10. Behandlung von Morbus Waldenström – alle Fragen

Morbus Waldenström ist eine selten, aber gut behandelbare Erkrankung. Assoc. Prof. Priv.-Doz. DDr. Philipp Staber, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie, beantwortet in einem Video-Interview viele Fragen rund um die Behandlung von Morbus Waldenström. Es werden Vorteile und auch Nebenwirkungen von Chemotherapie, Immuntherapie und Therapie mit niedermolekularen Inhibitoren besprochen. Erfahren Sie weiters was „Watch and Wait“ im Therapiebereich bedeutet und was Sie selbst zur Therapie beitragen können.

Behandlungsmöglichkeiten von Morbus Waldenström

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Morbus Waldenström?

Therapeutisch haben wir bei Morbus Waldenström zwei verschiedene Möglichkeiten, zum einen klassisch die Chemotherapie, vor allem Rituximab und Bendamustin. Zum anderen gibt es seit fünf Jahren eine zielgerichtete Therapie, hier vor allem die BTK-Inhibitoren.

Was ist eine Kombinationstherapie und warum werden bei Morbus Waldenström Therapien häufig kombiniert?

Wir kombinieren sehr gerne Therapien, nicht nur bei Morbus Waldenström, sondern bei vielen hämatologischen Neoplasien, weil wir verschiedene Ansatzpunkte ausnutzen wollen. So ist zum Beispiel ein Krankheitsmerkmal oder ein Merkmal der Tumorzellen bei Morbus Waldenström, dass sie das Merkmal CD20 tragen. Deshalb ist der Einsatz eines Anti-CD20 Antikörpers in den meisten Fällen sinnvoll.

Dieser Antikörper kann zum einen mit Chemotherapie, mit Proteasomen-Inhibitoren oder auch zielgerichteten BTK-Inhibitoren kombiniert werden. Das hat durchaus Vorteile für unsere Patienten, wie es sich teilweise auch deutlich in den Studien zeigt.

Ist Morbus Waldenström heilbar?

Morbus Waldenström ist eine hervorragend behandelbare Erkrankung und das verbessert sowohl die Prognose der Lebensqualität als auch die Lebenserwartung. Patienten mit Morbus Waldenström müssen keine eingeschränkte Lebenserwartung haben. Heilbar ist Morbus Waldenström mit dem momentanen therapeutischen Maßnahmen jedoch nicht, das ist auch nicht unser Therapieziel.

Denn dies würde eine kurative Therapiesetzung und eine radikalere Therapie beanspruchen und das passt nicht in das Gesamtsetting dieser Erkrankung. Man darf nicht vergessen, dass das mittlere Erkrankungsalter zwischen 72 und 75 Jahren liegt. Zu aggressive Therapien schaden unseren Patienten daher eher, als dass sie einen Nutzen bringen.

Was ist das Ziel der Behandlung bei Morbus Waldenström?

Das Ziel, wie bei anderen Erkrankungen ebenso ist, dass es unseren Patienten besser geht. Wichtig ist eine Linderung der Symptome, ein Verhindern der Erkrankungsprogression und eine Verbesserung der Lebensqualität und Lebenserwartung.

Wie schnell nach Diagnose sollte die Behandlung beginnen?

Die Therapie von einem Morbus Waldenström-Patienten oder einer -Patientin erfolgt oft erst Jahre nach der Diagnose. Meist erst dann, wenn wirklich Symptome und Beschwerden auftreten.

Eine der klassischen Behandlungsindikationen ist, wenn beispielsweise die normale Blutbildung eingeschränkt ist, es zu einem symptomatischen Abfall der roten Blutkörperchen oder der Blutplättchen kommt. Dann haben Patienten tatsächlich einen signifikanten Vorteil, wenn wir mit einer Therapie beginnen.

Morbus Waldenström hat jedoch eine vielgestaltige Symptomatik, das kann von einem Hyperviskositätssyndrom bis zu anderen Beschwerden, wie Nachtschweiß und Gewichtsverlust führen. Diese Beschwerden sind durchaus auch eine Indikation, um eine Therapie zu starten.

Woran erkennt man, ob die Behandlung wirkt?

In erster Linie erkennt man, dass die Behandlung wirkt, daran, dass es unseren Patientinnen und Patienten besser geht. Das heißt, dass sich die Beschwerden und Symptome, die uns dazu gebracht haben eine Therapie einzuleiten, wieder bessern.

Welche Ziele kann ich mir für die Therapie setzen?

Aus Sicht der Patienten ist es wichtig, dass die Therapie zu mir passt. Das heißt, ich muss sie gut vertragen, die Therapie muss sich mit meinen weiteren Medikamenten gut vertragen und sie muss in meinen Lifestyle integrierbar sein. Die Therapie sollte mich keinem zusätzlichen Risiko aussetzen, beispielsweise wie wir jetzt die Covid-19 Pandemie erleben.

Hier geht es zum Video-Interview: „Behandlungsmöglichkeiten von Morbus Waldenström“

Die passende Therapie

Wie wird entschieden, welche Therapie die richtige für mich ist?

Die Therapieentscheidungen treffen Sie gemeinsam mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Dabei geht es vor allem darum, dass wir schauen, welche weiteren Erkrankungen oder Risiken bei Ihnen vorliegen. Es wird auch kontrolliert, ob Sie Komorbiditäten, also Begleiterkrankungen haben, ob Sie eine begleitende Medikation einnehmen und dass wir die Therapie dahingehend anpassen.

Welche Informationen sind für die Entscheidung relevant und was sollte ich der Ärztin/dem Arzt unbedingt mitteilen?

Es ist sehr wichtig, die Vorerkrankungen, die Begleiterkrankungen und die Begleitmedikation zu kennen. Darüber hinaus ist wichtig, was Ihre besonderen Vorlieben sind oder welche Therapien Ihnen eher zusagen, beispielsweise eine zeitlich begrenzte Therapie oder eine Dauertherapie. Das sind alles wichtige Themen, die Sie ausführlich mit der Ärztin oder dem Arzt besprechen sollten.

Was kann ich als PatientIn bei der Therapiewahl mitentscheiden?

Die Therapie ist für Sie und Sie wählen die Therapie. Daher ist es unsere Aufgabe, Ihnen die Möglichkeiten so nahe zu bringen, dass Sie eine informierte Entscheidung treffen können.

Welche Fragen sollte ich vor Beginn der Behandlung mit meiner Ärztin/meinem Arzt klären?

Es ist wichtig zu wissen und auch vorab schon ein bisschen zu wissen, welche Nebenwirkungen mit einer bestimmten Therapie verbunden sind. Dann kann man eventuell auch schon Vorkehrungen treffen und abschätzen, ob man dieses Risiko eingehen möchte.

Worauf sollte ich während der Therapie achten, mich meiner Ärztin/meinem Arzt mitzuteilen?

Ja, es ist sehr wichtig, dass sie darauf achten, welche Nebenwirkungen auftreten. Was ist ungewöhnlich? Gibt es neue Hauterscheinungen, die auftreten oder irgendwelche Ungewöhnlichkeiten, die Sie an sich so noch nicht bemerkt haben? Teilen Sie diese bitte möglichst rasch Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt mit.

Wann sollte ich unbedingt eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen?

Sie suchen am besten dann Ihre Ärztin oder Ihren Arzt auf, wenn Ihnen die Situation nicht mehr geheuer vorkommt. Im Grunde hat man oft ein Gespür dafür, wenn etwas ungewöhnlich ist.

Dazu zählen beispielsweise Blutungen, wie längeres Nasenbluten, dass sich nicht leicht stoppen lässt. Das kann beispielsweise unter einem BTK-Inhibitor auftreten. Auch bei ausgeprägten neuen Flecken, Unregelmäßigkeiten im Herzschlag und Herzstolpern sollten Sie unmittelbar Kontakt mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin aufnehmen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Die passende Therapie“

Watch and Wait bei Morbus Waldenström

Was versteht man unter der “Watch and Wait” Strategie?

Morbus Waldenström braucht zum Zeitpunkt der Diagnose meist noch keine Therapie. Es ist dann normal, dass wir Patienten nur beobachten. “Watch and Wait” heißt warten und beobachten. Wir schauen und machen Laborbestimmungen, um zu schauen, ob die Erkrankung progredient ist, also zunimmt und ob Sie als Patient in absehbarer Zeit von einer Therapie profitieren würden.

Es ist eine Zeit, in der Patienten eventuell etwas ungeduldig werden, weil sie das Gefühl haben, dass nichts passiert und hinterfragt wird, ob das Warten überhaupt sinnvoll ist. Es ist jedoch eine sehr sinnvolle Zeit, denn wir warten auf den richtigen Zeitpunkt, zu dem Sie tatsächlich von einer therapeutischen Intervention profitieren würden.

Wann wird “Watch and Wait” empfohlen?

“Watch and Wait” wird für Patienten empfohlen, die noch keine ausgeprägte Symptomatik haben. Das sind Patienten, die auch noch keiner Therapie bedürfen.

Wann wird die “Watch and Wait” Strategie beendet und mit einer Behandlung begonnen?

Der Übergang von der “Watch and Wait” Phase in die Phase, in der wir eine Therapie empfehlen, ist ein gradueller. Wir besprechen dann mit dem Patienten, wenn wir sehen, dass die Erkrankung progredient wird und wir uns auf eine Therapieeinleitung vorbereiten.

Die „Watch and Wait“ Phase ist auch ein Vorteil für unsere Patienten, denn therapeutisch entwickelt sich viel und wir haben mit jedem Jahr neue therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung. Diese werden zu diesem Zeitpunkt mit unseren Patienten besprochen.

Was kann ich als PatientIn während “Watch and Wait” beitragen?

Die Phase des “Watch and Wait” ist oft eine unnötig belastende Zeit. Es ist eine Phase, in der manche Patienten das Gefühl haben, dass nichts passiert und die Erkrankung unaufhaltsam voranschreitet. So ganz ist das aber nicht, denn das Charakteristikum des Morbus Waldenströms ist, dass er nur langsam progredient ist und diese Progression nicht unbedingt in eine Komplikation führt.

Daher haben wir wirklich Zeit, uns in Stellung zu bringen und diese Zeit können wir nutzen, um uns beispielsweise auf Impfungen vorzubereiten und Impfungen durchzuführen, die nach stattgefundener Therapie eventuell nicht mehr so gut funktionieren würden.

Mit dem Gewinn der Zeit steht uns oft ein weiteres Spektrum an therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung. Das heißt Therapien, die nicht unmittelbar notwendig sind, sind ein Vorteil und die gewonnene Zeit auch ein Vorteil für unsere Patienten.

Hier geht es zum Video-Interview: „Watch and Wait bei Morbus Waldenström“

Chemotherapie bei Morbus Waldenström

Was ist eine Chemotherapie und wie wirkt sie?

Die Chemotherapie sind chemische Substanzen, die in erster Linie sich teilende Zellen abtöten können. Dieses Prinzip nutzt man bei der Bekämpfung von Krebserkrankungen aus.

Wann kommt eine Chemotherapie bei Morbus Waldenström in Frage?

Wenn der Morbus Waldenström eine Behandlungsindikation aufweist, also symptomatisch ist und wir uns eine Therapieeinleitung überlegen, dann hat klassischerweise eine Immunchemotherapie, die Kombination einer Immuntherapie mit einer Chemotherapie den Vorrang. Gerade diese Kombination, beispielsweise Rituximab und Bendamustin haben bei Morbus Waldenström besonders tiefe Remissionen und lange Ansprechzeiten gezeigt.

Wie läuft eine Chemotherapie ab?

Bei Morbus Waldenström werden die meisten Immunchemotherapien und Chemotherapien in einem ambulanten, tagesstationären Setting durchgeführt. Nach der ambulanten Kontrolle und der Blutbildkontrolle wird die Therapie an einer Tagesklinik verabreicht. Die Patienten dürfen über Nacht wieder nach Hause gehen.

Bei einer Therapie mit der Kombination aus Rituximab und Bendamustin, kann es sein, dass sich die Therapie über zwei oder drei Tage zieht. Es wird an zwei Tagen Bendamustin verabreicht und Rituximab an einem entweder separaten Tag oder zumindest an einem Tag, an dem auch Bendamustin verabreicht wird.

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Die häufigste akute Nebenwirkung ist das Auftreten von Übelkeit. Es gibt aber sehr effektive Antiemetika, sodass Sie diese als Patient nicht spüren. Eine zweiten Nebenwirkung ist, dass Ihnen die Haare ausfallen können.

Eine weitere Nebenwirkung sind die Infektionskomplikationen. Durch den Einsatz der Chemotherapie kommt es zu einer vorübergehenden Reduktion der gesunden Blutzellen, vor allem der weißen Blutzellen. So kann eine Neigung zu bakterielle Infektionen entstehen.

Vor allem in Zeiten der Virus-Pandemie haben wir gesehen, dass wir in der Kombination von einer Anti-CD20 Rituximab Immuntherapie mit Bendamustin, das ja auch sehr T-Zell toxisch ist, eine sehr große Vulnerabilität gegenüber Viruserkrankungen haben.

Was sollte ich als Patient beachten?

Nach oder unter der Chemotherapie ist es besonders wichtig, auf bestimmte Zeichen rasch zu reagieren. Eines davon ist das Auftreten von Fieber. Das ist der Hinweis dafür, dass sich eine Infektion bildet, hier muss man mitunter oft schnell mit dem Einleiten der antibiotischen Therapie sein. Natürlich immer parallel oder gefolgt von einer ausreichenden Diagnostik, um den richtigen Erreger schnell zu erkennen.

Hier geht es zum Video-Interview: „Chemotherapie bei Morbus Waldenström“

Immuntherapie bei Morbus Waldenström

Was ist eine Immuntherapie bzw. Antikörpertherapie und wie wirkt sie?

Eine Immuntherapie ist der Einsatz von immunologischen Werkzeugen und das ist in der Klinik vor allem der Einsatz von Antikörpertherapien. Bei Morbus Waldenström ist in erster Linie ein Antikörper zugelassen und etabliert, der Anti-CD20 Antikörper Rituximab.

Wann kommt eine Immuntherapie bei Morbus Waldenström in Frage?

Eine Immuntherapie, bei Morbus Waldenström in erster Linie der Einsatz von Anti-CD20 Antikörpern, wie Rituximab, kommt in so gut wie jeder Therapielinie in Frage. Beispielsweise in Kombination mit einer Chemotherapie, wie Bendamustin, aber auch bei bestimmten Subtypen von Morbus Waldenström oder in der Kombination mit dem BTK-Inhibitor Ibrutinib.

Wie läuft eine Immuntherapie ab?

Eine Immuntherapie wird in erster Linie als Infusion tagesstationär verabreicht. Bei Rituximab, sofern die Verträglichkeit gut ist, kann auch eine subkutane Verabreichung erfolgen.

Welche Nebenwirkungen können auftreten und was kann man dagegen tun?

Bei der Immuntherapien, der Antikörpertherapie, handelt es sich um eine Eiweiß-Therapie. In den meisten Fällen enthält diese einen kleinen, aber doch fremden Eiweißanteil. Darauf kann der Patient allergisch reagieren.

Diese Reaktionen können zum Teil sehr heftig sein. Deshalb werden die Patienten in den meisten Fällen zumindest bei den ersten Zyklen entsprechend mit einem Antihistaminikum und einem Antiphlogistikum vormediziert.

Was sollte ich als PatientIn beachten?

Während einer Immuntherapie sind die Nebenwirkungen eher rasch zu erwarten. Das bedeutet, dass das Auftreten der Nebenwirkungen noch im Setting der ambulanten Verabreichung, während des Aufenthaltes, zu erwarten ist.

Man sollte sich für diesen Tag nicht unbedingt viel vornehmen und kein Kraftfahrzeug zur Klinik steuern. Durch das Antihistaminikum, das zuvor verabreicht wird, ist Ihre Verkehrstauglichkeit deutlich eingeschränkt.

Hier geht es zum Video-Interview: „Immuntherapie bei Morbus Waldenström“

Therapie mit niedermolekularen Inhibitoren

Was sind niedermolekulare Inhibitoren und wie wirken sie?

Niedermolekulare Inhibitoren sind zielgerichtete Therapien, die spezifische Signalwege in einer Lymphomzelle, in einer Waldenström Zelle blockieren und inaktivieren können.

Wann kommen niedermolekulare Inhibitoren bei Morbus Waldenström in Frage?

Niedermolekulare Inhibitoren sind schon ab der ersten Linie bei Morbus Waldenström zugelassen. Vor allem für Patienten, die keine Immunchemotherapie bekommen sollten, weil sie beispielsweise einen zu eingeschränkten Allgemeinzustand haben.

Es kann aber auch sein, wie beispielsweise in der aktuellen Zeit der Covid-19 Pandemie, dass der Einsatz einer Immunchemotherapie für die Patienten von Nachteil wäre. Denn sie wären einem zu großen Risiko ausgesetzt, schwer an einer Covid-19 Infektion zu erkranken.

Es macht auch bei fitteren Patienten durchaus Sinn, niedermolekulare Inhibitoren und BTK-Inhibitoren, wie das Ibrutinib oder das Zanubrutinib bereits in einer frühen Therapielinien, der ersten Linie, einzusetzen.

Wie läuft eine Therapie mit niedermolekularen Inhibitoren ab?

Die Therapien mit niedermolekularen Inhibitoren, die für Morbus Waldenström zugelassen sind, heißen Ibrutinib und Zanubrutinib. Es sind orale Dauertherapien, also Medikamente zum Schlucken. Wenn man diese Therapie beginnt, müssen die Medikamente dauerhaft eingenommen werden, ähnlich wie ein Antihypertensivum.

Welche Nebenwirkungen können auftreten und was kann man dagegen tun?

Bei den BTK-Inhibitoren, wie dem Erstgenerations-BTK-Inhibitor treten einige Nebenwirkungen auf, die wir von der Chemotherapie nicht kannten. Eine sehr unangenehme Nebenwirkung ist das Auftreten von Vorhofflimmern. Diese ist relativ häufig und kann bei 20% der Patienten auftreten.

Man darf jedoch nicht vergessen, dass Patienten in dem Alter, in dem sie behandelt werden müssen, auch ohne Morbus Waldenström und BTK-Inhibitoren eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben, pro Jahr ein Vorhofflimmern zu entwickeln. Unter dem therapeutischen Einsatz von Ibrutinib ist die Wahrscheinlichkeit jedoch höher, die 20% stellen eine signifikante Größe dar.

Andere Nebenwirkungen sind das Auftreten von Gelenkbeschwerden, die fast rheumatoide Beschwerdebilder entwickeln können. Ein weiterer unangenehmer Effekt beim Einsatz von BTK-Inhibitoren ist das Auftreten von leichten Blutungen. Das ist ein Defekt der Thrombozyten, der auftreten kann. Die Patienten neigen leichter zu blauen Flecken und wenn man genauer auf die Finger oder die Zwischenhäutchen schaut, kann man Gefäßzeichnungen erkennen. Im Englischen nennt man diese auch “Bruising”, sie sehen fast wie leichte Schürfungen aus.

Es hat sich gezeigt, dass gerade die Kombination dieser Nebenwirkungen, die Störungen der Blutgerinnung, die Blutplättchenfunktion und das Auftreten von Vorhofflimmern eine besonders ungünstige Kombination sind. Das Auftreten von Vorhofflimmern muss prophylaktisch mit einer Antikoagulation, einer Blutverdünnung, therapiert werden, damit keine Schlaganfälle auftreten. Das bedeutet, dass Patienten, die zusätzlich mit einer Antikoagulation behandelt werden, ein gesteigertes Blutungsrisiko haben.

Was sollte ich als Patient beachten?

Bei der Therapie mit niedermolekularen Inhibitoren ist die regelmäßige Einnahme des Medikaments wichtig. Sie müssen eine Routine entwickeln, wann sie das Medikament einnehmen. Sollten Sie es vergessen, das hängt natürlich vom Präparat ab, besprechen Sie dies am besten mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.

Hier geht es zum Video-Interview: „Therapie mit niedermolekularen Inhibitoren“

Plasmapherese

Wann wird bei Morbus Waldenström eine Plasmapherese durchgeführt?

Eine Komplikation von Morbus Waldenström ist, dass die Dickflüssigkeit des Blutes, die Plasmaviskosität, durch den zu hohen Paraproteinanteil, stark zunimmt. Wenn diese Serumviskosität symptomatisch wird, muss man zu einem symptomatischen Therapieschritt, der Plasmapherese schreiten und das Bluteiweiß mit einem Waschschritt herauswaschen.

Die Plasmapherese ist aber kein kausaler Therapieansatz, hinsichtlich des Morbus Waldenströms. Es reicht nicht aus, diese Erkrankung mit der Plasmapherese zu kontrollieren oder zu therapieren. Es handelt sich um einen einmaligen oder zweimaligen, kurzfristigen therapeutischen Ansatz.

Was ist eine Plasmapherese und wie läuft sie ab?

Bei der Plasmapherese wird das Paraprotein, das Bluteiweiß, das beim Morbus Waldenström erhöht sein kann, in einem sogenannten Waschschritt herausgewaschen. Die Plasmapherese wird durchgeführt, sobald die Serumviskosität symptomatisch ist.

Sie läuft so ab, dass zwei venöse Zugänge zum Patienten gelegt werden, meistens an den Armen, sofern die Patienten gute Venen haben. Auf der einen Seite wird das venöse Blut abgenommen und auf der anderen Seite wieder zugeführt. Dazwischen ist die Maschine eingeschaltet, die das Eiweiß herausfiltert, ähnlich einer Dialyse.

Welche Nebenwirkungen können auftreten und was kann man dagegen tun?

Unter einer Plasmapherese kann es durchaus vorkommen, dass mit dem Herauswaschen des vielen Eiweißes auch bestimmte Blutsalze, hier vor allem das Kalzium, entfernt oder zumindest reduziert wird.

Den Verlust des Kalziums kann man als Patienten durchaus spüren, wie ein Kribbeln bis hin zu einem Krampfen. Auf diese Zeichen des Kribbelns und das bamstige Gefühl sollte schnell reagiert werden. Teilen Sie es Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin mit, sodass Ihnen eventuell Kalzium zugeführt werden kann.

Hier geht es zum Video-Interview: „Plasmapherese“

Mein Beitrag zum Therapieerfolg

Was kann ich selbst tun, um die Behandlung zu unterstützen?

Wie immer ist es sehr wichtig, dass Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt ein gutes Vertrauensverhältnis haben. Wichtig ist auch eine gute Möglichkeit der Rücksprache, damit die Therapie entsprechend Ihren Bedürfnissen, der Nebenwirkungen und der Wirkungen angepasst werden kann.

Wie häufig gibt es während der Therapie Kontrolltermine?

Die Kontrolltermine richten sich natürlich stark nach der Therapie, die Sie erhalten. Bei einer oralen Dauertherapie mit einer zielgerichteten, niedermolekularen Inhibitor-Therapie, mit einem Ibrutinib oder Zanubrutinib, ist vor allem anfänglich eine intensivere Kontrollphase wichtig.

Diese führt man eine oder zwei Wochen nach dem Einleiten durch, es folgt eine Blutbildkontrolle und ein klinischer Check nach Symptomen oder Nebenwirkungen. Wichtig ist auch das Gespräch mit der Patientin und dem Patienten. Daraufhin kann man die Intervalle immer weiter ausdehnen, zum Beispiel auf einmal im Monat, schlussendlich auf einmal alle drei Monate.

Welche Kontrolluntersuchungen sind nach Abschluss der Therapie vorgesehen?

Eine Therapie mit einer niedermolekularen Inhibitorsubstanz ist eine Dauertherapie. Die Therapie wird also nicht abgeschlossen, sondern man hat ein Vertrauensverhältnis zu seiner Ärztin oder seinem Arzt und die Therapie wird fortgeführt. Man kann diese Intervalle von drei Monaten, wenn das mit den Nebenwirkungen und der Wirkung gut passt, eigentlich beibehalten.

Bei diesen Therapien handelt es sich durchaus um kostspielige Substanzen. Hier geht es auch von Seiten des Kostenträgers darum, dass ein Facharzt den Fortschritt der Therapie kontrolliert, ob die Therapie für die Patientin und den Patienten tatsächlich noch sinnvoll ist.

Wie könnte sich ein Rückfall bemerkbar machen?

Ein Rückfall von einem Morbus Waldenström kündigt sich schon oft langsam im Vorfeld an. Beispielsweise beginnt das Paraprotein wieder zu steigen. Symptome, die auch vielleicht schon initial da waren, wie zum Beispiel das ein Abfall des Hämoglobins, also des roten Blutbildes, werden wieder stärker.

Der Abfall des Blutbildes kann aber auch eine Nebenwirkung des Medikaments oder der therapeutischen Intervention sein. Deshalb ist die Interpretation und Beurteilung durch Ihre Ärztin oder Ihren Arzt sehr wichtig.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei einem Rückfall oder wenn die Ersttherapie nicht wirkt?

Die gute Nachricht für Patienten mit Morbus Waldenström ist, dass wir viele therapeutische Möglichkeiten haben und das, obwohl es sich um eine seltene Erkrankung handelt. Wir haben Immunchemotherapie und niedermolekulare Inhibitoren der ersten und zweiten Generation zur Verfügung. Wir haben Proteasomen-Inhibitoren die zwar nicht zugelassen, aber wirksam sind und die wir auch verschreiben können und nicht zuletzt die Immuntherapien zur Verfügung.

Wir haben eine Pipeline von neuen Substanzen, die schon in Phase-zwei, teilweise sogar in Phase-drei Studien getestet werden. Das bedeutet, dass es für die zukünftige Versorgung unserer Patienten mit Morbus Waldenström sehr gut aussieht.

Hier geht es zum Video-Interview: „Mein Beitrag zum Therapieerfolg“

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Assoc. Prof. Priv.-Doz. DDr. Philipp Staber: Stand Oktober 2022 | Quellen und Bildnachweis
Die Kurse sind kein Ersatz für das persönliche Gespräch mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, sondern ein Beitrag dazu, PatientInnen und Angehörige zu stärken und die Arzt-Patienten-Kommunikation zu erleichtern.