Üblicherweise besteht die medikamentöse Therapie bei rheumatoider Arthritis in einer Kombination verschiedener Medikamentengruppen. Das Ziel der Medikamentengabe liegt darin, Schmerzen zu lindern sowie Entzündungs- und Schädigungsprozesse zu unterbinden. In dieser Lektion und im dazugehörigen Video mit Doz. Dr. Johannes Grisar erfahren Sie alles Wichtige zu den verschiedenen Medikamentengruppen und möglichen Risiken und Nebenwirkungen der medikamentösen Behandlung.
Doz. Dr. Johannes Grisar, Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, beantwortet im Video "Medikamente bei rheumatoider Arthritis" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Was ist ein Basismedikament, Kortisonpräparate und Biologika?
- Was sind TNF-Blocker und wie wirken sie?
- Wenn ich auf meine Basistherapie nicht anspreche, welche weiteren Optionen habe ich?
- Gibt es Risiken bei einer Therapie mit Biologika?
- Muss ich mich vor Kortison fürchten?
- Was kann ich tun, um die Nebenwirkungen der Therapie gering zu halten?
- Auf den Punkt gebracht
Video Transkript
Was ist ein Basismedikament, Kortisonpräparate und Biologika?
Ein Basismedikament ist im Prinzip ein Medikament, mit dem man sehr rasch nach Diagnose der Erkrankung beginnen sollte. Es ist eben ein Medikament, das quasi die Basis der Therapie darstellt und das dazu führen soll, dass die Zellen, die hier überreagieren, das überschießende Immunsystem ein bisschen einbremsen. Hier allen voran ist zu nennen dass das Methotrexat. Das ist unser standardkonventionelles Basismedikament oder unsere konventionelle Basistherapie, mit dem im Prinzip jeder Patient am Anfang nach Diagnosestellung behandelt werden sollte. Gelegentlich gibt es da Kontraindikationen, zum Beispiel eingeschränkte Nierenfunktion oder Kinderwunsch. Dann gibt es hier Alternativpräparate wie zum Beispiel das Sulfasalazin oder das Leflunomid, die man anwenden kann.
Kortisonpräparate sind Medikamente, die uns schon seit sehr langer Zeit zur Verfügung stehen, schon seit den 50er Jahren, und die die Eigenschaft haben, sehr rasch entzündungshemmend zu wirken. Der Nachteil ist allerdings, dass bei längerem Gebrauch sich doch Nebenwirkungen einstellen. So kann es zur Förderung einer Osteoporose kommen, es kann die Blutzuckerwerte steigern, und es kann auch zu einem erhöhten Blutdruck kommen. Wobei — generell muss man sagen: In den letzten Jahren ist man davon abgekommen, die Patienten mit Kortison über einen längeren Zeitraum zu behandeln. Wir versuchen, das zu vermeiden, wenn es geht, eben aufgrund dieses Nebenwirkungsprofils.
Biologika sind Medikamente, die sozusagen reserviert sind für Patienten, die nicht adäquat auf diese Basistherapie ansprechen. Zirka 50 oder mehr Prozent unserer Patienten sprechen zumindest nach einiger Zeit vielleicht nicht mehr so gut auf diese normalen Basistherapeutika an, und für die sind dann diese Biologika gedacht. Und auch hier gibt es verschiedene Wirkprinzipien: Es gibt Biologika, die den Tumornekrosefaktor hemmen (TNF-Hemmer). Das waren die ersten Biologika. Dann gibt es welche, die das Interleukin-6 hemmen. Beides sind sehr wichtige Entzündungsbotenstoffe. Dann kann man die Kostimulation, einen wichtigen Mechanismus bei der Immunantwort blockieren.
Und dann gibt es eben auch jetzt neu diese Januskinasen-Inhibitoren (JAK-Inhibitoren). Das sind sogenannte targeted, gezielte DMARDs.
Was sind TNF-Blocker und wie wirken sie?
TNF-Blocker sind Substanzen, die uns seit zirka der Jahrtausendwende zur Verfügung stehen. Prinzipiell ist da zu sagen, dass der Entzündungsprozess, der zur Gelenksschwellung führt, sehr komplex ist. Und dieses TNF oder der Tumornekrosefaktor, wofür TNF steht, ist ein sehr wichtiger Entzündungsbotenstoff, der diese Entzündung sozusagen befeuert. Er ist quasi wie Benzin, der dieses Feuer am Lodern hält. Und dieses TNF können wir eben mit TNF-Blockern hemmen. Hier gibt es fünf verschiedene. Eines davon kann intravenös verabreicht werden, und die anderen sind subkutan (unter die Haut) zu geben. Und diese TNF Blocker haben uns schon in der Therapie sehr weitergebracht. Sie waren die ersten Biologika, die es gegeben hat. Sie helfen allerdings, muss man dazusagen, bei vielen Patienten, aber auch nicht bei allen. Und für diese Patienten haben wir andere Therapieoptionen zur Verfügung.
Wenn ich auf meine Basistherapie nicht anspreche, welche weiteren Optionen habe ich?
Ja, wenn man auf die Basistherapie nicht adäquat anspricht, sprich die Therapie mit Methotrexat oder alternativ Leflunomid oder Sulfasalazin, ist es indiziert, einen Therapiewechsel vorzuschlagen.
Hier gibt es auch genaue Guidelines von der europäischen Rheumaliga, die einem hier helfen, wie die Therapieentscheidungen sein sollten. Und bei Therapieversagen oder sprich bei Nichterreichen einer niedrigen Krankheitsaktivität oder besser noch Remission unter so einem Medikament, ist ein Biologikum oder ein Januskinasen-Inhibitor indiziert. Im Prinzip sollten die meistens mit der Basisherapie mit Methotrexat kombiniert werden, da man weiß, dass diese dann meistens in Kombination besser wirken. Hier gibt es jetzt eben eine Vielzahl von Biologika, die man einsetzen kann. Und auch da macht es dann im weiteren Verlauf Sinn innerhalb dieser Biologika oder Januskinasen-Inhibitoren, sollte es nicht unter der einen Therapie zu einem adäquaten Ansprechen kommen, die Therapie nach einem bestimmten Zeitraum zu verändern.
Gibt es Risiken bei einer Therapie mit Biologika?
Ja, es gibt schon einige Dinge, auf die man aufpassen muss unter einer Therapie mit Biologika.
Prinzipiell wird vor einer Therapie mit Biologika schon ein Screening gemacht auf Infektionskrankheiten und auch latente Tuberkulose, das heißt, ob jemand einmal mit Tuberkulose in Kontakt war. Das muss man machen vor Beginn einer Therapie.
Und unter der Therapie ist zu sagen, dass das Medikament natürlich gezielt und bewusst ins Immunsystem eingreift, aber auch das Immunsystem ein bisschen, sagen wir, einbremst und der Patient dadurch doch etwas anfälliger gegenüber Infektionen sein kann. Das heißt: Wenn man sich schlecht fühlt, unter Fieber leidet, sollte man das Medikament vor allem einmal nicht weiter nehmen in der Situation und das möglichst rasch abklären lassen. Wenn das jetzt über mehrere Tage dauert und man sich nicht besser fühlt, sollte man den Rheumatologen aufsuchen und das weiter abklären lassen.
Muss ich mich vor Kortison fürchten?
Prinzipiell muss man sich vor Kortison nicht fürchten. Generell haben viele Patienten nämlich Angst vor Kortison.
Es ist über einen eher kürzeren Zeitraum und nicht zu hoher Dosierung gegeben kein Problem. Kortison hat sehr viele positive Effekte. Vor allem wirkt es sehr rasch entzündungshemmend und führt zu einer Besserung der Beschwerden.
Auf längere Sicht sollte die Kortisongabe aber vermieden werden. Es ist nicht immer möglich, aber bei der chronischen Polyarthritis gelingt es uns heutzutage mit den Medikamenten doch. Das Vermeiden einer längerfristigen Kortisontherapie ist deshalb sinnvoll, weil Kortison eben zu einer Osteoporose führen kann bzw. zu einer Verschlechterung einer vorher bestehenden Osteoporose, zu einem erhöhten Blutzucker führen kann und auch den Blutdruck steigern kann und eine Fülle von Nebenwirkungen haben kann, wenn man es über einen längeren Zeitraum nimmt. Hier ist auch die Entstehung eines latenten Diabetes zu nennen, die man vermeiden will.
Was kann ich tun, um die Nebenwirkungen der Therapie gering zu halten?
Die Nebenwirkungen der Therapien können vielfältig sein. Prinzipiell kann man die meisten davon nicht unbedingt selbst steuern oder beeinflussen, manche allerdings doch.
Beispielsweise bei der Gabe von Methotrexat kann es Nebenwirkungen geben, und die können durch die zusätzliche Einnahme von Folsäure verringert werden.
Andere Nebenwirkungen können manchmal nach einiger Zeit wieder vergehen, das heißt: Hier gibt es einen gewissen Gewöhnungseffekt.
Aber prinzipiell: Wenn die Nebenwirkungen überhand nehmen und einen wirklich sehr beeinträchtigen, sollte man das mit dem Rheumatologen besprechen und hier nach einer Alternative zu suchen. Beispielsweise gibt es bei manchen Präparaten die Möglichkeit, sie subkutan (unter die Haut) oder intravenös zu applizieren. Auch hier kann es vorteilhaft sein, aufgrund des Nebenwirkungsprofils die eine oder andere Variante zu wählen. Aber generell: Sollten die Nebenwirkungen wirklich überhand nehmen, ist auch aufgrund dessen eventuell an einen Therapiewechsel zu denken.
Auf den Punkt gebracht
Medikamente bei rheumatoider Arthritis
- Für die Therapie der chronischen Polyarthritis gibt es von der EULAR genaue Therapieempfehlungen.
- Die erste Therapie besteht in der Regel aus Methotrexat.
- Sollte unter dieser Therapie kein zufriedenstellendes Ansprechen erreicht werden, kommen häufig Biologika oder Januskinase-Inhibitoren zu Einsatz.
Welche Medikamentengruppen werden unterschieden?
In erster Linie kommen bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis neben der Basistherapie nichtsteroidale Antirheumatika, Analgetika, Kortison und Biologika zur Anwendung.
Was sind …
... Basismedikamente?
Die im Rahmen der Basistherapie verabreichten krankheitsmodifizierenden Medikamente bilden das wichtigste Standbein bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Sie zielen darauf ab, die übersteigerte Reaktion des Immunsystems zu verringern und das Voranschreiten der Erkrankung aufzuhalten und bestenfalls zu stoppen.
Die am häufigsten verschriebenen Basistherapeutika sind Methotrexat und Leflunomid. In leichteren Fällen können Sulfasalazin oder Chloroquin helfen. Weitere Basismedikamente sind Azathioprin, Ciclosporin und Goldsalze. Schlägt die Therapie nicht an oder leiden Sie unter einer besonders starken rheumatoiden Arthritis, besteht die Möglichkeit, verschiedene Basistherapeutika miteinander zu kombinieren.
... Nichtsteroidale Antirheumatika?
Nichtsteroidale Antirheumatika wie Diclofenac oder Ibuprofen hemmen die Entstehung entzündungsfördernder Botenstoffe und dämmen dadurch die gelenkschädigenden Entzündungsprozesse ein. Zugleich wirken sie schmerzstillend und werden daher auch als Schmerzmittel eingenommen.
... Analgetika?
Reine Schmerzmittel, sogenannte Analgetika, kommen zur Anwendung, wenn trotz ausreichender Entzündungshemmung weiterhin Schmerzen auftreten, beispielsweise bei bereits eingetretenen Gelenkschäden. Abhängig von der Art und der Stärke der Schmerzen verschreibt Ihnen Ihr Arzt Substanzen wie Paracetamol oder Opioide (morphinartige Medikamente).
... Kortison?
Kortison wirkt entzündungshemmend und kann, zusammen mit Basismedikamenten eingenommen, effektiver vor Knochenzerstörungen durch die rheumatoide Arthritis schützen als eine ausschließliche Therapie mit Basismedikamenten. Wegen seiner Nebenwirkungen wird Kortison jedoch meist nur bei aktiven Verläufen im Frühstadium einer rheumatoiden Arthritis eingesetzt. Bei Krankheitsschüben kann Ihnen Ihr Rheumatologe Kortison kurzzeitig in etwas höherer Dosierung geben, um die Schmerzen schnell zu lindern und die Gelenkfunktion zu verbessern.
... Biologika?
Sprechen Sie auf eine Behandlung mit synthetischen Basismedikamenten nicht ausreichend an, kann Ihr Arzt Ihnen immunmodulierende Substanzen, sogenannte Biologika, verabreichen. Diese gentechnisch produzierten Abwehrstoffe richten sich gegen bestimmte Entzündungsstoffe oder hemmen spezielle Rezeptoren oder Immunzellen. Biologika gelangen über Infusionen oder Spritzen direkt in Ihren Blutkreislauf. Sie wirken schneller als synthetische Basistherapien, sodass die meisten Patienten bereits nach zwei bis vier Wochen eine Verringerung der entzündlichen Krankheitsaktivität wahrnehmen.
... Januskinase-Inhibitoren / JAK-Inhibitoren?
Januskinase-Inhibitoren sind eine neue Therapieoption für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoiden Arthritis, die nicht auf Basismedikamente ansprechen. Sie hemmen bestimmte Enzyme, sogenannte Januskinasen (JAK), die sich in den Abwehrzellen an der Signalweiterleitung zahlreicher entzündungsfördernder Botenstoffe beteiligen. Während Biologika wegen ihrer Molekülgröße als Infusion gegeben oder subkutan gespritzt werden müssen, ist bei JAK-Inhibitoren eine orale Anwendung in Tablettenform möglich. Zunächst wird diese neue Medikamentengruppe allerdings Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis vorbehalten bleiben, bei denen sich mit Biologika keine ausreichende Wirkung erzielen lässt.
Welche Nebenwirkungen können auftreten und wie lassen sich diese gering halten?
Basismedikamente können erhöhte Leberwerte und, in seltenen Fällen, eine Schädigung des Knochenmarkts, eine eingeschränkte Nierenfunktion oder eine Verminderung der roten Blutkörperchen bewirken. Daher werden bei synthetischen Basistherapien üblicherweise regelmäßige Kontrollen der Leber- und Nierenwerte sowie des Blutbildes durchgeführt.
Zu den gefürchtetsten Nebenwirkungen nichtsteroidaler Antirheumatika zählen Magenschleimhautentzündungen sowie Magen- und Darmgeschwüre. Patienten und Patientinnen, die bereits eine Magen-Darm-Entzündung oder ein Geschwür hatten, erhalten meist einen vorbeugenden Magenschutz, beispielsweise in Form eines Protonenpumpenhemmers. Um das Risiko für unerwünschte Begleiterscheinungen gering zu halten, sollten nichtsteroidale Antirheumatika möglichst niedrig dosiert und nur so lange wie unbedingt nötig eingenommen werden.
Kortison ist bei kurzfristiger Einnahme unproblematisch. Bei langfristiger Anwendung kann es allerdings zu Knochenabbau (Osteoporose) führen. Darüber hinaus können eine zu hohe Dosis und eine zu lange Therapiedauer ein erhöhtes Risiko für Infektionen sowie eine Gewichtszunahme nach sich ziehen. Zudem kann es unter Kortison vermehrt zu Herzinfarkten und Schlaganfällen kommen. Daher wird die Kortisontherapie heute nach Möglichkeit auf maximal drei bis sechs Monate beschränkt.
Biologika sind im Allgemeinen sehr verträglich. Die immunmodulierenden Substanzen unterdrücken jedoch die Abwehr, sodass eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte bestehen kann. Bei Fieber ist es deshalb ratsam, umgehend einen Arzt zu kontaktieren.
JAK-Inhibitoren können ebenfalls zu einer erhöhten Infektanfälligkeit führen. Auch Nebenwirkungen wie ein Anstieg der Blutfette oder Übelkeit sind möglich.
Eine Nebenwirkung zahlreicher Rheumamedikamente, z. B. NSAR oder Sulfalacin, ist die erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut. Direkte und starke Sonneneinstrahlung kann nicht nur die Symptome Ihrer Rheumaerkrankung verstärken, sondern auch die Gefahr für Sonnenbrände, und damit auch für bösartige Hauterkrankungen, erhöhen. Schon normale Sonneneinstrahlung kann zu Röte, Ausschlag und Juckreiz führen. Daher ist ein Sonnenschutz mit einem Lichtschutzfaktor von über 30 unerlässlich. Intensive Sonne sollten Sie gänzlich vermeiden.
Wussten Sie
… dass Kortison ein Nachbau des in Ihrer Nebenniere produzierten körpereigenen Kortisols ist? Bei kurzfristiger Einnahme lässt sich damit in der Therapie der rheumatoiden Arthritis ein hoher Nutzen bei geringen Nebenwirkungen erzielen.
PP-BA-AT-0161 April 2018 | Geprüft Doz. Dr. Johannes Grisar: Stand Februar 2018