Zusätzlich zur Basistherapie können je nach individueller Situation weitere Medikamente zum Einsatz kommen. Eine wichtige Rolle bei der Therapie der PAH (pulmonal-arterielle Hypertonie) spielen alle Mittel, welche die Gefäße erweitern. Ob und in welcher Kombination die Wirkstoffe für Sie geeignet sind, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab und muss deshalb individuell entschieden werden.
Univ.-Prof.in Dr.in Irene Lang, Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie, beantwortet im Video "Spezifische Therapie" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Wie hat sich die Behandlung der PAH in den letzten Jahrzehnten entwickelt?
- Was sind Signalwege?
- Welche Signalwege werden bei der Behandlung der PAH unterschieden?
- Auf welche Weisen können diese Medikamente verabreicht werden?
- Welche Rolle spielen Kombinationstherapien?
- An welchen neuen Therapien wird derzeit geforscht?
Video Transkript
Wie hat sich die Behandlung der PAH in den letzten Jahrzehnten entwickelt?
Die Behandlung von Lungenhochdruck hat sich in den letzten Jahrzehnten ganz dramatisch verändert. Ich kann mich erinnern: 1984 gab es gar nichts für Lungenhochdruck. Da war ich mit dem Studium fertig und habe gelesen, dass ein Engländer, nämlich Tim Higginbottom in Sheffield einzelnen Patienten mit schwerem Lungenhochdruck intravenöses Prostazyklin gegeben hat. Das war damals eine Sensation. Wir haben dann mit Prostazyklin in Wien Patienten behandelt, und zwar mit dem damals in die große Körpervene infundiertem Epoprostenol behandelt. Das war immer sehr aufwändig und wir hatten wenig Erfahrung und haben sehr niedrige Dosen verwendet.
Der große Umbruch kam dann 1999 mit einem ersten Prostazyklin, das man unter die Haut geben konnte, und wir in Wien, nämlich Professor Kneussl und ich, haben damals begonnen, eine Studie zu unterstützen, bei der Patienten dieses Prostazyklin, das war damals das Treprostinil, subkutan (unter die Haut) infundiert bekamen. Und da war ein großes Problem, dass dieses Medikament unerwartet schwere Schmerzen an den Einstiegstellen verursacht hat, weil wir jeden dritten Tag neu umgestochen haben. Wir haben aber gelernt, dass man das nicht kann oder soll, sondern die Infusion wochenlang am selben Injektionsort belassen soll, weil dann die Schmerzen weggehen.
Und das haben wir über die Jahre gelernt und sind so viel, viel besser geworden. Und Patienten haben uns viel gezeigt und Tricks gezeigt, wie man die Schmerzen reduzieren kann.
Treprostinil ist ein wirksames Medikament und ist dann ergänzt worden in den 2000ern durch das erste orale Medikament zur Blockade der Endothelin-Rezeptoren, nämlich des A- und B-Rezeptors, das war damals das sogenannte Bosentan, und dem folgten dann andere Endothelin-Rezeptorblocker wie das Ambrisentan, damals auch das Sitaxsentan, das er heute nicht mehr gibt. Viel später dann kam das Macitentan. Und in den selben Jahren hat sich dann auch das Sildenafil, ein Phosphodiestasehemmer auf den Markt begeben. In der Super-1-Studie hat man gezeigt, dass es die Gehstrecke signifikant verbessert. Und parallel dazu sind die Entwicklungen gelaufen, auch orale Protazykline für Patienten verfügbar zu machen. Und der erste Kandidat war damals das Beraprost. Das haben wir damals in der Alphabet-Studie getestet.
Und so sind wir gewachsen und gewachsen und haben immer mehr erfahren über den relativen Stellenwert von Tabletten gegen Infusionstherapien.
Und dann in den letzten Jahren, als dann das Riociguat, das ist ein Aktivator der löslichen Guanylatcyklase, auch auf den Markt kam als ganz mächtiger gefäßerweiternde Faktor, haben wir dann begonnen, noch größere Effizienz zu erreichen, indem wir alle kombiniert haben.
Und ich glaube: Das ist der Weg den wir gehen müssen. Wir müssen, wenn wir weiter gefäßdilatierende Medikamente verwenden wollen, möglichst früh möglichst polyvalente Behandlungen installieren, um unsere Patienten zu verbessern und den Druck zu senken, der in diesen Lungen vorliegt und das rechte Herz zerstört.
Wir haben auch andere Medikamente, die am Horizont stehen, die die Gefäßerkrankung direkt angreifen sollen. Und da war der erste Versuch auch im letzten Jahrzehnt mit einem Tyrosinkinase-Hemmer, das Remodeling zu reversieren. Das war das Stichwort: reverse remodeling. Das ist nicht gelungen. Das Medikament Imatinib hat als katastrophale Nebenwirkung Subarachnoidalblutungen erzeugt. Das sind Blutungen zwischen der mittleren und inneren Hirnhaut. Deshalb musste es vom Markt genommen werden. Und das war ein schwerer Schlag gegen die Entwicklung von Antiproliferativen, Antiremodeling-Substanzen.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, und ich glaube, die Forschungslabors der Welt sind begeistert daran, Aktivatoren des BMPR2-Rezeptors zu erfinden und zu entwickeln, Medikamente zu entwickeln, die die TASK-Kanäle beeinflussen, die das EIF2AK4-Protein beeinflussen. Weil man weiß: Immer, wenn diese Komponenten fehlen, wachsen die Gefäße zu.
Was sind Signalwege?
Signalwege bezeichnen genetische und biochemische Mechanismen, die auf einen ganz definierten biologischen Effekt ausgerichtet sind, zum Beispiel der Endothelin-Signalweg besteht aus der Zellmembran, in die eine Struktur eingebettet ist, ein Eiweißkörper, der da in dieser Membran schwimmt, ein sogenannter G proteine-coupled receptor heißt es (G-Protein-gekoppelter Rezeptor), das hat eine ganz definierte Struktur, und in dem Fall heißt das Endothelin-Rezeptor. Diese Rezeptoren haben einen Teil, der aus der Zellmembran herausschaut, wo der Endothelin-Rezeptorblocker, nämlich z.B. das Bosentan, dann anbindet, oder das Macintentan. Und durch die Anbindung entsteht eine Änderung in dieser Konfiguration, eine Signalweitergabe an das Innere der Zelle. Und der Endothelin-Blocker sagt dort: „Bitte sende kein Signal weiter.“ Und dann entsteht Funkstille. Das wäre ein Beispiel. Das passiert jedes Mal, wenn man eine Endothelinrezeptorblockade durch beispielsweise eine Tablette Macicentan auslöst. Dann wird diese Signalstraße unterbrochen, und es wird das Gefäß, die glatte Muskelzelle erweitert.
Welche Signalwege werden bei der Behandlung der PAH unterschieden?
Ich habe zuerst schon erklärt: Es gibt drei Signalwege, die benützt werden:
- Das eine ist der Endothelin-Signalweg, wobei Endothelin an die Endothelin-Rezeptoren bindet, und diese Bindung wird unterbrochen durch die Endothelin-Rezeptoren.
- Zweitens gibt es den NO-Pathway, also NO, oder Nitric-Oxide Signalweg. Der wird benützt durch die Phosphodiesterase-5-Hemmer. Das ist z.B. Sildenafil, das die Phosphodiesterase hemmt und dadurch die Verfügbarkeit von zyklischen Guanosine-Monophosphat oder cGMP erhöht. Der Pathway, dieser Signalweg, wird auch benützt von Riociguat, das als Aktivator der löslichen Guanolatzyklase zyklisches Guanosine-Monophosphat verfügbar macht. Und alle diese Mechanismen erhöhen die Calcium-Verfügbarkeit und führen zur effektiven glatten Muskelzell-Relaxation oder Erschlaffung.
- Der dritte Signalweg ist der älteste Signalweg in der Geschichte des Lungenhochdrucks. Das ist der Prostazyklin-Pathway. Das ist ein zyklischer Adenosin Monophosphat Pathway, oder cAMP abgekürzt. Der benützt einen Membranrezeptor, wo zyklisches AMP verfügbar wird in der Zelle. Da gehören dazu Epoprostenol, Treprostinil, Iloprost, Beraprost, Cikaprost. Es gibt also verschiedene, die hier denselben Effekt und kleine Modifizierungen dieser Effekte ausüben.
Auf welche Weisen können diese Medikamente verabreicht werden?
Die Medikamente für Lungenhochdruck können oral als Tabletten, inhalativ als Sprays und eigentlich als Inhalationen, intravenös subkutan verabreicht werden, wobei eine Variante der intravenösen Verabreichung sind die implantiertbaren Pumpen, die unter die Haut, also über der Faszie verankert werden und mit einem Katheter die zentralen Venen erreichen.
Welche Rolle spielen Kombinationstherapien?
Kombinationstherapien werden in den neuen Guidelines als Therapien der besten ersten Wahl dargestellt. Denn auf der einen Seite haben mehrere Studien gezeigt, dass die Kombinationstherapie zu Beginn einen größeren Effekt hat wie die aufeinanderfolgenden Therapien. Und zweitens haben große Studien gezeigt, dass Kombinationen Morbiditäts-/Mortalitäts-Endpunkte über lange Zeit bei großen Patientenzahlen verbessern.
An welchen neuen Therapien wird derzeit geforscht?
Es wird derzeit an vielen neuen Therapien geforscht, vor allem an jenen, die direkt das Remodeling, also diese Intimapolster in den Arterien angreifen sollen. Dazu gehören nach wie vor die Tyrosinkinasehemmer, dazu gehören Medikamente, die die Rho Kinase beeinflussen, die den BMPR2-Rezeptor beeinflussen, den KCNK3-Kanal, das Endoglin, das EIF2AK4-Protein – das sind die Angriffspunkte der nächsten Zukunft.
Gefäßerweiternde Medikamente (Vasodilatatoren) bei PAH
Beim Lungenhochdruck nimmt der Druck in den Lungenarterien immer weiter zu. Vasodilatatoren setzen genau an diesem Punkt an: Sie erweitern die Gefäße in der Lunge und senken damit direkt den Blutdruck in den Lungenarterien. Um diese Wirkung zu erzielen, gibt es verschiedene Wirkstoffgruppen, die oft kombiniert zum Einsatz kommen:
Wie wirken Kalzium-Kanal-Blocker (Kalziumantagonisten)?
Kalziumantagonisten werden bei allgemeinem Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) eingesetzt. Sie senken den Blutdruck, erweitern die Gefäße und sorgen für eine Entlastung des Herzens. Bei bis zu fünf Prozent der PAH-PatientInnen wirken hochdosierte Kalzium-Kanal-Blocker auch langfristig gegen Lungenhochdruck.
Ob diese Medikamente bei Ihnen eingesetzt werden können, wird im Rahmen einer Rechtsherzkatheter-Untersuchung mittels Austestung festgestellt.
Wie wirken Endothelin-Rezeptor-Blocker?
Endothelin ist ein körpereigener Stoff, der im Übermaß zur Verengung der Lungengefäße führt und außerdem zur vermehrten Bildung von Zellen in der Gefäßwand beiträgt. Bei PAH-PatientInnen wird zu viel Endothelin produziert. Genau an dieser Stelle, genauer gesagt, bei den Endothelin-Rezeptoren, kann man medikamentös ansetzen. Diese Rezeptoren sind bestimmte Eiweißstrukturen in der Zellmembran, die Signale weitergeben. Werden diese blockiert, unterbricht das den Signalweg zur Zelle, das Endothelin kann seine Wirkung nicht mehr ausüben und das Gefäß weitet sich. Zudem wird durch Endothelin-Rezeptor-Blocker übermäßiges Zellwachstum in den Lungengefäßen verringert.
Wie wirken Phosphodiesterase-5-Inhibitoren/PDE-5-Hemmer und sogenannte Stimulatoren der löslichen Guanylatzyklase (sGC)?
Auch diese Wirkstoffe setzen an einem eigenen Signalweg an, der letzten Endes zur Entspannung der Gefäße führt.
Phosphodiesterase Typ 5 (PDE-5) ist ein Enzym, das unter anderem in den Gefäßen der Lunge vorkommt. Es baut den Botenstoff “cGMP” ab, der für die Erweiterung der Lungengefäße sorgt. Blockiert man PDE-5, kann es den Botenstoff nicht abbauen und die Gefäße bleiben länger entspannt.
Ein anderer Wirkstoff setzt bei dem Enzym “sGC” an, welches wiederum hilft, den Botenstoff “cGMP” zu produzieren und dadurch die Gefäße weit hält.
Wie wirken Prostanoide und Prostazyklin-Rezeptor-Agonisten?
Diese Medikamente wirken im Prostazyklin Signalweg. Körpereigenes Prostazyklin erweitert die Gefäße, ist aber bei PAH oft nicht ausreichend vorhanden. Prostazyklin-ähnliche Stoffe, die sogenannten Prostanoide, ersetzen diese Substanz und erweitern so die Gefäße.
Seit einiger Zeit steht außerdem ein Prostazyklin-Rezeptor-Agonist zur Verfügung. Dieser Wirkstoff aktiviert die entsprechenden Rezeptoren und hat deshalb einen vergleichbaren Wirkmechanismus wie Prostanoide oder das Prostazyklin selbst.
Gefäßerweiternde Medikamente werden je nach Wirkstoff als Tabletten, als Inhalationen, subkutan (s.c., unter die Haut) oder intravenös (i.v., direkt in die Vene) verabreicht. Bei der subkutanen Injektion wird das Medikament in das Fettgewebe unter der Haut gespritzt. Bei der intravenösen Injektion wird das Medikament direkt in eine Vene verabreicht.
Kombinationen mehrerer Mittel erhöhen die Wirksamkeit
Bei der Behandlung der PAH kommt meist nicht ein einzelnes Medikament zum Einsatz, sondern es werden mehrere kombiniert. Das steigert die Wirksamkeit und verbessert damit auch das Ergebnis der Therapie. Die Kombination der Medikamente muss für jede/n PatientIn individuell angepasst und immer wieder korrigiert werden. Deshalb sind regelmäßige Kontrollen so wichtig.
Wussten Sie schon
Das Hauptproblem bei Lungenhochdruck ist der Wand-Umbau der Lungengefäße, die Forschung sucht momentan intensiv nach Möglichkeiten, diesen rückgängig zu machen. Es gibt verschiedene vielversprechende Ansatzpunkte.
Geprüft Univ.-Prof.in Dr.in Irene Lang: Stand April 2019