Seit man weiß, dass auch Tumorzellen Hormonrezeptoren tragen, ist deren Bedeutung stetig gewachsen. Mittlerweile nehmen sie im Zusammenhang mit Brustkrebs (auch Mammakarzinom genannt) einen zentralen Stellenwert ein. Hormonrezeptoren sind wichtig bei der Diagnose, für die Therapie und auch für das Abschätzen der Prognose einer Brustkrebs-Erkrankung.
Priv.-Doz. Dr. Michael Hubalek, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, beantwortet im Video "Hormonrezeptoren bei Brustkrebs" folgende Fragen:
Klicken Sie auf eine Frage, um direkt zum entsprechenden Videoabschnitt zu springen!- Welche Rolle spielen Hormonrezeptoren im Zusammenhang mit Brustkrebs?
- Was ist der Unterschied zwischen hormonabhängigen und hormonunabhängigen Tumoren?
- Warum ist die Charakterisierung einer Brustkrebserkrankung nach dem Hormonrezeptorstatus wichtig?
- Was sind die therapeutischen Konsequenzen, wenn der Tumor als hormonabhängig eingestuft wird?
- Welchen Unterschied macht es, ob sich die Patientin im gebärfähigen Alter oder in der Menopause befindet?
- Kommt bei Vorliegen von Hormonrezeptoren in jedem Fall eine Hormontherapie in Frage?
- Wie lange muss eine Hormontherapie durchgeführt werden?
- Auf den Punkt gebracht
Video Transkript
Welche Rolle spielen Hormonrezeptoren im Zusammenhang mit Brustkrebs?
Hormonrezeptoren spielen eine wesentliche Rolle im Zusammenhang mit Brustkrebs.
Es wurde bereits vor hundert Jahren entdeckt, dass Tumoren hormonabhängig reagieren. Damals wurden Frauen Eierstöcke entfernt, und man konnte beobachten, dass bei diesen Frauen, die unter Brustkrebs litten, das Tumorwachstum massiv reduziert wurde.
Heutzutage bestimmen wir bei allen Brustkrebsformen die Hormonrezeptoren. Die können vorhanden sein oder nicht vorhanden sein. Beim Großteil der Brustkrebserkrankungen sind Hormonrezeptoren vorhanden. Hier variiert die Menge der Hormonrezeptoren, und die Art der Hormonrezeptoren variiert mit dem Alter der Patientin.
Die Hormonrezeptoren sind für die Therapie, aber auch für die Prognose wichtig:
- Für die Therapie insofern, als dass wir spezifische Medikamente, haben die wir gegen hormonabhängige Tumoren einsetzen können.
- Und zum anderen wissen wir, dass hormonabhängige oder Hormonrezeptor-positive Tumoren eine deutlich bessere Prognose aufweisen wie Hormonrezeptor-negative oder Hormon-insensible Tumoren.
Was ist der Unterschied zwischen hormonabhängigen und hormonunabhängigen Tumoren?
Hormonabhängige Tumoren tragen, wie sich schon aus dem Begriff erklären lässt, Hormonrezeptoren. Sie haben ein spezifisches Ziel, wo wir auch mit unserer Therapie angreifen können. Wir können den Rezeptorblock mit verschiedensten Medikamenten blockieren.
Bei Hormon-negativen oder Hormon-unabhängigen Tumoren ist dies nicht möglich. Bei diesen Tumorarten ist meist eine Chemotherapie notwendig und eine aggressive Behandlung die Folge.
Hormonrezeptor-positive Tumoren haben prinzipiell eine bessere Prognose wie Hormonrezeptor-negative Tumoren.
Warum ist die Charakterisierung einer Brustkrebserkrankung nach dem Hormonrezeptorstatus wichtig?
Die Charakterisierung nach dem Hormonrezeptor-Status ist aus prognostischer Sicht wichtig, weil Hormonrezeptor-positive Tumoren eine bessere Prognose haben. Das heißt: Hier sind weniger aggressive Therapien notwendig.
Aber es ist auch aus therapeutischer Sicht enorm wichtig, da wir spezifische zielgerichtete anti-hormonelle Therapien einsetzen, um das Wachstum der Erkrankung zu reduzieren und überhaupt zu verhindern.
Was sind die therapeutischen Konsequenzen, wenn der Tumor als hormonabhängig eingestuft wird?
Die therapeutischen Konsequenzen bei einem hormonabhängigen Tumor bestehen insofern darin, als dass wir eine spezifische Therapie zur Verfügung haben.
- Bei jungen Frauen wird zusätzlich die Hormonproduktion in den Eierstöcken blockiert und eine anti-hormonelle Therapie, sprich eine Blockade der Hormonrezeptoren durchgeführt.
- Bei älteren Frauen, welche keine eigene Hormonproduktion in den Eierstöcken mehr haben, wird eine anti-hormonelle Therapie in Form einer Blockade der Östrogen-Produktion verwendet.
Diese Therapien haben sich als hocheffektiv herausgestellt.
Welchen Unterschied macht es, ob sich die Patientin im gebärfähigen Alter oder in der Menopause befindet?
Der Menopause-Status, sprich: die Tatsache, ob die Patientin noch selbst Hormone in ihren Eierstöcken bildet oder nicht, spielt eine wesentliche Rolle in der Behandlung von Brustkrebs.
Wir wissen, dass die hormonelle Therapie intensiver gestaltet werden muss im Sinne, dass bei jungen Frauen die Hormonproduktion in den Eierstöcken blockiert werden muss. Damit unterscheidet sich die Therapie bei jungen Frauen doch deutlich von der Therapie bei älteren Frauen.
Prinzipiell aber ist die Behandlung als ähnlich einzuschätzen.
Kommt bei Vorliegen von Hormonrezeptoren in jedem Fall eine Hormontherapie in Frage?
Prinzipiell ja. Bei jeder hormonabhängigen Therapie kommt früher oder später eine Hormontherapie oder Anti-Hormontherapie zum Einsatz.
Allerdings muss man unterscheiden: Bei weit fortgeschrittenen Erkrankungen mit vielen befallenen Lymphknoten kann durchaus auch eine Chemotherapie vor der geplanten Anti-Hormontherapie notwendig sein.
Wie lange muss eine Hormontherapie durchgeführt werden?
In der frühen Erkrankungsphase wird empfohlen, die Therapie für fünf bis zehn Jahre durchzuführen. In der metastasierten, in der fortgeschrittenen Erkrankungsphase sollte die Therapie solange erhalten werden, wie die Lebensqualität der Patientin gut ist beziehungsweise solange, bis die Erkrankung fortschreitet und mit der Anti-Hormontherapie nicht mehr zu kontrollieren ist.
Auf den Punkt gebracht
Hormonrezeptoren bei Brustkrebs
- Hormonrezeptoren spielen bei Brustkrebs eine wesentliche Rolle.
- Durch die Blockade von Hormonrezeptoren bzw. den Eingriff in das Hormonsystem kann die Erkrankung effektiv und relativ nebenwirkungsfrei behandelt werden.
Die Bedeutung von Östrogen und Progesteron
Die beiden wichtigsten Geschlechtshormone bei der Frau sind die Östrogene und die Gestagene. Sie werden in den Eizellen, den Eierstöcken, der Plazenta und in geringen Mengen auch in den Nebennieren produziert.
Wie wirken Östrogene (z. B. Estradiol)?
Östrogene, vor allem Estradiol (auch Östradiol), sind für die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale zuständig, unter anderem für die Entwicklung der Brustdrüse. Außerdem ist Estradiol das Haupthormon der ersten Zyklushälfte, indem es die Gebärmutterschleimhaut aufbaut und am Eisprung mitbeteiligt ist.
Wie wirken Gestagene (z. B. Progesteron)?
Das wichtigste Gestagen ist Progesteron, auch Gelbkörperhormon genannt. Es ist das Haupthormon der zweiten Zyklushälfte und auch der Schwangerschaft, indem es die Gebärmutterschleimhaut auf eine Einnistung vorbereitet und aufrechterhält. An der Brustdrüse fördert Progesteron Zellwachstum und Zellteilung sowie die Sekretionsbereitschaft.
Für die Ausbildung der körperlichen Reife bei jungen Frauen ist Östrogen das Haupthormon. Im gebärfähigen Alter stehen Östrogen und Progesteron in einem Gleichgewicht. Mit dem Wechsel beginnt die Östrogenproduktion nachzulassen.
ER+ oder PR-: Was bedeutet das?
Die Zellen der Brustdrüse tragen an ihrer Zelloberfläche Rezeptoren für die wichtigsten Geschlechtshormone Östrogen (Estradiol) und Progesteron. Beide Arten von Rezeptoren finden sich auch an Tumorzellen, jedoch nicht bei allen. Rezeptoren können deshalb für eine nähere Bestimmung des Tumors herangezogen werden.
Die Rezeptoren werden nach dem entsprechenden Hormon benannt und mit einer Abkürzung versehen:
ER
Hormonrezeptoren (HR) für das Geschlechtshormon Östrogen (Estradiol)
PR
Hormonrezeptoren (HR) für das Geschlechtshormon Progesteron
Sind bei mindestens einem Prozent der Tumorzellen Rezeptoren vorhanden, wird die Abkürzung mit einem „+“ versehen. Finden sich keine Rezeptoren, wird ein „–“ angefügt.
ER+ | Der Tumor ist östrogen-rezeptor-positiv und hormonabhängig. |
ER- | Die Tumorzellen tragen keine Östrogen-Rezeptoren. |
PR+ | Der Tumor ist progesteron-rezeptor-positiv und hormonabhängig. |
PR- | Die Tumorzellen tragen keine Progesteron-Rezeptoren. |
Die Bestimmung der Hormonrezeptoren erlaubt eine genauere Definition und Unterteilung eines Tumors in molekulare Subtypen. Das ist sowohl für die Diagnose als auch für die Therapie von größter Bedeutung. Informationen zur Früherkennung von Brustkrebs finden Sie in unserer Schulung “Krebsfrüherkennung“.
Therapeutische Konsequenzen bei Vorliegen von Hormonrezeptoren
Das Vorliegen von Hormonrezeptoren bedeutet, dass ein Tumor auf Hormone reagiert. In den meisten Fällen tut er dies im Sinne von Zellwachstum und Zellteilung. Er wird durch das Hormon also zur Vergrößerung angeregt, vor allem durch Östrogene, zum Teil auch durch Gestagene.
Diesen Umstand kann man sich durch eine Antihormon-Therapie zu Nutze machen. Sie blockiert die Hormone und deren wachstumsfördernde Wirkung. Antihormone werden als Tabletten oder Injektionen gegeben und sind in der Regel verträglicher als eine Chemotherapie.
Prinzipiell bestehen dabei zwei Möglichkeiten:
Medikamente, die die körpereigene Bildung von Geschlechtshormonen unterdrücken
- Aromatasehemmer hemmen das Enzym Aromatase, welches in Geweben außerhalb der Eierstöcke Östrogen produziert. Sie werden nach den Wechseljahren und bei metastasiertem Brustkrebs eingesetzt.
- GnRH-Analoga sind einem Hormon synthetisch nachempfunden, das die Freisetzung von Geschlechtshormonen anregt. Sie stören die Hormonproduktion in den Eierstöcken und kommen vor allem bei jüngeren Frauen vor den Wechseljahren zum Einsatz.
Medikamente, die Hormonrezeptoren blockieren
Sie blockieren vor allem Östrogen-Rezeptoren und werden als unterstützende Therapie nach einer Tumoroperation oder bei fortgeschrittenem Brustkrebs eingesetzt.
Wussten Sie schon
Etwa 75 bis 80 Prozent der Mammakarzinome sind hormonrezeptor-positiv und sprechen möglicherweise auf eine Antihormon-Therapie an. Diese kann eine Chemotherapie ersetzen oder aber die Zeit bis zu einer notwendig werdenden Chemotherapie erheblich verlängern.
PP-AL-AT-0042 | Geprüft Priv.-Doz. Dr. Michael Hubalek: Stand 12.12.2018