5. Weitere Behandlungsmöglichkeiten von Immundefekten

Wachstumsfaktoren bei Immundefekten

Die Therapieoptionen richten sich nach der Art des zugrundeliegenden Immundefekts. Neben der häufigen Anwendung der Immunglobulinersatztherapie existieren auch andere (seltenere) Therapieformen zur Behandlung von bestimmten Immundefekten. Ein Beispiel sind sogenannte Granulozyten-stimulierende Wachstumsfaktoren (GCSF).

Wachstumsfaktoren

Wachstumsfaktoren sind Proteine, die die Entwicklung und die Vermehrung bestimmter Zellen anregen können. Blutzellen, so auch Granulozyten, durchleben einen Reifungsprozess. Sie werden im Knochenmark gebildet und reifen dann zu tüchtigen Blutzellen heran, die schließlich in der Blutbahn eine bestimmte Funktion erfüllen.

Neutrophile Granulozyten

Neutrophile Granulozyten sind Teil der angeborenen Immunabwehr und wichtige Fresszellen im Blut. Sie „fressen“ Krankheitserreger und erfüllen dadurch eine wichtige Schutzfunktion.

Wenn ein schwerer Mangel an Neutrophilen herrscht, beispielsweise wegen eines Immundefekts oder als Nebenwirkung einer Krebstherapie, können Granulozyten-stimulierende Wachstumsfaktoren verabreicht werden. Sie kurbeln die Entwicklung und Vermehrung der neutrophilen Granulozyten an.

Verabreichung der Wachstumsfaktoren

Das Präparat wird subkutan, also unter die Haut gespritzt. Die Dauer der Therapie variiert. Bei genetisch bedingtem, ausgeprägtem Neutrophilen-Mangel kann die Therapie zur Überbrückung dienen, bis ein passender Stammzellspender gefunden wird. Bei nur vorübergehendem Mangel (beispielsweise, weil PatientInnen eine immunsuppressive Therapie erhalten), dauert die Therapie solange dieser Mangel besteht. Also so lange bis das Grundproblem (beispielsweise die Krebserkrankung) behoben werden konnte.

Häufigkeit

Die Therapie mit Wachstumsfaktoren ist ein wichtiges Beispiel dafür, an welchen Punkten im Immunsystem Therapieansätze möglich sind und wie Mängel erfolgreich ausgeglichen werden können.

Generell kommt die Therapie mit Wachstumsfaktoren bei Immundefekten seltener zum Einsatz, da sie sich sehr spezifisch gegen eine kleine Unterklasse der Immundefekte, den Mangel an neutrophilen Granulozyten, richtet.

Stammzelltransplantation bei Immundefekten

Bei schweren Formen des Immundefekts wie beispielsweise der SCID (engl. severe combined immunodeficiency) – also bei schweren kombinierten Immundefekten – reichen Substitutionstherapien nicht aus. Hier müssen den PatientInnen Stammzellen von passenden Spendern transplantiert werden.

Wann werden Stammzellen eingesetzt?

Die Stammzelltherapie ist eine sehr spezielle Behandlung, die nur in wenigen Zentren durchgeführt wird.
Sie ist unter anderem als Therapie zur Behandlung schwerer T-Zell Defekte geeignet. So können Kinder, die an einem SCID (severe combined immunodeficiency) leiden, gut mit einer Stammzelltherapie behandelt werden. Da hier viele Teile des Immunsystems gleichzeitig betroffen sind, reichen eine Immunglobulintherapie oder eine infektionsvorbeugende Therapie nicht mehr aus. Durch die Stammzelltransplantation kann das Problem behoben werden.

Vor der Stammzelltransplantation

Voraussetzung für die Therapie ist, dass ein passender Spender oder eine passende Spenderin gefunden werden kann. Spender/in und Empfänger/in müssen in einigen Merkmalen übereinstimmen, damit eine Transplantation möglich ist. Manchmal sind nahe Verwandten geeignete Spender. Da dies jedoch nicht immer der Fall ist, gibt es internationale Datenbanken, in denen nach einem/r passenden Spender/in gesucht werden kann.

Ablauf der Stammzelltransplantation

Die Stammzellen der SpenderInnen werden entweder aus dem Blut, oder aus dem Knochenmark entnommen.
Vor der Transplantation wird im Knochenmark der Empfängerin/des Empfängers Platz für die neuen Zellen geschaffen. Hierfür werden nicht funktionierende Zellen ausgeschaltet. Später werden die Stammzellen des Spenders/der Spenderin dann der Empfängerin/dem Empfänger wie bei einer Bluttransfusion über die Vene zugeführt.

Nach der Stammzelltransplantation

Nach der Transfusion muss ein mindestens einmonatiger Krankenhausaufenthalt eingeplant werden. PatientInnen erhalten während dieser Zeit eine Immunsuppression. Das bedeutet, dass die Immunreaktion durch Medikamente weiter herabgesetzt wird. Dies soll eine Abstoßungsreaktion gegen die fremden Zellen verhindern. In dieser Zeit werden die immunschwachen, frisch transplantierten PatientInnen gut isoliert und in extra keimarmen Zimmern behandelt, bis die neuen Blutzellen nachreifen konnten.

Nach circa einem Jahr ist die Ausbildung des „neuen“ Immunsystems abgeschlossen. Während die Stammzelltherapie in einigen Fällen gut funktioniert, kann es leider auch passieren, dass die Transplantation der Zellen erfolglos verläuft.

Gentherapie

Die Gentherapie setzt am Ursprung eines primären Immundefekts, dem Defekt eines Gens, an. Diese Therapie kommt nicht standardmäßig, sondern nur in seltenen schwersten Fällen der sogenannten ADA-SCID zum Einsatz.

Die Reparatur eines Gens

Die Gentherapie bezeichnet die Reparatur eines defekten Gens. Sie beginnt damit, dass der Patientin/dem Patienten sogenannte Stammzellen entnommen werden. In einem Labor wird dann eine gesunde Kopie des defekten Gens in die Stammzellen “eingeschleust”. Anschließend erhält die Patientin/der Patient die korrigierten Stammzellen wieder. Zurück im Körper können die reparierten Stammzellen nun funktionstüchtige Immunzellen produzieren, die Infektionen abwehren und den Körper vor Krankheiten schützen.

Anwendung der Gentherapie

Die Gentherapie ist nur bei primären (nicht bei sekundären) Immundefekten einsetzbar, da nur hier die Veränderung eines Gens der Grund für die Fehlfunktion des Immunsystems ist.

Bis heute ist die Gentherapie nur für einen einzigen primären Immundefekt (aus über 400 beschriebenen Defekten) zugelassen, der sogenannten ADA-SCID (=Adenosindesaminase-Mangel, eine Art der Severe combined immunodeficieny).

Die Gentherapie kann außerdem nur dann zum Einsatz kommen, wenn:

  • es sich um ein sehr schweres (lebensbedrohliches) Krankheitsbild handelt,
  • keine andere Therapie in Frage kommt,
  • und eine Stammzelltherapie ohne Erfolg blieb, oder eine Stammzelltherapie nicht durchgeführt werden kann, weil sich keine passende Spenderin/Spender finden lässt.

Downloads

  • Glossar - Immundefekte Begriffe, die häufig im Zusammenhang mit Immundefekten vorkommen, kurz und einfach erklärt

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Geprüft Prof. Dr. Hermann Wolf: Stand Juli 2021 | Quellen und Bildnachweis

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