Morbus Parkinson ist eine unheilbare Erkrankung des Nervensystems. Sie kann durch den Einsatz der aktuellen Therapieansätze zwar nicht gestoppt werden, jedoch können Beschwerden deutlich gelindert werden. Univ.-Prof. Dr. Pirker erklärt, welche Therapiemaßnahmen die Symptome verbessern und warum bei fortgeschrittenem Morbus Parkinson Wirkungsschwankungen auftreten können. PatientInnen und Angehörige erhalten einen ausführlichen Einblick im Umgang mit der fortgeschrittenen Morbus Parkinson Erkrankung.
Fortschreiten der Erkrankung
Wie verläuft eine Parkinson-Erkrankung?
Die Parkinson-Erkrankung läuft langsam voranschreitend über viele Jahre, und man kann grob einige Stadien irgendwie unterscheiden.
- Das erste ist: Vor der Diagnose beherrschen oft unspezifische Frühsymptome den Patienten. Das wäre zum Beispiel: Viele Patienten haben lange schon vor Ausbruch der Erkrankung eine Schlafstörung, die man als REM-Schlafverhaltensstörung bezeichnet, ein Ausleben von Träumen im Schlaf, oder eine Riechstörung. Eines Tages werden dann die typischen motorischen Frühsymptome der Erkrankung auffällig, z.B. ein Zittern oder eine Verkrampfung oder eine Verlangsamung von Bewegungen, reduziertes Mitschwingen eines Armes. Diese motorischen Symptome führen dann meistens zur Diagnose, und die Diagnose dann meistens zu einer Therapie. Wenn Sie eine klassische Parkinson-Krankheit haben, wird die Therapie in aller Regel zu einer Verbesserung der Motorik führen. Das ist also das frühe Stadium der Erkrankung, in dem Sie ein stabiles Ansprechen auf die Medikamente haben, die sogenannten Flitterwochen der Parkinson-Krankheit.
- Im Laufe der Zeit verkürzt sich die Wirkdauer der Parkinson-Medikamente. Und mit dieser verkürzten Wirkdauer wird vor der jeweilig nächsten Medikamenteneinnahme eine Verschlechterung der Symptomatik auffällig: Der Patient entwickelt sogenannte Off-Phasen. Das wäre jetzt z. B.: Sie wachen morgens auf, spüren einen Krampf im Bein, die Zehen stellen sich auf, Sie fangen zu schwitzen an, Sie haben vielleicht Schmerzen bei der Verkrampfung. Sie sind kleinschrittig, nehmen das erste Parkinson-Medikament ein, die erste Tablette, und die Symptomatik bessert sich nach 20, 30 Minuten. Sie waren also in einer Off-Phase und haben dann eine Besserung. Das ist das mittlere Stadium der Parkinson-Krankheit, in der diese Wirkungsschwankungen und zum Teil auch Überbewegungen in der Phase guter Beweglichkeit sogenannte Dyskinesien das Krankheitsbild beherrschen.
- Und dann gibt’s ein stärker fortgeschrittenes Stadium der Parkinson-Krankheit, ich würde es als das dritte Stadium der Krankheit bezeichnen, in der Symptome die Oberhand gewinnen, die leider auf die Parkinson-Medikamente nicht mehr so gut ansprechen. Das heißt nicht, dass die Patienten überhaupt nicht auf die Medikamente ansprechen, sondern eher, dass zusätzlich zu jenen Symptomen, die auf die Medikamente ansprechen, wie Zittern, Steifigkeit, Bewegungsverlangsamung, einfach Symptome auftreten, die eben nicht ansprechen. Das sind einerseits motorische Symptome wie eine stärker vorgebeugte Haltung, Gehblockaden beim Gehen, eine Haltungsinstabilität, die dann zu Stürzen führen kann, eine stärkere Sprechstörung, Schluckprobleme, aber auch nicht-motorische Symptome, wie z.B. eine geistige Veränderung. Das sind dann Probleme, die eher das stark fortgeschrittene, vielleicht dritte Stadium der Parkinson-Krankheit dann dominieren.
Wie schnell verschlechtert sich eine Parkinson-Erkrankung?
Eine klassische Parkinson-Erkrankung sollte sich nicht schnell verschlechtern. Das wäre sehr, sehr ungewöhnlich. Wir haben ja hier eine langsam voranschreitende Erkrankung mit einem sehr, sehr langsamen Nervenzellverlust im Gehirn vor uns, die über viele, viele Jahre, und wenn sie früh beginnt, über Jahrzehnte geht, sodass plötzliche Verschlechterungen etwas äußerst Ungewöhnliches sind.
Wenn man von einer raschen Verschlechterung spricht, dann gibt es zwei Möglichkeiten:
- Entweder haben wir hier keine echte Parkinson-Krankheit, keine klassische Parkinson-Krankheit vor uns, sondern eine sogenannte atypische Parkinson-Krankheit. Leider haben 10 Prozent der Menschen mit einer Parkinson-Symptomatik keine klassische Parkinson-Krankheit, sondern so einen atypischen Parkinson, der leider ein schlechteres Ansprechen auf die Parkinson-Medikamente und ein rascheres Voranschreiten zeigt. Das ist die eine Möglichkeit.
- Und die andere Möglichkeit bei raschen Veränderungen ist immer die Möglichkeit einer Begleiterkrankung. Die Begleiterkrankung kann sein ein Schlaganfall, eine Zuckerkrankheit, aber kann auch sein, dass einfach der Patient, vor allem, wenn das ältere Menschen sind, zu wenig trinkt und einfach ausgetrocknet ist oder mangelernährt ist oder einen Vitaminmangel hat. All das ist möglich.
Das heißt: Eine rasche Veränderung im Krankheitsverlauf, die sollte immer Anlass für eine Abklärung sein.
Warum ist es sinnvoll, Angehörige zu Kontrollterminen mitzubringen?
Ja, die Parkinson-Erkrankung ist ja eine sehr, sehr facettenreiche Erkrankung, vor allem, was wir heute wissen. Es ist keine rein motorische Erkrankung, sondern von Beginn an haben die meisten Patienten auch psychische Veränderungen, vielfältige Veränderungen im autonomen Nervensystem, und es passieren auch Dinge, die der Patient selbst nicht erlebt.
Wenn wir nur an die Frühphase der Erkrankung denken, an die ganz, ganz frühe Phase bereits vor Auftreten der klassischen motorischen Probleme: Ein Teil der Patienten hat in dieser Phase eine Schlafstörung, die man als REM-Schlafverhaltensstörung bezeichnet. Dieser Fachterminus ist nichts anderes als sozusagen das Ausleben von Träumen im Schlaf. Ein gesunder Mensch wird, wenn er in einem Tiefschlaf ist und dann in eine sogenannte REM-Schlafphase kommt, in eine Traumschlafphase, eine erschlaffte Körpermuskulatur haben. Nur die Atemmuskulatur ist aktiv, und die Augenbewegungen sind aktiv. Daher kommt dieser Begriff ja: Rapid Eye Movements (abgekürzt REM).
Im Traumschlaf bei Menschen mit Parkinson kommt es bereits im Frühstadium teilweise zu einem Verlust der Muskelerschlaffung in diesem REM-Schlaf, und das bedeutet, dass Patienten ihre Träume auszuleben beginnen. Das bedeutet, wenn ich davon träume, dass ich jemandem davonlaufe, werden meine Beine zu laufen beginnen. Wenn ich träume, dass ich irgendwie Fußball spiele oder einen Gegner, mit dem ich irgendwie kämpfe, ihn irgendwo hintrete, dann werden meine Beine ausschlagen. Und der Patient selbst ist aber im Schlaf. Das heißt: Hier kann der Partner ganz, ganz wesentliche anamnestische Informationen mitliefern. Das ist das eine.
Das zweite ist auch: Bereits im Frühstadium gibt es manchmal seelische Veränderungen, Konzentrationsprobleme, über die ein Partner manchmal ganz wesentliche zusätzliche Auskunft geben kann. Auch motorische Veränderungen fallen ja den Patienten manchmal gar nicht so auf. Das ist z.B. das reduzierte Mitschwingen eines Arms beim Gehen. Das fällt oft den Angehörigen eher auf als der betroffenen Patientin oder dem Patienten selbst. Also auch da haben wir sehr, sehr viel Information von den Angehörigen.
Der nächste Schritt ist: Wenn wir mit einer Therapie beginnen, dann sind wir natürlich sozusagen sehr, sehr dankbar, wenn wir gute Information, ein gutes Feedback vom Patienten kriegen: „Ja, das ist besser geworden. Darauf habe ich angesprochen.“ Oder: „Ich habe auch diese Nebenwirkung entwickelt.“ Auch hier kann ein Partner oder ein Angehöriger ganz wesentliche Zusatzinformationen geben.
Der dritte Baustein ist natürlich immer, dass die Ärztin oder der Arzt überprüfen muss: Wie hat sich die Motorik des Patienten verändert durch die Medikation?
Und im Krankheitsverlauf treten immer mehr komplexe Symptome hinzu, wo die Angehörigen ganz, ganz wesentliche Hilfestellungen geben können, und zwar, was die Informationen über den Zustand der Patientin oder des Patienten betrifft.
Das andere ist aber auch: Die Betreuung der betroffenen Menschen ist immer auch eine Motivationsarbeit. Das ist vielleicht, jetzt greife ich vor bei dieser Frage, die Parkinson-Therapie besteht ja immer aus zwei großen Bestandteilen:
- Das eine ist die medikamentöse Therapie.
- Das andere ist aber auch die eigene Bewegung und nicht-medikamentöse Therapie.
Und jedes Gespräch dient auch der Motivation des Betroffenen, mehr Bewegung zu machen. Am besten hat man gewissermaßen einen Behandlungsvertrag und vereint mit dem Patienten, wie viel Bewegung er machen sollte. Und auch da können die Angehörigen eine ganz wesentliche Hilfestellung leisten.
Wie kann die Ärztin / der Arzt einschätzen, ob die Erkrankung weiter fortschreitet?
Das ist immer die Frage an den Patienten selbst: „Sehen Sie gegenüber dem letzten Besuch, dem Zeitraum seit der letzten Kontrolle, eine Veränderung?“
- Diese Veränderung kann eine Besserung sein durch eine Medikation,
- es kann ein stabiler Verlauf sein,
- oder es kann eine Verschlechterung sein.
Da kann uns der Patient sehr helfen. Auch die Angehörigen können uns helfen, wie sie das wahrnehmen.
Und das andere ist natürlich immer die Untersuchung der Ärztin, des Arztes: Wie ist der Zustand des Betroffenen? Hat sich motorisch etwas verbessert? Hat sich motorisch etwas verschlechtert? Den Expertinnen und Experten können hier auch standardisierte Bewegungsskalen helfen, um die Veränderung der Motorik im Zeitverlauf wirklich auch gut erfassen zu können.
Und beides, also die Wahrnehmung des Betroffenen, aber auch der Angehörigen, und eben auch die ärztliche Untersuchung, das lässt dann gemeinsam den Schluss zu: Ja, hier hat sich tatsächlich etwas verschlechtert.
Was ist typisch für einen fortgeschrittenen Morbus Parkinson?
Ja, das kommt darauf an, wie man jetzt fortgeschritten definiert.
Ein wesentliches Merkmal in der, würde ich sagen, zweiten Phase der Parkinson-Erkrankung ist das Auftreten von Wirkungsschwankungen.
In der Frühphase der Erkrankung wirken die Parkinson-Medikamente kontinuierlich. Die Betroffene, der Betroffene nimmt keine Veränderung wahr, wenn er seine Tabletten schluckt, weil die Tabletten, vor allem L-Dopa, das das am längsten wirksame Medikament, also sozusagen am stärksten wirksame Parkinson-Medikament ist, in der Frühphase der Erkrankung eine sehr, sehr lang anhaltende Wirkung hat, wahrscheinlich über Wochen.
Im Verlauf der Erkrankung verkürzt sich die Wirkdauer der Parkinson-Medikamente, insbesondere von L-Dopa, und der Patient beginnt zu spüren: „Ich nehme die Dopa-Tablette ein, und in einer halben Stunde, Stunde spüre ich eine Verbesserung. Bevor ich die nächste Tablette einnehme, sagen wir jetzt z.B. mittags, wird der Patient vielleicht einmal eine halbe Stunde, eine Stunde vorher eine motorische Veränderung wahrnehmen, eine Verschlechterung. Vielleicht tritt wieder ein Zittern auf. Vielleicht tritt wieder ein Schmerz auf. Vielleicht tritt eine seelische Veränderung wie z.B. Ängstlichkeit auf. Der Patient nimmt die nächste Tablette und spürt nach einer halben Stunde, Stunde wieder eine Besserung seines Zustands.
Das ist etwas, was man als Wirkungsschwankungen oder Fluktuationen bezeichnet.
In der Phase der besten Wirkung der Parkinson-Medikamente entwickeln dann viele Patienten Überbewegungen, die sogenannten Dyskinesien, und diese Kombination aus verkürzter Wirkdauer, die Wirkungsschwankungen auslöst, und auf der anderen Seite abnormen Überbewegungen in der Phase guter Beweglichkeit, das bezeichnet man als motorische Komplikationen. Und diese motorischen Komplikationen dominieren das mittlere Krankheitsstadium.
Im fortgeschrittenen Parkinson-Stadium, im weiter fortgeschrittenen Parkinson-Stadium, ich würde hier eher von einer dritten Phase sprechen, wobei das ein sehr, sehr gradueller Übergang ist, treten dann Symptome in den Vordergrund, die nicht mehr so gut auf Parkinson-Medikamente ansprechen. Das ist dann wirklich ein stärker fortgeschrittenes Parkinson-Stadium:
- Eine starke Haltungsstörung, eine verstärkte Gangstörung mit Gehblockaden, eingeschränkte Halte- und Stellreflexe, die dann bei Richtungswechsel zu Stürzen führen können,
- aber auch verstärkte autonome Symptome: starkes Schwitzen, massive Verstopfung, Harninkontinenz,
- auch geistige Veränderungen: Konzentrationsabnahme bis hin zu einer wirklich eindeutigen Demenz, die ein Teil der Patienten entwickelt.
Da muss man dann wirklich von einem stark fortgeschrittenen Stadium sprechen.
Welche Rolle spielen bildgebende Verfahren in der Verlaufsbeurteilung?
Die bildgebenden Verfahren spielen eine große Rolle in der Diagnostik am Beginn. Wenn wir einen Menschen sehen, der typische oder weniger typische Parkinson-Symptome entwickelt, werden wir immer eine sogenannte strukturelle Bildgebung machen. Das ist eine Magnetresonanztomografie des Gehirns idealerweise, oder, wenn dagegen Gründe sprechen, z.B. ein Herzschrittmacher, der mit so einem MRT-Gerät nicht vereinbar ist, wird man eine Computertomografie des Gehirns machen, um strukturelle Veränderungen im Gehirn auszuschließen, die diese Grundlage dieser Parkinson-Krankheit sind.
Jetzt gibt es im späteren Krankheitsverlauf zwei gute Gründe, nochmal eine Bildgebung zu machen. Das eine wäre: Der Patient spricht nicht so gut an auf die Parkinson-Medikamente, wie wir uns das erhofft haben. Dann ist eine wahrscheinliche Möglichkeit, dass das eine atypische Parkinson-Krankheit ist. Für die Diagnose dieser Erkrankung kann andererseits wieder die Magnetresonanztomographie sehr, sehr hilfreich sein. Es gibt aber auch einige nuklearmedizinische Untersuchungen, die da helfen können, wie die Zuckerstoffwechseluntersuchung des Gehirns z.B., das FDG-PET.
Wozu werden im Verlauf der Erkrankungen der L-Dopa-Test und der Apomorphin-Test eingesetzt?
Ja, also der L-Dopa-Test spielt eine ganz wesentliche Rolle in der Abklärung von Patienten vor einer operativen Parkinson-Therapie.
Bevor man sich zu diesem Schritt entscheidet, zur tiefen Hirnstimulation, muss ganz, ganz klar belegt sein, dass der Patient ein sehr gutes Ansprechen auf die Parkinson-Medikamente hat.
Das ist etwas, was für den Patienten durchaus anstrengend ist. Meistens werden die Patienten dazu auch stationär aufgenommen. Dazu nimmt man sein letztes Parkinson-Medikament am Abend und lässt die Morgenmedikamente weg. Früh morgens um acht oder neun erfolgt dann üblicherweise eine ärztliche Untersuchung im sogenannten Off, also ohne Medikation, was ja für viele Betroffene auch sehr belastend ist, weil dieser Off-Zustand unangenehm ist.
Dann bekommt man üblicherweise entweder die normale Morgenmedikation oder, wenn es um einen wirklich ganz spezifischen Dopa-Test vor einer Parkinson-Operation geht, üblicherweise eine etwas höhere Dosis von L-Dopa in Form von löslichem Dopa. Und damit wird dann verglichen, wie die Motorik vor Einnahme des Parkinson-Medikaments und nach Einnahme des Parkinson-Medikaments ist.
Dieser Unterschied ist vor allem bei Parkinson-Operationen ein starker Indikator dafür, wie gut der Patient auf die operative Therapie ansprechen wird.
Ergänzt kann dieser Dopa-Test vor einer operativen Parkinson-Therapie auch durch den Apomorphin-Test werden. Apomorphin ist ein sogenannter Dopamin-Agonist. Er bindet an denselben Bindungsstellen im Gehirn wie Dopa. Das Medikament wird hier nur unter die Haut, subkutan, verabreicht, und die Wirkung setzt viel rascher ein, üblicherweise innerhalb von 10 Minuten. Und das Ansprechen, das Ausmaß des Ansprechens, wenn man die richtige Dosis von Apomorphin erreicht, sollte vergleichbar mit Dopa sein.
Also auch der Apomorphin-Test ist etwas, was man für die präoperative Abklärung verwenden kann. Der Apomorphin-Test ist aber auch wichtig, um austesten zu können, wie hoch die individuelle Dosis eines Parkinson-Patienten für Apomorphin ist. Apomorphin ist ein ausgezeichnetes Medikament für plötzliche Off-Zustände. Da gibt’s das Medikament in Form eines Pens.
Und wenn man herausgefunden hat, was die richtige individuelle Dosis ist, kann man diesen Pen dann im Alltag für schwere Off-Phasen verwenden. Man muss nur wissen: Welche Dosis braucht der Patient? Weil diese Dosis individuell sehr, sehr unterschiedlich ist.
Etwas anderes, wo dann der Apomorphin-Test auch sehr hilfreich sein kann, ist, wenn man einen Patienten dann auf Apomorphin in Pumpenformen einstellt. Auch da ist das dann sehr, sehr hilfreich, wenn man abschätzen kann, wie viel ein Patient auch in der Dauertherapie brauchen wird.
Kann eine Parkinson-Erkrankung wieder besser werden?
Ja, also eine Parkinson-Erkrankung wird besser, wenn sie gut auf Therapie anspricht. Das ist sozusagen das Übliche.
Spontan wird eine Parkinson-Erkrankung in der Regel nicht besser. Sie ist eine chronisch voranschreitende Erkrankung. Die Erkrankung ist gegenwärtig auch unheilbar.
Die Symptome können aber mit medikamentöser Therapie und nicht-medikamentöse Therapie deutlich gelindert werden.
Man weiß ja auch: Die Lebenserwartung der Parkinson-Patienten hat sich nach der Einführung der Dopa-Therapie Ende der 60er Jahre massiv verbessert. D.h., da sieht man also: Das ist ein Medikament, das wirklich auch langfristig anspricht und langfristig zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt.
Welche Faktoren beeinflussen das Voranschreiten beim Morbus Parkinson?
Also es gibt zwei, drei Dinge, glaube ich, die wichtig sind.
- Wahrscheinlich das Wichtigste ist das Voranschreiten des Nervenzellverlusts. Die Parkinson-Krankheit ist ja eine neurodegenerative Erkrankung. Was ist das? Das sind Erkrankungen, bei denen bestimmte Nervenzellen im Gehirn verloren gehen, ohne dass man die Ursache genau kennt. Im Gegensatz zu einem Schlaganfall passiert da nichts akut, sondern aufgrund erblicher Grundlagen, bestimmter Umwelteinflüsse, die chronisch sehr lange wirken, gehen hier Nervenzellen sehr, sehr langsam über Jahre und Jahrzehnte verloren. Und wahrscheinlich ist die Dynamik, d. h. die Geschwindigkeit dieses Nervenzellverlustes in bestimmten Hirnregionen ganz entscheidend für das Voranschreiten der Symptome, auch der Erkrankung.
- Das zweite ist natürlich: Wir versuchen diesem Nervenzellverlust entgegenzuwirken. Und da gibt’s einerseits die medikamentöse Therapie, die Symptome deutlich verbessern kann, sodass wir häufig beobachten, dass Patienten, die sehr, sehr gut ansprechen, zehn Jahre nach Beginn der Therapie in einem besseren motorischen Zustand sind als vor Beginn der Parkinson-Therapie, obwohl ja in diesen zehn Jahren sicher der Nervenzellverlust vorangeschritten ist. Also, es gibt einfach Patienten, die sehr, sehr gut ansprechen.
- Und das dritte ist: Parkinson-Therapie, nicht nur medikamentöse Therapie. Wir wissen auch, dass nicht medikamentöse Maßnahmen den Verlauf der Erkrankung und vor allem die Symptome deutlich beeinflussen. Dazu gehört ganz, ganz zentral Bewegung. Bewegung ist also ganz was Entscheidendes. Man weiß, dass Patienten, Menschen, die immer sehr aktiv Sport betrieben haben, die haben schon von vornherein ein niedrigeres Parkinson-Risiko. Und wenn sie an Parkinson erkranken, haben sie eine langsamere motorische Verschlechterung. Und auch wenn man während der Parkinson-Krankheit noch sehr viel Sport und Bewegung macht, hat das auch einen sehr, sehr günstigen Einfluss auf die Symptome. Und die eigene Bewegung und der Sport kann natürlich noch, wenn spezielle Probleme auftreten, unterstützt werden durch spezifische, nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie, wenn es um Sprech- und Schluckprobleme geht.
Ist meine Lebenserwartung beeinträchtigt, wenn ich Parkinson im fortgeschrittenen Stadium habe?
Das ist eine schwierige Frage.
Man muss jetzt Folgendes sagen: Vor Einführung der Dopa-Therapie in den 60er Jahren war die Parkinson-Krankheit wirklich eine sehr, sehr schwere Erkrankung mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung.
Die Einführung der Dopa-Therapie dann vor 50 Jahren hat zu einer massiven Verbesserung der Lebensqualität und der Lebenserwartung der Parkinson-Patienten geführt. Man weiß sogar: In den ersten Jahren der Parkinson-Krankheit, in den ersten 5, 10 Jahren ist die Lebenserwartung vergleichbar mit der Allgemeinbevölkerung.
Man muss nur sagen: Es gibt dann natürlich nach 15, 20 Jahren eine Situation, in der die Krankheit von vielen Problemen dominiert wird, die nicht mehr so gut auf Parkinson-Medikamente anspricht.
Und in diesen Phasen können z.B. Stürze mit den daraus resultierenden Verletzungsfolgen, aber auch z.B. die Schluckstörungen mit daraus resultierenden Lungenentzündungen tatsächlich auch zu lebensbedrohlichen Konsequenzen und zu einer Verkürzung des Lebens führen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Fortschreiten der Erkrankung”
Symptome des fortgeschrittenen Morbus Parkinson
Warum frieren Parkinson-PatientInnen manchmal mitten in der Bewegung ein?
Die Frage klingt relativ einfach, ist aber nicht einfach zu beantworten.
Was wir wissen ist, dass dieses Einfrieren in der Bewegung, das ist ja etwas, was man besonders beim Gehen wahrnimmt, und da wird eben der englische Ausdruck für ein Einfrieren, „Freezing“ dafür verwendet. Das ist: Der Patient geht, der Mensch geht, und besonders z.B. im Bereich von Türschwellen oder wenn der Mensch umdreht, wenn der Betroffene die Richtung wechselt beim Gehen, kommt es plötzlich zu einer Gehblockade. Meistens treten dann die Betroffenen so ein bisschen aus dem Stand, um aus diesem Einfrieren wieder herauszukommen.
Was man weiß ist, dass das bereits im Frühstadium, vor allem im hohen Alter auftreten kann und dann meistens auf Medikation anspricht. Also es ist etwas, was mit dem Dopaminmangel, der Krankheit ja zugrunde liegt, zunächst einmal zu tun hat. Im Verlauf der Erkrankung kann aber dieses Ansprechen leider verloren gehen. Dann sind es also Mechanismen, die nicht mehr rein von Dopamin abhängig sind, sondern wo auch der Untergang anderer Nervenzellsysteme beiträgt zu diesem Klebenbleiben. Man glaubt, dass das vor allem Veränderungen in tiefen Teilen des Gehirns, im sogenannten Hirnstamm sind, die da dazu beitragen.
Aber auch in diesem Stadium, wenn das Freezing nicht mehr so gut auf Medikamente anspricht, kann man noch immer mit physiotherapeutischen Maßnahmen oft einen Einfluss auf das Freezing nehmen.
Was man weiß ist, dass hier offensichtlich die Hirnrinde durch den Dopaminmangel und durch die anderen Veränderungen im Hirnstamm nicht mehr so gut angesteuert werden kann.
Und es gibt aber alternative Routen, alternative Wege, wie die Hirnrinde doch die Bewegung in Gang setzen kann. Und das ist etwas, was man z.B. in der Physiotherapie trainieren kann, indem man z.B. gewisse optische Signale am Boden, wie z.B. Querstreifen am Boden, oder einen Stock, der sozusagen ein Hindernis vor dem Fuß darstellt, dazu benützen kann, dass der Betroffene drübersteigen kann und dann die Bewegung wieder in Gang bringen kann.
Warum kommt es im Verlauf der Erkrankung vermehrt zu unwillkürlichen Bewegungen?
Das erste, was man betonen muss: Ohne Parkinson-Medikamente gibt’s keine Überbewegungen. Die Überbewegungen sozusagen entstehen aus einem Wechselspiel aus dem Nervenzellverlust bei der Parkinson-Krankheit und den Medikamenten, vor allem der Dopa-Therapie.
Dann das zweite, was man verstehen muss ein bisschen dazu ist: Wie wirkt Dopa eigentlich? Die Parkinson-Krankheit ist charakterisiert durch einen Verlust von Nervenzellen, die Dopamin produzieren. Dopamin ist ein Nervenüberträgerstoff, der sehr, sehr wichtig ist für die Bewegung. Er sozusagen spielt eine große Rolle in der Auswahl der richtigen Bewegung und in der Unterdrückung unwichtiger Bewegungen. Der Dopamin-Mangel löst dann die typischen Symptome der Parkinson-Krankheit aus, vor allem den Bewegungsmangel, der das am stärksten die Krankheit kennzeichnende Symptom ist.
Was wir machen in der Parkinson-Therapie, ist einfach ein Ersatz dieses Dopamins, das so wichtig ist als Nervenüberträgerstoff für die Bewegung.
Jetzt gibt’s einen großen Unterschied zwischen der natürlichen Freisetzung von Dopamin und der medikamentös zugeführten Dopa-Therapie. Dopa wird im Gehirn dann ja zu Dopamin verwandelt.
- Im Normalzustand wird das Dopamin im Gehirn sehr regelmäßig aus den Nervenzellen freigesetzt. Das heißt, dass in den Zentren, in den Gehirnzentren, wo dieses Dopamin bindet, wo die Dopaminrezeptoren sind, immer günstige Bedingungen sind, die die richtigen Bewegungen erlauben.
- In der medikamentösen Parkinson-Therapie sind diese Bedingungen leider nicht gegeben. Wir geben Dopa in Tablettenform zu Beginn der Erkrankung dreimal am Tag, dann vielleicht viermal, fünfmal am Tag. Und das bedeutet, dass das Gehirn kurz nach der Aufnahme sehr viel Dopa bekommt. Und dann sinkt der Dopa-Spiegel nach einiger Zeit, nach ein, zwei Stunden wieder ab. Das heißt: Das Gehirn ist im Gegensatz zum Normalzustand mit stark schwankenden Dopa-Spiegeln konfrontiert. Und diese stark schwankenden Dopa-Spiegel beeinflussen dann die Zellen, die Nervenzellen, die die Dopamin-Rezeptoren tragen, also wo das Dopamin seine Wirkung entfaltet, und führen zu einer Fehlfunktion in diesen Nervenzellen. Das ist dann letztendlich ausschlaggebend für die Entwicklung von Überbewegungen.
Wie verändert sich das Zittern im Verlauf der Erkrankung?
Das Zittern ist eigentlich ein Symptom, eigentlich fast das einzige motorische Symptom, das sich im Verlauf der Erkrankung wenig verändert.
Man muss jetzt sagen: Zittern, das Ruhezittern ist etwas, was dreiviertel aller Patienten mit klassischer Parkinson-Krankheit entwickeln. Das spricht im Frühstadium der Erkrankung bei der Mehrheit der Patienten sehr gut auf die Parkinson-Medikamente an. Es gibt eine kleine Gruppe von Patienten, die hat da Probleme, wo das Zittern dann nicht so gut auf die Medikamente anspricht. Bei vielen Patienten ist es dann über Jahre exzellent kontrolliert. Und wenn die Patienten dann Wirkungsschwankungen entwickeln, dann entwickeln sie ja sogenannte Off-Phasen, in denen das Zittern wieder auftreten kann. Und dieses Zittern in der Off-Phase kann ziemlich störend sein. Das ist dann ein guter Grund für eine Anpassung der Parkinson-Medikamente.
Welche psychischen Veränderungen können bei Parkinson auftreten?
Also bei der Parkinson-Krankheit können eine Unzahl von seelischen Veränderungen auftreten.
Es ist so, dass Patienten mitunter bereits im Stadium vor Auftreten der klassischen motorischen Symptome Zittern, Bewegungsverlangsamung, eine psychische Veränderung wahrnehmen. Die Lebensfreude kann etwas abnehmen, also so diese Freude, auch der Elan kann etwas abnehmen. Das können wirklich ganz auffällige Frühsymptome sein.
Es kann eine richtiggehende Depression ein Erstsymptom der Parkinson-Krankheit sein.
Diese frühen psychischen Veränderungen können auf die medikamentöse Parkinson-Therapie dann mitunter ganz gut ansprechen.
Ein Teil der Patienten entwickelt aber eine Depression. Die Depression ist also ein ganz wichtiges Begleitsymptom der Parkinson-Krankheit, die im Querschnitt ungefähr immer ein Drittel unserer Patienten betrifft. Diese Depression sollte man auch behandeln. Das ist ganz wichtig, weil die Depression in einem sehr, sehr engen Verhältnis zur Lebensqualität steht. Also wer depressiv ist als Parkinson-Patient, hat eine schlechtere Lebensqualität. Deswegen ist die Behandlung der Depression ganz, ganz wichtig.
Etwas, was auch sehr, sehr früh auftreten kann, bereits vor Auftreten der motorischen Symptome, ist eine verstärkte Ängstlichkeit, also eine Angststörung. Angststörungen treten ja häufig schon in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter auf. Wenn im höheren Lebensalter bei einem Menschen, der nie ängstlich war, verstärkte Ängstlichkeit auftritt, dann ist das wirklich auch ein Warnzeichen in Richtung einer Parkinson-Krankheit. Ängstlichkeit ist etwas ganz, ganz Wichtiges und auch Belastendes.
Und etwas, was dann auch auftreten kann, sind psychische Veränderungen infolge der Medikamente. Dazu gibt es zwei Gruppen von psychiatrischen Symptomen.
- Das eine sind sogenannte Impulskontrollstörungen, die bereits im früheren Krankheitsverlauf auch bei jüngeren Patienten auftreten können.
- Und das andere sind Halluzinationen, die eher ein Symptom der fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit sind.
Auf welche Weise können sich Psychosen bei Parkinson äußern?
Psychotische Probleme sind also relativ häufige Symptome der fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit.
Sie werden das vielleicht selbst mal wahrgenommen haben. Eine sehr subtile Veränderung ist z.B., dass Patienten das Gefühl haben: Da ist jemand im Raum, der nicht wirklich da ist. Oder es steht jemand hinter mir an der Supermarktkasse. Da steht aber gar niemand. Dass dieses Gefühl der Anwesenheit muss keineswegs unangenehm sein. Es gibt also Betroffene, die sagen: „Das ist schön. Weil da ist mein Hund, der schon vor langem verstorben ist. Da habe ich einfach das Gefühl: Der ist bei mir im Raum.“ Also das muss absolut nichts Unangenehmes sein. Es ist aber etwas, worüber Sie die Ärztin oder den Arzt informieren sollten. Weil das ist sozusagen eine ganz, ganz milde Form der Halluzination, also von Trugwahrnehmungen, ist dieses Anwesenheitsgefühl, etwas, das sehr, sehr viele Parkinson-Patientinnen und -Patienten entwickeln.
Etwas, was auch ein mildes Symptom ist, das nicht weiter erschreckend häufig ist, ist so, dass im weiteren peripheren Gesichtsfeld so irgendwelche Schatten vorbeihuschen. Man nennt das Passage-Halluzinationen. Man kann nicht sagen, was das wirklich ist. Aber irgendwie ist da etwas komisch, ja, sehr flüchtig.
Eine dritte Veränderung, die sehr mild ist, keineswegs jetzt behandlungsbedürftig, aber trotzdem auch worüber man sprechen sollte, sind sogenannte illusionäre Verkennungen. Vielleicht haben Sie es selber gesehen: Sie schauen in einen Baum oder in den Busch. Das sind einfach Blätter. Und plötzlich haben Sie das Gefühl: Da ist ein Gesicht drin. Oder es ist ein Tier drin. Oder Sie haben das Gefühl: Da ist eine Eule oder sonst irgendwas. Und in Wahrheit kommen Sie dann drauf. Sie schauen länger hin – da ist überhaupt nichts gewesen. Das ist etwas, was man als Illusion und illusionäre Verkennung bezeichnet.
Diese drei Dinge sind milde, halluzinatorische Phänomene, die entstehen aus einer Wechselwirkung zwischen den Veränderungen im Gehirn bei der Parkinson-Krankheit und den Parkinson-Medikamenten. Diese ganz milden Veränderungen, die muss man nicht behandeln. Es ist nur wichtig, dass man drüber Bescheid weiß.
Es gibt nämlich einen Teil der Patientinnen und Patienten, bei denen werden diese Symptome stärker und es treten richtiggehende Halluzinationen auf. Diese Halluzinationen sind meistens visuell. Es gibt auch andere Formen von Halluzinationen, also von Trugwahrnehmungen. Die Parkinson-Patientinnen, -Patienten sehen meistens etwas. Und wenn ich etwas sehe, wo überhaupt nichts ist, also ich sehe ein Gesicht oder eine Person, das sind bei Parkinson-Patienten häufiger belebte Objekte, also Personen oder Tiere, auf einer weißen Wand oder einfach im Himmel, wo überhaupt nichts ist, dann ist es eine richtiggehende geformte visuelle Halluzination.
Im Frühstadium, wenn das erstmals auftritt, werden viele Patientinnen und Patienten das als Trugwahrnehmung als solche auch interpretieren. Das ist ganz, ganz typisch für sogenannte organische Halluzinationen, dass diese Einsicht in diesen irrealen Charakter dieser Halluzinationen noch erhalten ist. Und das kann manchmal auch ganz lustig oder eigenartig, aber nicht bedrohlich sein. Es kann aber auch bedrohliche Ausmaße annehmen.
Und im Verlauf der Erkrankung entwickeln vor allem Patienten, die unter sonstigen geistigen Veränderungen leiden, auch manchmal das Problem, dass sie diese Halluzinationen nicht mehr als irreal wahrnehmen.
Das können harmlose Kinder sein, aber auch bedrohliche Gestalten, und das kann für die Patienten dann wirklich ganz, ganz schrecklich sein. Vor allem, wenn das nächtlich auftritt oder die Patienten allein sind, können solche Halluzinationen äußerst belastend sein. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt muss man diese Halluzinationen unbedingt behandeln.
Zu welchen Verhaltensstörungen kann es bei Parkinson kommen und warum?
Also es gibt eine Reihe von Verhaltensstörungen, die typisch sind für die Parkinson-Krankheit.
Ein Teil dieser Störungen entstehen aus einer Wechselwirkung zwischen dem Nervenzellverlust im Gehirn und der Wirkung der Parkinson-Medikamente.
Das ist ein bisschen so zu sehen, wie bei den Dyskinesien. Ein gesunder Mensch, wenn er also ein Dopa einnehmen würde, würde auch keine Dyskinesien entwickeln. Ein Mensch mit Parkinson-Krankheit entwickelt als Reaktion auf die Parkinson-Medikamente diese Dyskinesien. Und so entwickeln Parkinson-Patienten auch leichter Verhaltensstörungen infolge der Parkinson-Medikamente.
Beginnen wir mal bei einem Problem, das mitunter auch junge Menschen haben, die betroffen sind, und zwar in einem relativ frühen Krankheitsstadium. Das sind die sogenannten Impulskontrollstörungen.
Diese stehen vor allem mit einer Medikamentengruppe in starker Verbindung. Das sind die sogenannten Dopamin-Agonisten. Die Dopamin-Agonisten wirken an denselben Bindungsstellen im Gehirn wie das Dopamin oder das Dopa, das wir medikamentös zuführen und das dann in Dopamin verwandelt wird. Die Dopamin-Agonisten wirken nur etwas schwächer, aber dafür viel länger anhaltend. Das Tolle bei diesen Medikamenten ist: Wir können sie heute dadurch, dass es Retard-Tabletten gibt, einmal täglich zuführen. Also das ist eine praktische Parkinson-Therapie, vor allem für jüngere Patienten, die vielleicht noch im Beruf stehen, die dann nur eine Tablette am Tag schlucken müssen, und damit ist es getan. Das ist also die Dopamin-Agonisten-Therapie. Dopamin-Agonisten machen aber häufiger als Dopa eben so genannte Impulskontrollstörungen, und dazu können leider auch sehr bedrohliche Symptome gehören:
- Das ist jetzt z.B. eine verstärkte Sexualität. Das kann mild sein, kein großes Drama. Aber das kann so weit gehen, dass Ehen wirklich in Folge dieses Problems zerbrechen.
- Ein zweites Problem ist Spielsucht. Das ist ganz was Bedrohliches, weil es ja auch zum finanziellen Zusammenbruch persönlich und von Familien führen kann.
- Ein drittes Problem ist pathologisches Essen mit Gewichtszunahme. Und ein viertes Problem kann auch Kaufsucht sein.
Da gibt’s auch ein bisschen Geschlechtsunterschiede zwischen betroffenen männlichen und weiblichen Patientinnen.
Aber diese Impulskontrollstörungen sind ein ganz, ganz großes Problem. Und man weiß mittlerweile, dass wahrscheinlich bis zu vierzig Prozent der Patienten, die Dopamin-Agonisten einnehmen, diese Probleme entwickeln können. Also das ist etwas, worüber man mit der Betreuerin oder mit dem Betreuer wirklich offen sprechen sollte, weil was hier harmlos beginnt, manchmal wirklich existenzbedrohend werden kann.
Ein weiteres Problem, das betrifft eher Patienten in einem fortgeschrittenen Parkinson-Stadium, ist das sogenannte Punding. Das ist eine pathologische Überaktivität. Das ist nicht so sehr mit Dopamin-Agonisten assoziiert, sondern generell mit allen Parkinson Medikamenten, vor allem auch mit Dopa. Auf gut Wienerisch würde man das als Wurschteln bezeichnen. Da sind die Patienten, die ständig irgendwas tun müssen. Sie können nicht stillhalten, müssen ständig was basteln oder räumen. Was die Patienten tun, hängt oft mit ihren früheren Interessen zusammen. Es gibt auch Betroffene, die immer gern Handarbeiten gemacht haben und die dann Tag und Nacht stricken oder sticken oder was auch immer. Und dieses Punding wird von den Betroffenen als entspannend erlebt. Sie können aber schwer damit aufhören. Und das führt dann dazu, dass auch die Nachtruhe oft nicht eingehalten wird und dass sich die Patienten dann am Ende völlig erschöpfen. Das ist nicht leicht behandelbar. Und manchmal bleibt nichts anderes über, als die Parkinson-Medikation etwas zu reduzieren, dass diese Patienten aus diesem Teufelskreislauf herauskommen – sogar um den Preis einer gewissen motorischen Verschlechterung.
Bei welchen Tätigkeiten benötigen PatientInnen im fortgeschrittenen Stadium häufig Unterstützung?
Ja, das können alle Bereiche des Lebens irgendwann sein.
- Also für viele Menschen wird die Mobilität das dominierende Problem sein. Das bedeutet, dass die Gehstrecke im Verlauf der Erkrankung abnimmt, dass Gehblockaden auftreten. Das kann natürlich auch dann, wenn dazu eine starke Sturzgefährdung tritt, weil das Klebenbleiben, das Freezing, sehr massiv ist und die Halte- und Stellreflexe zunehmend schlechter werden und die Haltung stärker nach vor oder zur Seite gebeugt wird, dann kann auch einfach die Sturzgefährdung so ein Problem darstellen, dass der Betroffene überhaupt nicht mehr alleine gehen kann. Oder viele Patienten gehen noch innerhalb ihres Wohnbereichs mit einem Vierradmobil oder mit einem Rollator, können aber das Haus nur mit einer Hilfsperson verlassen. Und damit sind natürlich alle Lebensbereiche, die mit Mobilität zu tun haben, massiv eingeschränkt.
- Eine weitere Einschränkung ist natürlich, wenn die manuelle Geschicklichkeit abnimmt. Häufig sind Haushaltstätigkeiten dann gemeinsam mit dem Stehen gehen, wenn das nicht funktioniert, wenn dann auch sozusagen die manuelle Geschicklichkeit abnimmt, kann alles im Haushalt deutlich erschwert werden, bis zur eigenen Körperpflege, bis zum Zubereiten von Essen, aber auch bis hin zu Mahlzeiten kann deutlich erschwert sein.
- Wenn die Sprechweise immer schlechter verständlich wird, wird natürlich die Kommunikation massiv erschwert.
- Und wenn autonome Symptome in den Vordergrund rücken, wenn eine massive Verstopfung da ist oder wenn eine massive Reizblase bis hin zu Inkontinenz da ist, werden natürlich die Betroffenen auch in diesen Lebensbereichen sehr, sehr viel Hilfe brauchen.
Parkinson ist leider eine Erkrankung, bei der die soziale Unterstützung und die pflegerische Unterstützung im fortgeschrittenen Stadium sehr, sehr wichtig sein kann.
Welche kognitiven Probleme können im fortgeschrittenen Stadium von Morbus Parkinson auftreten?
- Das können sehr milde Veränderungen sein im Sinne von Konzentrationsproblemen oder einer reduzierten Aufmerksamkeitsspanne. Das heißt, man kann sich nicht zu lange auf ein Gespräch, auf einem irgendeinen Inhalt konzentrieren.
- Ein weiteres Problem, das wir sehr häufig beobachten, ist, dass das Denken einfach langsamer wird. Das ist etwas, was man auch in der Kommunikation mit den Betroffenen wahrnimmt, dass es einfach länger braucht.
- Ein drittes Problem, das die Patienten oft sehr, sehr stört, ist, dass die Flüssigkeit der Sprechweise abnimmt, weil das Wortfinden nicht so gut funktioniert. Das ist für Umstehende oft gar nicht so auffällig. Das heißt, die Wortflüssigkeit nimmt ab. Das kann von den Patienten als äußerst, äußerst lästig wahrgenommen werden.
Das sind aber alles Veränderungen, die insgesamt relativ harmlos sind.
Im weiteren Verlauf der Erkrankung gibt aber Patienten, bei denen die Aufmerksamkeit wirklich stark abnimmt, wo wirklich auch Verwirrtheitszustände auftreten können und schließlich auch eine Abnahme der Planungsfähigkeit, Dinge zu organisieren und zu planen, deutlich zutage tritt. Das merkt man dann manchmal, wenn Patienten gerne Dinge beginnen, irgendetwas in der Wohnung zu räumen oder irgendetwas vorzubereiten und das aber nicht zu Ende führen können. Das ist auch etwas, was Betroffene sehr stören kann.
Und schließlich gibt es wirklich Patienten, die auch erhebliche Gedächtnisprobleme mit einer starken Vergesslichkeit entwickeln oder auch Probleme, räumlich wahrzunehmen, oder auch Dinge räumlich zu konstruieren. Diese räumlich-konstruktiven Fähigkeiten können bei der Parkinson-Krankheit auch gestört sein.
Woran kann man eine Parkinson-Demenz frühzeitig erkennen?
Ja, das ist nicht so ganz einfach, weil es ein gradueller Übergang ist.
Viele Menschen haben milde Veränderungen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit, die man nicht als Demenz klassifizieren würde. Wenn das aber etwas ist, was dann über Monate und Jahre schlechter wird und das Alltagsleben wirklich merkbar beeinflusst, dann muss man von einer Demenz sprechen.
Die Symptome sind dieselben wie bei milden Veränderungen, nur dass hier Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme nicht mehr subtil sind, sondern wirklich stören. Auch die geistige Verlangsamung kann wirklich erheblich sein.
Manchmal ist es überraschend, wenn eine Patientin oder ein Patient wirklich im Denken sehr stark verlangsamt ist, aber noch sehr, sehr gut orientiert ist und ein ganz gutes Gedächtnis hat.
Aber trotzdem: Diese massive geistige Verlangsamung und auch die Aufmerksamkeitsprobleme können im Alltag so stark werden, dass man von einer Demenz sprechen muss.
Und auch auf der anderen Seite natürlich: Auch dann treten natürlich auch häufig auch Probleme mit dem Gedächtnis auf. Dann werden Termine vergessen, Dinge verlegt. Ein bisschen so wie bei der Alzheimer-Krankheit. Wobei hier die Gedächtnisstörungen üblicherweise nicht das erste ist, sondern eher ein späteres Symptom.
Hier geht es zum Video-Interview: „Symptome des fortgeschrittenen Morbus Parkinson”
Die passende Therapie bei Morbus Parkinson
Warum wirken Medikamente mit der Zeit nicht mehr wie zuvor?
Das Kernproblem bei der Parkinson-Krankheit ist ein Verlust von Nervenzellen im Gehirn, die Dopamin produzieren.
Dieses Dopamin ist ein Nervenüberträgerstoff, der für Bewegung sehr, sehr wichtig ist. Dieser Verlust der Nervenzellen ist nicht ein Alles oder Nichts, sondern ein gradueller Prozess über viele, viele Jahre. Im Frühstadium der Erkrankung sind wahrscheinlich in den entscheidenden Gehirnteilen vielleicht 40, 50 Prozent der Nervenendigungen, aus denen Dopamin freigesetzt wird, verloren. Was wir tun, ist: Wir ersetzen dieses Dopamin dadurch, dass wir Dopa geben, die Vorläufersubstanz von Dopamin, die im Gehirn in Dopamin verwandelt wird.
In den ersten Krankheitsjahren ist es so, dass hier nicht alle Nervenendigungen verloren sind, in denen Dopamin produziert wird. Das heißt: Die noch vorhandenen Nervenendigungen, die natürlich Dopamin produzieren, nehmen auch dieses medikamentös zugeführte Dopa auf. Sie können es in Dopamin verwandeln und auch speichern und dann langsam freisetzen.
Im fortgeschrittenen Stadium gehen ja immer mehr Dopamin-Nervenendigungen verloren, und damit geht die Speicherfähigkeit des Gehirns für Dopamin verloren. Das führt dann dazu, wenn wir eine Dopa-Tablette einnehmen, dass das Gehirn auf einmal mit dem Blutstrom und über die Blut-Hirnschranke sehr viel Dopa erhält. Dieses Dopa wird sehr rasch in Dopamin umgewandelt. Und zwar gar nicht mehr in Dopamin-produzierenden Nervenzellen wahrscheinlich, sondern in Serotonin-produzierenden Nervenzellen. Und diese Nervenzellen haben keine Speicherkapazität für Dopamin. Das bedeutet: Das Gehirn bekommt eine ganze Welle von Dopa und damit Dopamin. Und das Dopamin wird dann im synaptischen Spalt relativ rasch abgebaut. Das Gehirn ist dann mit stark schwankenden Dopa-Spiegeln konfrontiert.
Und das, was die Betroffene, der Betroffene dann merkt ist: „Ich habe plötzlich eine sehr gute Wirkung. Ich nehme die Tablette, und in einer halben Stunde, Stunde geht es mir gut.“
Mit der Zeit wird dieser hohe Dopamin-Spiegel dann außerhalb der Nervenzellen im synaptischen Spalt sogar dazu führen, dass die Nervenzellen, die die Dopamin-Bindungsstellen tragen, die Dopamin-Rezeptoren, sogar zu stark stimuliert werden. Und dann werden dort die Überbewegungen, die Dyskinesien, ausgelöst. Aber nach einer Stunde, zwei, drei Stunden geht die Wirkung dann verloren.
Und vor Einnahme der nächsten Tablette bin ich in einem Zustand, wo meine Dopamin-Bindungsstellen nicht mehr genug Dopamin zur Verfügung haben. Und das nimmt der Patient als Off-Phase wahr.
Kurz gesagt: Den Wirkungsschwankungen liegt wahrscheinlich hauptsächlich eine verminderte Speicherkapazität des Gehirns für Dopamin im fortgeschrittenen Stadium zugrunde.
Was versteht man unter Wearing-Off und On-Off-Fluktuationen?
Wearing-Off-Fluktuationen, das sind Wirkungsschwankungen, bei denen Sie sagen können: „Jetzt werde ich wahrscheinlich ins Off verfallen.“ D.h.: Hier hat die Off Phase, die Phase der schlechten Wirkung der Parkinson-Medikamente mit dem Einnahmezeitpunkt der Medikamente zu tun. Das sind also Wirkungsschwankungen, bei denen die Off-Phasen sehr, sehr gut auf den Einnahmezeitpunkt der Parkinson-Medikamente bezogen werden können.
Auf der anderen Seite gibt’s Patientinnen und Patienten, wo man das nicht mehr kann. Der Patient nimmt seine Tabletten, so wie es vorgeschrieben ist, vielleicht um 6 Uhr in der Früh, 10 Uhr, 14, 18 Uhr, 22 Uhr. Die Tabletten wirken eine Zeit, und plötzlich, selbst wenn man sie um 10 Uhr eingenommen hat, die Tablette, und vorher nicht unmittelbar etwas gegessen hat, der Patient wird um 10:30 Uhr wieder besser, hat vielleicht ein Wearing-Off, aber dann, merkwürdigerweise um halb zwölf, ist er wieder schlecht. Das wäre dann eine On-Off-Phase. Das ist ein unerwartetes Off, das man eigentlich durch die Einnahme der Medikamente nicht so gut erklären kann.
Das Wearing-Off ist einfach wesentlich häufiger als das On-Off.
Und beim On-Off, sagt man, spielen komplexe Mechanismen eine Rolle. Eigentlich würde man erwarten, dass die Gabe des nächsten Medikaments eigentlich gar nicht unbedingt zu einer Besserung führen sollte.
In Wahrheit sitzt der Teufel im Detail, und manchmal ist das, was wir für ein On-Off halten, in Wahrheit ein verstecktes Wearing-Off.
Das ist nämlich z.B. der Fall, wenn der Patient zwischendurch etwas gegessen hat und die Tablette gar nicht dort ankommen kann, wo sie eigentlich ankommen sollte, nämlich im Dünndarm, wo das Dopa dann aufgenommen wird.
Wir wissen einfach, dass Patienten auch mit dem sogenannten On-Off z.B. auf tiefe Hirnstimulation, aber auch auf Pumpentherapien sehr gut ansprechen können.
Also das ist sozusagen der Hinweis: On-Off ist was kompliziertes, heißt aber nicht, dass man da medikamentös nichts mehr tun kann. Häufig funktioniert es nicht mit Tabletten, aber mit Pumpentherapien kann man diesen Patienten trotzdem oft in vielen Fällen helfen.
Wie und zu welchen Tageszeiten machen sich Wirkungsschwankungen häufig bemerkbar?
Also, die häufige Zeit für die schlechten Parkinson-Phasen, für die sogenannten Offs, ist der Morgen. Das ist wahrscheinlich dadurch erklärbar, dass man die letzten Parkinson-Medikamente oft schon früh am Abend einnimmt. Manche Patienten nehmen ihr letztes Medikament schon um 18 Uhr ein oder 20 Uhr, manchmal 22 Uhr. Und die Zeit zwischen 22 Uhr und, wenn jetzt die nächste Einnahme der Medikation um 8 Uhr morgens geplant wäre, das sind ja 12 Stunden. Das ist einfach eine lange Zeit. Da kann einfach die Wirkung der letzten Tablette völlig abgeklungen sein.
Und Sie erwachen dann mitunter schon sehr, sehr früh um vier oder fünf Uhr in der Früh, vielleicht mit einem Krampf im Bein, mit einer aufgestellten Zehe, mit Schmerzen, mit Zittern, mit Schwitzen, mit verstärkter Ängstlichkeit. Also der Morgen ist so eine wichtige Phase. Und da hilft natürlich die spätere Einnahme der letzten Tablette oder die frühere Einnahme der ersten Tablette, um dieses Problem ein bisschen in Zaum zu halten.
Eine weitere Phase, wo es häufig zu so einem Off kommt, ist der frühe Nachmittag. Hier spielen manchmal ein bisschen Einnahmefehler eine Rolle. Bei Patienten, die starke Wirkungsschwankungen haben, die relevante Wirkungsschwankungen haben, empfehlen wir immer, dass die Patientin, der Patient die Tablette vor den Mahlzeiten einnehmen sollte. Warum ist das so? Wenn ich esse, dann bleibt das Essen einmal eine Zeitlang im Magen liegen, bis sich der Pförtner öffnet und dann langsam der verdaute Brei aus dem Magen dann in den Dünndarm entlassen wird. Und die Dopa-Tablette bleibt dann einfach mit dem Essen im Magen liegen. Sie kann dann mitunter erst nach Stunden wirklich wirksam sein. Deswegen immer die Empfehlung für Patienten, die starke Wirkungsschwankungen haben: Bitte nehmen Sie Ihre Tabletten mit einem Glas Wasser ein und essen Sie erst nach einer Dreiviertelstunde, Stunde danach.
Und diese Interaktion zwischen Tabletteneinnahme und Mahlzeiten um die Mittagszeit führt oft dazu, dass die mittags eingenommenen Medikamentendosen überhaupt nicht wirken. Man spricht sogar von einem Dosisversagen dann häufig. Also das ist ein wesentliches Problem.
Und andere Zeit, die manche Patienten haben können, ist der späte Nachmittag nach sehr viel körperlicher Aktivität, wenn die Patienten am Nachmittag aktiv sind. Körperliche Aktivität kann schon auch mehr Dopa-Verbrauch dann irgendwie auslösen. Dann hat man dann einfach irgendwann zu wenig.
Wann muss die orale Therapie angepasst werden?
Die orale Therapie muss immer angepasst werden, wenn die Kontrolle der Symptome nicht befriedigend ist.
Das kann schon im Frühstadium einfach eine ganz leichte, graduelle Verschlechterung der Symptomatik sein bei einem Patienten, der gar keine Wirkungsschwankungen hat. Dann muss man einfach die Dosis der Parkinson-Medikamente leicht steigern.
Bei einer Patientin oder bei einem Patienten, die/der Wirkungsschwankungen hat, dann gibt’s eine ganze Menge von Tricks, wie man diese Lücken zwischen den Phasen guter Beweglichkeit kürzer machen kann. Also was man erreichen will, ist immer, dass die Betroffene oder der Betroffene den Großteil des Tages in einer guten Phase, also in einer guten Beweglichkeit verbringt, überwiegend im On. Und da gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, wie man die Tablettentherapie anpassen kann.
Wie kann die orale Therapie angepasst werden?
Da gibt’s viele Möglichkeiten.
Das erste ist die Anpassung der Dopa-Therapie.
Dopa ist ja das am stärksten wirksame Parkinson Medikament. Dopa wirkt immer bei der Parkinson-Krankheit, auch nach 30 Jahren Parkinson. Es wirkt halt nicht auf alle Symptome. Bei so stark fortgeschrittener Erkrankung haben viele Patienten Symptome, die dann eben auf Dopa nicht mehr ansprechen. Auf der anderen Seite haben fortgeschrittene Patienten immer auch Symptome, die noch immer ansprechen. Die Steifheit, das Zittern spricht auch im fortgeschrittenen Stadium meistens auf die Parkinson-Medikamente an.
Wenn ein Patient also Wirkungsschwankungen hat, wie kann man die Dopa-Therapie verändern, um das zu verbessern?
Wenn es eine morgendliche Unbeweglichkeit ist, dann ist ganz entscheidend, dass die Betroffene, der Betroffene das erste Medikament möglichst früh einnimmt. Ganz logisch. Am besten noch im Bett. Ich sage dann dem Patienten mitunter: „Bitte stellen Sie sich am Abend ein Glas Wasser ans Bett. Nehmen Sie die erste Parkinson-Tablette, die legen Sie sich gleich auf Ihren Nachttisch, wenn Sie aufwachen. Das erste, was Sie machen: Bitte nehmen Sie Ihre Tablette und trinken Sie kräftig nach. Wenn Sie Glück haben, haben Sie nach 20, 30 Minuten ein Ansprechen auf die erste Parkinson-Medikation. Und warten Sie nicht bis acht Uhr früh, wenn Sie um vier in der Früh aufwachen. Also, das wäre eine Möglichkeit.
Die zweite Möglichkeit ist mit der Dopa-Therapie, wenn sich eben die Wirkdauer verkürzt, ist: Dann nehme ich nicht mehr nur drei Einzeldosen, sondern vielleicht eine vierte, eine fünfte Einzeldosis, und man verkürzt die Einnahme-Intervalle. Man muss dann nur in aller Offenheit dazusagen: Dem ist eine gewisse Grenze gesetzt. Ich würde so sagen: Drei Stunden ist so etwa das kürzeste Dosierungsintervall, das einen Sinn macht. Warum? Wenn das Dosierungsintervall zu kurz wird, dann habe ich keine Zeit mehr für die Mahlzeiten zwischen den Tabletten. Selbst bei drei Stunden ist das Zeitfenster, wo ich was essen kann, etwa eine Dreiviertelstunde, Stunde nach den Tabletten bis zur Einnahme der nächsten Tablette so kurz, dass es dann bei der nächsten Tablette wieder zu befürchten ist, dass der Magen noch nicht leer ist. Also das ist letztendlich diese Wechselwirkung zwischen Tabletten und Mahlzeiten. Das kann die Dopa-Therapie in Tablettenform sehr, sehr stark limitieren.
Für Menschen, die in der Nacht eine schlechte Beweglichkeit haben oder dann mit Krämpfen aufwachen, kann ein langwirksames Dopa-Präparat unmittelbar vor dem Einschlafen eingenommen eine sehr große Hilfe sein. Das sind die sogenannten Retard-Präparate. Die haben nur vor dem Einschlafen einen Sinn. Sonst, während des Tages, macht das keinen Sinn.
Das sind alles Änderungen der Dopa-Therapie, die helfen können bei Wirkungsschwankungen.
Der zweite Schritt sind Medikamente, die die Wirkdauer von Dopa verlängern. Dopa wird ja im Gehirn zu Dopamin verwandelt. Andererseits wird Dopa bereits im Blutstrom abgebaut zu anderen Substanzen, die nicht in das Gehirn aufgenommen werden können, und auch im Gehirn, nachdem die Wirkung einsetzt, sehr rasch abgebaut. Und hier können Abbauhemmer von Dopa und Dopamin sehr hilfreich sind sein. Da sind einerseits MAO-B-Hemmer wie z.B. das Rasagilin, oder COMT-Hemmer wie das Entacapon, das es üblicherweise in Kombinationspräparaten gibt, oder auch jetzt als neuer COMT-Hemmer in Österreich verfügbar auch das Opicapon. Da sind also weitere Strategien, um die Wirkung davon Dopa zu verlängern.
Eine dritte Strategie ist: Man verwendet einfach eine pharmakologische Substanz, die länger wirksam ist als Dopa. Dopamin-Agonisten sind Dopa-ähnliche Medikamente. Sie binden im Gehirn am selben Ort an den Dopamin Bindungsstellen, den sogenannten Dopamin-Rezeptoren. Die Wirkung ist schwächer als die von Dopa, aber die Wirkung hält länger an. Das ist ein großer Vorteil für Patienten, die Wirkungsschwankungen haben.
Die nächste Strategie sind dann Medikamente, die nicht über das Dopamin-System wirken, also nicht über das Nervenüberträgersystem, sondern über andere Nervenüberträgersysteme, über andere Neurotransmitter. Das wäre z.B. das Amantadin. Amantadin ist eine Substanz, die einen starken Einfluss auf das Glutamatsystem hat, das auch eine wichtige Rolle für Bewegung spielt. Und das Amantadin ist eine sehr wertvolle Substanz in der Therapie des fortgeschrittenen Parkinson. Es ist als einzige Substanz sowohl gegen Unterbeweglichkeit, also gegen Off-Phasen, als auch gegen Überbeweglichkeit, gegen die Dyskinesien, wirksam. Also wenn das jemand gut verträgt, kann es oft eine große Hilfe sein.
Was, wenn orale Therapie alleine nicht mehr das gewünschte Ergebnis bringt?
Für Patienten, die auf alle diese Medikamente nicht ausreichend ansprechen und die schwere, plötzliche Offs haben oder in der Früh besonders schwere Offs haben, kann ein Dopamin-Agonist, der unter die Haut gespritzt wird, das Apomorphin sehr, sehr hilfreich sein als Notfall Medikament.
Und alle anderen Patienten, die trotz all dieser Maßnahmen unter Wirkungsschwankungen leiden, sind gute Kandidaten wahrscheinlich dann für eine Pumpentherapie oder für eine tiefe Hirnstimulation. Also alle anderen Betroffenen, die wirklich sehr belastende Wirkungsschwanken haben, sollten auf jeden Fall in einem Zentrum vorgestellt werden, das diese fortgeschrittenen Parkinson-Therapien wie Pumpen- oder die tiefe Hirnstimulation anbietet.
Wann ist eine psychologische Unterstützung sinnvoll?
Eine psychologische Unterstützung kann sinnvoll sein. Im Prinzip ist es so, dass das ärztliche Gespräch ja nicht nur dem fachlichen Informationsaustausch dient. Es ist ja immer auch etwas, das der Unterstützung des Patienten dienen soll, der Motivation des Patienten dienen soll, dem Austausch nicht nur über körperliche, sondern auch über psychische Probleme.
Also ich glaube, das ärztliche Gespräch ist hier die Basis.
Wenn der Patient seelisch sehr belastende Symptome hat, die medikamentös nicht gut kontrollierbar sind, und bereit ist dazu, dann gibt’s durchaus Situationen, wo auch eine psychologische Betreuung bei Parkinson-Patienten sehr, sehr hilfreich sein kann.
Welche Rolle spielen Logopädie, Ergo- und Physiotherapie im fortgeschrittenen Stadium?
Also die nicht-medikamentösen Therapien spielen eine ganz, ganz große Rolle, nicht nur im fortgeschrittenen Stadium, auch im frühen Stadium. Also ich würde sagen: Die Parkinson-Therapie besteht immer aus zwei Teilen.
- Das eine ist die medikamentöse Therapie,
- und das andere ist von Anfang an immer die nicht-medikamentöse Therapie.
Je weiter die Erkrankung voranschreitet, desto häufiger treten Symptome auf, die auf medikamentöse Therapie nicht ausreichend ansprechen. Und das ist ein ganz, ganz großer Platz für diese nicht-medikamentösen Therapien. Dann spielen Physiotherapie zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Mobilität und die Ergotherapie zur Verbesserung der Alltagsfertigkeiten und eben die Logopädie zur Verbesserung der Sprechfähigkeit und des Schluckens eine ganz, ganz wesentliche Rolle.
Was kann ich selbst tun, um einem Fortschreiten der Erkrankung entgegenzuwirken?
Ganz, ganz wichtig ist Bewegung. Das ist das, was Sie selbst tun können. Also ganz, ganz entscheidend: Mit der Diagnose einer Parkinson-Krankheit sollten Sie, wenn Sie bisher einen aktiven, körperlich aktiven Lebensstil verfolgt haben, diesen bitte beibehalten. Sport weitermachen, soweit das sicher möglich ist. Ein regelmäßiges Bewegungsprogramm. Wenn Sie das bisher nicht gemacht haben, dann einfach wirklich sich überlegen: Wie kann ich Bewegung in mein Leben integrieren?
Man weiß einfach mittlerweile aus Untersuchungen und Bewegungssensoren, dass sich Parkinson-Patienten leider bereits im Frühstadium wesentlich weniger bewegen als Menschen ohne Parkinson. Und umgekehrt: Bewegung und körperliches Training hat einen günstigen Einfluss auf die Symptome und den Verlauf der Erkrankung. Also das ist was ganz, ganz Wesentliches, was man beitragen kann.
Das zweite ist: Natürlich, es kommt immer wieder die Frage nach der Ernährung. Ernährung kann keine Wunder bewirken, aber eine gute Ernährung trägt einfach zum Wohlbefinden bei. Sie hat sicher auch einen gewissen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Zumindest auf jeden Fall auf die Symptome.
Das Wunderwort, das hier nicht nur für die Parkinson-Krankheit gilt, sondern auch für die Alzheimer-Krankheit, aber auch für Herz-Kreislauf-Krankheiten und Schlaganfälle, ist die mediterrane Diät. Was ist das? Eine Diät, die reich an Gemüse und an pflanzlichen Fetten ist, also vor allem Olivenöl, Nüsse, Fisch, weniger tierische Fette, und faserreich. Das ist nicht nur etwas, was grundsätzlich dem Körper und den Blutgefäßen guttut, sondern etwas, was auch die Verdauung belebt. Und die Verstopfung ist ja ganz großes Problem bei vielen Betroffenen. Eine gesunde, faserreiche Ernährung kann da also eine wesentliche Rolle spielen.
Das andere ist natürlich sozial: Ganz wichtig ist auch, dass sich die Betroffenen sozial nicht zurückziehen. Das ist natürlich auch ganz wichtig, dass das soziale Umfeld gut funktioniert, dass da Kontakte aufrecht bleiben. Und was diese sozialen Aspekte betrifft, ist die Kommunikation natürlich ganz wichtig. Und deswegen: Wenn z.B. eine Sprechstörung, verwaschenes, leises Sprechen die Kommunikation stark behindert, dann ist die Logopädie ganz, ganz wichtig, um die Kommunikation wirklich zu verbessern, dass die Betroffenen nicht vereinsamen.
Hier geht es zum Video-Interview: „Die passende Therapie bei Morbus Parkinson”
Gerätegestützte Therapiemöglichkeiten bei Parkinson
Was ist eine L-Dopa-Pumpe?
Eine L-Dopa-Pumpe ist ein Apparat, bei dem Dopa, das ist ja das wichtigste Parkinson-Medikament, das letztlich alle Patienten irgendwann brauchen, nicht in Tablettenform eingenommen wird, sondern in einer Gelform eingepackt ist. Es wird dabei über eine Pumpe durch ein Schlauchsystem, das direkt in den Magen geht, durch den Magen durch in den Dünndarm, direkt in den Dünndarm verabreicht.
Also der Magen wird hier durch dieses Schlauchsystem, eine sogenannte PEG-Sonde, in die eine Jejunal-Sonde eingefügt ist, umgangen.
Warum ist das so wichtig? Ein ganz wesentlicher Faktor für das Entstehen von Wirkungsschwankungen ist, dass die Dopa-Therapie, die in Tablettenform eingenommen wird, ja geschluckt wird, durch die Speiseröhre in den Magen geht und den Magen überwinden muss, den Pförtner überwinden muss, weil im Magen wird Dopa nicht in den Körper aufgenommen, sondern erst im Dünndarm. Wenn das Dopa auf einen vollen Magen trifft, bleibt es erstmal im Magen liegen, und diese Interaktion zwischen den Tabletten und der Nahrung ist ein ganz, ganz wesentlicher Faktor für die Entstehung von Wirkungsschwankungen.
Wenn wir Dopa entweder in die Vene verabreichen, was relativ kompliziert ist und schlecht vertragen wird, also das ist nur experimentell gemacht worden. Jetzt wird auch versucht, Dopa unter die Haut zu verabreichen. Auch das ist noch in einem experimentellen Stadium. Aber genauso, wenn man es direkt in den Darm verabreicht über eine Sonde, dann wissen wir, können wir damit im Blut sehr, sehr gleichmäßige Dopa-Spiegel erreichen. Das heißt: Das Gehirn bekommt dann auch aus dem Blutstrom das Dopa relativ regelmäßig, und damit kann man Wirkungsschwankungen massiv verbessern.
Für welche PatientInnen eignet sich eine L-Dopa-Pumpe?
Also der klassische Grund für eine Dopa-Pumpe sind Patientinnen und Patienten, die trotz einer gut eingestellten Parkinson-Medikation mit allen verfügbaren Medikamenten zum Schlucken, vielleicht einem Parkinson-Pflaster und vielleicht auch noch einer Parkinson-Spritze nicht ausreichend therapiert sind. Jeder Patient, der belastende Wirkungschwankungen hat, trotz dieser Verfahren, trotz dieser Medikamente sollte abgeklärt werden in Richtung einer Pumpen-Therapie oder einer tiefen Hirnstimulation, da diese Strategien wirklich zu einer massiven Verbesserung der Wirkungsschwankungen führen können und, auch das ist wissenschaftlich gut belegt, zu einer Verbesserung der Lebensqualität dann auch.
Welche Nebenwirkungen kann eine L-Dopa-Pumpe haben?
Jedes einschneidende, also man sagt invasive Verfahren kann natürlich Nebenwirkungen haben, auch Tabletten haben Nebenwirkungen.
Das Hauptproblem bei der Dopa-Pumpe ist der Zugang mit diesem Schlauchsystem in den Magen und dann durch den Magen in den Dünndarm. Das setzt voraus, dass dieses Schlauchsystem, diese sogenannte PEG-Sonde, implantiert wird in einem kleinen Eingriff. Bei diesem Eingriff geht man durch die Haut durch in den Magen. Das ist natürlich ein Eingriff, der nicht völlig steril ist, und dadurch kann in Folge des Eingriffs eine Bauchfellentzündung entstehen. Das ist sozusagen eine Nebenwirkung, die man wirklich fürchtet, die bei wenigen Prozent der Patienten auftreten kann. Man versucht es auch zu verhindern dadurch, dass man den Eingriff unter einer begleitenden Antibiotika-Therapie macht. Aber ganz zu verhindern ist es natürlich nicht. Zum Glück passiert das sehr selten.
Was aber häufig eine Folge dieses Einsetzens der Sonde ist, ist natürlich, dass man dann ein, zwei Wochen Bauchschmerzen hat. Das haben natürlich viele Patienten. Das ist jetzt nicht etwas, was primär angenehm ist. Aber beim Großteil der Patienten vergeht das, und beim Großteil der Patienten funktioniert das gut.
Wenn der Schlauchsystem einmal liegt, auch dann ist das Hauptproblem eine Verlagerung, eine mögliche Verlagerung der Sonde. Diese Sonde besteht ja aus einer größeren Sonde, die in den Magen geht. Und in diese sogenannte PEG-Sonde ist eine dünne Jejunal-Sonde eingefädelt. Diese dünnere Sonde, die geht bis in den Dünndarm, und manchmal passiert es durch unglückliche Umstände, dass diese dünnere Sonde zurückflutscht in den Magen, und dann muss man das in einer neuerlichen Magenspiegelung wieder an die richtige Stelle platzieren. Das ist kein Riesenproblem, aber es erfordert natürlich wieder einen Eingriff im Krankenhaus.
Diese Verlagerungen der Sonde sind das häufigste Problem, das wir bei Patienten mit einer Dopa-Pumpentherapie haben. Deswegen sollte diese Therapie auch an Zentren gemacht werden, wo man eine Neurologie hat, die sich um die Parkinson-Patienten kümmern kann, die sich mit diesen Pumpen auskennt und gleichzeitig eine Gastroenterologie, also eine internistische Abteilung, von mir aus eine chirurgische Abteilung, in der er eine hohe Erfahrung mit Magen-Darm-Spiegelungen und mit dem Setzen dieser Sonden besteht. Dann können diese zwei Fachbereiche gut zusammenarbeiten und Patienten, die dann Probleme haben, gut managen.
Was ist eine Apomorphin-Pumpe?
Eine Apomorphin-Pumpe ist ein apparatives System, wo Apomorphin, das ist ein Dopamin-Agonist, der in flüssiger Form vorhanden ist, über eine Pumpe und über einen ganz, ganz dünnen Katheter mit einer winzigen Nadel direkt unter die Haut verabreicht wird. Das heißt: Der Patient trägt eine kleine Pumpe mit sich herum. Es muss jeden Tag eine Nadel durch die Haut gestochen werden, die aber sehr dünn ist. Es ist nicht schmerzhaft. Und durch diese winzige Nadel wird dann Apomorphin meistens über den ganzen Tag kontinuierlich unter die Haut verabreicht.
Und die Wirkung von Apomorphin ist in etwa vergleichbar mit der von Dopa. Das ist ja das einzige Parkinson-Medikament, das gleich stark ist wie Dopa. Man kann also sagen, dass im Wesentlichen die Wirkung einer Apomorphin-Pumpe vergleichbar ist mit der Wirkung einer Dopa-Pumpe.
Für welche PatientInnen eignet sich eine Apomorphin-Pumpe?
Der Grund, eine Apomorphin-Pumpe zu versuchen, ist derselbe Grund wie der für eine Dopa-Pumpe: Das sind Patienten, die unter Wirkungsschwankungen leiden, unter Fluktuationen, die mit den herkömmlichen medikamentösen Therapiemaßnahmen, mit Tabletten zum Schlucken, vielleicht einem Parkinson-Pflaster, vielleicht auch einer Apomorphin-Spritze für Notfallsituationen oder für die morgendliche Unbeweglichkeit nicht ausreichend gut behandelt sind. Also schwere Wirkungsschwankungen sind der Hauptgrund für eine Apomorphin-Pumpe.
Welche Nebenwirkungen kann eine Apomorphin-Pumpe haben?
Apomorphin wird ja unter die Haut verabreicht.
- Also hier kann es zu einer Hautreizung durch das Medikament kommen, manchmal zu Rötungen, Knötchenbildungen. Das kann manchmal störend sein.
- Es kann wie alle Parkinson-Medikamente zu stark wirken mit einem Wort: Man hat eine zu starke Dopa-Wirkung, und das macht z.B. Überbewegungen oder auch psychische Veränderungen wie Halluzinationen. Das kann gelegentlich passieren. Das kann man meistens mit einer Anpassung der Dosis einigermaßen in den Griff kriegen.
- Und es gibt eine ganz, ganz seltene spezifische Nebenwirkung, eine Form der Blutarmut, die durch Apomorphin ausgelöst werden kann. Deswegen müssen Patienten, die eine Apomorphin-Pumpe haben sollen, in einem Zentrum, in dem viel Erfahrung mit diesem Pumpen-System besteht, betreut werden. Und für Patienten unter Apomorphin-Therapie ist es auch üblich, dass man in regelmäßigen Abständen Blutkontrollen macht.
Was ist eine tiefe Hirnstimulation?
Die tiefe Hirnstimulation ist ein chirurgisches Verfahren in der Parkinson-Therapie. Im Rahmen eines neurochirurgischen Eingriffs, einer Operation werden Elektroden in tiefe Kerne des Gehirns eingebracht. Durch diese Elektroden erfolgt eine Stimulation, eine elektrische Stimulation dieser tiefen Kerne des Gehirns.
Es ist also hier eine grundsätzlich andere Therapieform als die Therapie der Medikamente, sondern hier ist die therapeutische Maßnahme die direkte elektrische Stimulation von Nervenstrukturen.
Nach diesem neurochirurgischen Eingriff wird üblicherweise einige Tage danach dieses elektrische System ausgetestet. Und dann wird, wenn der Patient das gut toleriert und wenn es eine gute Wirkung in der Austestung zeigt, mit einer chronischen Stimulation begonnen. Und damit kann üblicherweise eine deutliche Verbesserung der Parkinson-Symptomatik erreicht werden, wenn die Patienten für diesen Eingriff gut ausgewählt sind.
Für welche PatientInnen eignet sich eine tiefe Hirnstimulation?
Das ist ähnlich wie bei den Pumpen-Therapien. Das sind vor allem Wirkungsschwankungen. Das ist der Hauptgrund für eine tiefe Hirnstimulation: Wirkungsschwankungen, die mit den herkömmlichen Parkinson-Medikamenten nicht beherrschbar sind.
Etwas, wo die tiefe Hirnsituation auch sehr hilfreich sein kann, sind Überbewegungen. Bei Patienten, die als Reaktion auf die Parkinson-Medikamente sehr starke Überbewegungen entwickeln, da kann die tiefe Hirnstimulation sehr, sehr hilfreich sein. Das gilt aber auch für die Pumpen-Therapien.
Für die tiefe Hirnstimulation gibt’s dann nur noch einen speziellen Grund, eine Situation, in der nur die tiefe Hirnstimulation helfen kann. Das ist das Zittern beim Parkinson, das auf medikamentöse Therapie nicht anspricht. Es gibt eine kleine Gruppe von Parkinson-Patienten, wo das Zittern schlecht auf Medikamente anspricht. Und das sind Patienten, die von einer zusätzlichen operativen Parkinson-Therapie sehr profitieren können.
Welche Nebenwirkungen kann die tiefe Hirnstimulation haben?
Die tiefe Hirnstimulation kann vielfältige Nebenwirkungen haben.
- Zum einen ist es ja mal ein operatives Verfahren. Und das erste, was man fürchtet, immer wenn man am Gehirn operiert, ist, dass man Gewebe verletzt, eine Blutung auslöst oder sogar einen Schlaganfall. Sowas kann passieren. Also das ist Punkt 1, also die Operation unmittelbar. Ein Teil der Patienten hat auch nach der Operation wahrscheinlich durch den Eingriff auf das Gehirn, aber auch wahrscheinlich durch Narkosewirkungen eine Verwirrtheit, eine Phase von Verwirrtheit. Das kann auch also besonders bei betagten Patienten ein Problem sein. Also das ist das eine. Das sind die operativen Risiken.
- Das zweite, das sind Risiken durch die Stimulation. Auch die Stimulation kann Nebenwirkungen haben. Die Stimulation kann zu viel machen. Dieses Zuviel kann sein, dass es zu Überbewegung nochmal im Frühstadium nach der Operation kommt, auch zu psychischen Veränderungen durch die Stimulation. Das kann man vielfach dann wieder korrigieren, wenn man diese Elektrostimulation umprogrammiert nach der Operation. Ein Teil der Patienten entwickelt eine Gewichtszunahme. Wie das genau funktioniert, weiß man nicht nach der tiefen Hirnstimulation. Bei einem Teil der Patienten kommt es zu einer Besserung der Motorik, aber zu einer Verschlechterung des Sprechens. D.h. die Sprache wird undeutlicher. Das ist etwas, was für die Patienten oft sehr störend sein kann. Also es gibt vielfältige Nebenwirkungen durch die Stimulation.
- Und das Dritte, was immer sein kann, auch wenn das System implantiert ist: Es kann auch mal versagen. Es kann etwas brechen bei einem Kabel und man muss dann das nachher operieren. Oder es kann zu einer Infektion, vor allem um diese Kabel, die unter die Haut verlegt sind, kommen.
Das heißt: Hier gilt ganz dasselbe wie für die Patienten mit den Pumpen-Therapien: Ein Patient, der so eine Therapie hat, ist nicht mit der Operation geheilt und entlassen, sondern der sollte in einem Zentrum betreut werden weiter, wo sehr, sehr viel Erfahrung mit dieser Therapie besteht.
Hier geht es zum Video-Interview: „Gerätegestützte Therapiemöglichkeiten bei Parkinson”
Umgang mit Veränderungen bei Morbus Parkinson
Was kann bei einer Blasenstörung helfen?
Also die Blasenstörungen bei der Parkinson-Krankheit sind häufig im Frühstadium schon eine milde Reizblase, die man jetzt nicht speziell behandeln muss. Dieser Blasenreiz kann stärker werden. Parkinson-Medikamente können einen gewissen positiven Einfluss darauf haben. Es kann aber so weit kommen, dass es für die Patienten wirklich sehr lästig wird letztendlich, weil sie außer Haus ständig eine Toilette brauchen. Und da kann es hilfreich sein, wenn man blasenberuhigende Medikamente verordnet. Diese Medikamente kann die Neurologin oder Neurologe verordnen oder auch der Urologe.
Allerdings: Wenn man die Blase beruhigt, dann muss man sehr darauf achten, dass die Blase nicht zu sehr beruhigt wird. Wenn das nämlich auftritt, dann bleibt zu viel Restharn in der Blase nach dem Urinieren. Und das prädestiniert zum Auftreten von Blasenentzündungen. Also üblicherweise, wenn wir ein blasenberuhigendes Medikament geben, vereinbaren wir mit dem Patienten: „Bitte achten Sie darauf: Wenn Sie auf die Toilette gehen und nicht mehr Wasser lassen können, müssen Sie dieses Medikament sofort absetzen. Und wenn Sie das Medikament gut vertragen, suchen Sie auf jeden Fall wieder Ihren Urologen auf. Der Urologe wird ganz simpel von außen einen Ultraschall der Blase machen nach dem Wasserlassen, nach dem Urinieren, und wird schauen, ob Sie einen sogenannten Restharn entwickelt haben.“ Wenn die Betroffenen zu viel Restharn haben, dann muss man dieses Medikament leider wieder absetzen. Aber trotzdem: Bei einem Teil der Patienten können diese Medikamente hilfreich sein.
Etwas anderes, was es leider im fortgeschrittenen Stadium manchmal geben kann, ist, dass der Patient ohne auslösende Medikamente sehr viel Restharn entwickelt, dass er die Blase nicht mehr ausreichend entleeren kann. Das ist häufig ein Problem in ganz, ganz stark fortgeschrittenen Stadien. Da muss man mitunter einen Dauerkatheter dann setzen.
Was kann bei starkem Speichelfluss helfen?
Starker Speichelfluss ist meistens ein Hinweis, dass die Parkinson-Symptomatik nicht gut kontrolliert ist, weil in Wahrheit ist es so, dass Parkinson-Patienten nicht mehr Speichel produzieren, sondern dass sie ihn weniger abschlucken.
Etwas, was da sehr, sehr hilfreich sein kann, ist Logopädie. In der Logopädie lernen die Patienten, bewusst häufiger zu schlucken. Das ist eine gute Maßnahme, um mit diesem Speichelfluss besser zurande zu kommen.
Wenn das nicht ausreicht, dann gibt es Medikamente, die den Speichelfluss reduzieren können. Das kann man versuchen. Es gibt sowohl Tabletten zum Schlucken als auch Tropfen, mit denen man den Speichelfluss beeinflussen kann. Das wird von manchen Patienten gut vertragen. Manche Betroffene mögen das nicht sehr, weil das wieder Mundtrockenheit auslösen kann.
Und bei Patienten, wo das ein besonders großes Problem ist, kann man auch eine Botulinum-Toxin-Behandlung der Speicheldrüsen versuchen. Man injiziert hier in die Speicheldrüsen eine ganz, ganz geringe Menge von Botulinum Toxin, und damit kann man den Speichelfluss für etwa 2, 3 Monate deutlich reduzieren.
Was sollte ich beachten, wenn ich Schwindelanfälle habe, wenn ich mich aufrichte?
Ja, dann sollte man zumindest einmal schauen, wie der Blutdruck im Sitzen und im Stehen ist oder im Liegen und Stehen. Das ist eine Aufgabe für die betreuende Ärztin, den betreuenden Arzt. Parkinson-Patienten haben häufig ein Problem mit der Blutdruckkontrolle. Es gibt ein Symptom, das man als orthostatische Hypotonie bezeichnet. Das sind Menschen, die im Sitzen, im Liegen, einen normalen Blutdruck, mitunter sogar einen hohen Blutdruck haben, und aufstehen, und kurz nach dem Aufstehen sackt der Blutdruck ab. Dieses Absacken des Blutdrucks führt einfach dazu, dass das Gehirn zu wenig Blut kriegt. Man hat so ein Leeregefühl im Kopf, kann schwindelig werden und dann sogar ohnmächtig werden.
Es gibt aber auch Patienten, die haben dieselben Symptome und können keinen Blutdruckabfall. Das ist ganz, ganz wichtig, dass man den Blutdruck wirklich misst. Weil das wird natürlich anders behandelt.
Es gibt auch Patienten, die haben einfach aus unklaren Gründen einen Schwindel beim Aufstehen.
Wichtige Maßnahmen, wenn wirklich der Blutdruck niedrig ist beim Aufstehen, sind eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Trinken Sie ausreichend.
Bei Menschen, die relativ wenig salzen, ist es dann manchmal auch hilfreich, ein bisschen mehr zu salzen, solange der Blutdruck im Sitzen und Liegen nicht zu hoch wird.
Manchen Patienten kann vor allem in der kalten Jahreszeit, wenn das so toleriert wird, dann geholfen werden mit Stützstrümpfen.
Bei manchen Patienten hilft ein Mieder um den Bauch. Das erhöht den Druck im Rumpf, im Körper, und damit hat man auch einen Einfluss auf den Blutdruck im Stehen. Das kann eine sehr, sehr wertvolle Maßnahme sein.
Und wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, dann kann gibt es medikamentöse Möglichkeiten, den Blutdruck zu beeinflussen.
Was kann bei Muskelkrämpfen und Schmerzen helfen?
Also bei Muskelkrämpfen und Schmerzen ist die ganz, ganz entscheidende Frage: Besteht das den ganzen Tag, oder besteht das nur zeitweise?
Bei der Parkinson-Krankheit wird das sehr häufig ein Off-Symptom sein. Wenn Sie diesen Krampf im Bein, in der Wade, ein Aufstellen der Zehen oder der großen Zehe am Morgen haben, wenn Sie erwachen, und Sie nehmen die erste Parkinson-Tablette am Morgen ein, und dieser Krampf lässt nach und verschwindet, und dieser Schmerz, dann ist es sehr, sehr wahrscheinlich, dass das ein Krampf und ein Schmerz im Off ist.
Was ist die Antwort darauf? Bitte nicht eine Schmerztablette. Sondern da muss das Ziel eine bessere Kontrolle der Wirkungsschwankungen im Laufe des Tages sein, mit allen medikamentösen Maßnahmen, die uns da zur Verfügung stehen: Tablettentherapien, Pflaster, Spritzen. Und für Patienten, für die diese normale Standardtherapie nicht ausreicht, da sind dann durchaus Probleme, wo man an eine Pumpen-Therapie oder an eine tiefe Hirnstimulation denken kann.
Was kann ich beachten, damit mich andere Personen in der Kommunikation besser verstehen?
Ja, also für die Sprechweise ist ganz wichtig, dass die Parkinson-Medikamente gut eingestellt sind. Auch bei der fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit ist ja ganz entscheidend: Ist das Sprechen den ganzen Tag gleichmäßig sehr, sehr schlecht verständlich? Oder treten diese Phasen, in denen man schlecht verständlich ist, verbunden mit einer verschlechterten Motorik allgemein auf? Dann wird es wahrscheinlich eben eine Sprechstörung im Off sein. Die richtige Reaktion wäre dann eine Optimierung der Parkinson-Therapie, damit die Dopa-Dosis während des Tages besser aufgeteilt ist, dass man alle zusätzlichen Parkinson-Medikamente, die verfügbar sind optimal nützt. Oder bei manchen Patienten, bei denen das mit normalen Maßnahmen eben nicht gelingt, kann man an eine Pumpen-Therapie vor allem denken oder auch an die tiefe Hirnstimulation.
Wenn das ein Problem ist, das dann auf Medikamente oder diese Maßnahmen nicht ausreichend anspricht, dann ist die nächste Maßnahme, die natürlich sehr hilfreich sein kann, die Logopädie.
In der Logopädie sind in den letzten zwei Jahrzehnten sehr, sehr gute neue Strategien entwickelt worden, in denen man sozusagen die Beobachtung gemacht hat, dass lautes, langsames, bewusst deutliches Sprechen zu einer deutlichen Verbesserung der Artikulation im Alltag führen kann. Es gibt als spezifische Logopädie-Technik z.B. das Lee Silverman Voice Training, das da angewendet wird, aber viele Logopäden machen intuitiv einfach etwas Ähnliches. Der Patient übt einfach beim Sprechen, laut und deutlich zu sprechen. Das ist auch etwas, wo ich Patienten drauf aufmerksam mache: „Versuchen Sie das mit Angehörigen, oder versuchen Sie das mehrmals am Tag, so einen kurzen Text laut und deutlich zu lesen.“ Auch das kann das Sprechen beeinflussen. Aber die zusätzliche fachmännische Betreuung da in einer Logopädie kann sehr, sehr hilfreich sein.
Wie kann man mit Gedächtnisproblemen umgehen?
Ja, also Gedächtnisprobleme sind nicht so einfach zu behandeln, das muss man in aller Offenheit sagen.
Ein Aspekt bei Gedächtnisproblemen und bei geistigen Veränderungen in der fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit ist die medikamentöse Therapie. Es gibt ein Medikament, für das gesichert ist, dass es die geistige Leistungsfähigkeit beim Parkinson verbessern kann. Das ist das Rivastigmin. Diese Gedächtnisprobleme und geistigen Probleme bei der fortgeschrittenen Parkinson-Krankheit haben mit einem Verlust eines Nervenüberträgerstoffs zu tun, der wichtig ist für Konzentration und Gedächtnis, das Acethylcholin. Und des Rivastigmin ist ein Medikament, das den Abbau von Acethylcholin im Gehirn, vor allem in der Gehirn Rinde hemmt. Damit bleibt in der Hirnrinde das Acethylcholin länger erhalten und länger wirksam. Und es gibt durchaus Patienten, die davon eine deutliche Verbesserung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Also eine Einstellung auf Rivastigmin sollte man bei Patienten mit geistigen Problemen auf jeden Fall versuchen.
Die zweite Maßnahme, vielleicht sogar die erste Maßnahme, ist natürlich, dass man Medikamente absetzt, die die geistige Leistungsfähigkeit verschlechtern können. Es gibt sogar eine Gruppe von Parkinson-Medikamenten, die sozusagen genau das Gegenteil machen. Das sind die sogenannten Anticholerinergika. Das ist eine Gruppe von Medikamenten, die die Parkinson-Motorik deutlich verbessern kann. Anticholinergika waren auch sehr lange Zeit die einzigen Medikamente, die es für die Parkinson-Krankheit gegeben hat bis in die 60er Jahre. Und es gibt nicht nur die klassischen Anticholinergika, die man in der Parkinson-Therapie einsetzt, sondern es gibt auch manche Medikamente zur Blasenberuhigung, Medikamente gegen Durchfall, oder auch Mittel gegen Depression, altmodische, die auch so eine Wirkung entfalten können, die Anticholinergika sind und damit zu einer geistigen Verschlechterung führen können. Also diese Medikamente sollte man unbedingt absetzen.
Wie kann sich Parkinson auf die Sexualität auswirken?
Ja, auf verschiedene Art und Weise, muss man sagen.
Also ich würde sagen, meine Beobachtung ist also sicher, dass viele Patienten im Rahmen ihrer Parkinson-Depression auch ein vermindertes sexuelles Bedürfnis, eine verminderte Libido haben. Da kann die Einstellung dann auf die Parkinson-Medikamente eigentlich zu einer Verbesserung führen.
Etwas, was auch auftreten kann, ist ein vermindertes Erektionsvermögen. Das kann für die Betroffenen sehr, sehr belastend sein. Oft ist es, nachdem dieses Problem ja auch häufig im höheren Lebensalter auftritt, gar nicht leicht zu sagen: „Ist das jetzt der Parkinson, der das macht? Ist es das Alter? Sind es Begleiterkrankungen, wie z. B. eine Zuckerkrankheit oder so, die der Auslöser ist?“ Das Wichtige in dem Zusammenhang ist nur: Wenn es ein belastendes Symptom ist, bitte: Das gehört zum Urologen oder zur Urologin. Diesem Problem kann nämlich mit Medikamenten geholfen werden. Und der Grund, dass man Parkinson-Krankheit hat, ist kein Grund gegen eine Therapie zur Verbesserung der Erektionsfähigkeit wie z.B. mit Sildenafil.
Das dritte ist: Die Parkinson-Medikamente selbst können die Sexualität, das Bedürfnis nach Sexualität verbessern. Das kann positiv sein. Sie können aber auch die Libido in ein übersteigertes Maß verstärken und zu einer verstärkten, unnatürlich verstärkten Sexualität führen, das, was man also medizinisch als Hypersexualität bezeichnet. Und das kann wirklich dazu führen, dass die betroffene Patientin oder der Patient das Gefühl hat: „Das bin nicht ich selbst. Das ist zwar schön, aber dieses Ausmaß an sexuellem Bedürfnis, das bin nicht ich.“ Und vor allem auch die Partnerin oder auch der Partner kann das so wahrnehmen, dass das einfach nicht mehr ganz stimmt. Das ist etwas, was man sehr behutsam angehen muss, wo oft wirklich wichtig ist, den Ehepartner da in das ärztliche Gespräch mit einzubeziehen, weil die Auslöser dieses Problems sehr häufig Dopamin-Agonisten sind, also diese Hypersexualität ist ein Teilaspekt der Impulskontrollstörungen. Und manchmal erfordert das auch eine Umstellung der Parkinson-Medikamente. Wichtig ist, dass man über das Problem genauso wie andere psychische und körperliche Probleme hinter der Erkrankung spricht. Das ist einfach auch ein Teilaspekt der ärztlichen Betreuung.
Was kann bei Schlafproblemen helfen?
Der Schlaf ist ja beim Parkinson ein ganz, ganz vielfältiges Symptom. Und das erste, was gestört sein kann, ist, dass die Motorik im Schlaf eigentlich nicht gut kontrolliert ist, dass der Patient in der Nacht in eine schlechte Parkinson-Phase fällt, in eine sogenannte Off-Phase. Und dann ist natürlich eine Optimierung der Parkinson-Therapie ganz, ganz entscheidend. Das kann mit medikamentösen Maßnahmen sein, z.B. die Einnahme eines Dopa-Retard-Präparats vor dem Einschlafen oder eine Einstellung auf einen Dopamin-Agonisten zum Schlucken bis hin zu einer Pumpen-Therapie, die man dann bei einzelnen Patienten ja sogar über 24 Stunden laufen lassen muss, um den Schlaf zu verbessern. Oder auch die tiefe Hirnstimulation kann zu einer Besserung des Schlafes über eine Verbesserung der motorischen Parkinson-Symptomatik führen.
Also das sind sehr, sehr vielfältige Ansätze.
Ein anderer Teil der Menschen, die betroffen sind, hat eine REM-Schlafverhaltensstörung als Hauptproblem für den Schlaf. Sie schlafen zwar, aber leben im Schlaf die Träume aus. Das kann zu gewaltsamen Bewegungen führen oder zu Schreien im Schlaf, und Patient kann dadurch selbst aufwecken. Auch dafür gibt’s wieder spezifische Medikamente.
Und dann gibt’s noch etwas, was man am Schluss erwähnen muss: Schlaftherapie bei Parkinson ist wie sonst Parkinson-Therapie nicht nur medikamentöse Therapie. Ganz, ganz wichtig sind auch nicht-medikamentöse Maßnahmen. Das ist sozusagen ein guter Tag-Nacht-Rhythmus. Das ist ganz, ganz wichtig, dass man die Patienten aufmerksam macht: „Bitte, auch wenn Sie in der Nacht schlecht schlafen – legen Sie sich nicht mittags ins Bett und bleiben bis um 4 Uhr nachmittags im Bett. Wie sollen Sie da jemals schlafen können?“
Körperliche Bewegung ist ganz, ganz wichtig auch für den Schlaf. Ein richtiges Ausmaß an körperlicher Aktivität ist auch für die Parkinson-Patienten sehr, sehr wichtig.
Also viele Bestandteile:
- Bewegung während des Tages,
- nicht schlafen während des Tages,
- die richtige Einstellung der motorischen Parkinson-Symptomatik.
- Und wenn das alles nicht reicht: im Spezialfall tatsächlich schlaffördernde Medikamente.
Wie kann man mit visuellen Halluzinationen umgehen?
Ja, wenn ein Patient visuelle Halluzinationen hat, die stören, dann sollte man das behandeln. Das ist ein mehrstufiger Prozess.
Wenn das Ganze wirklich total akut ist und der Patient ins Krankenhaus kommt, weil er keine Einsicht mehr in den irrealen Charakter dieser Halluzinationen hat oder einen Wahn entwickelt hat, dann müssen wir im Krankenhaus sehr schnell reagieren und spezielle Medikamente geben.
Wenn das Ganze aber nicht so dramatisch ist wie bei den meisten Fällen, dann wird man nochmal gut nachdenken: „Was ist hier eigentlich der Auslöser der Halluzinationen?“ Das erste ist immer: „Wie ist der allgemeine Zustand der Patientin oder des Patienten? Hat der Patient vielleicht eine Blasenentzündung, irgendeine andere Art der Infektion? Trinkt er zu wenig? Also ist er ausgetrocknet? Oder hat er vielleicht einen kleinen Schlaganfall? Ist er gestürzt und hat sich dadurch eine schwere Gehirnerschütterung zugezogen?“
Also es gibt manchmal Auslöser für diese Halluzinationen. Und dann ist natürlich ganz das Entscheidende sozusagen, dass man diese Auslöser beseitigt.
Das zweite ist: Schauen wir uns die ganze Medikation des Patienten an. Bei der Medikation steht immer an erster Stelle: „Gibt’s Medikamente, die die geistige Leistungsfähigkeit des Patienten deutlich verschlechtern können und deswegen Halluzinationen auslösen können?“ Und hier gibt’s eine Medikamentengruppe, die ganz, ganz wichtig ist. Das sind anticholinerg wirksame Substanzen. Anticholinergika können die Parkinson-Symptomatik verwenden, die werden bei jüngeren Patienten eingesetzt, zum Teil vor allem dann, wenn das Zittern schwer behandelbar ist. Bei älteren Menschen können die aber zu Verwirrtheit und Halluzinationen führen. Und manchmal versteckt sich diese anticholinerge Wirkung in einem anderen Medikament: Manche Blasenmedikamente, manche Antidepressiva haben eine anticholinerge Wirkung in der Hirnrinde und verschlechtern deswegen die geistige Leistungsfähigkeit. Und diese Medikamente soll man tunlichst absetzen.
Es gibt auch andere Parkinson-Medikamente, die man dann eher reduzieren und schrittweise absetzen sollte. Das wichtigste Parkinson-Medikament in so einer Situation, wenn jemand schwere Halluzinationen hat, ist Dopa. Weil Dopa selbst kann schon auch Halluzinationen auslösen, aber weniger leicht als z.B. Dopamin-Agonisten. Das heißt: Bei solchen Patienten, das geht vor allem um Patienten, die sehr betagt sind, die eine allgemeine geistige Veränderung haben, vielleicht so weit, dass man schon von einer Parkinson-Demenz sprechend kann/muss. Da ist es sinnvoll, die Parkinson-Therapie zu vereinfachen und eher auf eine Dopa-Therapie zu beschränken.
Und wenn all das zu keiner guten Kontrolle der Halluzinationen führt, dann gibt’s zwei Medikamente, die spezifisch gegen Halluzinationen wirken, die man dann einsetzen kann.
- Das eine ist Quietiapin, das man relativ unkompliziert einsetzen kann, wenn der Patient das verträgt. Das ist nur ein sehr müde machendes Medikament, das man dann eben vor dem Schlaf gibt.
- Und ein zweites Medikament, das etwas komplizierter ist, eine stärker wirksamere Substanz, das Clozapin, das aber nur durch wirklich Spezialisten verabreicht werden sollte, weil das Clozapin eine sehr genaue Nachkontrolle der Patienten erfordert. Da muss man unter anderem in den ersten 18 Therapiewochen jede Woche eine Blutkontrolle machen, weil das schwere Blutbildveränderungen machen kann. Aber für die Patienten mit ganz schweren Halluzinationen ein sehr, sehr wertvolles Medikament.
Wie kann man mit psychischen Veränderungen umgehen?
Wenn wir das ein bissel durchgehen, was alles beim Parkinson auftreten kann,
- das ist eine Depression,
- das ist Angst.
Das sind sicher die zwei wichtigsten Aspekte.
Dann gibts also Verhaltensstörungen wie die
- Impulskontrollstörungen, die schon früh im Verlauf der Erkrankung auftreten können.
- Dann die Überaktivität im fortgeschrittenen Stadium, das sogenannte Punding.
Und dann schließlich geistige Veränderungen wie
- geistiger Abbau
- oder auch Halluzinationen.
Also alle diese Veränderungen erfordern spezifische Therapie. Die häufigsten Probleme gerade auch im Frühstadium sind natürlich die Depression und die Angst.
Wenn man das jetzt vor sich hat, Sie das vielleicht spüren, ist wie bei allen Symptomen bei der Parkinson-Krankheit immer die Frage: Ist es ein Problem, das über den ganzen Tag gleich anhält? Dann wird es eine richtige Depression sein oder eine anhaltende Ängstlichkeit. Oder ist das etwas, was episodisch kommt über den Tag?
Z.B.: Der Patient wacht auf, ist völlig depressiv oder total ängstlich. Dann nimmt er sein erstes Parkinson-Medikament, und sein seelischer Zustand verbessert sich. Um 10 Uhr am Vormittag wird er wieder ängstlich oder wieder depressiv. Er fühlt sich wie in einem schwarzen Loch. Sie können nicht mehr denken, haben Sie das Gefühl. Dann nehmen Sie die nächste Tablette, und Ihr psychisches Befinden wird wieder besser.
Das sind psychische Veränderungen in der sogenannten Off-Phase. Das ist ganz, ganz wichtig, dass man von psychischen Veränderungen unterscheidet, die den ganzen Tag anhalten, anhalten. Weil diese Off-assoziierten psychischen Veränderungen, die sollte man genau so wie die motorische Parkinson-Symptomatik durch eine Anpassung der Medikamente für die Motorik, durch eine Anpassung der Parkinson-Medikamente behandeln. Das sind jetzt Anpassungen der Tablettentherapie, oder wenn es mit Tabletten nicht ausreicht, auch eine Pumpen-Therapie oder eine tiefe Hirnstimulation. Also ein Teil dieser psychischen Veränderungen kann ein Ausdruck von Wirkungsschwankungen sein. Das ist ganz, ganz wichtig, dass man das versteht.
Wenn es etwas ist, was anhält über den ganzen Tag jetzt und das über Tage und Wochen, dann sprechen wir wirklich von einer Parkinson-Depression. Und diese Parkinson Depressionen können sich auch bessern, wenn man die Parkinson-Medikamente optimiert. Das ist ein wichtiger Schritt. Und das andere, wenn das nicht ausreicht, dann sollte man das mit antidepressiven Medikamenten behandeln. Da gibt’s gute wissenschaftliche Untersuchungen mittlerweile dazu, dass auch die Depression der Parkinson-Krankheit so wie die Depression in der Allgemeinbevölkerung mit antidepressiven Medikamenten gut behandelbar ist.
Etwas, wo es eigentlich wenig Studien dazu gibt und was aber für viele Patienten ein sehr belastendes Symptom ist, ist Angst. Da gibt’s de facto fast keine Untersuchungen, keine wirklich guten wissenschaftlichen bei der Parkinson-Krankheit, zur Behandlung der Angst beim Parkinson. Wir wissen aber, dass Angststörungen in der Allgemeinbevölkerung gut auf ähnliche Medikamente ansprechen, wie man sie auch bei der Depression einsetzt. Also was die Therapie-Prinzipien sind, hier ganz ähnlich: Man gibt da Antidepressiva. Wenn die nicht gut vertragen werden oder ausreichend vertragen, also gut vertragen werden, dann gibt’s hier noch Ausweichmedikamente, wie man sie sonst auch bei Angststörungen verwendet.
Hier geht es zum Video-Interview: „Umgang mit Veränderungen bei Morbus Parkinson”
Geprüft Univ.-Prof. Dr. med. Walter Pirker: Stand Februar 2021 | Text-Aktualisierung: Stand August 2024