Unter Durchfall (medizinisch: Diarrhö) leiden viele Patientinnen irgendwann im Laufe einer fortgeschrittenen Brustkrebserkrankung. Die Ursachen für die Darmprobleme können sehr unterschiedlich sein und durch die Erkrankung selbst oder durch die Therapie verursacht werden. Warum Durchfall auftreten kann und wie er entsteht, erfahren Sie in dieser ersten Lektion.
Univ.-Prof. Dr. Edgar Petru, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, beantwortet im Video "Durchfall im Rahmen einer Brustkrebsbehandlung" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Wann spricht man von Durchfall?
- Welche Schweregrade von Durchfall gibt es?
- Wodurch kann im Rahmen meiner Brustkrebserkrankung Durchfall auftreten?
- Warum kann Durchfall gefährlich sein?
- Unterscheidet sich Durchfall im Rahmen einer Krebstherapie von jenem bei PatientInnen ohne Krebserkrankung?
- Kommt es während einer Krebstherapie immer zu Durchfall?
- Bedeutet Durchfall, dass ich die Medikamente nicht vertrage oder sie falsch dosiert sind?
- Vermindert Durchfall die Wirksamkeit meiner Krebstherapie?
- Was bedeutet Durchfall für meine weitere Therapie?
- Auf den Punkt gebracht
Video Transkript
Wann spricht man von Durchfall?
Durchfall heißt: vermehrter Stuhlgang, flüssig-wässrig und dünner Stuhlgang.
Welche Schweregrade von Durchfall gibt es?
- Es gibt hier den Durchfall, wo man ein bis drei Mal Stuhlgang pro Tag hat. Das ist Grad 1.
- Grad 2 würde heißen: vier bis sechs Mal Stuhlgang pro Tag.
- Und über sieben Mal pro Tag wäre es Grad drei.
- Grad 4 wäre dann schon so, dass man wirklich deutlich ausgetrocknet ist, dass ein stationärer Aufenthalt notwendig ist mit Infusionstherapie.
Wodurch kann im Rahmen meiner Brustkrebserkrankung Durchfall auftreten?
- Das kann einmal sein, dass Durchfall auftritt durch die Therapie selbst, dass man weiß: Bestimmte Medikamente machen Durchfall als Nebenwirkung. Das liegt am Medikament selbst.
- Es kann sein, dass der Bauchraum betroffen ist, durch den Tumor betroffen ist, und dass dadurch vermehrt Durchfall auftritt.
- Es kann aber auch sein, dass das zusammenhängt mit einem Blutbildabfall. Wir sprechen da von der Neutropenie, weil das Weiße Blutbild, die „Gesundheitspolizei“, hier abfällt. Dies kann auch eine Neigung zu Infektionen verursachen. Da kann auch Fieber dabei sein.
Warum kann Durchfall gefährlich sein?
Die Gefahr liegt darin, dass sich die Patientin, der Patient schlecht fühlt durch Schwindel, durch Kopfschmerzen, durch Kreislaufprobleme. Es kann natürlich auch zu entscheidenden Problemen des Herzens kommen. Wodurch passiert das? – Das geschieht durch Elektrolytverschiebungen, Kaliumveränderungen, Magnesium, Kalzium — das sind alles ganz wichtige Elektrolyte, und die beeinflussenden den Herzrhythmus.
Dann kann es eben auch zu Thrombosen kommen, zu Gerinnselbildung durch die Eindickung des Blutes.
Unterscheidet sich Durchfall im Rahmen einer Krebstherapie von jenem bei PatientInnen ohne Krebserkrankung?
Ich denke, wir alle haben schon einmal Durchfall gehabt, die wir uns als gesund bezeichnen. Das ist schon unangenehm genug.
Der Krebspatient, die Krebspatientin hat weniger Reserven. Das heißt: Für sie ist das doch viel wesentlicher noch und einschränkender, was ihre Lebensqualität angeht, sodass man schon die Krebspatientin hier ganz besonders herausstreichen muss, wenn es um die Nebenwirkung Durchfall geht.
Kommt es während einer Krebstherapie immer zu Durchfall?
Zum Glück nicht.
- Es gibt bestimmte Medikamente, wo wir von vornherein wissen, dass es vorkommen wird, da werden die Patientinnen, die Patienten gezielt dahin aufgeklärt. Sie bekommen oft auch Medikamente prophylaktisch, also vorbeugend gegen Durchfall verschrieben.
- Oft ist es so, dass das eine Nebenwirkung ist, die selten auftritt. Die wird auch erwähnt im Aufklärungsgespräch, aber die erwartet man nicht so wirklich.
- Und dann gibt es natürlich auch kompliziertere Probleme, dass hier zum Beispiel das Bauchfell durch Tumor infiltriert wird, dass also Tumorzellen im Bauchraum sind und dass dadurch Durchfall ausgelöst wird.
- Ein weiterer Punkt ist, dass es zu Infektionen kommen kann und die Infektionen einhergehen auch mit Durchfall. Das ist dann der Fall, wenn das Blutbild schlechter wird, dass da eine Neutropenie auftritt, also ein Blutbildabfall, dass die Gesundheitspolizei nicht gut funktioniert und dadurch sich dann Durchfall manifestiert.
Bedeutet Durchfall, dass ich die Medikamente nicht vertrage oder sie falsch dosiert sind?
Dass man das nicht verträgt, ist ein ganz seltener Fall. Dass eine falsche Dosierung ist, das ist eigentlich auch nicht der Fall. Es geht eher darum, dass man sich für eine individuelle Patientin, einen individuellen Patienten herantastet an die richtige Dosis. Das gilt vor allem für die Fälle, bei denen Tabletten oder Kapseln einzunehmen sind. Da tastet man sich an die optimale Dosis heran, so dass die Patientin, der Patient dann eine Dosis, die für ihn individuell passt, sozusagen auf Dauer bekommt. Das gilt für diese ganzen Dauertherapien, kontinuierlichen Therapien, dass man sich hier hinbewegt, in die Richtung, die die Patientin, der Patient toleriert.
Vermindert Durchfall die Wirksamkeit meiner Krebstherapie?
Das ist eine sehr gute Frage. Im Prinzip wollen wir natürlich bei Ihnen die optimale Therapie geben, die auch gut ausgetestet ist, die in Untersuchungen breit untersucht worden ist, die sich als wirksam gezeigt hat. Das ist aber nicht in jedem Fall möglich. Da gibt es also individuelle Neigungen, Dispositionen, dass man die eine Substanz besser oder schlechter verträgt.
Man weiß heute, dass die Reduktion einer Dosis, das sogenannte Herantitrieren an die individuell akzeptable Dosis durchaus nicht mit einer Verschlechterung der Prognose assoziiert ist. Das heißt: Wenn wir wirklich die Dosis reduzieren müssen, bedeutet das keine Einbuße in Bezug auf die Chancen gegen den Krebs.
Was bedeutet Durchfall für meine weitere Therapie?
Für Ihre weitere Therapie würde das bedeuten, dass man sehr oft die Dosis reduzieren muss, dass man sich herantitriert an die Dosis, die Sie tolerieren. Zusätzlich dazu würden man Ihnen aber ein paar Ernährungsempfehlungen geben, die Sie leicht einhalten können und mit denen auch Ihre Lebensqualität nicht wesentlich eingeschränkt ist. Es geht ja darum, dass auch Ihre Lebensqualität nicht durch eine Extremdiät hier ganz beeinträchtigt wird. Und in diesem Sinne würde man hier vorgehen.
Auf den Punkt gebracht
Entstehung, Ursachen und Häufigkeit
- Bei Brustkrebs kann es durch manche Medikamente, Metastasen im Bauchraum oder erhöhte Infektanfälligkeit durch Blutbildveränderungen vermehrt zu Durchfall kommen.
- Da Durchfall auch zur Gerinnselbildung und Herzproblemen führen kann, sollte starker Durchfall nicht unterschätzt werden.
- Bei Bedarf kann die Therapie in Absprache mit dem Behandlungsteam pausiert und/oder reduziert werden.
Wann spricht man von Durchfall?
Eine normale Stuhlgangsfrequenz liegt bei Erwachsenen zwischen 3 x wöchentlich bis zu 3 x täglich. Tritt Stuhl öfter als dreimal am Tag auf und ist er in der Menge vermehrt und/oder wässrig-dünn, spricht man von Durchfall. Häufig damit verbunden sind Bauchschmerzen und Krämpfe.
- Leichter Durchfall = 1 bis 3 zusätzliche Stuhlgänge pro Tag
- Mittelgradiger Durchfall = 4 bis 6 zusätzliche Stuhlgänge pro Tag
- Schwerer Durchfall = mehr als 7 zusätzliche Stuhlgänge pro Tag
- Bei Grad 4 liegt bedrohlicher Flüssigkeitsverlust mit Zeichen körperlicher Austrocknung vor
Ursachen für Durchfall bei Brustkrebs
Durchfall bei Brustkrebs kann durch folgende Einflüsse bedingt sein:
Krebsmedikamente
- Die Chemotherapie gehört zu den häufigsten Auslösern von Durchfall bei Krebs. Aber nur ein kleiner Teil der Zytostatika zeigt diese Nebenwirkung. Durchfall muss bei Chemotherapie nicht zwangsläufig auftreten.
- Auch andere Krebstherapien können Durchfall verursachen, so die Antihormon-Therapie in Kombination mit zielgerichteten Therapien mit Anti-Her2-Antikörpern oder CDK4/6-Inhibitoren.
Durchfall unter Immuntherapie ist die Folge einer überschießenden Entzündungsreaktion des körpereigenen Immunsystems.
Mehr zu den unterschiedlichen Therapieformen erfahren Sie in unserem Kurs “Behandlung von metastasiertem Brustkrebs“.
Bestrahlung
Strahlenbedingter Durchfall kann auftreten, wenn der Darm während einer Radiotherapie im Bestrahlungsfeld liegt, etwa bei der Behandlung von Knochenmetastasen oder Tumorabsiedelungen im Bauchraum. Man spricht von einer „radiogenen Diarrhö“.
Darminfektion
Eine Nebenwirkung der Chemotherapie ist die Schwächung des Immunsystems. Der Abfall der weißen Blutzellen (Leukopenie) kann eine erhöhte Anfälligkeit für Darminfektionen nach sich ziehen.
Tumor und Metastasen
Auch die Krebserkrankung selbst kann die Ursache für Durchfall sein, wenn der Darm oder das Bauchfell von Metastasen betroffen sind.
Andere Medikamente
Schließlich können Antibiotika oder die Einnahme von Abführmitteln bei Verstopfung Durchfall verursachen.
Wichtig: Kontaktieren Sie bitte umgehend Ihre Ärztin/Ihren Arzt, wenn Durchfall zusammen mit Fieber auftritt!
Wie entsteht Durchfall?
Bei einer Schädigung der Darmschleimhaut (z. B. durch Medikamente, Strahlen oder Infektion) nehmen die Darmzellen des Dickdarms Flüssigkeit nicht mehr ausreichend aus dem Nahrungsbrei auf oder geben sogar noch Flüssigkeit in den Darm ab. Die Folgen sind eine flüssigere Konsistenz und schnellere Darmpassage des Breis.
Wie häufig tritt Durchfall bei Brustkrebs auf?
Die Frage der Häufigkeit ist wegen der vielen möglichen Ursachen nicht einfach zu beantworten. Allein die Durchfallhäufigkeit unter Chemotherapie ist von Patientin zu Patientin und von Wirkstoff zu Wirkstoff verschieden. Manche Chemotherapeutika verursachen gar keinen Durchfall, andere rufen bei einem Teil der Patienten stärkere Durchfälle hervor. Durchfall aufgrund einer Chemotherapie tritt in der Regel in den ersten Tagen nach Therapiebeginn erstmals auf.
Bei welchen PatientInnen ist das Risiko erhöht?
Bei manchen PatientInnen ist es wahrscheinlicher, dass sie im Laufe der Behandlung mit Durchfall konfrontiert werden als bei anderen. Das Risiko ist erhöht bei:
- höherem Lebensalter
- schlechtem Ernährungs- oder Allgemeinzustand
- vorbestehenden Störungen der Darmfunktion, wie z. B. Reizdarmsyndrom, Zöliakie, Laktoseunverträglichkeit oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa
- vorangegangener Operation im Bauchraum, z.B. am Darm
Warum ist anhaltender Durchfall ernst zu nehmen?
Das Hauptproblem von Durchfällen besteht im Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten.
- Flüssigkeitsverlust kann zu Kreislaufproblemen und Schwindel führen.
- Bei starkem Flüssigkeitsverlust steigt die Gefahr für Blutgerinnselbildung und Thrombosen, da auch der Flüssigkeitsanteil im Blut sinkt und das Blut dickflüssiger wird.
- Hohe Verluste von Elektrolyten wie Kalium, Kalzium, Natrium oder Magnesium können Auswirkungen auf Herzrhythmus und Herzmuskelfunktion haben.
- Als Krebspatientin haben Sie aufgrund der Erkrankung oder einer vorangegangenen Therapie möglicherweise weniger Reserven. Weitere Flüssigkeits- und Nährstoffverluste können zu einer Mangelernährung führen.
Lassen Sie sich nicht von Ängsten und Gerüchten leiten. Durchfall muss nicht auftreten. Es ist aber gut, wenn Sie Bescheid wissen, was zu tun ist, wenn er auftritt.
Tipps zur Hauptpflege bei Durchfall
Durchfall und über den Stuhl ausgeschiedene Chemotherapeutika können die Haut reizen.
- Schützen Sie die Haut rund um den Darmausgang mit Cremes. Verwenden Sie wenig reizende, milde und alkoholfreie Cremes.
- Verwenden Sie weiches Toilettenpapier oder Feuchttücher.
- Duschen oder spülen Sie den Analbereich und verwenden Sie dabei keine oder neutrale Seifen.
- Tupfen Sie die Haut vorsichtig und sorgfältig trocken, statt sie trocken zu reiben.
- Messen Sie etwaiges Fieber nicht anal, um Verletzungen zu vermeiden.
- Kleine offene Stellen oder Wunden im Analbereich können Sie mit Wundsalben und Sitzbädern (z. B. mit Kamillenextrakt) behandeln.
Weitere praktische Tipps bei Durchfall
- Das Führen eines Ernährungstagebuchs kann Ihnen helfen, herauszufinden, welche Nahrungsmittel sie besser oder weniger gut vertragen.
- Nicht nur ÄrztInnen, auch das Pflegepersonal, DiätologInnen und Breast Care Nurses sind bei Durchfall gute AnsprechpartnerInnen.
- Auf keinen Fall sollten Sie bei Durchfall weniger oder gar nicht mehr essen bzw. trinken.
- Trinken Sie nicht zu viel, wenn Sie vorhaben, außer Haus zu gehen.
- Erkundigen Sie sich in ungewohnter Umgebung, wo die nächstgelegene Toilette ist. So können Sie unangenehme Situationen vermeiden.
Bereiten Sie sich vor
Sollten Sie anfällig auf Darmprobleme sein oder eine Behandlung bekommen, die häufig mit Durchfällen einhergeht, besprechen Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt folgende Möglichkeiten:
- Es gibt Präparate, die Durchfall vorbeugen bzw. diesen rasch behandeln können.
- Ihre Ärztin/Ihr Arzt kann Ihnen ein Rezept für ein Medikament ausstellen, damit Sie es dann zuhause haben, wenn Durchfall auftritt.
Geprüft Claudia Petru, MPH und Univ.-Prof. Dr. Edgar Petru: Stand September 2019