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Kurs Polyneuropathie bei Krebs verstehen: Lektion 6 von 7

Erfahrungsbericht eines Patienten

Das Fachwissen von ÄrztInnen und anderen ExpertInnen ist wichtig für das Verständnis der eigenen Erkrankung. Doch von Zeit zu Zeit können nur Erfahrungsberichte von anderen Betroffenen dabei helfen, dass man sich verstanden und nicht ganz so allein gelassen fühlt.

Bei Mag. Franz Urbanich trat im Rahmen der Behandlung des Multiplen Myeloms eine Polyneuropathie auf. Im folgenden Video erzählt er Ihnen von seinen eigenen Erfahrungen mit dieser Nebenwirkung der Krebstherapie.

Video Transkript

Wie haben Sie die Hochdosischemo im Rahmen Ihrer Myelom-Behandlung vertragen?

Die habe ich relativ gut vertragen. Also das ist recht flott gegangen. Es waren keine Komplikationen da. Es sind nur Schmerzen aufgetreten, die teils dann immer heftiger wurden. Betroffen waren davon das linke Bein von oberhalb des Knies weg bis in die Zehenspitzen und auch der linke Arm. Das rechte Bein war weniger betroffen. Es war auch betroffen, aber es war weniger betroffen. Und diese Schmerzen sind dann im Zuge der Hochdosis-Chemo doch sehr stark geworden, so dass ich da ganz schöne Sachen mitgemacht habe.

Wann sind bei Ihnen die ersten Schmerzen aufgetreten?

Sie sind eigentlich schon während der Induktionstherapie auch schon aufgetreten, also schon vor der Hochdosis-Chemo. Und wir hatten zuerst geglaubt… Also ich habe vor der Hochdosis-Chemo eine Bestrahlung bekommen im linken Oberschenkel. Und ich war also auch der Meinung, diese Schmerzen kämen vorerst einmal von dieser Bestrahlung her. Wir waren uns eigentlich niemand sicher, woher das dann wirklich kommt. Zuerst also war auch da sogar von einer Ärztin der Verdacht, dass hier bei der Bestrahlung etwas schiefgelaufen sein könnte.

Wie haben die Beschwerden bei Ihnen begonnen?

Die haben begonnen mit Empfindungsstörungen: Der Fuß, das Bein ist immer schwerer geworden. Der Vorfuß wurde immer unbeweglicher, weniger steuerbar von mir selbst. Dadurch, dass ich Ausdauersportler war, war ich immer gewohnt: Den Fuß, das Bein kann ich durch meine Gedanken relativ gut steuern. Immer, wenn ich also Schwierigkeiten hatte im Sport, dann wusste ich: Mein Kopf sagt jetzt: „Bein, Fuß, du machst was ich will!“ Und das funktionierte immer weniger. Der Fuß wurde immer schwerer, das Bein wurde immer schwerer, und auch immer weniger steuerbar von mir. Es traten Gleichgewichtsstörungen auf. Der Bewegungsablauf wurde immer unrunder und immer schwieriger.

Welche Therapiemaßnahmen wurden bei Ihnen eingesetzt?

Maßnahmen sind zuerst einmal mit Schmerztherapie, also mit Vital eingeleitet worden. Dann haben wir versucht, das mit Physiotherapie noch während der Hochdosis-Chemo, während der Zeit, wo ich im Krankenhaus gelegen bin, haben wir schon angefangen mit Physiotherapie, auch mit Stromtherapie. Hat aber in punkto Beweglichkeit nicht das bewirkt, was wir uns erhofft haben. Die Schmerzen sind etwas besser geworden, aber von der Beweglichkeit her hat sich nicht viel geändert. Wir haben also dann diese physikalische Therapie weiter gemacht. Wir haben Übungen gemacht und ich bin selbst noch im Krankenhaus auf dem Hometrainer gesessen, um das Bein zu kräftigen, um das Bein in Bewegung zu halten. Aber das hat nicht wirklich geholfen. Es hat immer wieder geholfen: Bewegung gegen den Schmerz. Das war immer positiv. Aber gegen die Beweglichkeit selbst hat es eigentlich nicht geholfen.

Wie hat sich die Polyneuropathie während der Erhaltungstherapie entwickelt?

Sind nicht weniger geworden. Sie sind so wellenförmig besser geworden, und es gab dann immer wieder Rückschläge. Besser geworden ist es immer dann, wenn ich etwas Neues probiert habe. Sei es, dass wir in der physikalischen Therapie etwas geändert haben, sei es, dass ich in meinen Aktivitäten etwas geändert habe, also dass ich versucht habe, schneller zu gehen, zu walken und selbst auch Stromtherapie gemacht habe. Das hat immer eine Zeitlang funktioniert. Und dann hat sich, wie wenn sich der Fuß daran gewöhnt hätte, dann war es wieder weg, dann war der Effekt wieder weg. Und ich musste wieder Neues versuchen. Ich habe da immer wieder auch Anstöße bekommen durch Rehabilitations-Aufenthalte, wo ich neue Anstöße mitgenommen habe, wo sie etwas Neues versucht haben. Das hat dann immer wieder so wellenförmige Besserungen gebracht.

Wo sollte man Ihrer Erfahrung nach die eigenen Grenzen ziehen und akzeptieren?

Für mich als Sportler, als ehemaligen Sportler sage ich mal jetzt, ist das sehr schwer zu beantworten, weil ich immer wieder versuche, an die Grenzen zu gehen. Ich habe zum Beispiel im Zuge dieser Bewegungstherapie, die ich mir selber auferlegt habe, immer wieder versucht zu laufen. Immer wieder fehlgeschlagen. Ich bin immer wieder gestürzt, was also wirklich zu Verletzungen geführt hat. Es war einmal ein Bruch der Kniescheibe sogar dabei. Ich habe aber auch in diesen Situationen nicht aufgegeben. Ich habe da Gips bekommen, fünf Wochen, aber ich glaube ich bin nach einigen Tagen mit diesem Gips auf dem Hometrainer gesessen. Ich habe Stromtherapien überall nur angelegt an dem Bein, wo ich nur konnte und wo ich noch einen Zugang hatte, um die Muskeln ein bisschen in Bewegung zu halten, um die Nerven zu stimulieren, um hier ja nicht in einen Stillstand zu geraten. Denn der Stillstand, das Nichtstun, war und ist auch heute immer noch der größte Feind. Das merke ich, selbst wenn ich mich am Abend, wenn ich ein bisschen Ruhe gebe und ich lege mich hin, auf die Couch oder so, die Füße hochlagern, und ich merke, wie das Kribbeln, wie das Zusammenziehen der Nerven wieder kommt und dass nach einiger Zeit — ich muss Bewegung machen, sonst funktioniert das alles nicht, sonst hilft das nichts mehr. Da kann ich Medikamente nehmen was ich will, das kommt dann immer wieder.

Wie haben sich die neuropathischen Probleme seit der Beendigung der Erhaltungstherapie entwickelt?

Es ist besser geworden. Der Schmerz ist besser geworden. Ich kann also die Dosis der Medikamente herabsetzen oder konnte sie herabsetzen. Momentan bin ich wieder auf einem Level, wo ich sage: Den behalte ich jetzt einmal für eine Zeitlang bei. Aber die Tendenz ist rückläufig. Allerdings muss ich sagen: Das Wetter hilft mir. Wärme ist nämlich immer der beste Stimulator für mich. Und auch die Möglichkeit, mich in der freien Natur zu bewegen. Das bewegt für mich auch sehr viel. Und das hilft. Das hilft im Ganzen. Allerdings die Beweglichkeit vom Vorfuß her, da hat sich nicht viel geändert. Da ist nicht viel weitergegangen.

Welche Empfehlungen haben Sie für andere PatientInnen mit Polyneuropathie?

Das Wichtigste wäre, dass man hier einen Willen entwickelt, um dagegen anzukämpfen. Am Schwierigsten ist es, ich habe es glaube ich schon erwähnt, dass man nichts tut. Das beschleunigt und verstärkt diese Polyneuropathie enorm. Es ist immer wichtig, sich abzulenken und dagegen anzukämpfen, dass es hier überhaupt Schwierigkeiten gibt. Und alles anzunehmen und darauf zu achten: Was hilft mir? Das können in verschiedenen Stadien ganz verschiedene Dinge sein, oft Kleinigkeiten, die hier helfen, wenn auch nur eine Zeit lang, und dann wieder etwas Neues probieren. Immer wieder gegen diese Nerven, gegen einen Stillstand der Behandlung ankämpfen. Auch Neues probieren. Neues probieren. Ganz einfach.

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