Oder man kann kombinieren eine antivirale Prophylaxe und eine Antibiotika-Prophylaxe.

Also die Kombinationen sind je nach Phänotyp des Immundefekts, „Phänotyp“ bedeutet das funktionelle Erscheinungsbild beim Patienten, notwendig.

Welche Faktoren können die Therapiewahl beeinflussen?

Die Wahl der Therapie, wie überall in der Medizin, wird von der Schwere des Beschwerdebildes und vom, wir nennen das immunologischen Phänotyp, d. h. von der Funktion, vom Ausmaß der Störung der Funktion des Immunsystems bestimmt.

Sie haben ja ganz besonders bei den genetisch bedingten Erkrankungen des Immunsystems ein unterschiedliches Ausmaß der Funktionseinschränkung. Das heißt, mit derselben Veränderung eines Gens gibt es klinisch sehr schwere und klinisch weniger schwere Erscheinungsbilder. Und die müssen Sie unterschiedlich behandeln.

Das heißt: Sie können, grob gesagt, von der alleinigen Diagnose und von der unter Umständen Untersuchung eines Gens nicht entscheiden: Braucht der Patient viel Therapie oder braucht er wenig Therapie? Und insbesondere bei den Erwachsenen muss man natürlich auch noch berücksichtigen: Wann ist die Diagnose im Verhältnis zum Beginn der Beschwerden? Hat der Patient z.B. schon 20 Jahre Lungenentzündungen gehabt oder hat er erst eine Lungenentzündung gehabt? Unser Ziel ist ja, die Diagnose möglichst früh zu machen, damit wir uns mit der Behandlung nicht schwertun.

Welche Informationen sind für die Entscheidung wichtig und sollte ich der Ärztin/dem Arzt unbedingt mitteilen?

Wenn es darum geht, was Sie als Patient dem Arzt mitteilen sollen, dann sollen Sie möglichst neutral oder möglichst objektiv mitteilen, wie Ihre Beschwerden ausschauen, weil z.B. die Frage „Wie häufig sind die Infektionen?“ gibt es ja oft nur den Patienten, der diese Infektionen gut aufzeichnen kann. Nicht immer geht der Patient mit allen Beschwerden zu seinem Arzt. Und insbesondere chronische Beschwerden, da ist man sehr darauf angewiesen, dass der Patient schildert, wie stark, wie stark er darunter leidet und wie groß das Beschwerdebild ist.

Welche Möglichkeiten habe ich als PatientIn mitzuentscheiden, wie die Behandlung gestaltet wird?

Die Mitsprache des Patienten bei der Therapiewahl ist selbstverständlich und ganz wichtig.

Als Beispiel nur: Bei der Immunglobulin-Ersatztherapie für Antikörpermangel-Syndrome gibt es drei Arten von Immunglobuli, die man verwenden kann:

  • Eines, wo der Arzt die Infusionen durchführt,
  • eines, wo der Patient häufig zu Hause die Infusionen subkutan durchführt unter die Haut.
  • und ein letztes, wo der Patient selten größere Mengen, aber auch alleine zu Hause infundiert.

Und die Wahl zwischen diesen verschiedenen Präparaten, da redet der Patient im Sinne der Durchführbarkeit ganz entschieden mit.

Wo erhalte ich außerdem zuverlässige Informationen über meine Therapiemöglichkeiten?

Es gibt im Internet Informationsinhalte der Seiten, die die verschiedenen Selbsthilfegruppen aufbauen, also für die verschiedenen Formen der immunologischen Erkrankungen, ob das jetzt entzündliche sind oder eben auch Autoimmundefekte, gibt es jeweils Selbsthilfegruppen entweder in Österreich oder auch international, deutschsprachig oder viel englischsprachig. Und diese Selbsthilfegruppen haben ärztliche Berater und sind sehr interessiert, Information, die für die Patienten gut verständlich ist, zu gestalten.

Und da ist also eine Möglichkeit, unabhängig vom Arzt selber nachzusuchen.Das Internet hat natürlich auch seine Fallen, denn viel Information zu den einzelnen Krankheitsbildern ist insofern inkorrekt, dass unter Umständen unnötig dramatisch die Schwere von verschiedenen Krankheitsbildern geschildert wird, vielleicht unrealistisch, was dann den Patienten eher beunruhigt.

Hier geht es zum Video-Interview: „Behandlungsmöglichkeiten”

Infektionsvermeidung und Antiinfektiva

Mit welchen Hygienemaßnahmen kann ich mein Infektionsrisiko reduzieren?

Ein klinisch deutlicher Immundefekt, das heißt ein Immundefekt, der substanzielle Probleme macht und substanzielle Ausfälle, der kann durch Vorsorge und Isolation alleine nicht in den Griff kommen, weil einfach die Möglichkeiten, sich zu isolieren, irgendwann mit dem täglichen Leben nicht mehr gut vereinbar sind. Natürlich ist Isolation, natürlich ist, wie es jetzt jeder kennt – Mund-Nasen-Schutz, Händedesinfektion, Fernbleiben von Großveranstaltungen – ein effektiver Schutz, um die Zahl der Keime zu reduzieren, die ich sehe.

Und natürlich muss man sagen, dass bei bestimmten Immundefekten, z.B. eine Störung der Granulozytenfunktion, da ist die Gefahr einer Pilzinfektion sehr stark, und da sagt man dem Patienten: „Bitte passen Sie auf bei Gartenarbeiten. Es gibt die Pilze im Komposthaufen, im Bioabfall. Da sind Sie vorsichtig, dass nicht Sporen aufliegen, wenn Sie mit diesen Substanzen arbeiten“ oder z.B. wenn man nasses Holz aus dem Wald aufarbeitet, da haben wir selber Patienten erlebt, die sich bei so einer Gelegenheit, mit einer Abwehrschwäche natürlich, eine sehr bedrohliche Pilzinfektion geholt haben. Und, letztes Beispiel, über das Essen: Man kann natürlich das Essen so gestalten, dass man ein hohes Risiko einer Infektion hat, indem man viel roh ist. Oder man kocht die Speisen sehr gut, dann reduziert man das Risiko einer Infektion. Man kann auch gewisse Speisen, die besonders kritisch sind in puncto Infektionsgefahr, unter Umständen auch meiden.

In welchem Ausmaß sollten sich Menschen, die bereits in Behandlung sind, schützen?

Wie stark muss sich ein Patient mit Immundefekt einschränken in seinem Leben? Und hier haben wir einen heiklen Bereich, wo wir versuchen, durch gute Infektionsvorbeugung, medikamentösen Ersatz der Antikörper die auferlegten Einschränkungen möglichst gering zu halten.

Also ein gut behandelter Patient mit einem Antikörpermangel sollte eigentlich Opernbesuche, Theaterbesuche, Konzerte, auch einen Beruf im Kindergarten, einen Beruf als Krankenschwester ohne wesentliche Infektionsprobleme machen können.

Sicherlich kann man alle diese Tätigkeiten, Massenveranstaltungen kann man meiden und sich dadurch Infektionen ersparen. Aber besser ist, Sie benutzen das, was wir über Behandlung wissen und schauen, dass Sie bei der Behandlung mittun, dass Sie Infektionsprophylaxe machen und einfach dadurch ein, wenn man so will „normales“ unter Anführungszeichen Leben führen können.

Inwiefern sind Hygienemaßnahmen auch für Angehörige wichtig?

Die Angehörigen müssen mittun, weil jede Krankheit, die die Angehörigen bekommen, jede Infektion, die die Angehörigen durchmachen, ist natürlich ein Risiko für den Patienten mit Immundefekt. Das ist also insbesondere bei bakteriellen oder viralen Darmerkrankungen, wo ja über den Stuhl Keime ausgeschieden werden, ist das ein reelles Risiko. Das heißt hier ist natürlich die besondere Extrahygiene im Sinne von Händewaschen, Händedesinfektion und sonstige Hygiene ganz, ganz wichtig.

Was gilt es bei Impfungen zu beachten, wenn ich unter einem Immundefekt leide?

Impfungen und Immundefekt ist ein wichtiges Thema, genauso wie Impfungen und andere Erkrankungen des Immunsystems prinzipiell. Das heißt, wenn man eine Erkrankung des Immunsystems hat, muss man die Frage Impfungen mit dem Arzt besprechen, prinzipiell.

Impfungen, die wir zur Verfügung haben, sind alle getestet und machen im Prinzip dem Menschen keinen Schaden. Eine Ausnahme ist Lebendimpfung bei schwer geschwächtem Immunsystem. Und das kann entweder sekundär sein durch immunsuppressive Therapie oder durch HIV-Infektion oder es kann auch sein durch genetische Gründe, wenn z.B. die Antikörperbildung überhaupt nicht funktioniert. Das heißt: Bei Lebendimpfungen kann es sein, dass ich einen Schaden davontrage, wenn ich ein geschwächtes Immunsystem habe. Dann muss ich aufpassen.

Von Grippeimpfung, Pneumokokken-Impfung, FSME-Impfung, Tetanus-Impfung und der ganzen Reihe der bei uns so üblichen Impfungen habe ich auch als Patient mit Abwehrschwäche keinen Schaden. Lebend-Impfungen vielleicht, um das festzuhalten, sind Masern, Mumps, Röteln, Feuchtblattern, gewisse Formen von Zoster-Impfung, die Gelbfieber-Impfung als Reise-Impfung und bei der Typhus Impfung gab es eine Lebend-Impfung. Und die die sogenannten Tot-Impfungen, das heißt die Impfungen, wo kein vermehrungsfähiger Erreger im Spiel ist, dazu gehören auch z.B. Covid-Impfstoffe mit einem mutierten, d. h. veränderten Adeno-Virus, das keine Infektion setzen kann, die können nicht schaden und haben die Chance, auch bei einem Menschen mit Abwehrschwäche einen Schutz zu machen.

Sie dürfen nicht vergessen: Der Schutz muss nicht immer über 90 Prozent sein, damit ich einen Nutzen habe. Über die Grippeimpfung gibt’s viele Untersuchungen. Menschen mit Abwehrschwäche machen unter Umständen nur einen 50-prozentigen Schutz. Aber nachweislich haben sie mit dem 50-prozentigen Schutz weniger Infektionsprobleme wie die Menschen mit derselben Abwehrschwäche, die nicht Grippe-geimpft sind. Also ein Teilschutz ist auch etwas, was ich erstreben sollte und ist besser als gar keinen Schutz, wenn ich mich nicht impfen lasse.

Ersetzt die Therapie nicht die Impfung, da ja ohnehin sämtliche Antikörper in der Therapie enthalten sind?

Die Therapie ersetzt für Personen, die keine Antikörper machen können, ersetzt die Immunglobulin-Ersatztherapie die Antikörper-Bildung durch die Impfung. Das ist wahr, weil z.B. die Immunglobuline enthalten Pneumokokken-Antikörper, die schützen gegen Lungenentzündung. Das ersetzt die Antikörper, die ich durch die Lungenentzündungs-Impfung bekommen. Wobei auch hier muss man einschränken nicht in jedem Bereich, weil z.B. die meisten Menschen, die Antikörperersatz brauchen, machen keine IgG-Antikörper. Jetzt sind IgA- und IgM-Antikörper im Immunglobulin aber nicht drin. Wenn ich aber Pneumokokken impfe, machen diese Menschen IgM- und IgA-Antikörper, d. h. sie haben hier auch einen Teil des Schutzes durchs Immunglobulin, durch die Therapie, und einen zweiten Teil durch die Impfung.

Oder z.B. die Grippeimpfung macht eine T-Zell-Antwort. Die T-Zell-Antwort kriege ich nicht durch die Immunglobuline.

Das Prinzip grob gesagt ist: Ein Teil, den ich nicht gut machen kann, kriege ich durchs Immunglobulin. Aber der andere Teil der Wirkung der Impfung, der wird mir durchs Immunglobulin nicht gegeben. Da muss ich die Impfung bekommen.

Welche Impfungen sollten PatientInnen mit Immundefekt in jedem Fall erhalten?

Ja, also da gibt es viel Literatur. Alles im Internet auch nachzusehen. Auch wir haben das einmal zusammengestellt in der immunologischen Tagesklinik in Wien. Und im Prinzip sollen Menschen mit Abwehrschwäche angepasst an die Art ihrer Abwehrschwäche, das muss man betonen, bestimmte Impfungen extra bekommen. Also so sollen Menschen mit Abwehrschwäche, Erwachsene, die Hämophilus-Impfung bekommen, die sonst nur die Kinder bekommen. Oder es gibt bestimmte Immundefekte, wo die Meningokokken-Impfung besonders wichtig ist, die der Erwachsene vielleicht sonst, wenn er nicht in Länder reist, wo das sehr häufig ist, nicht bekommen würde.

Und natürlich sollen diese Personen mit Abwehrschwäche nicht vergessen, dass sie auch alle üblichen empfohlenen Impfungen bekommen sollen, außer je nach Abwehrschwäche, die Impfungen, wo eine Infektion gesetzt wird, also die sogenannten Lebend-Impfungen.

Gibt es Unterschiede in der Impfempfehlung für PatientInnen mit primären und sekundären Immundefekten?

Da gibt es Unterschiede, die sich danach richten, wie häufig die Infektionen sind. Es gibt bestimmte immunsuppressive Behandlungen, die z.B. auf viel häufiger mit einer Hepatitis-B-Infektion verknüpft sind als genetische Mutationen bei Patienten mit primären Immundefekten. Da wird die Hepatitis-B-Impfung viel wichtiger. Nur als Beispiel.

Anderes Beispiel ist die Meningokokken-Impfung. Die ist jetzt für Patientin mit sekundärem Immundefekt auch zu empfehlen, aber vielleicht nicht so vorrangig wie für Patienten, denen eine Komplementkomponente fehlt.

Im Prinzip macht man mit der Sammlung an Impfungen, die für primäre Immundefekte empfohlen werden, auch sekundären Immundefekten nichts Falsches, das muss man schon sagen. Denn Sie können ja mit zusätzlichen Impfungen nur gewinnen.

Woher weiß man, ob ein Impfschutz schon gegeben ist?

Wir und auch die Literatur und andere Zentren empfehlen bei Menschen mit Immundefekt, den Erfolg der Impfung zu kontrollieren, weil der ja nicht automatisch gegeben ist. Und daraus ergibt sich unter Umständen, wenn der Erfolg der Impfung nicht so lang anhält, eine frühere Auffrischungsimpfung.

Prinzipiell ist es ein gutes und probates Mittel, eine schlechtere Immunantwort nach einer Impfung durch eine frühere Auffrischungsimpfung zu kompensieren oder auch zusätzliche Impfungen zur Grundimmunisierung zu machen. Also z.B. kleine Kinder mit einem vorübergehenden Antikörpermangel kann sein, dass die statt der 3 empfohlenen Sechsfach-Impfungen 4 brauchen.

Was versteht man unter Antiinfektiva und warum sind sie für Menschen mit Immundefekten so wichtig?

Antiinfektiva bedeutet die Therapie mit Medikamenten, die in der Infektionsprophylaxe wirksam sind.

Das bedeutet z.B. Antibiotika-Prophylaxe, d. h. eine Gabe von Antibiotika in einer Situation, wo der Mensch noch gar keine Infektion hat, um einer bakteriellen Infektion vorzubeugen. Das ist etwas sehr Häufiges, was man machen muss. Immer dann, wenn man den Eiweißstoff oder die Funktion, die dem Patienten mit Abwehrschwäche fehlt, nicht ersetzen kann. Also vor der Zeit der antiretroviralen Therapie bei sekundärem Immundefekt bei HIV war die einzige Möglichkeit, die Patienten vor Infektion zu schützen, eine antivirale und antibakterielle medikamentöse Therapie.

Man kann also diese Therapie auch gegen Viren machen. Wobei hier ist man ziemlich mehr limitiert. Das ist also hauptsächlich gegen Viren der Herpesgruppe wie Zytomegalie, Varicella, Herpes-Simplex-Infektionen.

Und dann gibt es natürlich auch Immundefekte, die eine Pilzanfälligkeit haben. Auch hier hat man nur die Möglichkeit, den Immundefekt z.B. durch Stammzell-Transplantation grundlegend zu sanieren oder den Patienten durch eine regelmäßige Gabe von Anti-Pilz-Medikament zu schützen.

Diese regelmäßige Gabe, das ist immer ein Grund zu viel Diskussion, weil es dann immer die Frage ist: Werde ich resistent? Verliert das Medikament die Wirksamkeit? Da muss man dazu sagen, dass die Gabe z.B. von Antibiotika in der Prophylaxe ist in einer sehr reduzierten Dosis. Die ist auch typischerweise kann jeden Tag sein, aber z.B. typischerweise nur jeden zweiten Tag oder nur zweimal in der Woche. Das heißt, es wird nicht viel Druck gemacht, dass es zur Entstehung von resistenten Bakterien im Patienten kommt.

Was aber natürlich immer passieren kann, ist, dass eine Infektion mit einem Bakterium passiert, das mit diesem Antibiotikum nicht behandelt werden kann, das also nicht empfänglich ist suszeptibel für dieses Antibiotikum. Dann muss ich die Therapie wechseln.

Wie lange und wie häufig müssen die Antiinfektiva eingenommen werden?

Die Medikamente zur Infektions-Prophylaxe können eingenommen werden täglich, werden sehr oft dreimal in der Woche eingenommen, jeden zweiten Tag nur zweimal in der Woche, es gibt sogar Pilz-Prophylaxe, die nur einmal in der Woche eingenommen wird.

Wie lange muss ich sie einnehmen? Im Prinzip so lange, wie die Abwehrschwäche besteht. Wenn es also eine sekundäre Abwehrschwäche ist, dann kann es sein, dass ich diese Prophylaxe nur ein halbes Jahr nehme in einer Zeit, wo z.B. meine immunsuppressive Therapie sehr intensiv notwendig ist. Und wenn die Intensität zurückgenommen werden kann der Behandlung, kann es sein, dass ich die antiinfektiöse Prophylaxe nicht mehr brauche.

Wenn ich ein genetisch bedingtes Fehlen eines Abwehrstoffs habe, dann ist es logisch, dass ich die Antibiotika-Prophylaxe ein Leben lang nehmen muss. Jedes Zentrum hat solche Patienten, auch wir, Patienten mit z.B. einem Komplementdefekt, die ab der Diagnose mit 2 Jahren für den Rest ihres Lebens eine Antibiotika-Prophylaxe nehmen müssen, am besten jeden Tag eine Tablette.

In welchen Fällen sollte von Antiinfektiva abgesehen werden?

  • Abgesehen werden muss, wenn es zu einer Allergie kommt, Allergie auf Penicillin. Dann kann ich mit Penicillin-Antibiotika nicht die Prophylaxe machen.
  • Wenn es zu Nebenwirkungen kommt, wie gastrointestinalen Problemen, Übelkeit, das kann immer sein.
  • Oder eben, wenn man den Eindruck hat, dass die Wirksamkeit nicht gegeben ist, weil z.B. der Schutz, den ich mit der Antibiotika-Prophylaxe mache, zu gering ist.

Es gibt Studien mit dem Thema „Kann ich bei leichten Antikörpermangel-Syndromen…“, also es gibt Menschen, die nur niedrige Subgruppen-Effizienz haben, die nur die nur bestimmte Antikörper nicht machen kann, da besteht theoretisch die Möglichkeit, statt die Antikörper zu ersetzen eine antibakterielle Prophylaxe zu machen, weil Bakterien sind das häufigste Problem, bakterielle Infektionen, und da kann ich eine Antibiotika Prophylaxe versuchen. Wenn ich merke: Damit erreiche ich zwar etwas, aber nicht genug, dann werde ich auch wechseln und werde mir eine andere Behandlung überlegen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Infektionsvermeidung und Antiinfektiva”

Plasma und Plasmaspende

Was ist Plasma und wo befindet es sich?

Plasma ist die Blutflüssigkeit, d.h. die Flüssigkeit, in der die Blutzellen schwimmen.

Wenn man Blut sieht, dann ist das ja in erster Linie einmal rot. Wenn man genauer schaut, sind das die roten Blutkörperchen, die die rote Farbe ergeben. Trennt man die Blutzellen von der verbleibenden Flüssigkeit ab, dann bleibt eine gelblich-strohfarbige Flüssigkeit übrig. Das ist das Plasma.

Was wird aus Plasma hergestellt?

Aus Plasma können eine ganze Reihe von Therapien hergestellt werden, insbesondere in Form von Ersatztherapien. Das heißt, im Blut eines Patienten fehlen oder sind inaktiv bestimmte Eiweißstoffe, die durch die Gabe von aufkonzentriertem Eiweiß aus dem Blut von gesunden Spendern ersetzt werden können.

Welche Krankheiten können mit aus Plasma gewonnenen Therapeutika behandelt werden?

Die bekannteste Erkrankung, die behandelt werden kann, ist die Hämophilie. Das war auch die erste Erkrankung, die geschichtlich mit Plasma-Protein behandelt worden ist. Und darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeiten, z.B. fehlende Antikörper zu ersetzen im Fall der primären Immundefekte oder eben z.B. Albumin einzusetzen als Volumenexpander in Fällen von Verletzungen, von Operationen und ähnlichem.

Was ist eine Plasmaspende und wie läuft sie ab?

Die Plasmaspende findet im Plasma-Zentrum statt.

Jemand, der zur Plasmaspende kommt, muss sich zunächst einmal im Plasma-Zentrum anmelden und sich registrieren, wird dann als allererstes einmal von einem Arzt untersucht, um festzustellen, dass die Spende für den Spender selbst, aber auch für den Empfänger gefahrlos ist. Und wenn dann nach einigen Tests, die im Labor durchgeführt werden, festgestellt ist, dass der entsprechende Spender spendefähig ist, dann kann die Plasmaspende im Plasma-Zentrum stattfinden.

Die Spende läuft so, dass dem Spender das Blut aus der Vene entnommen wird und wird durch eine Maschine geleitet in einem geschlossenen sterilen Einmalset. In dieser Maschine wird das Plasma von den Blutzellen getrennt. Das Plasma wird gesammelt und die Blutzellen werden dem Spender wieder durch dieselbe Nadel zurückgegeben.

Worin unterscheidet sich die Plasmaspende von der Blutspende?

Der Unterschied zwischen Blut- und Plasmaspende besteht hauptsächlich darin, dass bei der Blutspende das gesamte Blut abgenommen wird. Das heißt, es wird das Plasma, aber auch die Blutzellen werden abgenommen, wogegen bei der Plasmaspende nur das Plasma abgenommen wird und die Blutzellen wieder in den Spender zurückgehen.

Da es für den Körper wesentlich schwieriger ist oder langwieriger, die Zellen neu zu bilden, die bei der Abnahme des Blutes mitgegangen sind, kann man auch häufiger Plasma spenden als z.B. die Blutspende möglich ist.

Wer darf Plasma spenden?

Die Plasmaspende kann im Prinzip jeder machen im Alter von 18 bis 65 Jahren. Entscheidend ist natürlich, dass einerseits keine Erkrankungen vorliegen, die auf den Empfänger übertragen werden könnten, und auf der anderen Seite, dass die Spende für den Spender gefahrlos möglich ist, dass also keine Erkrankungen vorliegen, die dem Spender selber das Spenden unmöglich machen würden.

Um Plasma spenden zu können, muss man gesund sein. Das gilt natürlich auch für die Frage des Eisens. Allerdings bedeutet das, dass bei der Plasmaspende kein Eisenverlust entsteht. Denn im Gegensatz zur Blutspende werden die roten Blutkörperchen wieder zurückgegeben und dadurch verliert der Spender so gut wie kein Eisen. Das heißt, wenn jemand grenzwertige Eisenwerte hat, dann hat er auf jeden Fall noch die Möglichkeit, auch Plasma spenden zu gehen.

Menschen mit schlechten Venen sind natürlich sehr eingeschränkt. Das muss im Einzelfall vom Arzt beurteilt werden. Aber wenn jemand wirklich Schwierigkeiten hat, dass man seine Venen findet, dann ist er vermutlich auch als Plasmaspender wahrscheinlich nicht der Geeignete.

Können Familienmitglieder gemeinsam das Plasma für eine Person spenden?

Ganz so einfach ist es nicht. Also es können keine Spenden direkt an einen Patienten gegeben werden aus dem Grunde, weil die Herstellung von Plasmatherapien im Maßstab von Tausenden Litern erfolgt, also in wesentlich größerem Maßstab, als dass wenige Leute zusammenbringen könnten.

Allerdings kann jeder durch seine Spende zur Verfügbarkeit von Plasmatherapie beitragen.

Kann es bei einer Spende zu Komplikationen bzw. Nebenwirkungen kommen?

Kein medizinischer Prozesses ist grundsätzlich vollkommen nebenwirkungsfrei.

Was man normalerweise erleben kann, sind im Regelfall die üblichen Phänomene, die man auch von der Blutspende kennt. Es kann einerseits ein Hämatom sich bilden im Bereich der Einstichstelle oder andererseits, das ist auch das Häufigste, dass sich durch den Entzug von Blutvolumen ein gewisser Schwindel oder eine leichte Köpfigkeit einstellt, die sich aber normalerweise sehr rasch wieder gibt.

Aus diesem Grunde werden Spender auch gebeten, dass sie sich nach der Spende noch einige Zeit im Plasmazentrum aufhalten, um sicherzustellen, dass eben niemand durch einen Schwindel zu Schaden kommen könnte.

Können Viren unentdeckt bleiben und Empfänger infizieren?

Historisch ist das passiert. Da sind durchaus Fälle gewesen in der Vergangenheit, in denen HIV und Hepatitis-C-Virus übertragen worden sind. Aber das sind Fälle, die gehen in die 80er bis Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Seit dieser Zeit hat man Methoden entwickelt, einerseits um das Plasma des Spenders gründlich und gut zu testen, was das Risiko deutlich minimiert hat. Und noch eine stärkere Wirkung hat, dass man Inaktivierungs- und Abtrennungsverfahren in die Fraktionierung, in die Herstellung der Plasmatherapien eingebaut hat.

Und heutzutage kann man sagen, dass durch die Plasmatherapien keine Viren übertragen werden. Seit mehr als 20 Jahren hat es da keine Fälle mehr gegeben. Und das liegt eben an den eingebauten Sicherheitsschritten im Rahmen der Herstellung.

Was sind Immunglobuline und welche Rolle spielen sie bei der Immunabwehr?

Immunglobuline sind die Antikörper, mit denen unser Immunsystem uns gegen die eindringenden Viren und Bakterien verteidigt.

Ein eindringendes Virus oder Bakterium veranlasst den Körper dazu, Antikörper zu bilden, die in der Lage sind, dieses Bakterium oder dieses Virus zu binden und zu neutralisieren. Und im Laufe unseres Lebens treffen wir natürlich auf jede Menge an verschiedenen Viren, an verschiedene Bakterien. Es erfolgen Impfungen. Und all das zusammen ergibt dann eine sehr komplizierte Mischung an verschiedenen Antikörpern.

Wie viele Spenden werden für die Therapie benötigt und was passiert mit dem gespendeten Blut?

Die Therapie eines Patienten für ein Jahr bedarf ungefähr 120 Spenden.

Also man muss sich vorstellen, das bedeutet, dass für die Versorgung eines einzelnen Patienten in Österreich mehr als zwei Spender jede Woche eine Plasmaspende geben müssen.

Und die Herstellung der Antikörper erfolgt durch die Fraktionierung. Im Rahmen der Fraktionierung werden verschiedene Proteine, verschiedene Eiweiße aus dem Plasma heraus abgetrennt. Und ein Teil davon sind die Immunglobuline, die dann auch gereinigt werden und als Produkt auf den Markt gebracht werden.

Welche Immunglobuline werden aus dem Plasma gewonnen?

Die Herstellung von Immunglobulinen läuft im Maßstab von mehreren Tausend Litern ab, d.h. die Herstellung besteht aus dem Plasma von mehreren Tausend Plasmaspendern. Das bedeutet, dass die verschiedenen Antikörper der Spender in einem sehr großen Maßstab gemischt sind, sodass am Ende ein standardisiertes, einheitliches Immunglobulin herauskommt aus dem dann letztendlich, das alle verschiedenen, alle möglichen vorhandenen Antikörper abdecken kann, die im Plasma von normalen Spendern vorkommen können.

Ist es möglich, dass in manchen Medikamenten-Chargen bestimmte Immunglobuline fehlen?

Wie ich vorhin gesagt habe, findet die Fraktionierung in den Größen von mehreren Tausend Litern statt, und das bedeutet, dass die Spenden, die von vielen Tausend verschiedenen Spendern da zusammenkommen, auch das gesamte Spektrum über alles darstellen, sodass im Normalfall, wenn es nicht wirklich um ganz spezifische Antikörper geht, eigentlich alles abgedeckt sein sollte, was in der Welt normalerweise vorkommt.

Warum kann man Immunglobuline nur aus Plasma herstellen?

Immunglobuline sind sehr komplexe Eiweiße, von denen wir in der Lage sind, einzelne herzustellen, sogenannte monoklonale Antikörper. Aber das Immunsystem des Menschen ist in der Lage, viele verschiedene Antikörper daraus zu machen. Das sind mehr als 100 Millionen verschiedene Antikörper, die man in einem Menschen finden kann. Und diese große verschiedene Anzahl an Antikörpern lässt sich heutzutage nicht in irgendeiner Form künstlich herstellen. Daher können die Antikörper nur aus dem Blut von gesunden Spendern gewonnen werden.

Hier geht es zum Video-Interview: „Plasma und Plasmaspende”

Immunglobulinersatztherapie

Was versteht man unter einer Immunglobulintherapie?

Immunglobulintherapie bedeutet: Ich führe Immunglobuline zu, die gewonnenen wurden aus dem Plasma von gesunden Spendern.

Das heißt, mit der Immunglobulintherapie meint man üblicherweise nicht die Behandlung mit z.B. monoklonalen Antikörpern. Es gibt ja jetzt viele Hundert Typen von monoklonalen Antikörpern, die in der Immunsuppression oder in der Krebstherapie eingesetzt sind. Das sind auch Antikörper, damit auch streng genommen Immunglobuline, aber Immunglobulintherapie bedeutet: Humanes Immunglobulin, polyvalentes, das heißt gewonnen aus vielen Spendern, Plasmen, das ich als Ersatztherapie zuführe.

Wann werden Immunglobuline verabreicht?

Sie verabreichen Immunglobuline dann, wenn der Patient selber keine Antikörper macht, wenn also der Defekt der Antikörperbildung so stark ist, dass darauf klinische Beschwerden resultieren, also Lungenentzündung durch Antikörpermangel. Wenn ich die Antikörper ersetze, hört die Neigung zu Lungenentzündung auf.

Es gibt für die Immunglobuline auch etwas, wo sie eingesetzt werden als Medikament, um Immunregulation wieder ins richtige Lot zu rücken bei Autoimmunerkrankungen, bei entzündlichen Erkrankungen. Das ist aber eine ganz andere Thematik als die Ersatztherapie bei Abwehrschwäche.

Bei welchen Immundefekten ist diese Therapie sinnvoll, bei welchen nicht?

Sinnvoll ist sie bei allen Immundefekten, die die Antikörper-Bildung reduzieren, prinzipiell, diese Immunglobulin-Ersatztherapie.

Und das sind also alle Defekte des adaptiven Immunsystems, T-Zellen- und Antikörper-Bildung, die schwer genug sind, dass substanzielle Probleme daraus resultieren. Also die isolierte IgA-Defizienz ist klinisch nicht schwer genug, um jeden Patienten mit einer IgA-Defizienz mit einer Immunglobulin-Substitution zu behandeln.

Wie erfolgsversprechend ist diese Therapie?

Die Therapie ist sehr erfolgversprechend. Hier sind drei Beispiele:

  • Also z.B. ein Patient mit 11 Antibiotika-Therapien in 18 Monaten und unter der Heimtherapie, Immunglobulin-Ersatztherapie über 6 Jahre kommt er aus mit einem bis zwei Antibiotika-Therapien pro Jahr. Das ist also eine etwa 80-prozentige Reduktion der Infektionshäufigkeit.
  • Ein anderer Patient, der jeden zweiten Monat Antibiotika braucht und in einen Beobachtungszeitraum von 6 Jahren über die Therapie mit Immunglobulin-Ersatztherapie nur eine einzige Antibiotika-Therapie mit Krankenstand hat.
  • Eine Frau mit Antikörpermangel-Syndrom, und sie hat auch COPD, die braucht also immer wieder Antibiotika-Therapie für Bronchitis und CPD-Verschlechterung. Das ist eine Situation, die diese Patienten leider sehr gut kennen. Und unter der Immunglobulin-Substitutionstherapie haben wir einen Beobachtungszeitraum von 15 Jahren. Und in diesen 15 Jahren hat sie nur eine einzige Infektionsepisode mit Antibiotika-Therapie durchmachen müssen. Das ist also eine fast hundertprozentige Reduktion und Normalisierung des Problems.

Dass Immunglobulin-Ersatztherapie, was die Verhinderung von Infektionen anbelangt, insbesondere wenn noch keine Vorschädigung ist, durch rechtzeitige Diagnostik des Immundefekts unglaublich effektiv ist und auch die Patienten regelmäßig fast verblüfft sind, z.B. die Aussage „Das ist jetzt der erste Winter, wo ich überhaupt keine Antibiotika gebraucht habe und keinen einzigen Tag in Krankenstand war. Ich habe nicht geglaubt, dass sowas möglich ist.“ Also wirklich verblüffende Effektivität dieser Therapie.

Welche Möglichkeiten der Verabreichung gibt es?

Es gibt folgende Möglichkeiten der Verabreichung des Immunglobulins:

Man kann die Immunglobuline intravenös verabreichen, das ist typischerweise eine Infusion über mehrere Stunden 4 Stunden, unter Umständen je nach Dosis beim Arzt notwendig. Diese Infusion findet typischerweise alle 3 oder 4 Wochen statt. Man muss also in eine Spitalsambulanz oder, was häufiger ist, zum niedergelassenen Hausarzt oder Facharzt in die Ordination.

Oder: die sogenannte Heimtherapie, wo sie also selber eine subkutane Infusion durchführen mit einer kleinen Pumpe. In einer Zeit von etwa 40, 50, 60 Minuten verabreichen sie 20 Milliliter von Immunglobulin, und diese Infusion wird regelmäßig wiederholt. Die Häufigkeit der Wiederholungen kann der Patient eigentlich selber entscheiden. Er kriegt sozusagen eine Monatsmenge ausgerechnet, und die Verteilung soll möglichst gleichmäßig sein. Aber ob er jetzt eine Infusion alle 4 Tage macht oder 2 Infusionen alle 8 Tage, ist ihnen praktisch selber überlassen.

Das hat natürlich große Vorteile in der Gestaltung der Therapie, weil der Patient je nach seinen Lebensumständen auch entscheiden kann: Will ich die Infusion am Vormittag machen? Will ich sie am Abend machen? Tue ich dabei Fernsehen? Tue ich dabei am Computer arbeiten? Sitze ich im Büro, wenn die Infusion läuft? Da hat er eine sehr große Freiheit. Man kann diese Infusionen auch beim Camping machen, auf Reisen, im Hotelzimmer. Die Immunglobuline müssen nicht gekühlt werden für diesen Zweck für eine Reise. Die Pumpe ist klein, Sie können sie auch in die Hosentasche stecken.

Was passiert mit dem Immunglobulin, wenn es intravenös bzw. subkutan verabreicht wird?

Grundsätzlich, sowohl intravenös als auch subkutan, führen Sie die Immunglobuline zu.

  • Im einen Fall in die Vene. Dadurch kommt es sozusagen zu einem gewissen hohen Anstieg der Immunglobuline vorübergehend, weil von dem Blutsystem, also von den Blutgefäßen muss sich das Immunglobulin verteilen. Es landet zuerst einmal in den Blutgefäßen und verteilt sich dann im Körper. Das schafft, wenn diese Zufuhr sehr rasch ist, wenn also die Infusion sehr schnell läuft, schafft das gewisse Verträglichkeitsprobleme. Kann sein, dass der Patient ein bisschen Unwohlsein, Blutdruckschwankungen, wenn das Immunglobin zu schnell zugeführt wird in die Vene.
  • Bei der subkutanen Infusion mach ich eine Art Depot. Ich führe eine wesentlich geringere Menge auf einmal zu als bei der IV-Gabe, und diese Menge landet im Unterhautfettgewebe. Und von dort diffundiert das Immunglobulin über die nächsten Tage bis eine Woche in den Körper. Das heißt, hier ist das subkutane Depot dazwischengeschaltet. Dadurch ist die Verträglichkeit der subkutanen Therapie generell viel besser.

Worauf soll bei der Verabreichung geachtet werden?

Die kritischen Punkte bei der Verabreichung sind vor allem bei der IV-Therapie die Infusionsgeschwindigkeit und das Wissen, dass die unterschiedlichen Präparate sich in der Verträglichkeit unterscheiden können. Das heißt, wenn ein Patient ein intravenöse Immunglobulin von einer Firma nicht verträgt, heißt es nicht, dass er nicht ein anderes verträgt. Da sind Faktoren im Spiel, die wir nicht komplett kennen, wo es viel Literatur gibt auf der Suche nach diesen Faktoren.

Aber Faktum ist: Wenn ein Verträglichkeitsproblem ist mit einem Immunglobulin-Präparat, heißt das nicht, dass die Immunglobulin-Therapie prinzipiell unmöglich ist.

Beim subkutanen Immunglobulin ist der Faktor Zeit mehr bestimmend, ob ich lokale Reaktionen habe. Und hier spielt auch die Rolle: Ist der Patient sehr, sehr schlank, hat er überhaupt kein Unterhautfettgewebe, dann wird er nur sehr geringe Mengen von Immunglobulin an einer Stelle vertragen. Ist der Patient groß, hat auch entsprechende sagen wir mal Depots im Unterhautfettgewebe, dann wird er mit der Zufuhr von größeren Mengen kein Problem haben.

Nach welchen Kriterien wird die für mich geeignete Verabreichungsform ausgewählt?

Die Kriterien, welche Form der Immunglobulin-Therapie durchgeführt wird, wird ganz entschieden mit Ihnen als Patient besprochen. Sie entscheiden, welche Form der Immunglobulin-Ersatztherapie für Sie die geeignete ist. Wenn Sie z.B. sich n die subkutane Injektion nicht zutrauen, wenn Sie ein Problem haben mit der Sehfähigkeit, wenn Sie sozusagen vielleicht Bewegungsstörungen haben, dann wird die subkutane Heimtherapie nicht das Ideale für Sie sein. Dann werden Sie wahrscheinlich eher es vorziehen, zu den intravenöse Infusion zum Hausarzt zu gehen.

Warum ist die Immunglobulintherapie so dickflüssig?

Die Immunglobulin-Therapie ist dickflüssig, weil sie konzentriert ist in Betreff auf den Gehalt an Immunglobulin. Die intravenösen 5-prozentigen Immunglobuline enthalten etwa 5-fach die Konzentration Immunglobulin, wie sie im Blut vorkommt. Das ist einfach deshalb, weil man die Menge an Volumen, das heißt an Flüssigkeit, die man zuführen muss, limitieren möchte. Die ideale Situation ist z.B. beim 20-prozentigen subkutanen Immunglobulin. Da kann ich mit relativ wenig Flüssigkeit relativ viel Immunglobulin zuführen.

Welche typischen Nebenwirkungen der Immunglobulin-Therapie gibt es und unterscheiden sich die Nebenwirkungen nach Verabreichungsform?

Die Nebenwirkungen der Immunglobulin-Ersatztherapie sind – es müssen natürlich irgendwelche Erscheinungen sein:

  • Bei der intravenösen Immunglobulin-Therapie, insbesondere wenn der Patient und sein Körper sich schon daran gewöhnt hat, gibt es erstaunlich wenig Nebenwirkungen. Was immer wieder berichtet wird, ist, dass die Patienten nach der Infusion ein bisschen müde sind. Wie gesagt, von der Geschwindigkeit abhängig, kann es Entzündungserscheinungen geben. Es kann zu Fieber kommen, bei der intravenösen Verabreichung zu Kreislaufproblemen, die am meisten abhängen von der Geschwindigkeit, wie das Immunglobulin infundiert wird. Das ist einfach ein sehr wirksames Entzündungsmolekül, das Immunglobulin.
  • Bei der subkutanen Therapie ist der wichtigste Faktor: Wie gut verträgt meine Haut die Infusion? Und hier muss man den Patienten von Anfang an erklären, dass eine gewisse lokale Reaktion eingebaut ist in der Therapie. Also es kommt natürlich zu einer Schwellung an der Infusionsstelle bei der subkutanen Therapie, weil es ja das Ziel ist, dass Sie sich selber ein Depot in der Haut setzen. Sie können nicht 20 Milliliter infundieren unter die Haut und erwarten, dass es da nicht zu einer Schwellung kommt. Und auch eine gewisse Rötung als Ausdruck eines Stresses für die Haut ist auch eingebaut. Diese Rötung kann aber sehr, sehr, sehr diskret sein. Also die Reaktionen der Haut, das kann sehr, sehr diskret sein, insbesondere wenn Sie schon länger eine Heimtherapie machen.

In welchen Fällen sollte ich unbedingt eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen?

Bei den Nebenwirkungen der intravenösen Therapie ist sowieso in Österreich der Arzt vor Ort. Also Sie können ja in Österreich keine intravenöse Substitutionstherapie mit Immunglobulinen machen ohne den Arzt.

Wichtig ist, dass Sie bei der Heimtherapie ein Gefühl bekommen: Was sind normale lokale Reaktionen? Wenn die Rötung nach der Injektion zu lange andauert und nicht verschwindet bis zum nächsten Tag oder nicht verschwindet bis spätestens den zweiten Tag, dann würden Sie sich mit dem Arzt absprechen. Oder wenn z.B. Rötungen und Entzündungen an anderen Stellen des Körpers auftauchen, nicht nur dort, wo Sie die Injektion gemacht haben. Oder natürlich, wenn Sie Übelkeit verspüren, Kreislaufprobleme, eventuell Blutdruckschwankungen selber messen, dann müssen Sie auch mit dem Arzt Absprache halten. Und am gescheitesten ist es bis zur Klärung und bis zur Besprechung mit dem Arzt in dieser Zeit, dass Sie die Heimtherapie aussetzen, dass Sie also auf weitere Injektionen verzichten und vorher mit dem Arzt besprechen.

Kann ich bei starken Nebenwirkungen die Therapie abbrechen bzw. wechseln?

Sie können nicht nur die Therapie wechseln, Sie müssen sie wechseln, weil, wie bei allen medikamentösen Therapien, muss ein ausgewogenes Verhältnis sein zwischen Nutzen und Nebenwirkung. Ein gewisses Ausmaß an Nebenwirkungen, z.B. eine vorübergehende Schwellung der Haut nach der Injektion von 20 Milliliter, das werde ich tolerieren. Aber ich werde nicht tolerieren, wenn ich eine allergische Reaktion am ganzen Körper habe. Also dann müssen Sie das Präparat absetzen vorläufig, mit dem Arzt besprechen, und dann wird er mit Ihnen besprechen: Was gibt’s für Alternativen? Konkret bei den Immunglobulinen ist die beste Alternative der Wechsel des Präparats. Weniger gute Alternative, weil einfach auch weniger wirksam ist eine Vormedikation, dass Sie also Kortisontabletten oder Antihistamin-Tabletten vor der Gabe des Immunglobulins bekommen. Das ist sehr wenig eigentlich anzustreben. Besser ist ein Wechsel des Präparats.

Welche unterstützenden Maßnahmen kann ich selbst treffen?

Unterstützende Maßnahmen bei der Immunglobulin-Therapie, die Sie selber setzen können, sind vor allem für die intravenösen Infusionen, dass Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten, d.h. dass Sie nicht sozusagen zum Arzt gehen und davor den ganzen Tag nichts getrunken haben. Da erhöhen Sie die Chance, dass es zu Störungen im Kreislauf kommt während der Infusionstherapie.

Und für die für die subkutane Heimtherapie ist das Beste, was Sie machen können, auf eine saubere, hygienisch saubere Verabreichung zu sorgen. Weil natürlich besteht bei jeder Injektion auch die Chance immer einer Infektion, und Sie können durch Desinfektion der Hände, durch Desinfektion der Haut vor der Infektion, es wird Ihnen alles gezeigt in der Einschulung für die Heimtherapie, können Sie natürlich diese Infektionen verhindern.

Hier geht es zum Video-Interview: „Immunglobulinersatztherapie”

Weitere Behandlungsmöglichkeiten von Immundefekten

Bei welchen Immundefekten ist die Gabe von Wachstumsfaktoren sinnvoll?

Es gibt eben auch andere Strategien, wie ich einen Immundefekt behandeln kann.

Und eine der Strategien ist am Beispiel der angeborenen Neutropenie, d.h. des angeborenen Fehlens an einer ausreichenden Zahl von neutrophilen Granulozyten, also von Fresszellen im Blut, die Gabe von Wachstumsfaktoren für die Neutrophilen. Das ist GCSF oder früher auch GMCSF. Das sind also Wachstumsfaktoren, die die Granulozyten und ihre Vorläufer brauchen, um im Knochenmark zu reifen und vom Knochenmark in die Peripherie ausgeschüttet zu werden.

Und diese Wachstumsfaktoren, dieses GCSF gibt man, wenn die Zahl der Neutrophilen sehr, sehr, sehr niedrig ist. Es ist hier auch dasselbe Prinzip, dass so etwas auch kommen kann bei Krebstherapien, bei anderen Formen der immunsuppressiven Behandlung sozusagen bei sekundären Immundefekten mit einer Erniedrigung der Granulozytenzahl. Und auch hier kann man unter bestimmten Voraussetzungen, Schwere der Verminderung der Granulozyten und entsprechenden Vorkommen von Infektionen oder Fieber, auch zu so einer Wachstumsfaktor-Therapie sich entschließen.

Wie funktioniert diese Therapie?

Rein praktisch wird das Medikament subkutan gespritzt, und die Dauer ist je nach Grund für die Neutropenie.

  • Also wenn es kongenital, angeborene Neutropenie ist, dann wird man bei einer entsprechenden Schwere eine Spendersuche, das heißt eine Stammzelltransplantation planen und muss halt überbrücken mit der Gabe von Wachstumsfaktoren.
  • Und bei sekundärer Erniedrigung der Granulozyten für die Dauer der durch die Therapie oder Grunderkrankung notwendigen Erniedrigung der Granulozyten.

Bei welchen Immundefekten ist diese Therapie sinnvoll?

Die Stammzelltransplantation ist sinnvoll und wichtig immer dann, wenn die T-Zellen, also die zelluläre Achse des Abwehrsystems, ein Problem hat.

Wenn also die T-Zellen völlig fehlen, dann kann ich mit der Substitution der Antikörper alleine nicht einen ausreichenden Infektionsschutz erreichen. Das sind also die schweren kombinierten Immundefekte. Typischerweise Babys oder sehr kleine Kinder im ersten Lebensjahr, in den ersten Lebensmonaten, die mit schweren Infektionen auffallen oder in Ländern, wo ein Neugeborenen-Screening schon gemacht wird, beim Neugeborenen-Screening entdeckt werden. Und da wird also ein Stammzellspender gesucht.

Stammzell-Übertragung kann man mit Stammzellen aus dem Blut und aus dem Knochenmark machen. Das ist wie eine Bluttransfusion.

Und Sie können oder müssen solche Stammzell-Therapien auch unter Umständen machen im Rahmen einer Leukämiebehandlung, wo es also auch gehen kann um autologe Stammzellen, das heißt dass vor einer Tumorbehandlung die Stammzellen des Patienten aufgehoben werden. Dann kommt die Tumorbehandlung, es wird sein Knochenmark praktisch gereinigt von Stammzellen. Dadurch werden die guten Zellen auch geschädigt. Und man gibt ihm nach der erfolgreichen Tumortherapie seine Stammzellen wieder zurück und restituiert sozusagen sein Immunsystem wieder. Das ist eine autologe Stammzelltransplantation.

Und die Stammzelltransplantation bei primären, bei angeborenen Immundefekten ist eine sogenannte allogene Stammzelltransplantation. Das heißt: Sie bekommen die Stammzellen von einem anderen Menschen. Das kann sein ein histo-identes Geschwister. Da sind die Chancen für den Erfolg sehr gut, oder weil er nicht jeder Mensch Geschwister hat und auch nicht jeder Mensch Histoidente, also in den Transplantations-Antigenen gleichförmige Geschwister hat. Sie suchen einen passenden Spender in großen internationalen Datenbanken. Die sind so gestaltet, dass z.B. ein Spender in Norwegen genau dieselben HLA-Merkmale hat, die der Patient in Österreich braucht.

Wie läuft die Stammzellentransplantation in der Regel ab?

Die Therapie funktioniert so, dass sie im Prinzip im Spital durchgeführt wird.

  • Sie müssen also für etwa einen Monat mindestens ins Spital.
  • Im Vorfeld wird einmal ein geeigneter Spender ausgesucht. Das ist ein Vorgang, wo man nicht weiß, wie lange dauert. Wenn Sie ein histoidentes Geschwister haben, das kann man mit Laboruntersuchungen überprüfen, dann ist dieser Vorgang relativ kurz. Wenn Sie in internationalen Datenbanken suchen müssen, kann das auch ein Jahr, zwei Jahre oder länger dauern. Dann kann es auch sein, dass man keinen passenden Spender findet. Das war ja der Grund, warum man überhaupt die Gentherapie für solche Kinder entwickelt hat.
  • Dann müssen Sie aufgenommen werden.
  • Dann wird Ihr Knochenmark vorbereitet für die Aufnahme dieser fremden Stammzellen. Das heißt, es wird sozusagen Platz geschaffen im Knochenmark. Es werden eigene Zellen ausgeschaltet.
  • Es werden Ihnen dann wie bei einer Bluttransfusion die peripheren oder Knochenmark-Stammzellen des Spenders zugeführt.
  • Und dann müssen Sie sozusagen rechnen mit einer Phase, wo erst Ihre roten Blutkörperchen und Ihre weißen Blutkörperchen nachwachsen müssen und Sie weiter im Spital bleiben, auch isoliert bleiben müssen, damit Sie möglichst vor Infektionen geschützt sind.
  • Es ist auch eine Phase von drei Monaten etwa nach dieser Stammzell-Transplantation, wo Sie gegen Abstoßungsreaktionen geschützt werden müssen. Dann kriegen sie eine Immunsuppression.

Und dann kann man sagen, dass nach etwa einem Jahr das Endresultat, die Etablierung des neuen Immunsystems eigentlich abgeschlossen sein müsste im optimalen Fall.

Es gibt auch teilweises Rekonstituieren, dass also T-Zellen rekonstituiert werden und die B-Zellen bleibend nicht funktionieren, wo man dann trotzdem Immunglobulin-Ersatz weitergben muss.

Was ist eine Gentherapie und wie funktioniert sie grundsätzlich?

Gentherapie rein grundsätzlich ist, wenn ich einen Patienten habe, wo der Immundefekt zurückzuführen ist auf die Mutation eines Gens.

Also ein Gen hat eine Veränderung in der Keimbahn, und diese Veränderung führt zum Immundefekt.

Dann kann ich mit der Gentherapie in den Stammzellen, das ist ja immer eine somatische Gentherapie, das heißt, ich repariere nie die Keimbahn, ich mache nie eine Änderung in den Eizellen oder Spermien des Patienten, sondern immer nur in seinen Blutzellen. Da bemühe ich mich, so weit zurückzugehen, dass ich zu den Stammzellen komme. Aber im Prinzip ist es immer nur eine Änderung in den Blutzellen, Knochenmarkzellen des Patienten. Das genetische Problem wird von den Patienten trotzdem weitergegeben noch immer, auch wenn er eine Gentherapie gehabt hat. Keimveränderungen in der Keimbahn sind ja in allen westlichen Ländern aus ethischen und vielen sonstigen Gründen nicht erlaubt.

Wir reden also von einer somatischen Veränderung eines Gens in Blutzellen. Und die führt dazu, dass das Produkt dieses Gens, der Eiweißstoff, der vorher gefehlt hat, der dazu geführt hat, dass z.B. keine T-Zellen gemacht wurden, wieder normal funktionieren.

Warum und in welchen Fällen kann Gentherapie bei Immundefekten zum Einsatz kommen?

Gentherapie kommt bei Immundefekten immer dann zum Einsatz, wenn die Erkrankung schwer ist.

Es muss also ein großes Problem vorliegen. Das ist typischerweise bei kleinen Kindern, die lebensbedrohlich erkranken und ich keinen passenden Stammzellspender habe. Das ist die momentane Situation. In der Zukunft wird das vielleicht anders bewertet, aber momentan ist das die Situation.

Und dann eben gibt es im Moment nur eine Gentherapie bei bestimmten Formen von Immundefekt. Ich habe also nicht eine Gentherapie für alle Formen von Immundefekt.

Es gibt derzeit etwa 420 verschiedene Immundefekte, angeborene Immundefekte. Zugelassen in der EU wurde 2016 eine Gentherapie für eine einzige Form von diesen 420. Wir haben da mit der Gentherapie noch ein ganz, ganz großes Feld vor uns der Entwicklung und der Auseinandersetzung mit dieser Form der Therapie.

Welche Rolle könnte Gentherapie in der Zukunft spielen?

Die Gentherapie wurde praktisch erfunden oder gesucht für die Kinder und Patienten mit einem schweren Immundefekt, für die man keine Stammzellspender findet.

Die Vision ist es, dass man alle Personen, die eine genetisch bedingte Abwehrschwäche haben, mit Gentherapie heilt. Also auch in der Zukunft als Vision die Patienten, die derzeit Immunglobulin-Ersatztherapie bekommen. Das ist aber noch in ganz, ganz weiter Ferne. Da muss man erst einmal bei allen Patienten die defekten Gene isolieren und identifizieren. Und dann muss man auch die Gentherapie so sicher machen, dass sie sich mit den Immunglobulin-Ersatztherapien messen kann.

Im Moment gibt es eine in Europa zugelassene Gentherapie für ADA-Defizienz, für eine Form eines schweren kombinierten SCID. Die ist zugelassen worden 2016, ist also eine Form der Gentherapie für Patienten, die keinen passenden Stammzellen-Spender zur Verfügung haben.

Und da wird in den Stammzellen des Patienten, in den hämatopoetischen Stammzellen, aus denen sich im Knochenmark das Immunsystem und seine Zellen heraus differenziert, in diesen Zellen wird eine reparierte Version, also eine normale Version des defekten Gens durch verschiedene Maßnahmen eingeführt, meistens durch virale Vektoren. Und diese Stammzellen werden dem Patienten wieder zurückgegeben, auch wieder übers Blut, suchen sich den Platz im Knochenmark. Und aus diesen reparierten Stammzellen werden dann z.B. intakte T-Zellen, die der Patient vorher nicht gehabt.

Hier geht es zum Video-Interview: „Weitere Behandlungsmöglichkeiten bei Immundefekten”

Geprüft Prof. Dr. Hermann Wolf: Juli 2021 / Geprüft Dr. Matthias Gessner: Juni 2021 | Quellen und Bildnachweis

Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.